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Kapitel 3

»Komm«, sagte Chiana sanft und schob Lilitha in Richtung Ausgang. »Hör nicht auf sie. Sie will sich nur aufspielen.« Auch wenn Lilitha am liebsten geflüchtet wäre, so ließ sie sich dennoch von der Frau namens Chiana leiten. Hoffentlich lief sie nicht gerade einem Raubtier hinterher.

Wie eine Puppe ließ sich Lilitha durch einen Gang führen, an dessen Ende Tücher warteten, in die sich Chiana einwickelte. Dann nahm sie sich noch ein weiteres Handtuch und hielt es Lilitha entgegen.

»Ich bezweifle, dass du nackt in deine Räume möchtest«, war die mitleidige Feststellung, mit der sie ihr das Tuch entgegenhielt. Lilitha zuckte fast schon ergeben die Schultern, nahm das Tuch aber an.

»Ich bin nackt hierhergekommen. Wahrscheinlich hat mich sowieso schon jeder so gesehen«, bemerkte sie ergeben, wickelte sich aber dennoch in das Tuch ein. Hoffentlich bekam sie noch etwas anderes zum Anziehen. Sie war sich bewusst, dass sie noch nicht genügend Anzeichen einer Frau besaß, um Blicke auf sich zu ziehen, doch sie wusste nicht genau, ob es hier vielleicht doch den ein oder anderen gab, der sich für Kinder interessierte. Das hatte sie alles schon erlebt. Und jedes Mal, ließ auch nur der Gedanke, Übelkeit in ihr aufsteigen.

Chiana seufzte und schüttelte leicht den Kopf.

»Deine Räume sind neben den meinen und du bekommst eine Uniform von mir, die dich als meine Kammerzofe kennzeichnet. Morgen werde ich dich dem Highlord vorstellen und er wird dir das Halsband umlegen«, erklärte sie und Lilitha schluckte. Ein Halsband? Sie hatte nie erwähnt, dass sie auch eines bekommen würde. Galt sie dann als Dienstmädchen und erhielt ein Gelbes?

Chiana wartete jedoch nicht auf Lilithas verwirrten Blick, um sie aufzuklären, sondern lief einfach weiter. Eilig versuchte das rothaarige Mädchen mit ihr Schritt zu halten, um sie nicht in diesem Labyrinth an Gängen zu verlieren.

Chiana schwieg den restlichen Weg, bis sie vor einer Tür innehielt und diese öffnete. Sie selbst trat ein und schloss die Tür erst wieder, als Lilitha ebenfalls in den Raum geschritten war.

»Das hier ist dein Zimmer. Meines liegt genau neben deinem, es dürfte also nicht zu verfehlen sein. Bevor du schlafen gehst, musst du noch lernen, wie du dich gegenüber dem Highlord zu verhalten hast. Es ist sehr wichtig und du darfst dir keinerlei Fehler leisten. Verstanden?«, fragte sie nun eindringlich und unterzog Lilitha eines prüfenden Blickes. Diese war ein wenig überrumpelt, nickte aber. Chianas Blick machte sie nervös. Was würde geschehen, wenn sie Fehler machte? Wenn Chiana so direkt darauf einging, war es vermutlich nichts Angenehmes und Lilitha wollte es auf keinen Fall testen, weshalb sie ihre Ohren spitzte und Chiana nicht aus den Augen ließ, damit sie nichts verpasste. Sie wollte diese kleine Chance auf ein besseres Leben, nicht leichtfertig vergeuden.

»Aber als erstes«, sagte Chiana und trat auf einen Schrank zu, um diesen zu öffnen. Dann reichte sie Lilitha ein weißes, dünnes Stück Stoff. »Das ist das Unterkleid. Zieh es an«, befahl sie, ehe sie mit einem Korsett zu ihr kam. Es war so gefertigt, dass es die weiblichen Rundungen nicht zur Geltung brachte, sondern sie versteckte. Etwas, was alle Dienerinnen trugen, denn niemand wollte, dass die Dienstmädchen die Aufmerksamkeit des Highlords auf sich zogen. Lilitha nahm es entgegen und stellte sich ein wenig ungeschickt an, als sie versuchte, sich anzukleiden. Es war immerhin das erste Mal, dass sie allein ein solches Kleidungsstück anziehen sollte. Obwohl sie theoretisch wusste, wie es ging, gestaltete sich die Umsetzung jedoch nicht so leicht.

