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Kapitel 30.2

Vermutlich hasste seine Mutter sie jetzt auch noch, nur weil er sie angesehen hatte. Was konnte sie denn dafür, wenn er ihr Aufmerksamkeit schenkte? Sie wollte diese Beachtung überhaupt nicht!

Sie glaubte zu hören, wie der Highlord den Ablauf des Tages erklärte und eigentlich hätte sie zuhören müssen, doch Lauras Blick, der sich deutlich grinsend in sie bohrte, machte alles nur noch schlimmer. Lilitha schluckte und beobachtete, wie die ersten, jungen Frauen sich im Kreis versammelten, um ihre Talente zur Schau zu stellen. Einige gingen sogar so weit, dass sie sich auszogen! Wie beschämend!

Laura lachte leise und gesellte sich wieder zu ihr. »Es gibt immer wieder einige, die es so versuchen. Aber vergebens. Er wird nur jemanden nehmen, der ihn beeindruckt. Der Harem ist sehr voll.«

Lilitha saß nur wie erstarrt da und beobachtete gerade, wie eine Frau sich vor dem Thron des Highlords räkelte und ihren entblößten Körper präsentierte. Die Rothaarige schluckte bei dem Gedanken, sich dermaßen preiszugeben. Ganz egal, wie verzweifelt sie war, das ging nun wirklich zu weit.

»Ich bin mir sicher, dein Körper kann sich auch dermaßen verrenken, wenn du erstmal in Ekstase bist«, hauchte Laura in ihr Ohr und war ihr bereits so nah, dass ihre Brüste Lilithas Oberarm berührten.

»Ich hatte nicht vor, etwas Derartiges zu tun«, murmelte sie und begann damit, ihr oberstes Kleid auszuziehen, um sich für den Tanz bereitzumachen. Dabei nutzte sie die anderen Frauen als Ablenkung und Schutzschild.

Sie kam nicht umhin, Lauras große Augen zu bemerken. Wobei sie sich einredete, dass sie so schaute, weil sie nicht wusste, woher Lilitha das Kleid hatte. Natürlich war das nicht der Fall, doch sie wollte sich jetzt nicht wegen Lauras anzüglichen Blicken verrückt machen.

Auch wenn die meisten abgelenkt waren, so spürte sie doch schon einige Blicke, die sich bei dem Klimpern ihres Kleides, zu ihr umwandten, mit dabei Chianas violette Augen, die sie ungläubig anstarrten.

Lilitha atmete tief durch. Gleich wäre sie mit den anderen Dienstmädchen an der Reihe. Es würde lustig werden, sie zu umtanzen. Zumindest versuchte sie, sich darauf zu konzentrieren.

Als sie sich erhob, packte sie ihre Kastagnetten und machte sich bereit. Dann beobachtete sie, wie sich die jungen Frauen zurückzogen und wartete, bis die ersten Dienstmädchen in Stellung waren, ehe sie folgte. Steigende Nervosität packte sie und alles, was Lilitha hoffte, war den Tanz zu beherrschen. Sie wollte aber auch nicht allzu viele Blicke auf sich ziehen. Doch das ließ sich wohl, inmitten einer Bühne, nicht vermeiden.

Die Rothaarige schluckte beunruhigt, als sie genau spürte, wie sich ein ganz bestimmter, dunkelbrauner Blick auf sie heftete, auch wenn sie nicht hinsah.

Die anderen Dienstmädchen begannen, also begann auch sie, indem sie leise und sanft ihre Kastagnetten klimpern ließ. Einer der Vögel begann im Takt mitzuträllern und vorsichtig bewegte sie ihren Körper zur Musik.

Es war ein Tanz, der die Natur und das Leben huldigte, aber auch die typischen vampirischen Verführungseigenschaften besaß. Das war wohl unumgänglich in ihrer Kultur, die auch jeder in Vampiren sah. Sie priesen ihre Reize an und lebten ihre Triebe frei und ohne Scham aus. Egal, ob Blut oder Sex. Dementsprechend erwarteten vermutlich auch alle im Harem, dass Lilitha diesem Leitbild entsprach. Doch das tat sie nicht. Dennoch würden die meisten vermutlich nach diesem Tanz und der reichlichen Aufmerksamkeit, die sie vom Highlord erhielt, dafür sorgen, dass sie anders über sie denken würden. Etwas, was Lilitha nicht gerade beruhigte. Aber das hier war nun einmal ein Schlangennest und egal wie gefährlich es hier war, es war besser als auf der Straße. Und weil sie wusste, dass es die Wahrscheinlichkeit gab, dass sie dorthin zurückgeschickt werden konnte, gab sie sich die größte Mühe.

Ihr Körper bewegte sich im Takt ihrer Instrumente und das Kleid schmeichelte ihren Bewegungen.

Einige der Dienstmädchen hatten sich zurückgezogen, um sie zu beobachten, doch Lilitha richtete ihren Blick nur auf den Highlord. Was dieser im Moment wohl über sie dachte? Sie hatte erwartet, er würde sie wieder mit diesem hungrigen Blick ansehen, mit diesem Kleid und bei diesen Bewegungen, doch er sah eher überrascht aus. Mitgerissen von ihrem Tanz und abgedriftet in eine ferne Realität, die Lilitha für ihn gestaltete.

