Doppelt hält besser
‚Ich seh die Welt in Scherben liegen, doch in ihnen schillert ein Regenbogen.'
Gäbe es einen Satz um Linus zu beschreiben, wäre es wohl dieser. Optimistisch, aber nicht naive.
Linus war nicht in einer gut behüteten Seifenblase aufgewachsen, er wusste, dass die Welt beschissen sein konnte, dennoch versuchte er das Beste daraus zu machen. Ich verstand nicht, wie er es machte, doch ich bewunderte ihn dafür.
Aber manchmal, da wünschte ich mir, dass er etwas mehr wie ich wäre. Voller Abneigung gegen die Welt, die Menschen und jeder Art der sozialen Interaktion. Ich wusste, dass das ein verdammt egoistischer Wunsch war, doch in Situationen wie diesen kamen nun mal die schlimmsten Gedanken in mir hoch.
Drei Mal dürft ihr raten wo ich gerade war.
Exakt.
Auf einer Party.
Erneut.
Es hatte sich herausgestellt, dass Magnus Linus tatsächlich eingeladen hatte und zwar auf seine Party am Samstagabend. Ich weiß was ihr jetzt vermutlich denkt: ‚Schon wieder eine Party? Wie konnte man nur so versessen darauf sein seine Gehirnzellen abzutöten?'
Okay, vermutlich war ich der Einzige, der das dachte.
Linus hatte mich überredet mitzugehen, immerhin war es eine Party und er wollte nicht alleine gehen. Ich hätte ihn vermutlich sowieso nicht alleine gehen lassen, wer weiß, was dieser Magnus noch mit ihm anstellen würde.
Die tollsten Neuigkeiten hatte ich euch jedoch noch gar nicht erzählt. Dies hier war nämlich keine ganz normale Party, nein, so etwas Langweiliges würde Magnus nie tun. Magnus war jemand mit Klasse, er hatte Stil, Magnus war originell. Es war eine Poolparty.
Als wäre eine normale Feier nicht schon schlimm genug, musste ich mir nun auch noch angucken wie diese Proleten versuchten ihre Muskeln in Szene zu setzten. Wäre es nicht so traurig, könnte es fast schon lustig sein.
Generell war die Idee, eine Poolparty im Frühling zu feiern, nicht unbedingt einem Genie entsprungen, zumindest meiner Meinung nach. Nachts sanken die Temperaturen bis auf den Gefrierpunkt und sobald die Sonne sich verabschiedet hatte, begannen alle zu frieren. Aber wer würde es schon wagen den großen Fußballkapitän Magnus zu kritisieren?
Wie gewöhnlich stand ich in einer abgelegenen Ecke und hielt mich an meiner Cola fest. Wie ihr wohl schon mitbekommen habt, war ich eine wahre Partykanone.
In Momenten wie diesen wünschte ich, dass ich Alkohol trinken würde, dann könnte ich mich dem Niveau meiner Mitschüler anpassen und mich würde es nicht mal interessieren. Doch ich trank nicht, das war eine feste Regel von mir, die würde ich nie brechen.
Linus stand nicht allzu weit entfernt am Pool und spielte Bierpong mit Magnus. Er lachte und schien glücklich zu sein. Er hatte mich gefragt, ob ich mitspielen wollte, doch ich hatte wiederholt abgelehnt, bis er enttäuscht aufgegeben hatte.
Es tat zwar weh es mir einzugestehen, doch ich wusste genau, mit mir würde er nie so unbeschwert und glücklich sein. Ich neigte dazu Menschen herunter zu ziehen mit meinem Zynismus und meiner antisozialen Art. Linus braucht jemand, der gesellig und locker war, jemand mit dem er unbeschwert Spaß haben konnte, und das war definitiv nicht ich. Ich würde nie gut genug für ihn sein. Das war eine Tatsache, die ich schon vor einiger Zeit akzeptiert hatte. Es tat trotzdem weh.
Wenn ihr das jetzt furchtbar deprimierend findet, rate ich euch, schließt das beschissene Buch. Denn mit ziemlich großer Wahrscheinlichkeit wird das hier nur noch beschissener und deprimierender. Mein verkacktes Leben halt, was habt ihr erwartete? Scheiß Regenbogen und Seifenblasen? Wir sind hier nicht auf einem Mark Forster Konzert.
