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" Ach komm schon, Ed's. Das ist ungefähr genauso glaubwürdig, wie dass Bill und Stan tatsächlich jedes mal nur konzentriert lernen, wenn sie sagen, dass sie sich zum Lernen treffen ", sagte Richie, und grinste schief. Tatsächlich viel es ihm, wenn er ehrlich war schon hin und wieder ein wenig schwer zu glauben, dass seine zwei besten Freunde immer die Wahrheit sagen, wenn sie dies behaupten. Dass sie sich wirklich jedes Mal nur auf Schulstoff konzentrieren würden.
Er war in den letzten Monaten oft genug in den gleichen Kursen wie die beiden Jungen gewesen, um zu merken, dass die beiden sich, wenn sie in der Nähe voneinander waren, recht oft ablenkten. Sich recht oft gegenseitig ablenkten, und sei es auch nur, weil einer der beuden dem Anderen während dem Unterricht immer und immer wieder jene kurzen, beinahe versteckten, aber dennoch liebevollen Blicke zuwarf. Sei es nur, wenn der Andere jene Blicke bemerkte. Wenn ihre Blicke in gewisser Weise aneinander hängen blieben.
Wenn sie sich einfach nur anblicken, und den Rest der Welt zumindest für einige, kurze Momente auszublenden schienen. Auszublenden schienen, so, als wären die anderen Dinge in jenem Moment nicht wirklich wichtig. Als würden sie sich jenen Dingen auch später noch zuwenden können. Als würden in jenem kurzen Moment erst einmal nur die beiden zählen. Oder wenn hin und wieder ihre Hände den Weg zueinander fanden. Wenn ihre Finger sich auf jene vorsichtige Art, immer versteckt von dem breiten, weißen Schultisch miteinander verschränkten. Versteckt, so, dass niemand sonst der anderen Schüler es sehen würde. So, dass niemand sonst es sehen, und ihnen möglicherweise aufgrund dessen Schwierigkeiten machen würde. Versteckt, aber dennoch für beide spürbar.
" Du hast es aber auch ständig mit den beiden, was? Du ziehst die Ärmsten schon seit Anfang Juni regelmäßig deswegen auf", antwortete Eddie wahrheitsgemäß, doch man könnte sehen, dass der achtzehnjährige Junge sich nur mit Mühe ein Grinsen verkneifen konnte. So, wie er sich öfter einmal bei Richie's Sprüchen das Grinsen zu verkneifen versuchte. Wenn der Braunhaarige Junge ehrlich sein sollte, so wusste er in jenem Moment nicht ganz, wie er sich fühlen sollte. Wie er sich in Richie's Nähe fühlen sollte.
Jenes Gefühlschaos- ein ein wenig anderes Gefühlschaos als jenes, dass er bis jetzt in all dem Jahren so oft in Richie's Nähe verspürt hatte- hielt schon seit dem Vortag an. Jenes Gefühlschaos, bei dem er einerseits gerne in Richie's Nähe war. Bei dem er dessen Nähe genoss. Es genoss, Zeit mit seinem besten Freund zu verbringen. Mit ihm zu reden. Ihm dabei zu zuhören, wenn er wieder einmal einen seiner Sprüche riss.
Mit ihm zu lachen, und über alle möglichen, mehr oder weniger belanglosen Dinge zu reden, so, wie sie es auch früher so oft getan hatten. So, wie sie es auch früher so oft getan hatten- und doch hätte er das Gefühl, als fühlte es sich nun ein wenig anders an. Als fühlte es sich nun ein wenig anders an, in dem Wissen, dass er Gefühle für seinen besten Freund hatte. In dem Wissen, dass er etwas für diesen empfand, und seine Gedanken immer und immer wieder zu jener Frage zurück zu schweigen schienen, was wäre wenn. Was wäre wenn dieser seine Gefühle doch erwidern würde? Was wäre, wenn es doch einen winzigen Hauch einer Chance für Richie und ihn gäbe?
