Kapitel 18.2
»Wenn ich in den Gängen unterwegs bin, dann sehe ich ihn mehrere Male am Tag«, erklärte Lilitha leise. »Manchmal kann ich ihn aus den Fenstern beobachten. Er ist fast immer allein. Begleitet von Dienstmädchen, doch nie mit Vertrauten. Nur sehr selten sucht er Gesellschaft und auch dann habe ich nicht das Gefühl, dass er diese an sich heranlässt«, versuchte sich Lilitha zaghaft zu erklären.
»Er ist nun einmal vielbeschäftigt.« Es war Chianas Versuch, sich sein distanziertes Verhalten zu erklären. Jedoch nicht wirklich effektiv. Sie schien selbst nicht so genau zu wissen, wo der Grund dafür lag. »Er ruft schließlich auch selten jemanden zu sich. Im Gegensatz zu allen anderen Herrschern vor ihm«, murmelte sie fast schon enttäuscht.
»Das kann ich verstehen. Er ist noch nicht so lange an der Macht und hat noch immer viele Feinde. Niemand kann ihm garantieren, dass alle seine Haremsfrauen loyal sind«, murmelte Lilitha und begann damit Chianas Haare auszuspülen.
Die Favoritin kicherte leise, aber belustigt.
»Ich denke nicht, dass das ein Problem für ihn darstellt, Verräter zu entlarven«, antwortete die Hexe und legte den Kopf in den Nacken.
Lilitha spülte die Haare gewissenhaft aus und tupfte sie schließlich mit einem Handtuch trocken.
Dabei erinnerte sie sich daran, dass er sie über Nacht an das Bett gebunden hatte, weil er ihr nicht vertraute.
»Wie meint Ihr das, Mistress?«, fragte sie neugierig. Doch diese schüttelte nur abwehrend den Kopf.
»Ach nichts. Mach dir keinen Kopf. Er wird dich nicht hinrichten lassen, falls du das befürchtest«, erklärte sie und meinte damit wohl wieder das Thema mit dem Schwerttraining.
Wenn das das einzige Problem gewesen wäre, wäre sie auch gar nicht so nervös.
Lilitha war sich sicher, dass noch irgendwas auf sie zukam. Immerhin war sie selbst für den Harem eine Gefahr. Daher konnte er es eigentlich nicht zulassen, dass sie so nahen Kontakt zu seinen Frauen hatte.
Es gab für sie genug Möglichkeiten, den Highlord zu töten, ohne an ihn heranzukommen.
»Wieso nicht?«, wollte Lilitha leise wissen. Vielleicht konnte ihr Chiana mehr über den Herrscher erzählen.
»Weil er einfach nicht so ist. Und abgesehen davon, sieht er uns nicht als seinen Besitz, obwohl wir das eigentlich sind. Ist dir schon mal aufgefallen, dass er immer sagt der Harem und nicht mein Harem? Ich habe ihn einmal darauf angesprochen«, erklärte sie und drehte die nassen Haare zusammen zu einem Knoten, um ihn mit Haarnadeln an ihrem Kopf zu befestigen.
»Nein, das ist mir nicht aufgefallen, so oft war ich noch nicht in seiner Gegenwart, wenn er gesprochen hat«, sagte Lilitha leise. Eine glatte Lüge. Natürlich hatte er oft mit ihr gesprochen. Aber aufgefallen war es ihr wirklich nicht. Aber jetzt, wo sie darüber nachdachte, hatte Chiana recht.
Er hatte sie nie als seine Frauen bezeichnet.
»Irgendwann wirst du es bestimmt noch merken. Er bezeichnet nicht mal mich als seine Favoritin, sondern immer als die Favoritin.« Chiana erhob sich von ihrem Hocker, als Lilitha auch schon mit dem Morgenmantel zu ihr eilte und sie sich zurück zu den Räumen der Hexe begaben. »Als ich ihn jedoch darauf angesprochen hatte, sagte er nur: Ich sei doch die Favoritin. Doch ich konnte ihm ansehen, dass er wusste, was ich damit meinte. Eingehen wollte er aber trotzdem nicht darauf.«
Dieses Verhalten hatte auch Lilitha bemerkt. Es war ein wenig seltsam. Aber eigentlich auch verständlich. Dem Highlord schien dieses Thema nicht nur unangenehm zu sein, sondern auch Schmerzen zu bereiten. Daher wies er es immer wieder von sich.
»Was habt Ihr heute geplant, Mistress?«, wollte Lilitha leise wissen. Ihre Gedanken waren schon wieder dabei abzuschweifen und sie wollte versuchen, diese im Hier und Jetzt bei Chiana zu belassen.
