Kapitel 33: Vertrauen
May
„Sie wollten mit mir reden, aber stattdessen laufen wir hier nur über das Gelände." Nicolas Johnson sah mich fragend an. Mittlerweile war ich mir nicht mehr sicher, ob es so klug gewesen war sich für das Vertrauen zu entscheiden. Eigentlich kannte ich diesen Mann gar nicht. Doch ich gab mir einen Ruck.
„Als Sie auf der Pressekonferenz davon gesprochen haben, dass die Testergebnisse vielversprechend aussehen, meinten Sie die Tests an Menschen in Labor 5?", fragte ich direkt und hoffte, dass das Vertrauen diesmal siegen würde.
Nicolas Augen weiteten sich. Er starrte mich an.
„Ich sage Ihnen das, was ich auch schon dem Journalisten gesagt habe: Bei uns werden keine illegalen Tests durchgeführt!", antwortete er bestimmt.
Er schien tatsächlich nichts von alledem zu wissen. Sonst hätte er jetzt anders reagiert.
„Sie haben dafür keine Beweise", fügte er hinzu.
„Ich habe es selbst gesehen", erwiderte ich.
Abrupt blieb Mr. Johnson stehen. Schweigen. Für einen Moment fühlte es sich so an, als würde die Zeit stehen bleiben.
„Was genau meinen Sie damit?" Fragend sah er mich an.
„Was meinen Sie, warum ich gerade aus dem Labor gekommen bin? Mir sollte gegen meinen Willen ein Chip implantiert werden! Simon Moore und Dr. Evelyn Brown führen Tests an Menschen durch. Andrew Parker, der Journalist, und ich waren eingesperrt. Im Gegensatz zu ihm habe ich es aber mit Hilfe geschafft zu fliehen", erzählte ich.
„Was?!" Geschockt sah er mich an.
„Ich hatte mit Simon Moore über meinen Verdacht gesprochen. Leider war genau das der Fehler gewesen. Er steckt hinter all dem und hat mich daraufhin niedergeschlagen und eingesperrt", fuhr ich fort und senkte den Blick.
„Warum sind Sie damit denn nicht zu mir gekommen?", fragte er.
„Um ehrlich zu sein hatte ich Sie in Verdacht da mit drin zu stecken", antwortete ich etwas peinlich berührt.
„Ich würde doch niemals Menschentests zulassen. Zumindest noch nicht jetzt. Auf der Pressekonferenz meinte ich, dass die Testergebnisse vielversprechend sind, ja, aber damit meinte ich die Simulationen und Berechnungen aus dem Labor. Doch keine Tests an Menschen. Meiner Meinung nach ist es dafür noch zu früh. Auch wenn es dadurch so gut wie unmöglich ist den Launch-Termin des neuen Happiness-Plus-Chips einzuhalten. Ich dachte, Mr. Carter wäre der erste, dem der neue Chip eingesetzt wurde", meinte er und sah mir direkt in die Augen.
Ich vertraute ihm und war mir sicher, dass er ehrlich zu mir war.
„May!" Annas Stimme riss mich aus den Gedanken. Zusammen mit Riley kam sie schnellen Schrittes auf uns zu.
„Alles in Ordnung?", fragte ich.
„Wenn du damit meinst, dass mit einem Mal wieder alle möglichen Erinnerungen durch meinen Kopf schießen, ich erstmal unterscheiden muss, was Wahrheit und was Fake ist und wir davon abgesehen auf der Flucht sind, ja. Dann ist alles in Ordnung", antwortete sie.
„Ach ja, das ist übrigens Riley", stellte sie mir ihren Begleiter vor.
„Wir kennen uns schon. Er hat mir an meinem ersten Tag hier meine Wohnung gezeigt", erzählte ich.
„Stimmt. May, richtig?" Lächelnd sah er mich an.
„Genau."
„Ich störe ja nur ungern dieses Treffen, aber könnte mich jemand bitte aufklären, was hier genau vor sich geht?" Nicolas Johnson sah in die Runde. Anna und Riley schienen ihn erst jetzt wirklich zu bemerken.
„Das würden wir gerne, aber dafür bleibt keine Zeit. Wenn Dr. Brown und Simon merken, dass ich den Eingriff bei May nicht durchgeführt habe und wir weg sind, werden sie uns suchen. Wir haben nicht mehr viel Zeit, um von hier zu verschwinden", erklärte Anna kurz.
„Sie sollten den Eingriff bei May durchführen?" Geschockt sah er Anna an.
„Mr. Johnson, ich weiß, dass ist viel verlangt, aber vertrauen Sie mir?" Ich sah ihn ernst an und blickte ihm fest in die Augen.
„Ja", antwortete er schließlich.
„Wir werden Ihnen alles erklären, wenn wir von hier verschwunden sind. Alleine können Sie nichts gegen Mr. Moore und Dr. Brown ausrichten. Aber zusammen können wir das schaffen", meinte ich.