Was wäre, wenn dieser auch mehr als nur freundschaftliche Gefühle für den Jüngeren hatte? Was wäre, wenn er es nicht tat? Wenn er Eddie nur als seinen besten Freund sah? Was wäre, wenn er Richie von seinen Gefühlen erzählen würde? Wenn er es ihm gestehen würde, und dieser es schlecht aufnehmen würde? Wenn er nichts mehr mit ihm zu tun haben wollen würde, weil er es als merkwürdig, als unangenehm empfinden würde, dass sein bester Freund Gefühle für ihn hatte? Wenn ihre Freundschaft daran zerbrechen würde?
Wenn ihre Freundschaft in Scherben liegen würde, wie ein Glas, das soeben auf dem Boden aufgeprallt war, und dessen kleine Scherben, die sich nur wieder zusammen fügen lassen würden auf dem Boden verteilt lagen? War ihre Freundschaft wirklich so zerbrechlich wie jenes Glas? So zerbrechlich, dass sie so etwas nicht verkraften würde? Dass dies sie zu sehr belasten würde? Eddie schüttelte kaum merklich den Kopf, fast schon so, als würde er hoffen, dass jene Gedanken sich so leicht abschütteln ließen, wie etwa die verfärbten, rotbraunen Blätter, die sich früher, wenn sie, der Losersclub im Herbst in den Barrens gewesen waren, in seinen dunkelbraunen Haaren verfangen hatten.
Nein. Das würde nicht passieren. Es war vermutlich fast schon klar, dass Richie seine Gefühle nicht erwiderte, aber würde er ihn wirklich verurteilen, wenn er dem Schwarzhaarigen von seinen Gefühlen erzählen würde? Würde er ihn wirklich einfach wegstoßen, so, als wären die letzten elf Jahre nicht gewesen? So, als wären sie nie beste Freunde gewesen? Als wären sie einander nie wichtig gewesen? Oder besser gesagt, als wären sie sich wichtig gewesen, ehe er, Eddie sich verändert hatte? Ehe er begonnen hatte, jene Gefühle zu hegen? Er wusste es nicht.
Er wusste nicht, wie Richie darauf reagieren würde, und es machte ihn nervös. Nervös, und in gewisser Weise auch traurig und ein wenig enttäuscht. Enttäuscht von sich selbst, weil er keine Worte einfach nicht über die Lippen brachte. Weil er Angst davor hatte, die laut auszusprechen. Weil er Angst vor den möglichen Folgen hatte, die jene Worte mit such bringen könnten
. Sollten Freunde sich nicht eigentlich Alles erzählen können? Über Alles reden können, ohne Angst davor haben zu müssen, was der jeweils Andere dazu sagen würde? Ohne Angst davor haben zu müssen- nein. Eigentlich glaubte er nicht, dass es wirklich Angst haben musste.
Ein Teil von ihm bezweifelte, dass er Angst vor Richie's Reaktion haben musste. Dass diese so schlecht ausfallen würde, dass Eddie wirklich Angst davor haben musste. Ein kleiner, hoffnungsvoller Teil von ihm glaubte sogar fast zu Wissen, dass Richie ihn, auch, wenn er seine Gefühle nicht erwidern würde, ihn zumindest weiter akzeptieren würde. Ihm zwar erklären würde, dass er nicht das Gleiche fühlte, dass Eddie für ihn einfach sein bester Freund war. Dass er den kleineren Jungen zwar liebte, allerdings auf jene Art, wie man einen besten Freund, vielleicht auch einen Bruder liebte. Dass sie dennoch weiterhin beste Freunde sein konnten.
Aber dennoch hatte er Angst. Trotz jenem Teil von ihm, der diese Ansicht hatte- der dies wirklich glaubte, hatte er Angst. Angst, seinen besten Freund zu verlieren. Sollten Freunde sich nicht eigentlich Alles erzählen können? Ohne sich so viele Gedanken darüber zu machen. Ohne vorher im Kopf alle möglichen Szenarien durchzugehen, wie es wohl ausgehen könnte, wenn man erzählen würde, was man zu erzählen hatte. Ohne sich vorher so viele Gedanken über die Reaktion seines Gegenübers zu machen. Ja. Vermutlich war dem so. Doch war es nicht zumindest ein wenig etwas Anderes, wenn es um Gefühle ging? Wenn es um Liebe ging? Um Gefühle, die man für den Anderen hatte? 'Womöglich. Doch das, ändert nichts daran, dass du Richie gestern angelogen hast'.