Sie konnte spüren, wie er förmlich versuchte ihren Blick zu halten, doch immer wieder wirbelte sie herum und vollzog ihre einstudierten Bewegungen, sodass der Highlord quasi nach ihrem goldenen Augenpaar suchen musste. Lilitha hätte fast geschmunzelt bei dem verlorenen Blick, den er immer zeigte, sobald sich ihr Gesicht von seinem abwandte.

Schließlich endete der Tanz in einer Bewegung, die ihren Rock weit hochwirbeln ließ und somit alle Perlen auf einmal zum Klimpern brachte.

Sie sank in einer Art Verbeugung nach unten, senkte den Kopf kurz, ehe sie den Blick hob und den des Highlords einfing. Dann erhob sie sich und verschwand, nach Atem ringend, durch die Massen an Frauen wieder zu dem Sofa, wo Laura sie mit großen Augen anstarrte.

Am liebsten wäre Lilitha aus dem Saal verschwunden. Ihre selbstsicheren Schritte waren dahin und es blieb nur noch ein Rotschopf zurück, der sich unkoordiniert auf die Kissen sinken ließ und das Gesicht hinter seinen Haaren versteckte.

»Das war großartig! Hast du gesehen, wie er dich mit seinen Blicken ausgezogen hat?«, fragte Laura begeistert und wippte aufgeregt auf den Polstern auf und ab.

»Das war nicht Sinn und Zweck der Sache«, murmelte Lilitha leise. »Ich möchte zu den Grünen, nicht zu den Roten«, erklärte sie und fragte sich, was wohl war, wenn er sie doch zu den Roten steckte. Was sollte sie dann tun? Dann würde er sie immer rufen können und von ihr verlangen ... Schnell richtete sie ihre Aufmerksamkeit auf die restlichen Frauen, die dem Highlord ihre Aufwartung machten.

»Was redest du denn da? Du würdest dich perfekt bei uns machen! Wer weiß, vielleicht kann ich den Highlord ja überreden, uns beide mal zu sich zu holen«, flüsterte sie ihr euphorisch zu. »Leider macht er das auch nicht mehr, aber so angetan wie er von dir ist, wird er dir bestimmt keinen Wunsch abschlagen«, murmelte sie und beobachtete Lilithas Profil. Diese hatte ihren Kopf zu den Frauen gedreht, die sich anpriesen, um sie genau zu betrachten.

Lilitha vergrub ihren Kopf stöhnend in den Kissen. »Ich will nicht«, murmelte sie. Aber sie wusste, dass es wohl auf taube Ohren stieß. Laura schien zu wissen, was sie wollte und ihr war egal, ob Lilitha ebenso empfand.

Erneut vernahm sie Lauras unverkennbares Kichern, als diese ihr in die Seiten kniff. »Sag nicht nein zu einer Frucht, die du noch nicht gekostet hast«, flüsterte sie in Lilithas Ohr und zog die Rothaarige raus aus ihrer Abwehrhaltung. »Verbotene Früchte schmecken immer besser ... und nach dem Blick zu urteilen, den Chiana dir gerade zuwirft, ist der Highlord für dich mehr als verboten«, erklärte sie und lächelte der schwarzhaarigen Hexe provokant zu.

Lilitha seufzte genervt. Sie traute sich nicht, Chiana anzusehen.

Da erhob sich der Highlord, wahrscheinlich, um die Halsbänder zu verteilen. Doch bevor er etwas tat, ließ er Chiana zu sich rufen.

Sie trat zwar lächelnd auf ihn zu, um neben ihm ihren Platz zu finden, doch Lilitha sah ihr an, dass das alles für sie eine einzige Qual war. Was Lilitha durchaus verstehen konnte. Wer wäre schon froh, wenn der Mann, den man liebt, von Frauen, mit denen man zusammenlebt, schamlos bezirzt wurde.

Schluckend wandte sie sich mit dem Rücken zu ihm, wo er ihr das weiße Halsband abnahm. Vermutlich, damit er eine neue Favoritin bestimmen oder besser gesagt, dieselbe erneut erwählen konnte.

Mit einem letzten Blick zum Highlord wandte sich Chiana wieder ab und stellte sich zu den anderen Frauen zurück.

Nach und nach begann der Highlord Frauennamen aufzurufen und ihnen die neuen Halsbänder anzulegen. Lilitha hatte fast schon Angst, einen Herzinfarkt zu bekommen. »Lilitha«, rief er nun aus und sah sie direkt an. Sie fragte nicht mal, wie er sie so schnell in dem Gemenge hatte finden können, doch das war egal. Im Moment zählte nur die Farbe. Wie schon alle anderen Frauen vor ihr, trat sie nach vorne und kniete sich mit dem Rücken zum Highlord, damit er ihr ein noch unbekanntes Halsband anlegen konnte.

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