„Simon und Evelyn sind meine Freunde. Ich bin mir sicher, dass ich mit Ihnen reden kann und wir gemeinsam eine Lösung finden werden", erwiderte er.
„May, lass es gut sein. Wir müssen jetzt echt los." Anna nahm mich am Arm und zog mich ohne ein weiteres Wort mit sich. Ich war mir sicher gewesen, dass Nicolas Johnson mich verstehen und mit uns kommen würde. Aber ich hatte mich geirrt. Ich hoffte nur, dass er Recht behielt und die beiden ihm nichts antun würden.
„Halt! Sofort stehen bleiben!" Eine Stimme schrie uns hinterher, während wir direkt auf den Ausgang zuliefen.
„Das ist Simon", rief ich meinen beiden Begleitern zu.
„Nicht stehen bleiben. Wir haben es fast geschafft." Anna schenkte mir ein kurzes Lächeln.
Doch gerade als wir das Tor passieren wollten, stellten sich uns ein paar Mitarbeiter in den Weg.
„Nicht so schnell. Wo soll es denn hingehen?", fragte einer von ihnen.
„Lucas, lass uns sofort durch", forderte Anna ihn auf.
„Nichts da. Dr. Brown meint, dass du den Eingriff bei einer Patientin verweigert hast und jetzt irgendwelche Lügen verbreitest", sagte er.
„Gut gemacht, Lucas." Das war Evelyn, die zusammen mit Simon und Nicolas auf uns zukam.
„Evelyn, was geht hier vor sich?", fragte Nicolas und war sichtlich verwirrt von der ganzen Situation.
„Es ist alles in Ordnung. Nur ein kleiner Zwischenfall, den wir nun aber unter Kontrolle haben. Du musst dir keine Sorgen machen", antwortete die Doktorin und widmete sich dann wieder uns.
„May und die anderen haben etwas von Menschentests in Labor 5 gesagt. Was habt ihr dafür für eine Erklärung?" Mir blieb der Mund offen stehen. Das hatte er jetzt nicht ernsthaft gesagt.
„Nicolas, alter Freund, ich werde dir das ganze erklären. Lass uns in mein Büro gehen." Simon legte einen Arm um Mr. Johnson und führte ihn weg von dem Geschehen.
„Und nun zu euch. Anna, Sie scheinen sich ja leider wieder an alles zu erinnern. Es tut mir leid, aber ich werde das alles wieder auf Reset setzen müssen. Ich hatte wirklich gedacht, dass Sie das alles verstehen würden. Aber da habe ich mich scheinbar geirrt. Leider sind Ihre Fähigkeiten als Wissenschaftlerin nicht so leicht zu ersetzen und ich brauche Sie. Deswegen habe ich damals auch bei dem Chipimplantat dafür gesorgt, dass Sie eine Erinnerung an Ihre Bewerbung bei uns haben und unter mir anfangen zu arbeiten. Ich habe damals schon bemerkt, dass Sie uns von großem Nutzen sein können", wandte sich Dr. Evelyn Brown an Anna, deren Augen sich vor Erstaunen immer mehr weiteten. Es musste echt hart für sie sein. Ich wollte ihr unbedingt helfen, wusste nur nicht, wie ich das anstellen sollte.
„Lassen Sie sie in Ruhe!" Riley funkelte die Doktorin wütend an und ging auf sie zu. Doch er kam nicht weit. Lucas packte ihn und drehte ihm die Arme auf den Rücken.
„Anna, hör nicht auf sie. Es wird alles wieder gut werden. Zusammen bekommen wir das hin", versuchte ich ihr gut zuzureden.
„May. Zu schade, dass Sie Ihre Suche nach Andrew Parker nicht einfach eingestellt haben. Aber glücklicherweise haben Sie sich damit an Simon gewandt. Sie sind verwirrt und wir können Ihnen helfen", widmete Dr. Brown sich nun mir. Dann nickte sie einem ihrer Mitarbeiter zu, der auf mich zu kam und mich festhielt, damit ich auch ja nicht weglaufen konnte. Ich fing an mich heftig zu wehren, obwohl ich mir keine großen Erfolgschancen ausrechnete. Die letzten Male hatte das auch nicht funktioniert. Mein Blick wanderte zu Anna, die noch immer mit offenem Mund und den Tränen nahe einfach nur da stand. Dann wurde auch sie am Arm genommen und weggeführt.
„Lassen Sie uns sofort gehen! Damit kommen Sie nicht durch!", rief ich und wehrte mich weiter.
„May. Wir sind hier nicht die Bösen, sondern wollen Ihnen und anderen Menschen nur helfen", redete Evelyn weiter. Ich konnte dieses Gerede vom Helfen nicht mehr ertragen. Was bildeten die sich ein?!
Plötzlich spürte ich einen Stich in meinem Oberarm. Ich sah noch, wie der Mitarbeiter die Spritze wieder herauszog. Dann verschwamm vor meinen Augen alles und ich kippte um.
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