Kapitel 22.1
Blinzelnd, weil ihm die Sonne ins Gesicht schien, öffnete der Highlord die Augen. Er fühlte sich entspannt und erholt. Besser, als die letzten Wochen, sogar Monate, nach einer Audienz.
Vermutlich hätte er aufstehen und Sergej nach den heutigen Plänen fragen sollen. Wenn er Glück hatte, würde er heute freihaben und wieder in die Stadt gehen können. Auch wenn das eher unwahrscheinlich war. Dennoch blieb er, anstatt aufzustehen, weiter in die weiche Decke eingewickelt und zog Chiana dichter zu sich.
Chiana ... nein, er war sich sicher, sie gestern verabschiedet zu haben, bevor ...
Ein wenig verschlafen rieb er sich über die braunen Augen und entdeckte kirschrotes Haar neben sich.
Er blinzelte, als er die blasse Haut entdeckte und das feine Gesicht, das noch immer eine kindliche Rundung aufwies, aber schon zeigte, was für eine schöne Frau sich bald aus ihr entwickeln würde.
Noch verschlafen versuchte der Highlord zu rekonstruieren, was gestern passiert war und warum er Lilitha hier in seinem Bett und in seinen Armen hielt.
Er war weder betrunken gewesen, noch hatte er andere Rauschmittel genommen.
Vermutlich war es einfach die Erschöpfung gewesen, die ihn so umgehauen hatte. Aber er hatte doch nicht Lilitha ... nein, sie war noch zu unerfahren. Auch wenn sie nicht mehr wirklich so aussah. Doch ihren Gedanken zufolge schien sie sich eher vor ihm zu fürchten, als ihn zu begehren, wie es sonst bei anderen der Fall war.
Flüchtig blickte er an ihr herab, doch zu seinem Erleichtern war sie noch voll bekleidet. In der grausamen Uniform, die Chiana ihr verschrieben hatte.
Chiana hatte bisher immer einen sehr guten Geschmack an den Tag gelegt, doch in diesem Falle schien sie es absichtlich nicht getan zu haben.
Wahrscheinlich, weil ihr letztes Dienstmädchen ihm zu nahe getreten war. Es war schön gewesen, aber leider viel zu aufdringlich.
Lilitha hingegen hatte etwas an sich, das seine Beschützerinstinkte weckte. Eine Abwechslung in diesem doch recht tristen Alltag seines Zuhauses.
Sie verkörperte alles, was hier nicht reinpasste. Vielleicht war es ja das, was sie so erfrischend und neu wirken ließ?
Er verstand nicht einmal, wieso Lilitha hier so zufrieden war, besonders mit ihrer Stellung. Vielleicht hätte er sie einfach in der Stadt lassen und Chiana ein neues Kammermädchen besorgen sollen. Allerdings wollte er Lilitha auch nicht irgendwo aussetzen. Diese konnte ja scheinbar nirgendwohin.
Im Harem war sie wenigstens sicher ... zum Teil.
Vermutlich hatte er sowieso schon die Aufmerksamkeit der anderen Frauen auf sie gelenkt, weil er sie ständig zu sich rief. Ein Teufelskreis, den Lilitha ausbaden musste.
Es war leider sehr wahrscheinlich, dass die Frauen glaubten, dass er Interesse an ihr hatte. Was auch der Fall war, nur eben nicht so, wie diese wohl annahmen. Oder vielleicht doch?
Er wusste es nicht mit Sicherheit.
Sie war unglaublich gut darin, ihn zu massieren und ihre Gabe war dafür wirklich perfekt. Außerdem schien sie Spaß daran zu haben, sich um andere zu kümmern. Eine sehr seltene Eigenschaft. Gerade unter Vampiren.
Ein wirklich außergewöhnliches Mädchen. Nur nicht wirklich sein Typ.
Wobei er bisher auch nur einen Typ kannte. Er hatte selten eine Frau im Harem gesehen, die sich ihm verweigert hatte oder einfach nur neutral ihm gegenüber war. Sie schienen alle schon genau zu wissen, was sie wollten und auch die Wege zu kennen, wie sie diese Ziele erreichen konnten.
Würde er diese Ziele nicht kennen, wäre hier vermutlich bereits alles in Anarchie ausgebrochen.
Vielleicht war das auch der Grund, warum er Lilitha für eine interessante Begleitung hielt.
Sie war anders und neu. Ein neues, interessantes Spielzeug, das mit Sicherheit auch irgendwann nicht mehr interessant und neu sein würde.
Doch der Highlord hatte gelernt, dass es wichtig war, neue Eindrücke zu sammeln und vor allem zu schätzen.
Wenn man so alt werden konnte, wie Vampire, lief man schnell Gefahr abzustumpfen und nur noch Gefallen in Extremen zu finden.
Das passierte leider häufiger, als es der Fall sein sollte.
Lilitha schien immer noch zu schlafen, was merkwürdig war, denn ihr Arbeitstag hätte schon längst anfangen sollen. Hoffentlich würde Chiana nicht nach ihr suchen. Sie schien nicht mehr ganz so abgeneigt von der Vampirin zu sein und er wollte es auch nicht wieder heraufbeschwören.
