3. DEMÜTIGUNG DIE III.
Irene und André wurden durchgeknetet wie Hefeteige, die besonders elastisch sein mussten, um den Wickelanforderungen des Herstellungsprozesses einer Zimtschnecke gerecht zu werden. Immer wieder warfen sich die beiden massierenden Handballer böse Blicke zu und in ihnen brodelte die Wut. Druckvoll drückten die zwei ihre Hände in den Rücken ihrer zu massierenden Klienten und die Massage intensivierte sich, bis André plötzlich unter Steffen aufjaulte und ihn zur Zärtlichkeit ermahnte. „Ich bin kein Hefeteig, der zu einer Zimtschnecke geformt werden muss!"
„Entschuldigung, ich bin gerade ein wenig... wie soll ich sagen?", hielt Steffen kurz inne und richtete seinen bitterbösen Blick auf Rune „ein bisschen grantig..."
Rune verknüpfte den indignierten Blick mit den mehr als deutlichen Worten und konnte sofort darauf schließen, dass Steffens Missmut durch seine Provokationen hervorgerufen war. Er wollte unter Steffens Wut nicht einbrechen und wieder zum Gegenangriff ausholen, doch wie so oft fehlte es ihm an Schlagfertigkeit, weswegen er eine Schnute zog und angeekelt den Kopf schnell schüttelte. Seine Zunge streckte er nicht raus, das hätte die Gemeinheitsgrenze um ein Vielfaches überschritten.
„Rune, wann fängst du denn die Massage an? Ich spür nix!", intervenierte Irene unter ihm und forderte ihn zur Intensivierung seiner Handbewegungen auf.
Nur ein verächtliches Schnaufen war zu hören. Natürlich von der dummen Sau höchstpersönlich.
Steffen.
Diesmal ging Rune nicht auf diese frivole Provokation ein und tat das, was ihm von Irene befohlen wurde.
Nach einer Stunde war der Spuk endlich vorbei und die beiden Streithähne durften ihre Wirkungsstätte verlassen.
„Du warst schon wieder so gemein zu mir!", unterbrach Rune die Stille, die sich zwischen die ehemals best friends forever, wie sie sich selbst betitelten, geschoben hatte.
„Na und? Das war die Retourkutsche für das, was du davor mit mir in der Halle angetan hast!"
Nun wurde es Rune zu viel. Ruckartig blieb er stehen, ließ seine Trainingstasche achtlos neben sich auf den Teer fallen und schaute Steffen ungläubig und beinahe schockiert an.
„Du hast den Stein doch ins Rollen gebracht! Ich bin nicht in Irene verliebt, aber du hast mich gedemütigt! Da musste ich doch reagieren! Ich hab dich lediglich mit deinen eigenen Waffen geschlagen!", knallte Rune ihm die Faktenlage brühwarm vor den Latz.
„Ich... weil..", schon schossen Steffen die Tränen in die Augen und es wollte kein weiteres Wort über die Lippen kommen.
„Nicht weinen, Steffen. Wir hätten das nicht machen sollen. Du hast Fehler gemacht", er nahm Steffens Gesucht in beide Hände und wollte ihm tief in dir Augen blicken „hey, schau mich an, Großer! Aber ich hab dieselben Fehler gemacht! Wir haben uns diese Suppe gemeinsam eingebrockt und jetzt müssen wir sie auch gemeinsam wieder auslöffeln. Okay?"
Steffen löste sich aus Runes Händen, fuhr mit seinem Unterarm über die Nase und stütze seine Hände in sie Hüfte: „Okay..."
„Das war einfach alles so schlimm heute, ich hab echt kurz gedacht, meinen BFF für immer verloren zu haben", schluchzte er wieder auf und erneut flossen die Tränen über sein Gesicht wie ein Liter Milch, der für einen Vanillepudding aufgewärmt werden sollte, aber dann am Herd vergessen wurde und hemmungslos überkochte.
„Sag das nie wieder! Du bist mein BFF! Mach dir bitte bewusst, was BFF bedeutet! best friends forever !" wieder fand sich Steffens Gesicht in Runes Händen wieder „Hörst du? Forever.", flüsterte er und lehnte seine Stirn an die seines BFF. Steffen sagte nichts, doch Rune spürte, wie er nickte.
„So, und jetzt komm. Wir müssen zum Bus, die anderen warten schon seit eineinhalb Stunden auf uns", forderte er ihn auf und zog ihn an der Hand mit sich gen Mannschaftsbus.
„Ach, da kommen ja unsere zwei Nachzügler!", sprach Filip mit wütender Stimme und wieder schienen die beiden für Unmut im Team verantwortlich zu sein.
„Die haben bestimmt jetzt eineinhalb Stunden lang darum gestritten, wer Irene als erstes küssen darf!", schrie Niclas aus der letzten Reihe nach vorne und löste einen Jubelsturm der Extraklasse unter den Mannschaftskollegen aus. Hilflos stand Steffen hinter Rune neben den Busfahrer und schaute sich um, in der Hoffnung, ein mitfühlendes Augenpaar zu entdecken. Stattdessen merkte er, wie das gesamte Trainer- und Betreuerteam sich ein Lachen verkneifen musste und auch sie Hände vor den Mund hielt.
„Stop!", schrie Rune „Steffen und ich sind nicht in Irene verliebt! Außerdem ist Irene echt nett und ist viel lustiger als der Niclas!"
Der komplette Bus verstummte.
Niemand hatte gedacht, dass Rune so weit gehen würde, erneut ein Teammitglied an den Pranger zu stellen, um sich aus der Schussbahn zu retten.
„Rune du bist echt skrupellos. Du vergisst, wer du bist! Das bist nicht du!"
„Diesmal bist du zu weit gegangen! Niclas ist saulustig!"
Rune war überfordert, genau das wollte er nicht! Hilfesuchend schaute er hinter zu Steffen, hoffend, wortwörtliche Rückendeckung zu erhalten. Doch diese Rechnung hatte er ohne Steffens moralischen Feinsinn gemacht, denn dieser schaute ihm mit schockierten Blick und mit vorgehaltenen Händen an.
Filip konnte diesen Psychoterror nicht mehr länger ertragen und mischte sich in das Spektakel ein: „Ich fasse nicht, welche Dynamik sich seit des Trainingszwischenfalls hier einstellt! Heute, wenn wir angekommen sind, werde ich eine Krisenintervention einberufen und dann wird das alles aus der Welt geräumt! Und ihr zwei setzt euch jetzt auf eure Plätze!"
Mit gesenktem Kopf trotteten die beiden nach hinten.
„Sorry, Niclas..", versuchte Rune deeskalierend zu wirken, doch Niclas schluchzte nur kurz auf und winkte mit einem kurzen Handheben ab.
Verzweifelt ließ er sich auf seinen Sitz fallen und den Tag Revue passieren. Ein richtiges handballerisches Eigentor...
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