Kapitel 16.2
Auch wenn die Bibliothek recht groß war, so fiel ihr direkt auf, dass viele Frauen hier waren. Die blauen Halsbänder, die für die Gelehrten und Schreiber standen.
Sie beachteten Lilitha fast gar nicht, sondern gingen nur ihren Tätigkeiten nach.
Doch das eigentlich beeindruckende waren die unsagbar hohen Bücherregale, welche sich Reihe um Reihe vor der Vampirin auftürmten. Dieser Ort musste ein herrlicher Quell des Wissens sein.
Weiter in der Mitte, in der eine große Sitzfläche mit Kissen und allen möglichen Polstern war, hörte sie Gelächter und Gerede. Vermutlich hatten sich dort einige Frauen versammelt.
Lilitha reagierte nicht weiter darauf.
Sie nahm sich ein Buch über Kräuter und ließ sich nieder.
Allerdings konnte sie sich kaum darauf konzentrieren zu lesen, denn sie vernahm immer wieder die Stimmen der anderen Frauen.
Diese sprachen über ein Fest, das Lilithas Neugierde weckte.
Sie war schon seit Ewigkeiten nicht mehr auf einem Fest gewesen und es klang so, als wären auch die Diener dazu eingeladen. Doch wieso hatte sie davon noch nichts gehört, wenn dem so war?
»Ich frage mich, wen der Lord dieses Mal hochstuft«, sagte eine der Frauen lachend.
»Die kleine Beth ist sehr begabt und würde uns sicherlich nützlich sein«, verkündete eine andere.
Anders als unter den roten Halsbändern, arbeiteten die blauen Halsbänder zusammen. Sie hatten nur ihre Forschungen im Kopf und wie sie damit dem Lord helfen und beistehen konnten.
Viele der Damen hier kannten sich noch besser mit Politik aus, als viele ahnten.
»Ich bin jedenfalls davon überzeugt, dass er Rya zu seiner neuen Favoritin macht. Ist euch nicht aufgefallen, dass Chiana nur noch zum Essen bei ihm ist? Da kann er sich auch eine von uns holen und richtige Gespräche führen«, mutmaßte eine weitere, die ein wenig abseits auf dem Rücken lag und andere Dinge im Kopf zu haben schien. Natürlich gab es immer wieder Vereinzelte, die sich nach einer anderen Stufe sehnten, als die, die sie hatten.
Was Lilitha durchaus nachvollziehen konnte.
Sie würde auch gerne die Privilegien einiger anderer Stufen haben. Als Gelehrte konnte sie den ganzen Tag nur schmökern, doch das war auf Dauer auch nichts für sie. Sie brauchte etwas zu tun.
Vielleicht sollte sie sich überlegen, ob sie es nicht darauf ankommen ließ und versuchte einen Platz bei den Grünen zu erhaschen. Der Highlord schien ihre Massagen zu schätzen.
Oder sie tanzte ihm etwas vor. Der Tanz ihres Clans war schon immer sehr beliebt gewesen.
Was Lilitha jedoch wusste, war, dass sie nicht zu den roten Halsbändern wollte.
Die Vorstellung, mit dem Highlord das Bett zu teilen, war zwar nicht so abstoßend, wie sie anfangs erwartet hatte, doch sie glaubte an die Liebe. Ihr Körper gehörte ihr und sie wollte selbst entscheiden, wem sie diesen Körper schenkte.
Sie spielte kurz mit dem Gedanken, die Frauen auf dieses besagte Fest anzusprechen, doch sie schienen so eingegliedert und vertraut untereinander, dass Lilitha diese Ordnung nicht stören wollte.
»Ich denke, ich werde dem Highlord an diesem Tag nicht die Ehre erweisen. Ich bin kein Freund davon, um Aufmerksamkeit zu betteln«, knirschte eine Frau mit violettem Haar und einem Buch auf ihrem Schoß. »Anwesenheit ist Pflicht«, mahnte sie eine andere, worauf die Violetthaarige den Blick argwöhnisch senkte.
Lilitha erkannte sie wieder, da sie ebenso neu war, wie sie selbst. Eine der Sklaven, welche die Händler mit ihr hergebracht hatten.
Trotz dieses Wissens traute sie sich nicht danach zu fragen. Wenn Anwesenheit Pflicht war, würde sie schon jemand darüber informieren.
Vielleicht sollte sie die Zeit bis dahin auch nutzen, um den Tanz ihrer Familie richtig zu lernen. In der Theorie beherrschte sie diesen. Aber eben nur in der Theorie.