„Moglie!" rief eine viel zu laute Stimme von viel zu nah.
Könnte dieser Abend noch schlimmer werden?
„Michele." Begrüßte ich sie in meiner gewohnt monotonen Stimmlage.
Das braunhaarige Mädchen lächelte breit. Sie schien schon deutlich angetrunken zu sein.
„Was guckst du denn so böse? Lächle doch mal!" Wenn es eine Sache gab, die ich mehr hasste als alles andere, dann war es der Satz ‚Lächle doch mal'. Er war einfach unangebracht und übergriffig. Niemand hatte das Recht irgendjemanden vorzuschrieben was er oder sie mit seinem beziehungsweise ihrem Körper zu tun oder zu lassen hatte.
„Wenn du willst dass ich lächle, gib mir einen Grund dazu. Renn lachend in eine Kreissäge. Oder hör einfach auf anderen Menschen vorzuschreiben was sie deiner Meinung nach tun sollen." Jedes Mal, wen ich dachte meine Stimmung könnte nicht noch schlechter werden, kam von irgendwo ein Menschlein her und bewies mir das Gegenteil. Wie sehr ich mir wünschte, dass dieser Abend schon vorbei wäre.
„So meinte ich das doch gar nicht." Sie schob schmollend ihre Unterlippe vor. „Du siehst nur immer genervt aus." Nuschelte sie und nahm noch einen Schluck aus ihrem Becher.
„Schon mal überlegt, dass das daran liegt, dass ich genervt bin?"
Sie dachte einige Augenblicke über meine Frage nach, bevor sie zu einer Antwort ansetzte. „Hast du denn mal versucht fröhlich zu sein?"
Nein, tatsächlich! So etwas war mir ja noch nie in den Sinn gekommen. Das schien doch tatsächlich die Lösung zu sein, so einfach und doch so genial! Ob das schon mal jemand Menschen mit Depressionen erzählt hatte? Von wegen Therapie und Antidepressiva, viel einfacher, einfach versuchen glücklich zu sein.
„Werde ich bei Gelegenheit mal ausprobieren. Vielleicht wenn du auf mein Angebot mit der Kreissäge zurückkommst."
„Was für eine Kreissäge?" Sie kniff ihr rechtes Auge zu und legte den Kopf schief, als könnte sie so besser nachdenken.
„Ist nicht so wichtig. Vergiss es einfach." Grummelte ich und nahm einen Schluck von meinem Getränk. Da wollte man Menschen beleidigen und die waren zu betrunken um es zu verstehen. Manchmal war das Leben wirklich unfair.
„Was soll ich vergessen?" Sie legte ihren Kopf auf die andere Seite und sah mich immer noch verwirrt an.
Och, Gottchen. Sie war eindeutig viel zu betrunken. Sie erinnerte mich an einen Goldfisch der mit großen Glubschaugen immer wieder gegen seine Aquarium-Wand schwamm ohne zu realisieren, dass sie einfach nur durchsichtig war.
„Michele, weißt du schon wie du nachhause kommst?" Erschreckenderweise hatte ich im Laufe der Jahre eine Nettigkeit gegenüber Fischen entwickelt, alles Linus Schuld.
„Mein Bruder holt mich ab."
„Dann solltest du ihm Bescheid sagen. Ich denke es ist besser, wenn du dich bald auf den Heimweg machst."
„Hab ihm schon geschrieben, er ist auf dem Weg."
„Gut." Ich nickte beruhigt und nahm einen Schluck meiner Cola. Hoffentlich war dieses Gespräch damit auch bald vorbei.
„Weißte, du bist gar kein schlechter Typ. Du tust gerne so kalt und gemein, aber eigentlich bist du voll nett und süß." Sie pikste mir mit ihrem Zeigefinger in die Wange, stolperte zur Seite und hätte beinahe das Gleichgewicht verloren. Beim Stehen.
Manchmal kam es mir so vor, als wöllten mir meine Mitschüler all die Gründe aufzeigen, warum ich keinen Alkohol trank. Irgendjemand sollte mal auf einer dieser dämlichen Partys mitfilmen, damit hätte man mit wenig Aufwand die beste Anti-Alkohol-Werbung die man sich vorstellen konnte.