Er schluckte ein wenig überrascht über sich selbst, als ihm auffiel, dass er Lilitha schon eine ganze Weile beobachtet hatte. Ihr Brustkorb hob und senkte sich gleichmäßig und ihre langen Wimpern schützten ihre geschlossenen Augen. Vorsichtig strich er ihr eine rote Strähne aus dem Gesicht, die sich aus ihrem, inzwischen unordentlichen, Haarknoten verirrt hatte.
Diese Geste sorgte dafür, dass sich die Lippen der Rothaarigen ein wenig bewegten. Sie öffnete leicht den Mund, den sie vorher geschlossen hatte und ihre Augenlider begannen sich zu bewegen, ehe sie sich ein Stück drehte, als wolle sie sich von dem Licht wegdrehen.
»Hm«, gab sie leise murmelnd von sich, als sie ihren Kopf gegen seine Brust schmiegte.
Wahrscheinlich versuchte sie sich vor dem angebrochenen Morgen zu verstecken.
Er schmunzelte bei dieser niedlichen Geste, die allerdings in Anbetracht der Tatsachen wohl doch recht unangebracht war.
Etwas, was ihn inzwischen nicht mehr interessierte.
Was war unangebracht, was erlaubt ... ermüdend und irrelevant.
Er fiel schließlich nicht über sie her und riss ihr die Klamotten vom Leib. Und so lange er es ihr gestattete, durfte sie tun, was sie wollte.
Also rutschte er ein wenig dichter an sie heran, um sie an sich zu ziehen und ihr Gesicht vor dem Licht zu schützen.
Entspannt schloss er die Augen und genoss die Morgenruhe. Ein wenig Schlaf würde ihr und auch ihm guttun. Auch wenn er sich sicher war, dass er jetzt nicht mehr einschlafen konnte.
Dazu war er sich zu deutlich dem kleinen, faszinierenden Geschöpf in seinen Armen bewusst, das jetzt munter zu werden schien, denn ihr Herzschlag änderte sich und auch ihr Atem ging anders.
Er spürte durch ihre langen Wimpern, wie sie die Augen aufschlug und ihr kurz der Atem stockte. Doch sie bewegte sich nicht.
Er schmunzelte amüsiert, als er ihre Reaktion bemerkte. Sie schien wirklich mehr als unbeholfen und überfordert mit der Situation zu sein.
Sie gab sich stets Mühe, alle Regeln zu befolgen und sich keinen Fehltritt zu leisten.
Vermutlich dachte sie jetzt schon wieder, er würde sie köpfen lassen, nur weil sie hier lag.
An sich würde er es unterhaltsam finden, zu sehen, wie sie reagieren würde, wenn er so tat, als würde er schlafen. Doch die Wahrscheinlichkeit war sehr hoch, dass sie einfach so liegen bleiben würde, bis er aufwachte.
Lilitha gab ein Seufzen von sich und schmiegte sich noch mehr an die Wärmequelle. Warum auch nicht? Sie lagen nun einmal hier und daran konnte sie jetzt ohnehin nichts mehr ändern. Warum es nicht einfach genießen?
Ein wenig überrascht über diese Reaktion, holte der Highlord tief Luft und spielte mit dem Gedanken, einen Blick in ihre Gedanken zu werfen.
Bis jetzt hatte er dort nur Ängste gesehen, doch nun wirkte sie nicht mehr so zurückhaltend und paranoid.
Er glaubte nicht daran, dass sie schon ihren Reifeprozess überwunden hatte ... oder vielleicht doch? Der Winter würde bald beginnen und sie sagte bereits, dass es im Winter so weit sein würde.
Er war einfach zu neugierig, um diese Tür geschlossen zu lassen und konzentrierte sich darum auf Lilithas Geist.
Das Erste, was er bemerkte, war die Tatsache, dass sie sich geborgen fühlte und es genoss, so dazuliegen. Ihr gingen zwar noch immer die Dinge durch den Kopf, welche die Frauen ihr gesagt hatten, doch es schien sie nicht zu interessieren. Zumindest im Moment nicht. Dennoch begann sie sich langsam Gedanken darüber zu machen, ob Chiana schon wach war und ob sie ihr Fehlen bemerkt hatte. Und ihre Gedanken kreisten darum, was von ihr erwartet wurde.
»Ich hoffe, dass dieser Welpenschutz noch eine Weile glaubhaft wirkt. Aber was, wenn das nicht klappt?«, hörte er ihre Stimme fast schon panisch und sie verspannte sich sichtlich in seinen Armen.
»Ich bin nicht bereit dazu. Aber ich werde ihm keinen Wunsch abschlagen können«, dachte sie zögerlich. »Ob es ein Mittel gibt, mit dem es mir möglich ist, meine Reife zu verzögern? Bestimmt. Man kann sie ja auch beschleunigen«, dachte sie und entspannte sich etwas. »Ich will kein Spielzeug sein.«
Spielzeug?
Vielen lieben Dank fürs lesen. Wir würden uns sehr über Rückmeldungen in Form von Votes und Kommentaren freuen.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro