Kapitel 25: Die Versöhnung
Anna
Anna saß wie versteinert auf ihrem Bett und wusste nicht, was sie tun sollte. Nachdem Riley das Restaurant verlassen hatte, war Anna wenig später aus ihrer Starre erwacht und ebenfalls gegangen, nachdem sie bezahlt hatte. Zwar hatte Riley genügend Geld für beide Essen auf dem Tisch gepackt, jedoch wollte sie nicht, dass er nach diesem Streit für sie mitbezahlte. Dann hatte die Kellnerin eben ein wenig mehr Trinkgeld.
Auf dem Weg zurück zum Firmengelände hatte sie die ganze Zeit überlegt, ob sie sich irgendwie falsch verhalten hatte. Sie durfte nichts zu den Vorgängen in Labor 5 sagen. Andererseits wusste Riley durch ihr Schweigen jetzt sowieso davon. Hatte es also etwas gebracht nichts zu sagen? Nein. Außer, dass ihre Beziehung zerstört war. Anna war sich sicher, dass Riley nach diesem Streit nichts mehr mit ihr zu tun haben wollte. Doch was sollte sie tun?
Da ihr auf dem Rückweg nichts eingefallen war, saß sie noch immer ratlos und regungslos auf ihrem Bett. In ihr fühlte sie nichts. Nur eine tiefe Leere. Genauso, nur noch viel schlimmer und härter, hatte es sich angefühlt, als sie die Nachricht über den Tod ihres Bruders erhalten hatte. Schon wieder hatte sie jemand verlassen.
Aber diesmal hatte sie noch die Möglichkeit es wieder gut zu machen. Mit einem Mal saß sie kerzengerade da und hatte eine Idee. Das war vielleicht ein wenig verrückt, aber es war Annas Art. Sie schnappte sich ihren Laptop und ging in einen der Gemeinschaftsräume. Da der Maskenball noch voll im Gange war, war niemand hier. Sie ging geradewegs auf die Ecke zu, wo sie den einen Abend zusammen mit Riley gesessen hatte und sie beide Bier bzw. Wein getrunken hatten. Damals war noch alles in Ordnung gewesen. Allerdings war da auch nicht mehr als Freundschaft zwischen ihnen gewesen.
Anna hoffte, dass sie hier die richtige Inspiration für ihre Entschuldigung bekam. Sie klappte ihren Laptop auf und öffnete das firmeneigene Programm für die Erstellung von Präsentationen. Wenn sie Riley auf ihre Weise zeigen wollte, dass es ihr leid tat und was er ihr bedeutete, dann war eine Präsentation die ideale Art dafür. Mehr Anna ging nicht. Lächelnd fing sie an. Zwischendurch durchsuchte sie ihren Laptop noch nach den passenden Fotos. Zwar hatte sie nicht so viele von Riley und sich, aber einige fand sie schließlich doch und arbeitete sie in die Präsentation mit ein. Als sie schließlich fertig war, ging sie jede Folie nochmal durch. Hoffentlich würde sie den Effekt erzielen, den sie sich erhoffte. Hoffentlich würde Riley ihr verzeihen und es verstehen. Hoffentlich.
Aufgeregt saß Anna mit dem Handy in der Hand in ihrer Wohnung und las sich zum gefühlt tausendsten Mal die Nachricht durch, die sie Riley schicken wollte. Sie hatte lange überlegt, wo sie ihm die Präsentation zeigen sollte. Schlussendlich hatte sie sich für ihre Wohnung entschieden. Es war zwar nicht der perfekte Ort dafür, aber der ungestörteste. Im Labor konnte jederzeit jemand herein platzen oder durch die Fenster etwas sehen, im Gemeinschaftsraum konnte ebenfalls einfach jeder hereinkommen und auch andere Orte waren immer darauf ausgelegt, dass noch andere Personen hinzustoßen konnten. Während Anna sich ein weiteres Mal ihre Nachricht durch las, hatte sie plötzlich doch die Idee. Warum nicht an dem Ort entschuldigen, wo Riley und sie sich das erste Mal geküsst hatten? Schnell überlegte sie, was sie alles brauchte. Dann suchte sie alles zusammen: ihren Laptop, einen Picknickkorb inklusive Decke und einigen Snacks, einen Feuerkorb sowie Holz und ein Feuerzeug. Es dauerte eine Weile bis sie alles beisammen hatte, aber schließlich war sie fertig um aufzubrechen. Da Anna kein eigenes Auto hatte, rief sie sich ein Taxi und schrieb endlich die Nachricht an Riley, während sie wartete.
Bitte komm um 23 Uhr zur Klippe mit dem Leuchtturm. Es ist wichtig. Ich muss mit dir reden. Bitte. Anna
Ohne ein weiteres Mal drüber zu lesen, schickte sie die Nachricht ab. Sonst würde sie wieder hin und her überlegen und weiter an der Nachricht feilen.
Schließlich kam ihr Taxi und sie machte sich auf den Weg.
Auf der Klippe angekommen, bereitete Anna alles vor. Zunächst machte sie Feuer in dem dafür vorgesehenen Korb, um mehr Licht zu haben. Dafür brauchte sie länger als geplant. Es war gar nicht so leicht Feuer zu machen, wie es immer aussah.