Ein lautes Platschen riss uns aus unserem Gespräch. Mein Blick schoss in Richtung des Pools. Man sah nur noch Wassertropfen durch die Luft spritzen. Jemand schien hineingefallen zu sein. Ich brauchte einige Sekunden um die restliche Umgebung zu scannen und das fehlende Puzzleteil zu finden. Kein Linus. Scheiße! Der Idiot konnte nicht richtig schwimmen.
Natürlich war der Pool nicht groß und auch nicht allzu tief, doch Linus war nicht nüchtern und wenn er in Panik geriet könnte es böse enden.
Ich ließ meinen Becher fallen und rannte zum Pool. Mein Kopf war komplett leergefegt, ließ eine Menge Platz für die blanke Panik die mich komplett ergriffen hielt. Ich war nur noch wenige Meter entfernt, als jemand anderes mit einem eleganten Kopfsprung ins Wasser sprang. Natürlich war es Magnus. Linus tauchte schwer atmend und strampelnd an der Oberfläche auf. Mein Herz begann wieder zu schlagen, meine Schritte verlangsamten sich, bis ich stehen blieb.
Magnus war in wenigen Sekunden bei ihm. Er half ihm, beruhigte ihn und half ihm zur Leiter zu kommen um aus dem kalten Pool zu klettern. Linus zitterte am ganzen Körper.
Leute kamen, umkreisten sie, reichten ihnen Handtücher. Linus bedankte sich, bevor Magnus ihm ein großes Handtuch umwickelte und ihm wärmend über die Arme rieb. Linus blaue Augen leuchteten voller Bewunderung, Dankbarkeit und etwas, was wohl eine Vorstufe von Liebe sein musste, zu Magnus hoch. Er hatte ihn gerettet. Er war sein Held.
Ich konnte nur zusehen, trat einige Schritte zurück und begriff, dass ich hier nicht mehr gebraucht wurde.
_____
Wie könnte ein Montagmorgen noch schlimmer werden? Ganz einfach. Stellt euch vor, euer bester Freund und der einzige Mensch mit dem ihr freiwillig sozialen Kontakt pflegt, ist nicht in der Schule.
Er war krank, weil er nachts in einen Pool gefallen war. Und von einem Idioten gerettet wurde. Während ich unnütz daneben gestanden hatte und mir vorkam wie der größte Idiot.
Ich hatte das restliche Wochenende damit verbracht mich in Selbstmitleid und Verbitterung zu suhlen. Wenn man die Regelmäßigkeit mit der ich dieser Tätigkeit nachging betrachtete, könnte es wohl ein Hobby nennen.
Ein Seufzen verließ meinen Mund. Ich musste mich endlich zusammen reißen, von hier an würde es nur schlimmer werden. Magnus und Linus würde sich immer näher kommen, da war ich mir sicher. Ich hatte Linus Blicke gesehen, vorher hatte er eine Schwärmerei für Magnus gehabt, doch jetzt war er Hals über Kopf verknallt. Und Magnus hatte Interesse an ihm, das war deutlich. Es wurde also Zeit, dass ich meine Gefühle endlich in den Griff bekam. Oder die nächste Zeit würde die pure Hölle für mich werden.
„Hey Moglie, probier's mal mit Gemütlichkeit." Rief mir einer meiner Mitschüler zu, der wohl aus irgendeinem Grund lebensmüde geworden war und sich für witzig hielt. Allzu mutig war er aber doch nicht, immerhin hielt er einen Sicherheitsabstand von gut zehn Metern ein.
„Probier's mal mit meiner Faust in deiner Hackfresse." Rief ich ihm entgegen und ging einige Schritte auf ihn zu. Sein Gesicht wurde blass und ehe ich mich versah, rannte er mit seinen kleinen Freunden davon. Die konnten von Glück reden, dass ich keine Lust hatte zu rennen.
Außerdem wollte ich nicht, dass Linus davon mitbekam. Mein bester Freund macht definitiv einen besseren Menschen aus mir. Er hasst jede Form von Gewalt, und da ich nicht wollte, dass in seinen großen blauen Glubschaugen Enttäuschung schimmerte, wenn er mich ansah, riss ich mich bei den ganzen Idioten um mich herum zusammen.