»Ich weiß nicht«, gestand die Schwarzhaarige schulterzuckend und ließ sich vor ihrem Schminktisch nieder, auf dem auch der Armreif lag, den der Highlord ihr geschenkt hatte.
Langsam griff sie danach und rieb mit dem Daumen über den leuchtenden Rubin. »Ich hatte gehofft, dass mich der Highlord mit zur Audienz nimmt. Doch, das ist wohl eher unwahrscheinlich«, erklärte sie und legte das Schmuckstück zurück in sein Kästchen.
Lilitha öffnete Chianas Haarknoten, damit sie die Haare trocknen und frisieren konnte.
»So eine Audienz ist sicherlich keine leichte Angelegenheit«, murmelte sie und erinnerte sich wieder zurück an den gestrigen Abend und daran, was der Highlord ihr gesagt hatte. »Vielleicht möchte er Euch und die anderen nicht solchen Strapazen aussetzen?«
Chiana nickte ein wenig abwesend.
»Er hat mich früher einige Male mitgenommen, jedoch eher, weil ihm langweilig war. Jedes Mal war er immer kurz davor einen Wutausbruch zu bekommen«, kicherte sie leise bei dieser Erinnerung und sah durch den Spiegel hinweg zu Lilitha. »Er ist nicht sonderlich geduldig, wenn ihm langweilig ist oder er gestresst ist.«
Diese Erklärung verblüffte sie. Hatte er nicht gesagt, dass er seine Haremsfrauen diesem nicht aussetzen wollte? Interessant, dass er dennoch Chiana mitgenommen hatte.
»Ich kann mir vorstellen, dass er häufig gestresst ist.«
Abwesend griff Chiana zu den kleinen Glasflaschen, die ihre Parfüms enthielten und roch an jedem, während sie langsam nickte.
»Ja, häufig, aber nicht immer«, verbesserte sie sich selbst nochmals. »Ich denke, er hat sich in den letzten Jahren verändert. Zu der Zeit, bevor ich seine Favoritin war, hat er sehr oft Zeit mit mir verbracht. Na ja, mit mir und mit seiner damaligen Favoritin«, ergänzte sie ein wenig widerwillig.
»Ich kann mir vorstellen, dass das Leben eines Herrschers nicht sonderlich leicht ist. Vielleicht ist es ihm zu eintönig? Immerhin ist er ja ständig hier im Palast. Vielleicht solltet Ihr einmal etwas tun, was Ihr vorher nicht getan habt? Damit er sieht, dass Ihr sehr interessant seid?«, wollte Lilitha leise wissen und bürstete Chianas schwarze Haare mit einer Geduld, die selbst Chiana auffiel.
»Ich wüsste nicht was«, gestand die Hexe und ließ eines der Fläschchen vor ihr stehen, welches sie wohl heute tragen wollte. »Ich bin direkt zu den roten Halsbändern gekommen«, fügte sie ein wenig widerwillig hinzu, als wäre sie schon damals für nichts Besseres zu gebrauchen gewesen.
Lilitha grübelte ein wenig.
Ob er mit Chiana auch schon mal außerhalb der Mauern gewesen war?
»Ich bin mir sicher, dass Ihr noch andere Talente habt, Mistress«, meinte Lilitha und hoffte, dass dieser vielleicht etwas einfallen würde. »Ich denke Favoritin zu sein, bedeutet, dass man ihn nicht nur im Bett unterhalten kann, sondern auch ein angenehmer Gesprächspartner ist, mit dem man seine Zeit verbringen möchte«, murmelte sie und begann damit Chianas Haare zu einer aufwändigen Frisur zu stecken.
»Hm«, machte diese nachdenklich und senkte die Lider ein wenig. »Ich war schon immer sehr begabt in Sachen Magie«, gestand sie, doch sie schien mit der Antwort selbst nicht wirklich zufrieden zu sein. »Das könnte jedoch eher sein Misstrauen wecken. Und ich denke nicht, dass ich mich damit beliebter machen könnte. Ich habe eher darauf gesetzt, dass ich die Erste sein würde, die ihm einen Sohn schenkt, doch dazu müsste er mich erstmal wieder in seine Nähe lassen.«
Lilitha hielt in ihrer Bewegung inne, ehe sie leise meinte: »Ich kenne mich mit Kräutern und Tränken aus. Es gibt einige Tränke, die dafür sorgen, dass eine Empfängnis wahrscheinlicher wird.«
Chiana schlug die Augen auf und blickte durch den Spiegel zu Lilitha, die hinter ihr stand.
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