Kapitel 23.1
Stumm folgte Lilitha ihm und als sie in die Gänge kamen, senkte sie den Blick.
Dabei fiel ihr eine Strähne über die Schultern und sie bemerkte, dass sie ihre Haare gar nicht geflochten und zu einem Zopf hochgebunden hatte, sondern sie nur locker geknotet hatte.
Untypisch für Dienstmädchen, aber jetzt war es ohnehin zu spät und es würde wohl auch niemandem auffallen, hoffte sie.
Der Highlord hatte es auch nicht angesprochen, also schien es für ihn in Ordnung zu sein.
Galten lange, offene Haare als attraktiv für ihn?
Chiana hatte lange Haare. Sie trug sie selten offen, aber das musste nichts heißen.
Im selben Augenblick waren sie auch schon wieder in dem bekannten Raum, der nur für Diener gedacht war, als er sich auch schon einen Umhang umwarf.
»Hast du heute etwa wieder frei?«, fragte er nun und griff nach einem Tuch, das wie ein Schleier sein Gesicht verhüllen würde.
Lilitha zuckte etwas. Daran hatte sie überhaupt nicht gedacht! Chiana wartete eigentlich auf sie. Aber sie war viel lieber mit dem Highlord unterwegs. Außerdem würde Chiana wohl nichts sagen, wenn sie ihr sagte, sie wäre beim Highlord gewesen, oder?
»Nicht direkt«, murmelte Lilitha ausweichend, während sie sich einen der Umhänge nahm.
Der Mann lächelte, als er sich die Kapuze über den Kopf zog und seinen Schleier über sein Gesicht.
»Ich könnte ihr erzählen, dass du bei mir geschlafen hast«, bot er an, als würde er ihr damit einen Gefallen tun. Doch das Gegenteil war der Fall, was er auch wusste.
Lilitha seufzte. »Dessen ist sie sich sowieso schon bewusst«, murmelte sie und zog ihr Tuch ebenfalls vor ihr Gesicht. »Wenn ich so weitermache, wird sie glauben, dass ich ihr ihren Platz streitig machen möchte und dann wird sie mich verschwinden lassen, genauso wie ihr letztes Dienstmädchen«, murmelte Lilitha, wirkte dabei aber fast schon schicksalsergeben. Sie hatte sich damit abgefunden, dass sie diesen Tanz lernen würde und hoffentlich gut genug war, dass der Highlord sie hochstufte. Ansonsten würde sie wohl den Palast räumen müssen.
»Willst du das denn?«, fragte er und Lilitha konnte deutlich das Lächeln in seiner Stimme vernehmen.
Meinte Chiana das mit spielen? Sie aufziehen?
Lilitha wusste es nicht. Womöglich dachte er ja wirklich, sie hätte Interesse an ihm. Er stieß die Tür auf und ließ die kühle Spätherbstluft hinein, ehe sie sich auf den Weg machten.
»Nein, aber wie Ihr mir bereits erklärt habt, habe ich nur die Möglichkeit hier zu bleiben, wenn ich mich in das Schlangennest werfe und versuche eine höhere Position zu erringen«, sagte sie leise, während ihre Augen die Umgebung betrachteten und sie die frische Luft langsam einsog und genoss.
»Verstehe«, antwortete er leise, als sie das große Tor ansteuerten, aus welchem gerade eine Kutsche kam. »Und welche Farbe ist es, die dich anzieht?«, fragte er, als sie den Weg betraten.
»Im Grunde keine. Aber grün und blau wären in Ordnung«, sagte sie schulterzuckend. »Wahrscheinlich eher grün, da ich Euch zumindest mit meinen Massagen unterhalten kann. Als Gelehrte würde ich wohl nichts taugen«, murmelte sie und beobachtete die Menschen um sich herum.
»Ja, die Grünen ... sind im Harem sehr präsent. Nicht so sehr wie die Roten, aber gleich danach«, erklärte er, während sein Blick in die Ferne ging.
Ob er wohl noch immer an seiner damaligen Favoritin hing?
Lilitha wusste nicht einmal, wer genau sie gewesen war.
»Würdet Ihr mir eine Frage erlauben, Mylord?«, wollte Lilitha leise wissen und sah sich um, ob auch niemand in der Nähe war, der sie hören konnte. Noch waren sie nicht in der Stadt, daher war alles ruhig.
»Natürlich«, erlaubte er ihr und wandte ihr seinen Blick zu. Gespannt musterte er sie und schien nicht ganz zu wissen, was sie nun fragen wollte.
»Euer Harem scheint Euch, so wie er ist, keine Freude zu bereiten. Es wirkt eher so, als würde er Euch Ärger machen. Warum also unterhaltet Ihr ihn weiter so und ändert ihn nicht?«, fragte sie leise.
»Es ist Tradition«, war die einfache, nüchterne Antwort, die er ihr gab. Seine Augen dagegen schienen eher unerfreut, als dass er wirklich vom Herzen diese Tradition aufrechterhielt.
Es stimmte, es war eine Tradition, doch er war der Herrscher und konnte diese somit auch leicht absetzen.
»Das heißt aber nicht, dass Ihr die internen Regeln nicht ändern dürft«, murmelte Lilitha leise, die sich dem ziemlich sicher war. Immerhin war er der Herrscher. »Es gibt sicher eine Möglichkeit, damit Ihr Euch in Eurem Harem wohler fühlt, ohne die gesamte Tradition zu ändern«, beharrte sie murmelnd.
Er lachte leise und senkte den Blick ein wenig.