Ich versuchte wirklich ein guter Mensch zu sein und meine Mitschüler einfach zu ignorieren, doch sie machten es mir verdammt schwer. Aus irgendeinem Grund dachten die Guppies aus meiner Schule, dass sie sobald Linus nicht da war, das Recht hatten mich anzusprechen. Dabei war dies ziemlich dumm. Wenn Linus nicht da war, hatte ich keinen Grund meine schlechte Laune irgendwie zurückzuhalten. Wahrscheinlich zielten sie genau darauf ab. Sie fanden es lustig mich zu provozieren. Vor Linus würden sie dies jedoch nicht tun, denn eigentlich jeder der Linus kannte mochte ihn. Es gab auch nichts, was man nicht mögen könnte, er war freundlich, aufrichtig, und liebenswert. Unnötig zu sagen, dass er damit das komplette Gegenteil meiner Wenigkeit repräsentierte.
So lief ich also schlecht gelaunt zur Cafeteria. Es war Mittagspause und ich hatte ziemlichen Hunger, dennoch hielt ich vor der Cafeteria Tür an um kurz durchzuatmen. Vermutlich würden mich wieder irgendwelche Mädchen dumm von der Seite anquatschen und irgendwelche Deppen versuchen mich anzupöbeln, sobald... Jemand tippte mir auf die Schulter.
„Was wollt ihr denn jetzt schon wieder? Könnt Ihr mich nicht einfach in Ruhe lassen, verdammte Scheiße?" Fuhr ich den Störenfried an, ohne nachzusehen um wen es sich handelte. Waren fünf Minuten Ruhe denn zu viel verlangt?
„Ganz ruhig, Tiger. Wer ist dir denn auf den Schwanz getreten? Ich wollte eigentlich nur Fragen wie lange du hier noch dumm in der Tür rumstehen willst, ich würde da nämlich gerne durch. Ich hab verdammt Hunger." Nun schenkte ich der Person neben mir doch einen Blick. Es schien ein Mädchen zu sein, ich hatte sie noch nie hier gesehen. Was aber nicht viel heißen musste, da ich den wenigstens meiner Mitschüler Beachtung schenkte.
„Sorry, dachte du wärst eines der Guppies." Sie sah definitiv nicht aus wie die meisten Schüler hier, dafür waren ihre Klamotten zu dunkel und ihre Haare zu grün.
„So nennst du also deine Mitschüler? Sehr nett." Sie zog eine Augenbraue hoch und grinste amüsiert.
„Ich bin bekannt für meine Nettigkeit." Erwiderte ich und klang dabei vermutlich wie das letzte Arschloch. Was ich auch war, also passte das wohl.
„Stimmt. Der große böse Badboy Moglie." Sie lachte, schien diesen Titel wohl ebenso lächerlich zu finden wie ich. Es wunderte mich nicht, dass sie meinen Namen kannte, da ich zwar nicht beliebt, aber durchaus bekannt war.
„Ja, genau. Übrigens cooles Shirt." Ich nickte zu ihrem Shirt, es war groß, lang und ausgewaschen, sie trug es als eine Art Kleid, mit Strumpfhose darunter und schwarzen Leder Boots.
„Du magst die Band?" fragte sie mit einer leichten Aufregung in der Stimme. Die Band spielte hauptsächlich Hardrock und Punkrock Lieder, ich hörte sie schon seit einigen Jahren und sie gehörten definitiv zu meinen Lieblingsbands. „Ich hab sie letztes Jahr live gesehen, sie waren ziemlich cool." Es war ein Geburtstagsgeschenk von Linus gewesen. Dieser Abend war eine der besten Erinnerungen, die ich besaß. Mit seinen pastellpinken Klamotten war Linus aufgefallen wie ein bunter Hund, doch es hatte niemanden gestört. Wir hatten gelacht, getanzt und gesungen. Naja, okay, Linus hatte getanzt, ich hatte mich eher auf Kopfnicken und Beinwippen beschränkt.
„Wirklich?" fragte das namenlose Mädchen ungläubig. „Verdammt, jetzt bin ich neidisch."
Ich lächelte nur und machte mich endlich daran durch die Tür in die Cafeteria zu treten. Ich stellte mich bei der Theke an und kaufte mir zwei belegte Brötchen, das fremde Mädchen tat es mir gleich, jedoch kaufte sie sich noch einen großen Cookie dazu.