»Du wirst lernen, wie du es selbst anziehst«, kommentierte Chiana, ehe sie Lilitha dabei half, das Korsett richtig zu schnüren. Die Rothaarige keuchte auf, sagte aber nichts. Dann wurde ihr von der Schwarzhaarigen etwas gereicht, was einem Yukata ähnelte, in einem schlichten, unauffälligen Beige.

Mühsam zog sich Lilitha an. Ohne Korsett wäre diese Uniform sogar recht gemütlich. Eigentlich mochte sie Yukatas, doch in Kombination mit dem Unterkleid und dem Korsett fühlte es sich an, als würde sie jeden Moment ersticken. Allerdings konnte sie es nicht ändern, weshalb sie auf weitere Anweisungen wartete, nachdem sie fertig angezogen war.

»Morgen wirst du früh genug aufstehen, um mich bei Tagesanbruch fertig angekleidet zu wecken. Zu dieser Zeit sollte auch schon meine Garderobe für den Tag bereitliegen und auch Sachen wie erfrischende Öle und Farben für meinen Körper. Du wirst mich herrichten, wie ich es dir vormache. So wie du es ab morgen jeden Tag machen wirst«, erklärte sie und hielt mit Lilitha Augenkontakt, um sicherzugehen, dass sie ihr auch zuhörte. Lilitha erwiderte diesen, zeigte aber sonst keine Anzeichen von Nervosität. Damit kam sie klar. Das war nicht so schwierig.

»Sobald wir die Räume verlassen, wirst du dich stets mit gesenktem Blick, zwei Schritte hinter mir halten. Du wirst nicht sprechen, bis ich es dir gestatte, oder eine mir höhergestellte Person«, fügte sie hinzu und Lilitha bekam fast schon Kopfschmerzen von diesen zahlreichen Regeln, die auf sie einprasselten. Und es wurden nicht weniger. Wie sollte sie sich diese alle merken?

Chiana machte eine auffordernde Handbewegung und führte Lilitha schließlich in ihr Gemach. Es war ein Traum eines Zimmers. Das Bett war riesig und rund. Es dominierte den kompletten Raum und besaß halbdurchsichtige, weiße Vorhänge.

»Dies ist meine Garderobe«, erklärte Chiana und deutete auf einen begehbaren Kleiderschrank. »Dort findest du alles, was ich zum Ankleiden brauche. Aber jetzt zum wichtigsten Teil. Sobald du dem Highlord begegnest, wirst du dich sofort auf die Knie fallen lassen, die Hände auf den Boden legen und mit der Stirn den Boden berühren. Du wirst keinen Augenkontakt herstellen und du wirst ihn niemals ansehen. Verstanden?«, fragte die Schwarzhaarige und Lilitha schluckte, ehe sie nickte. »Gut, solltest du diese Regel brechen, wird man dich bestrafen.«

Lilithas Herz setzte einen Schlag aus. Hinrichtungen ... Bestrafungen ... wo war sie hier nur hineingeraten? Die letzten Adligen waren zwar auch nicht zimperlich gewesen, hatten sie aber mit Samthandschuhen angefasst, weil sie noch ein Kind war.

Und wie sollte sie sich all diese Regeln merken, für deren Nichteinhaltung sie bestraft wurde? Sie war doch überhaupt nicht dazu in der Lage. Das war ihrem Alter und ihrer Rasse geschuldet. Ihr Körper war einfach noch nicht in der Lage, so viele Informationen zu verarbeiten und umzusetzen!