Es war fast wie eine Art innere Stimme, die dies zu ihm sagte. Obgleich jener Satz nie wirklich laut ausgesprochen worden war- lediglich ein Gedanke in seinem eigenen Kopf war- so kam es ihm vor, als hätte er sie genauso deutlich hören können, als hätte er sie laut ausgesprochen. Als hätte er sie an sich selbst, an sein Spiegelbild gerichtet. Und es stimmte. Er hatte Richie angelogen- zumindest hatte er ihm gegenüber nicht ganz die Wahrheit gesagt, als er sagte, er wolle einfach nicht darüber sprechen, wer jene Person war. Als er gesagt hatte, er wolle nicht darüber sprechen, da dies den Hüften verschlimmern konnte.
Da jener Husten schlimmer werden könnte, wenn er an jene Person dachte. Und obgleich dues in gewisser Weise stimmte- obgleich der Husten tatsächlich oft schlimmer wurde, wenn er an jene bestimmte Person dachte- fühlte er sich schlecht deswegen. Schlecht. Schuldig, weil er seinem besten Freund noch die Wahrheit gesagt hatte. Weil er Richie nach einigem kurzen Zögern angelogen hatte. Eddie möchte es nicht sonderlich, Lügen zu müssen. Anderen Menschen etwas zu erzählen, was nicht, oder zumindest nicht ganz stimmte.
Richie etwas zu erzählen, was nicht ganz stimmte. Und doch hatte er es mehr als einmal getan. Nicht, ohne es hinterher zu bereuen. Nicht ohne sich später eben so schuldig zu fühlen, wie er es jetzt tat, aber dennoch hatte er es getan. Möglicherweise war er deshalb auch kein sonderlich guter Lügner. Möglicherweise wirkte es sich schlecht auf die Glaubwürdigkeit der Lüge aus, wenn man wüsste, dass etwas, tief in seinem Inneren einen dazu drängen wollte, die Wahrheit zu sagen. Wenn man sich fast schon dazu zwingen musdte zu lügen, weil es vermutlich dennoch in gewisser Weise leichter war. Weil es für ihn selbst leichter war, seine Gefühle für Richie geheim zu halten- zumindest in einigen Hinrichten, wenn auch nicht in Allen.
Weil es ihn vermutlich dennoch mehr Überwindung kosten würde, die Wahrheit zu sagen. Feigling. Er hatte jenen ungläubigen, ja, fast schon ein wenig verletzten Blick des Brillenträgers am Tag zuvor bemerkt. Hatte bemerkt, dass dieser ihm vermutlich nicht ganz glaubte. Dass er ihm das, was er gesagt hatte nicht ganz abnahm, aber aus irgendeinem Grund nicht mehr weiter nachgebohrt hatte. Nicht weiter nachgehört, sondern ihm nur jenen kurzen Blick zugeworfen hatte, bei dem der Achtzehnjährige das Gefühl gehabt hätte, ein kurzes, leichtes Aufblitzen von Enttäuschung- von Schmerz - in den dunklen Augen seines besten Freundes erkennen zu können.
Und es hätte ihm einen leichten Stich in der Brust verpasst. Er hasste es, Richie verletzt zu sehen. Selbst, wenn er nur ein wenig war. Selbst, wenn es im nächsten Moment fast schon wie vergessen zu sein schien. Besonders dann, wenn er wüsste, dass er in gewisser Weise der Grund dafür war. Wenn er wüsste dass jener kurze, verletzte Ausdruck in den Augen seines Gegenübers mit ihm, Eddie zu tun hatte. Er wollte nicht dass Richie dachte, er würde ihm nicht vertrauen. Glaubte, er würde ihm nicht genug vertrauen, um ihm von der bestimmten Person zu erzählen. Nicht genug, als dass er sich sicher sein könnte, dass jenes Geheimnis bei Richie sicher war.