Anschließend legte sie die Decke hin und stellte dort ihre eingepackten Snacks, wie Brezeln, Erdbeeren und Schokolade hin. Es sah längst nicht so schön aus, wie das, was Riley für sie beim ersten Date vorbereitet hatte. Allerdings hatte sie auch weniger Zeit als er dafür gehabt. Am Ende stellte sie noch ihren Laptop mit der Präsentation auf und betrachtete kritisch ihr Werk. Eine Leinwand mit Projektor, der die Präsentation größer zeigt, wäre zwar schöner gewesen, aber das hätte sie alleine niemals alles transportieren und in der kurzen Zeit hier aufbauen können. Außerdem hätte sie nicht gewusst, wen sie da um Hilfe hätte bitten können. Riley war der einzige, mit dem sie sich so gut verstand. Mit ihren Kollegen verstand sie sich zwar auch und konnte mit denen auch zusammenarbeiten, aber Anna hätte niemals jemanden von ihnen in dieser privaten Angelegenheit um Hilfe gefragt.
Aufgeregt ließ sie sich auf der Decke nieder und wartete darauf, dass Riley kam. Hoffentlich kam er überhaupt. Was, wenn er ihre Nachricht einfach ignorierte und so sauer war, dass es ihm egal war? Dass sie ihm egal war? Anna schüttelte den Kopf um diese Gedanken los zu werden. In dem Augenblick fuhr ein Auto vor. Die Scheinwerfer blendeten sie, sodass sie nicht sehen konnte, wer dort ankam. Dann erlosch das Licht und ein junger Mann stieg aus. Annas Herz machte einen Satz und sofort breitete sich ein kurzes Lächeln auf ihren Lippen aus. Riley allerdings wirkte nicht sonderlich glücklich, woraufhin Annas Lächeln gefror und sich in Unsicherheit wandelte.
„Du wolltest mit mir reden." Riley sah sie aus seinen blau-grauen Augen an. In ihnen lag Enttäuschung. Das war nicht zu übersehen. Aber Anna meinte auch etwas Neugierde darin zu erkennen. Sonst wäre er auch nicht hier, oder? Vielleicht war wirklich noch nicht alles verloren.
„Setz dich bitte", erwiderte sie und deutete auf den Platz neben sich.
„Ich stehe lieber", meinte er und bewegte sich nicht.
„Bitte." Sie sah ihn bittend an und schließlich ließ er sich seufzend auf den Platz neben ihr fallen. Dann fiel sein Blick auf den Laptop, auf dem schon die erste Folie der Präsentation zu sehen war: „Warum du mir wichtig bist und es mir leid tut" stand dort in weißen Buchstaben. Riley blickte zu Anna.
„Hör mir bitte einfach nur zu, okay?", sagte sie und richtete ihren Blick auf den Bildschirm. Er nickte stumm und schaute ebenfalls auf die Präsentation. Anna atmete einmal tief durch und schaltete eine Folie weiter.
„Zuerst möchte ich dir sagen und zeigen, wie wichtig du mir bist. Dafür gibt es unterschiedliche Gründe, die ich dir gleich zeigen werde. Im zweiten Teil der Präsentation gehe ich dann darauf ein, warum es mir leid tut." Der Präsentationsstil half Anna dabei ruhig zu bleiben und nicht völlig durchzudrehen. Es gab ihr Sicherheit.
„Also, warum genau du mir wichtig bist. Erstens, du bist die Person, die immer an mich glaubt, wenn ich es nicht tue. Zweitens, deine blau-grauen Augen, die etwas ganz Besonderes sind. Ich habe zuvor noch nie solche Augen gesehen. Drittens, Geborgenheit und Sicherheit. Du bist der Mensch, der mir diese beiden Dinge gibt, die ich schon so lange nicht mehr gefühlt habe. Außerdem habe ich das Gefühl, dass du mich verstehst, wie kein anderer. Mit dir kann ich lachen und abends auch mal etwas trinken. Bevorzugt Wein, auch, wenn du mehr auf Bier stehst. Deine Lieblingsfarbe ist genau die gleiche wie meine: blau. Immer, wenn ich Hilfe brauche, bist du für mich da. Du unterstützt mich, wo du nur kannst. Mit dir an meiner Seite fühle ich mich stark. Du bist der Mensch in meinem Leben, der mir seit langem mal wieder wichtig ist. Das war ebenfalls lange nicht der Fall." Bei jedem weiteren Grund schaltete Anna eine Folie weiter. Dann kam sie zum zweiten Teil.
„Jetzt komme ich dazu, warum es mir leid tut. Wie ich dir gerade gesagt habe, bist du mir wichtig. Sehr wichtig. Ich möchte nicht, dass etwas zwischen uns steht. Mir geht es alles andere als gut damit. Dieser Streit war für mich die Hölle. Es fühlte sich so an, als wenn mich wieder jemand verlässt. Ich würde dir wirklich gerne etwas über meine Arbeit in Labor 5 erzählen, wirklich, aber ich darf es leider nicht. Es tut mir so leid, aber ich weiß nicht, was ich sonst tun soll. Wenn ich gegen die Geheimhaltung verstoße und das herauskommt, könnte ich gefeuert werden. Ich kann das leider nicht ändern und hoffe inständig, dass du das verstehst und mir verzeihst."
Anna schaltete zur letzten Folie.
„Weil ich dich liebe." Der Bildschirm wurde schwarz und sie schaute zu Boden. Sie wusste nicht, ob es Riley gefallen hatte und hatte Angst in seinem Blick immer noch diese Enttäuschung oder etwas anderes Negatives zu sehen. Doch dann spürte sie seine Hand unter ihrem Kinn, die ihren Kopf zu sich drehte. Liebevoll sahen seine Augen sie an. Dann zog Riley sie zu sich und küsste sie.
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