„Willst du dich vielleicht mit mir an einen Tisch setzten." Bot sie an, als sie bezahlt hatte. „Ich weiß, dass dein kleiner, blonder Freund heute nicht da ist, und mit mir an einem Tisch werden dich die Guppies vielleicht in Ruhe lassen."
„Wieso sollten sie?" fragte ich verwirrt und zog die Stirn kraus.
„Weil ich die komische, verkorkste Außenseiterin bin, die jeder meidet." Sie lächelte amüsiert, und lief voraus, auf einen der leeren Tische zu. Ich folgte ihr. Ich wusste selber nicht wieso, eigentlich mochte ich keine Menschen, aber sie schien okay zu sein.
„Das kann gar nicht sein, das ist bereits mein Job!" Protestierte ich, als ich mich gegenüber von ihre auf den Stuhl fallen ließ.
„Es tut mir leid dich zu enttäuschen, aber ich bin der größere Sonderling."
„Das glaub ich kaum. Aber bitte, versuch es."
„Okay. Früheres Mauerblümchen, dass von jedem übersehen wurde, jetzige Aussätzige aufgrund ihrer anstrengenden Persönlichkeit und ihrer fragwürdigen Styling Entscheidungen." Ich vermutete mal, dass sie auf ihre dunklen Klamotten, ihre bunten Haare und ihr Lippenpiercing anspielte. Ich verstand gut wovon sie sprach, denn diese Schule und auch die meisten Schüler hier, waren nicht sehr aufgeschlossen, gegenüber Abweichungen von ihrer Norm. Ich selber wurde auch hin und wieder kritisch gemustert, aufgrund meiner durchweg schwarzen und dunkelgrauen Klamotten und meinem schwarze Nasenring, den ich mir vor einigen Jahr hatte stechen lassen, auch wenn dieser nun wirklich Mainstream war.
„Unfreundliches, zynisches Arschloch mit dem Namen einer Zeichentrickfigur der sieben Tage die Woche schwarz trägt." Konterte ich unbeeindruckt.
„Ich hab grüne Haare." Erwiderte sie und zeigte zum Beweis auf ihren dunkelgrünen lockigen Bobschnitt.
„Hab mir letztes Jahr den Kopf rasiert." Ich hatte einen kleinen Britney Spears Moment durchlebt. Es war tatsächlich durchaus befreiend gewesen. Doch danach gab es eine Menge Gerüchte man hätte mir die Haare rasiert, während ich im Gefängnis saß oder ich hätte Krebs und würde bald sterben.
„Mein Vater ist alleinerziehend, weil meine Mutter vor ein paar Jahren abgehauen ist." Das war leicht zu toppen.
„Mutter gestorben, Vater nie kennengelernt, lebe bei meinem Onkel." Gelangweilt bis ich in mein Brötchen.
Sie kniff ihre Augen zusammen, fixierte mich, lehnte sich vor auf ihre verschränkten Arme. Es schien wohl nicht so einfach wie sie gedacht hatte, mich zu schlagen.
„Ich wurde noch nie zu einer Party eingeladen."
„Ich trinke keinen Alkohol und stehe ich auf Partys immer in irgendeiner Ecke und warte bis ich wieder gehen kann."
„Mist, du bist gut." Sie tippte sich gegen ihr Kinn, während sie nachdachte.
Es wunderte mich sehr, wie viel ich in dieser kurzen Zeit von mir preisgegeben hatte. Normalerweise erzählte ich Leuten nichts über mein Privatleben, doch bei ihr fiel es mir nicht schwer, ich dachte nicht einmal darüber nach. Es schien als lägen wir einfach auf der gleichen Wellenlänge. Scheiße, dabei kannte ich noch nicht mal ihren Namen.
„Ich hab's! Das wirst du niemals überbieten! Ich bin gut in Mathe. Und zwar nicht nur ‚Ich verstehe was der Lehrer erklärt gut', sondern ‚Ich verbessere den Lehrer, wenn er etwas falsch macht gut'." Sie lächelte triumphierend, als wüsste sie bereits, dass ich das nicht mehr überbieten könnte.