»Machen wir einen Testlauf. Der Highlord kommt herein. Was tust du?«, forderte Chiana sie erwartungsvoll auf und rekonstruierte die Schritte, die der Herrscher machen würde, um sie Lilitha vorzuführen.

Diese kniete sich zu Boden, was in den Sachen gar nicht so einfach war und senkte das Haupt, wie Chiana es beschrieben hatte. Natürlich hatte sie es nicht vorgemacht. Das würde man von einer Adligen auch nicht erwarten. Und als Favoritin des Highlords war sie eine Adlige.

Diese schüttelte den Kopf. »Viel zu langsam«, tadelte sie, ehe sie um Lilitha herumging und ihre generelle Haltung korrigierte. Lilitha schnappte dabei nicht nur einmal nach Luft, denn das Korsett machte die Haltung alles andere, als bequem. Doch vermutlich sollte sie das auch gar nicht sein.

»Hoch. Wir versuchen es noch einmal. Und solange der Highlord in deiner Sichtweite ist und dich niemand aufgefordert hat, dich zu erheben, wirst du so knien bleiben«, fügte Chiana hinzu und Lilitha folgte mühsam ihrem Befehl.

Mittlerweile hatte sich Chiana in einen Morgenmantel gehüllt, der aus durchsichtigem, dünnen Stoff bestand, als wäre es bloß ein Tuch im Wind.

Etliche Male versuchte es Lilitha. Immer und immer wieder, doch jedes Mal erntete sie nur ein Kopfschütteln seitens Chiana. Ihr schien keine einzige Verbeugung gut genug zu sein. Aber so wie sie versuchte dem Highlord zu imponieren, konnte Lilitha das fast nachvollziehen. Was nicht hieß, dass es ihr gefiel.

»Die Arme parallel zueinander und leicht angewinkelt. Dein Kinn muss an deinem Brustkorb liegen«, wiederholte sie und tippte mit einem geschlossenen Fächer auf die entsprechenden Zonen. Lilitha versuchte es sich zu merken, doch sicher war sie sich trotzdem nicht. Immerhin hatte sie kein Anschauungsmaterial, nach dem sie sich richten konnte. »Komm wieder hoch«, befahl Chiana und wartete, bis Lilitha ihrer Aufforderung Folge geleistet hatte.

Lilitha konnte sich kaum konzentrieren, da sie den Hunger immer deutlicher spürte. Dieses ständige Auf und Ab war überhaupt nicht hilfreich und sie hatte schon so lange nicht mehr richtig gegessen, dass sie bereits die ersten Auswirkungen spürte. Der Vorteil eines jungen Vampirs war die Tatsache, dass sie mehr normale Nahrung verdauen konnte, als ältere. Je älter ein Vampir wurde, desto weniger konnte er normale Nahrung zu sich nehmen und daraus Kraft ziehen. Doch die Kinder konnten sich rein von dieser ernähren. Erst, wenn die Geschlechtsreife einsetzte, musste sie in regelmäßigen Abständen Blut zu sich nehmen. Trotzdem blieb die Frage, ob sie hier überhaupt etwas zu essen bekommen würde. Selbstverständlich war das nämlich keinesfalls.

Die Rothaarige hörte sich gerade noch einmal an, wie sie es richtigmachen sollte, als die Tür geöffnet wurde.

Ein Mann in einem edlen Gewand trat ein. Gefolgt von einem etwas älteren Herren. Lilitha konnte nicht anders und richtete den Blick von Chiana auf den jungen, blonden Mann mit den leichten Locken. Lilitha hielt inne und starrte auf den Ersten, den sie in diesem Tempel zu Gesicht bekam. Sie bemerkte nicht einmal, wie Chiana, die vor ihr stand, ihr Haupt kaum merkbar senkte und sich wieder aufrichtete. Der Blick des Mannes blieb an Chiana hängen und schien Lilitha nicht einmal zu beachten.

»Highlord«, grüßte Chiana höflich und mit einem Ton in der Stimme, der deutlich machte, wie sehr sie diesen doch verehrte. 

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Was haltet ihr bisher so von Chiana?

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