Nicht genug, als dass er mit ihm darüber sprechen wollte. Natürlich vertraute er Richie. Natürlich vertraute er ihm, und es hat weh, ihn anzulügen. Aber was hätte er in jenem Moment sonst tun sollen? Er hätte ihm die Wahrheit erzählen können. Doch die Ungewissheit darüber, was daraufhin passieren könnte, hatte ihn davon abgehalten. Die Angst davor, was als nächstes passieren könnte. Eddie merkte plötzlich jenes Zwicken in der Brust. Jenes Zwicken, das mittlerweile auf eine merkwürdige Art beinahe schon vertraut wirkte. Dass ihn mittlerweile seit fast zwei Wochen begleitete, aber an das er sich noch immer nicht wirklich gewöhnt hatte. Dass ihm noch immer schmerzhaft vorkam. Bei dem er noch immer hin und wieder kurz zusammen zuckte. Zusammen zuckte, und sich anschließend ein wenig anspannte. Der Junge keuchte kurz leise, kaum merklich auf, und schlang seine Arme leicht um seinen eigenen Oberkörper.
" Na ja", entgegnete Richie nur auf Eddie's vorherige Bemerkungen, und zuckte Grinsend mit den Schultern. " Wenn du mal betrachtest, wie die beiden sich schon allein in der Schule aufführen..." wenn er ehrlich war, dann war dies nicht wirklich der einzige Grund, warum er Bill und Stan aufgrund deren Beziehung öfter einmal aufzog. Wenn er ehrlich war, dann wusste er es besser. Wusste er besser, dass der Grund dafür nicht nur ein Grund war.
Dass es mehrere Gründe gab, und einer davon vermutlich eine gewisse Eifersucht war. Eine gewisse Eifersucht auf die beiden, obgleich er du es eigentlich nicht zulassen wollte. Obgleich er es oft nicht wirklich wahrhaben wollte. Sich selbst nicht wirklich erlauben wollte, aber dennoch war jene Eifersucht da. Jene Eifersucht auf die beiden, weil sie es geschafft hatten. Weil sie den Mut aufgebracht hätten, sich ihre Gefühle zu gestehen. Weil sie sich ihre Gefühle gestanden, und herausgefunden hätten, dass der jeweils Andere ebenso fühlte, wie sie selbst.
Weil sie glücklich miteinander waren, auch, wenn sie ihre Beziehung in der Öffentlichkeit mehr oder weniger gesteckt halten mussten. Auch, wenn sie diese nicht wirklich offen zugeben konnten- nicht in Derry. Nicht in einer der vermutliche homphobsten Städte. Aber zumindest hatten sie einander. Zumindest wussten sie, dass ihre Gefühle erwidert würden. Dass sie den Anderen liebten, und dass dieser sie selbst auch liebte.
Zumindest hatten sie einander, auch, wenn sie sich in der Öffentlichkeit einfach wie beste Freunde verhielten. Auch, wenn sie in der Schule nur hin und wieder versteckt Händchen halten, oder sich einige kurze oder längere Blicke zuwerfen konnten. Es war nicht wirklich fair, eifersüchtig zu sein. Nicht wirklich fair, zumal die beiden es in Derry auch nicht wirklich leicht hatten. Zumal sie sich möglicherweise anfangs, ehe sie erfahren hatten, dass sie das Gleiche füreinander empfanden ähnlich gefühlt hatten, wie Richie jetzt.
Dass sie das Gefühl gehabt hatten, als dürfte niemand jemals von jenen Gefühlen erfahren. Erst recht nicht die Person, für die die jene Gefühle hatten. Erst recht nicht die Person, in deren Nähe sie so oft das Gefühl hatten, ihr Herz würde so schnell schlagen, dass es bald aus der Brust heraus springen würde. Die Person, die ihnen so viel bedeutet hatte, aber bei der sie gelaunt hätten, ihr dies niemals wirklich sagen zu können. Zumindest noch auf jene Art.
Die, wie es auch jetzt bei Richie der Fall war. Und würde es überhaupt wirklich etwas bringen, Eddie davon zu erzählen? Würde es überhaupt wirklich etwas ändern? Schließlich gab es für Eddie bereits jemanden. Schließlich hatte der kleinere Junge bereits für eine andere Person Gefühle. Für eine andere Person, über die er nicht hatte sprechen wollen. Eine andere Person, von der Richie nicht wirklich wusste, um den es sich dabei handeln könnte.