„Okay, das kann ich wirklich nicht überbieten, du hast gewonnen. Du bist die größere Außenseiterin von uns beiden. Vielleicht sollte ich mich wegsetzten bevor du meinem Image schadest." Ich drehte meinen Kopf, als würde ich Ausschau nach einem neuen Platz halten.
„Du heißt Moglie. Ich glaube nicht, dass irgendetwas deinem Image noch mehr schaden könnte." Uh, sie war gut. Es kam nicht oft vor, dass ich Menschen kennenlernte, die meinen sarkastisch beißenden Sprüchen etwas entgegensetzen konnten.
„Apropos wie heißt du eigentlich?" Gar nicht komisch erst nach einem zehnminütigen Gespräch nach ihrem Namen zu fragen. Fairerweise musste man sagen, dass ich ihn vermutlich sowieso wieder vergessen hätte. Ich besaß nämlich das unfassbar Talent, den Namen einer Person in der Sekunde zu vergessen, in der er ihn fertig ausgesprochen hatte. Es war tatsächlich wahr, was sie alle sagten, jeder hatte ein Talent.
„Oh, stimmt, mein Name ist Nora." Sie lächelte kurz und Steckte sich ein Stück ihres Kekses in den Mund.
„Klingt irgendwie falsch." Sie sah nicht wirklich aus wie eine Nora. Auch wenn ich nicht wusste, wie Noras normalerweise aussahen.
„Dein Pech, ist nämlich mein Name." Hielt sie dagegen sobald sie ihren Mund leer hatte.
„Ich finde Zora um einiges passender. Ich meine, du hast rote Locken..." begann ich meine unumstößliche Argumentation.
„Meine Haare sind grün."
„das Herz einer Abenteurerin..."
„Was genau hattest du an Mauerblümchen nicht verstanden?"
„und ein großes Mundwerk. Die geboren Zora also. Es ist entschieden, du kannst nichts mehr daran ändern. Ab heute heißt du Zora." Verkündete ich feierlich mit nicht wenig Stolz in der Stimme.
„Du willst einfach nur nicht der Einzige sein, der den dämlichen Namen einer Kinderfilmfigur trägt." Sie verdrehte die Augen und biss von ihren Cookie ab.
Ich grinste.
„Das ist der Beginn einer wunderbaren Freundschaft, Zora."
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„Guck mal, sieht das Grün nicht dunkler aus als vorhin? Vor einer Stunde war es eher noch ein helles Froschgrün, aber jetzt sieht es aus wie der Hulk." Mit einem fragenden Blick hielt er mir sein benutztes Taschentuch vor die Nase. Wieso zum Fick war ich mit diesem Mensch befreundet?
„Nimm deine Rotzfarne aus meinem Gesicht." Grummelte ich und schob seine Hand weg.
„Man Moglie! Du hast gesagt, du kümmerst dich um mich, bis meine Eltern wieder da sind!", jammerte er und schob seine Unterlippe vor.
Manchmal fragte ich mich wirklich, warum ich diesen Idioten liebte. War ich als Kind etwa zu oft auf den Kopf gefallen?
„Ja, aber das beinhaltet nicht, deinen Nasenschleim zu analysieren."
„Aber das ist wichtig! Immerhin sind das die Bazillen die meinen Körper tyrannisieren.", protestierte er und schob beleidigt seine Brille hoch. Normalerweise trug Linus Kontaktlinsen, doch nicht, wenn er zuhause war und ich musste sagen, ich war froh darum. Ich mochte seine Brille, sie ließ seine Augen noch etwas größer wirken und sie erinnerte mich immer an den kleinen Jungen mit den Stacheligen Haaren und dem lückenhaften Lächeln, der solange auf mich eingeredet hatte, bis ich eingewilligt hatte sein bester Freund zu sein.
„Und was soll mir das bringen die anzusehen? Soll ich mich jetzt mit denen anfreunden und sie zu ner Pyjama Party einladen oder was?"
„Manchmal bist du echt doof."
Und sowas war mein bester Freund.
„Wenn du das sagst. Und jetzt hör auf zu schmollen und iss deine Suppe."
Er seufzte genervt, öffnete jedoch den Mund als ich ihm den Löffel hinhielt. Anscheinend war Linus zu geschwächt um den Löffel selber zu halten, zumindest hatte er das behauptet.