Lilitha lauschte weiterhin gespannt den Frauen, doch diese unterhielten sich nur noch über andere Haremsfrauen und darüber, welche Geheimnisse diese verbargen.
Etwas, worüber Lilitha nicht unbedingt etwas wissen wollte. Wie zum Beispiel, dass eine der Mätressen Mann und Kinder zu Hause hatte, aber sich in den Harem flüchtete, in der Hoffnung, ihrem Bettlerleben zu entkommen und stattdessen einen Thronfolger zu zeugen.
Ein trauriger Gedanke, seine Familie aufgrund von Machtgelüsten zurückzulassen.
Die Rothaarige klappte das Buch auf ihrem Schoß zu und drückte es an ihre Brust, um es mitzunehmen.
Sie würde es in ihrem Zimmer lesen, wo sie keine eingeprägten Meinungen über andere Frauen aufschnappte. Das sorgte nur für Vorurteile.
Lilitha verließ langsam und in Gedanken versunken, wieder die Bibliothek.
Während sie durch den Garten schlenderte, genoss sie das Wetter und beobachtete längere Zeit zwei Vögel, die miteinander tanzten.
Sie liebte die Natur und wenn sie könnte, würde sie viel mehr Zeit hier draußen verbringen. Vielleicht sollte sie sich auf das Gras, an einen Baum setzten und lesen? Oder sich etwas bewegen? Hier war es viel ruhiger als in den Palastmauern.
Sobald sich dieser Gedanke etabliert hatte, sah sie auch schon einen prächtigen Ahorn, der selbst zu dieser Jahreszeit noch wundervoll aussah. Die Blätter hatten eine wunderschöne, orangerote Farbe und nur wenige von ihnen langen auf dem Boden. Der perfekte Platz zum Sitzen.
Entspannt ließ sich Lilitha auf den Blättern nieder und genoss die frische Luft, die sie umhüllte.
Langsam fuhr sie mit ihren zierlichen Fingern die Verzierungen am Rande des Buches nach, ehe sie dieses aufklappte und begann einige Passagen zu studieren.
Es war ein gutes Buch, auch wenn es schwer geschrieben war. Wer auch immer es angefertigt hatte, hatte Ahnung von Pflanzen, aber nicht von Wörtern.
Das war auch der Grund, warum sie einige Passagen mehrmals lesen musste. Schließlich brauchte ihr Kopf ein wenig Erholung und so legte sie das Buch auf die Blütenblätter und erhob sich. Der Mantel glitt zu Boden und sie begann mit einigen Dehnungen, die ihr Vater ihr beigebracht hatte. Es war wichtig, dass sie vor dem Tanz immer ordentlich gedehnt war, hatte ihre Mutter ihr beigebracht. Sonst konnte sie sich schlimme Muskelzerrungen zuziehen und das wollte sie nicht.
Auch wenn ihr Herz bei der Erinnerung an ihre Eltern, wie sie ihr die einzelnen Schritte beigebracht hatten, schmerzte, so hielt sie sich dennoch zurück, nicht die Fassung zu verlieren.
Sie schluckte und stellte sich gerade hin, um die erste Bewegung zu üben. Sie war zum Glück nicht sonderlich kompliziert und somit für sie noch machbar. Auch wenn sie bereits jetzt schon leicht ins Schwanken geriet.
Der Yukata war auch nicht sonderlich praktisch und so landete sie öfter im Gras, als ihr lieb war.
Einmal schaffte sie es auch so ungünstig zu fallen, dass sie danach ihren Arm massieren musste, damit er aufhörte wehzutun.
Dennoch gab sie nicht auf. Sie wollte diesen Tanz beherrschen. Nicht nur, um das Erbe ihrer Eltern zu bewahren!
Es wurde Zeit, dass ihre Koordination besser wurde.
Angestrengt machte sie nochmal einige separate Übungen, die ihr halfen, das Gleichgewicht zu halten und versuchte es dann noch einmal. Doch ihre Kleidung machte es ihr alles andere als einfach. Allein die zu langen Hosenbeine verhedderten sich stets mit ihren Füßen und ließen sie auf den Grund segeln.
Trotzdem gab sie nicht auf und versuchte es immer wieder.
Vielen lieben Dank fürs lesen. Wir würden uns sehr über Rückmeldungen in Form von Votes und Kommentaren freuen.
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