steffen weinhold
Nervös schultere ich meine große Sporttasche. Heute ist endlich der Tag gekommen, an dem ich mein Probetraining beim THW Kiel absolvieren darf. Schon seit Wochen freue ich mich auf diesen Augenblick, den ich mir aber auch wirklich hart erarbeitet habe - und schon als ich die ersten Spieler sehe, ist alles vergessen.
Naja, zumindest fast alles. Meine Nervosität ist nämlich noch da, was ich jedoch nach außen hin gut verbergen kann. Stattdessen zeige ich meine beste Leistung - ich gewinne die meisten Laufduelle, suche mir jede noch so kleine Lücke und sauge jeden der Tipps dankbar auf, sodass ich mir gegen Ende des Trainings sogar das Testspiel zutraue. Ich habe nicht weniger Talent als die anderen Jungs. Außerdem darf ich mit Rune UND Andi in einer Mannschaft sein - meinen absoluten Lieblingsspielern - und das macht meinen Tag eigentlich wirklich schon perfekt.
Kurz vor dem Schlusspfiff bekomme ich meine letzte große Chance. Ich bekomme den Ball, springe in den Kreis... Und merke schon in der Luft, dass irgendwas ganz und gar nicht in Ordnung ist.
Und sobald mein Fuß den Boden berührt, habe ich auch schon Gewissheit. Ein Schmerzensschrei kommt über meine Lippen, als ich einknicke... Doch ich falle nicht zu Boden. Irgendjemand hat meinen Fall gebremst und setzt mich nun vorsichtig auf dem Boden ab.
„Hey, Larissa, alles wird gut, ja? Drück meine Hand, wenn es zu sehr weh tut."
Mit Schmerzverzerrter Miene drehe ich den Kopf zur Seite... Und als sein Blick meinen trifft, bleibt meine Welt für einen Moment stehen. Steffens Hand hält meine sicher umschlossen und er zuckt auch nicht, als ich mich erschrocken hinein kralle, als jemand mein Knie berührt.
"Deine Kniescheibe ist raus..."
Rune kniet auf der anderen Seite neben mir... Doch komischerweise lässt seine Anwesenheit mich auf einmal komplett kalt. Er ist nett - ja... Doch so, wie Steffen mich in diesem Moment hält, fühlt sich so viel besser an als alles, was Rune mit dir machen könnte.
Betretene Stille erfüllt die Halle, während wir auf den Krankenwagen warten...
Und als dieser kommt, klettert Steffen wie selbstverständlich mit in den Wagen.
„Ich lass dich doch jetzt nicht alleine..."
Mit einem kleinen Lächeln greift er wieder nach meiner Hand und begleitet mich sogar bis ins Behandlungszimmer.
Und ich bin ihm dankbar. Seine Hand fühlt sich so gut in meiner an, dass sogar meine Schmerzen etwas in den Hintergrund rücken. Stattdessen kann ich nicht aufhören, mich zu fragen, warum ich ihn vorher nie wahrgenommen habe.
Steffen ist aufmerksam, bringt mich zum Lachen und lenkt mich von den Schmerzen ab.
„Wir müssen Ihre Kniescheibe wieder in die richtige Position bringen, das wird jetzt einmal sehr weh tun..." Warnt mich der Arzt nach einer kurzen Untersuchung schließlich vor, was Steffen dazu verleitet, mich in seine Arme zu ziehen. "Wir machen das schon, oder?"
Etwas unsicher nicke ich und genau in der Sekunde, in der der Arzt meine Kniescheibe mit einem kräftigen Ruck zurück an die richtige Stelle schiebt... Küsst Steffen mich.
Beinahe neckisch beißt er mir in die Unterlippe, was mir ein Keuchen entlockt, sodass ich mich ihm noch mehr entgegen schiebe- ohne die Schmerzen dabei auch nur annähernd wahrzunehmen. Alles, was in meinem Kopf gerade platzt hat, ist Steffen.
Er löst sich erst von mir, als der Arzt schließlich einen Schritt nach hinten macht und noch einmal fachmännisch mein Knie mustert, welches jetzt in der nötigen Schiene steckt. Erst jetzt wird mir wieder klar, wo ich eigentlich bin. Das ich nicht mit Steffen alleine bin.
Doch noch bevor mein Schamgefühl deshalb einsetzen kann, legt Steffen eine Hand an meine Wange.
„Sei mein Mädchen..." Seine Stimme ist nicht mehr als ein Flüstern, doch es reicht, um meine Welt ein weiteres Mal auf den Kopf zu stellen.
„Aber..."
„Nichts aber, schalt deinen Kopf aus, hör auf dein Herz..."
„Mein Herz will dich..." Gestehe ich leise. Auch, wenn ich ihn heute das erste Mal bewusst wahrgenommen habe, weiß ich instinktiv, dass es die richtige Entscheidung ist. So ein Gefühl hat noch nie jemand in dir ausgelöst.
Wieder legen sich seine Lippen auf meine... Und noch bevor ich reagieren kann, hat er mich auch schon hochgehoben und verlässt mit mir das Behandlungszimmer. Quietschend klammere ich mich an ihn, doch Steffen lacht nur und trägt mich aus dem Krankenhaus raus - und rein in unser neues, gemeinsames Leben.
Wer hätte gedacht, dass eine Verletzung nicht nur schlecht ist?
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