Er hatte den ersten Löffel kaum hinuntergeschluckt, da fragte er: „Was ist das für eine Suppe? Die schmeckt komisch."
„Champignon Suppe." Erwiderte ich monoton. Ich wusste genau, was jetzt kommen würde.
„Moglie! Ich bin allergisch gegen Pilze!" Seine Stimme überschlug sich beinahe, so hoch war sein empörter Tonfall.
„Das war die einzige Tütensuppe, die ihr noch hattet. Außerdem bist du einen Scheißdreck allergisch, du magst einfach nur keine Pilze."
„Du hast absolut keine Ahnung, was es heißt allergisch zu sein." Da war sie wieder, die Dramaqueen.
„Und du hast absolut keine Ahnung, was es heißt dankbar zu sein!"
„Dankbar wofür? Das du mich vergiftest?"
„Du hast nur einen halben Löffel Suppe gegessen. Selbst wenn du allergisch wärst, würde dich das nicht umbringen." Vermutlich. Ich meine, keine Ahnung, ich war ja kein Arzt. Aber ich wusste genug, um mir sicher zu sein, dass Linus keine Allergie hatte. Er behauptete von klein auf er hätte eine Allergie gegen Dinge die er nicht mochte. Er litt daher schon seit Jahren an eine äußerst schwere Form der Sport Allergie.
„Das macht es nicht viel besser."
„Falls es dich beruhigt, ich glaube nicht, dass da echte Pilze drin ist. Vermutlich nur künstliche Geschmacksstoffe."
„Das beruhigt mich kein bisschen."
„Dann iss die Suppe halt nicht und schlaf einfach." Genervt stellte ich den Teller auf sein Nachtischchen. Ich hätte einfach lügen sollen, doch ich mochte es nicht, Linus anzulügen. Das Leben war scheiße, wenn man ein Gewissen hatte.
„Wie soll ich bitte schlafen mit dem Wissen, dass sich Pilze in meinem Magen befinden?"
„Ganz einfach mit dem Wissen, dass du bald Pilze von unten wachsen sehen wirst, wenn du nicht endlich den Mund hältst und deinen besten Freund weiter nervst."
Er konnte ein wirklicher Quälgeist sein, wenn er krank war. Doch aus irgendeinem Grund, vermutlich war ich ein abgefuckter Masochist, liebte ich auch diese Seite an ihm.
„Pff. Ich würde gerne sehen, wie du das meinen Müttern erklärst."
„Die wissen nur zu genau wie du bist, wenn du krank bist, daher werden sie mich verstehen können. Außerdem lieben sie mich. Vermutlich adoptieren sie mich einfach, damit ich die Rolle des nervigen, an Stimmungsschwankungen leidenden Teenagers übernehmen kann."
„Mich kann man nicht ersetzten! Und das weißt du genauso gut wie meine Mütter."
Ich seufzte. „Stimmt. Du bist einmalig." Mit meiner rechten Hand strich ich ihm eine gelockte Haarsträhne aus dem Gesicht. „Zum Glück. Wer weiß ob die Welt zwei von dir verkraften könnte."
Er schlug mir empört gegen die Schulter. Aufgrund seiner Sport Allergie tat es nicht besonders weh. „Sagt der Richtige." Grummelte er schmollend und verschränkte seine Arme vor der Brust. „Außerdem leide ich überhaupt nicht an Stimmungsschwankungen."
Bei seinem schmollenden Gesichtsausdruck musste ich grinsen.
„Was auch immer du sagst, Sunshine."
Er kniff seine Augen zusammen und warf mir einen bösen Blick zu, dann wurde sein Gesicht weicher und er nuschelte mit sanfterer Stimme: „Kannst du dich zu mir legen?" Ein bettelnder Blick aus diesen großen blauen Glubschaugen begleitete seine Worte.
Als könnte ich jemals nein zu ihm sagen. Ganz uneigennützig war ich ja auch nicht, ich genoss es Linus so nahe zu sein, auch, wenn ich es eigentlich besser wusste.
„Mach Platz, Kleiner."
Mit einem zufriedenen Lächeln rückte Linus ein Stück zur Seite, doch kaum das ich mich hingelegt hatte, lag seinen Kopf auf meiner Brust und sein Arm auf meinem Bauch. Wie automatisch streichelten meine Finger die weiche Haut seines Armes. Es waren Momente wie diese, so voller Frieden, in denen es nur uns zwei gab, in denen ich mich der Illusion hingab, wie es wohl wäre, wenn er mich auch lieben würde.