»Was schlägst du vor? Ich hab bereits die Halsbänder eingeführt, damit sie untereinander wenigstens sowas wie Freunde finden können«, erklärte er, doch er verzog ein wenig das Gesicht bei dieser Idee, die wohl schiefgegangen war.
»Eine sehr gute Idee«, sagte Lilitha nachdenklich. »Was mir allerdings Sorgen macht, ist eher die Tatsache, dass es zu viele rote Halsbänder gibt, obwohl Ihr kein Interesse an ihnen zu haben scheint. Sie sind schnell gelangweilt, wenn Ihr sie nicht zu Euch rufen lasst«, erklärte Lilitha. »Vielleicht solltet Ihr Euch überlegen, ob es nicht sinnvoller wäre, innerhalb der Roten auch noch eine Hierarchie einzubauen, damit sie wissen, wo ihr Platz ist und nicht ständig versuchen, sich gegenseitig zu übertrumpfen oder sich versuchen, die Augen auszukratzen, weil ihr mit einer mehr Zeit verbracht habt als mit einer anderen. Niemand zwingt Euch überhaupt Zeit mit ihnen zu verbringen. Vielleicht solltet Ihr ihnen dies noch einmal erläutern. Viele scheinen es nicht zu verstehen«, murmelte die Rothaarige leise.
»Würde das nicht zu noch mehr Konkurrenz führen?«, fragte er ein wenig skeptisch und zog Lilitha ein Stück zu sich, da eine Kutsche hinter ihnen vorbeiwollte.
Diese wurde ein wenig rot von der plötzlichen Nähe und löste sich wieder, als es ihr möglich war.
»Das kann man vorher nie genau sagen. Vielleicht sorgt es auch dafür, dass Ihr weniger Ärger habt«, murmelte sie. »Oder Ihr überlegt Euch, Eure Favoritin ebenfalls wegzulassen und nur noch eine Stufe unter den Roten zu behalten«, fügte sie hinzu und spielte ein wenig mit ihrer roten Strähne.
Der Blonde schmunzelte, was Lilitha jedoch dank des Tuches nicht sehen konnte. »Was denkst du, wie Chiana reagieren würde?«, fragte er, als langsam die Dächer der Stadt am Fuß des Gipfels hinausragten.
»Sie ist total in Euch vernarrt. Sie wäre unglaublich wütend«, sagte Lilitha ehrlich und nahm die Betriebsamkeit in sich auf, die in der Stadt herrschte. »Aber eigentlich glaubt sie, sie wäre aufgrund ihres Status etwas Besseres. Ich habe allerdings nicht das Gefühl, dass sie Euch noch die Freude bereitet, die sie sollte.«
Der Highlord antwortete nicht direkt, sondern schritt nachdenklich an Lilithas Seite den letzten Weg entlang, der in die Stadt führte.
»Also ... denkst du, dass Chiana den Posten nicht verdient?«, fragte er jetzt ein wenig neugierig nach, als hätte er nicht erwartet, dass Lilitha so zu ihr stand.
»Sie liebt Euch von ganzem Herzen«, versicherte Lilitha. »Sie würde Euch sicherlich guttun, wenn Ihr sie an Euch heranlassen würdet. Aber ich habe nicht das Gefühl, dass Ihr Euch in ihrer Nähe so wohlfühlt, wie Ihr es müsstet. Aber vielleicht verstehe ich es auch nicht, weil ich Euch noch nie mit einer anderen Frau gesehen habe«, murmelte Lilitha leise und hielt sich dicht an dem Herrscher.
Wie erwartet schlugen sie denselben Weg ein wie letztes Mal und passierten erneut den Obststand, an dem er wieder stehenblieb.
Scheinbar grübelnd, sah er sich das frische Obst an und begutachtete einige Pfirsiche.
»Ich hab sie damals nur zu meiner Favoritin gemacht, weil ...«, er brach ab und seufzte, als er sich auch schon das Tuch herunterzog, während er Lilitha einen Pfirsich reichte und sich selbst einen zwischen die Zähne schob, ehe er den Mann bezahlte.
Lilitha nahm den Pfirsich entgegen, zog das Tuch herunter und biss genüsslich hinein, ehe sie einen wohligen Laut von sich gab. Pfirsiche waren neben Erdbeeren ihre liebsten Früchte, weil sie so süß und saftig waren.
Der Highlord drehte sich weg und lief weiter.
Lilitha folgte ihm. Obwohl sie neugierig war, traute sie sich dennoch nicht zu fragen. Wenn er es ihr erzählen wollte, würde er es schon tun.
»Sagen wir einfach ... sie war anders als andere«, schloss er seinen Satz ab und biss in die Frucht.
Flüchtig schielte Lilitha zu ihrem Herrn, wie sie ihn in der Stadt ansprach, und bemerkte, dass er beim Laufen auf seine Füße sah. Etwas, was er noch nie getan hatte. Jedenfalls nicht in ihrer Gegenwart.
»Und nun ist sie es nicht mehr«, mutmaßte Lilitha, da er davon in der Vergangenheit gesprochen hatte. »Was hat sie denn so anders gemacht? Vielleicht verbirgt sich das nur irgendwo tief in ihr?«, fragte Lilitha und klang ein wenig hoffnungsvoll.
Sie wusste, dass es dem Highlord guttun würde, wenn er wieder mehr Gefallen an Chiana finden würde und Chiana war so sehr verliebt, dass sich Lilitha auch für sie Glück wünschte.
Er seufzte und hob wieder den Blick, um diesen von Lilitha abzuwenden.
War ihm das unangenehm?
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