„Wie war es heute in der Schule?" fragte er mit gedämpfter Stimme.
„Wie immer." Ich hatte nicht wirklich Lust, mich über die Schule zu unterhalten, ich wollte einfach nur Linus Nähe genießen solange ich konnte.
„Mit wem hast du dich gestritten?"
„Mit niemanden, wie kommst du darauf?"
„Du streitest dich immer mit jemanden, wenn ich nicht da bin."
Mir war nicht bewusst gewesen, dass ihm das so klar war.
„Stimmt überhaupt nicht!" Er hob seinen Kopf von meiner Brust und schenkte mir einen dieser ‚Du weißt genau das es wahr ist – Blicke'.
Natürlich hatte es ein paar Idioten gegeben, die dumme Sprüche gemacht hatten, doch das konnte man ja wohl kaum Streiten nennen. Eher kreativer Meinungsaustausch.
„Wenn überhaupt, dann hab ich heute sogar eine neue Freundin gefunden."
Mit besorgtem Gesichtsausdruck richtete er sich weiter auf, legte seine Hand auf meine Stirn und musterte mich eingehend.
„Was machst du da?" fragte ich irritiert.
„Überprüfen ob du Fieber hast. Ganz offensichtlich bist du wohl auch krank. Immerhin hast du schon Warnvorstellungen." Seine Stimme klang dabei so ernst, dass ich es ihm beinahe abgekauft hätte.
„Lass das, du Idiot." Grummelte ich und schob seine Hand weg. „Ich hab wirklich ein Mädchen kennengelernt."
„Und wie sah sie aus? Hatte sie ein weißes Kleid an und ist über den Boden geschwebt?"
„Nein, weil sie kein Geist aus einem deiner beknackten 80iger Jahre Filme ist." War es denn so schwer zu glauben dass ich mich mit jemanden angefreundet hatte? Naja, wenn man bedachte, dass der letzte Freund den ich gefunden hatte, Linus gewesen war, wohl schon.
„Das nimmst du sofort zurück! Die sind nicht beknackt! Das sind Klassiker!" Ich wusste genau, dass er nicht scherzte, Linus liebte seine alten Filme.
„Dann hör auf, mich wie einen Verrückten zu behandeln."
„Ist ja schon gut. Dann erzähl mal von deiner Freundin. Wie ist sie so?" Er verdrehte die Augen und legte sich wieder hin, seinen Kopf auf meinem Brustkorb.
„Hm. Ich würde sagen wir sind uns recht ähnlich." Viel konnte ich zu Zora noch nicht sagen, sie war sympathisch, nicht auf den Mund gefallen und mochte ihren neuen Spitznamen nicht.
„Oh nein. Ich hab immer befürchtet, dass dieser Tag kommen wird."
„Was für ein Tag?" fragte ich verwirrt worauf er jetzt schon wieder hinaus wollte.
„Der Tag an dem dein Heimatplanet mehr von deiner Sorte schickt." Sein trockener ernster Tonfall brachte mich zu Lachen.
„Seit wann bist du so ein Spinner?" fragte ich ihn immer noch glucksend.
„Muss dein schlechter Einfluss sein. Oder..." Er pausierte, schaute mich mit weit aufgerissenen Augen an. Geschockt flüsterte er: „Vielleicht liegt es an den Pilzen."
„Das würde tatsächlich einiges erklären."
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Hey!
Ich freue mich sehr, dass sich doch einige für diese Geschichte interessieren.
Leider bin ich nicht die regelmäßigste Updaterin, aber ich gebe mir Mühe. Im Moment habe ich das Gefühl, das ich erst wieder ins regelmäßige Schreiben reinkommen muss, da mein letztes Buch schon fast zwei Jahre her ist. Ich bin auch noch nicht wirklich zufrieden mit dem Fluss der Story, aber ich hoffe, dass ich das noch verbessern kann.
Dennoch hoffe ich, dass ihr Moglie weiter auf seinerReise begleiten werdet und ihn bald ebenso in euer Herz schließt, wie ich es bereits getan habe.
Danke fürs Lesen! :)
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