Bei der er nicht wüsste, wieso Reddie ihm nicht erzählt hatte, wer es war. Warum er ihn angeklickt hatte, mit diesem kurzen Aufflackern von Nervosität in seinem Blick, und dann behauptet hatte, er wolle nicht darüber sprechen. Vielleicht vertraute er Richie tatsächlich nicht genug. Vielleicht hätte er Angst, es könne dem Schwarzhaarigen aus Versehen heraus rutschen.
Angst, er könnte sich aus Versehen einmal versprechen. Angst, dass das Geheimnis bei ihm nicht sicher sein würde. Richie spürte einen leichten Stich in der Brust. Er würde es nicht weiter erzählen. Auch nicht aus Versehen. Wenn es seinem besten Freund scheinbar so unangenehm war- wenn er nicht wirklich wollte, dass jemand es erfuhr- dann würde es durch Richie auch niemand erfahren. Und dennoch war da noch immer jenes Ziehen in der Brust, wenn er daran dachte, dass Eddie verliebt war. Wenn er daran dachte, dass eine Person gab- eine Person, die vermutlich nicht er war- für die Eddie Gefühle hatte.
Dass es eine Person gab, die das hatte, was Richie so gerne hätte- ob er es nun zugeben wollte, oder nicht. Eine Person, von der er nicht wusste, ob sie Eddie's Gefühle erwiderte. Ob sie das Gleiche für seinen besten Freund empfand. Ob sie das Gleiche für ihn empfand, oder, ob es für jene Person wiederum jemand ganz Anderen gab. Ob Eddie's Gefühle unerwidert waren. Und wenn er ehrlich war, dann wusste er nicht, was er davon halten sollte- was er hoffen sollte. Er wollte nicht, dass es Eddie möglicherweise so ergehen würde, wie Richie jetzt.
Wie so vielen Menschen, die so etwas wie unerwiderte Liebe durchmachten. Er wollte nicht, dass Eddie jenes schmerzhafte Ziehen in der Brust kennenlernte, wenn er an die Person dachte, und daran, dass sie vermutlich nie zusammen sein würden. Jenes Ziehen, dass sich anfühlte, als würde das Herz selbst in gewisser Weise schmerzen. Dass den kleineren Jungen immer wieder jene leichte Traurigkeit überkam, wenn er an jene Person dachte. Jene Traurigkeit, aber auch jenes andere, merkwürdige Gefühl. Dieses merkwürdige Kribbeln, dass man jemandem, der es noch nie gespürt hatte- jemandem, der noch nie verliebt gewesen war- vermutlich kaum oder nur sehr schwer erklären konnte.
Der Wunsch, jene Person glücklich zu sehen. Sie glücklich zu sehen, auch, wenn man selbst unglücklich sein würde. Auch, wenn man möglicherweise keinen Anteil an dem Glück jener Person zu haben. Auch, wenn das bedeutete, dass diese Person mit einer anderen Person, die nicht mal selbst war glücklich werden würde. Wenn es bedeutete, zu sehen, wie jene Person mit demjenigen glücklich war, und man wusste, dass man nie diese Person sein würde. Und es schmerzen würde, aber es in Ordnung wäre- zumindest auf eine gewisse Weise in Ordnung wäre- obwohl man innerlich, irgendwo tief in sich wusste, dass es für einen selbst vermutlich nie ganz in Ordnung sein würde. Ja, er wollte, dass Eddie glücklich war.
Und er wusste nicht, wie gut er es wegstecken können würde, seinen besten Freund wegen jener Person traurig zu sehen. Dass Eddie dies tatsächlich hin und wieder war- dass der Junge tatsächlich recht oft an jene Person dachte, und sich immer wieder ähnliche Fragen wie auch Richie stellte, wusste der Schwarzhaarige nicht. Ebenso wenig wie er wusste, dass jene bestimmte Person, für die Eddie Gefühle hatte er, Richie Tozier selbst war.
Eddie grinste auf Richie's Bemerkung hin leicht. Jedoch hielt dieses Grinsen nicht sonderlich lange an, den km nächsten Moment zuckte der zierliche Junge kurz zusammen und verzog schmerzerfüllt das Gesicht. Seine Brust schmerzte erneut, und er wusste, dass dies möglicherweise auf einen Hustenanfall hinaus laufen würde. Es fühlte sich an, als würden sich mehrere, kleine, wirklich kleine aber spitze Gegenstände in seiner Lunge- in seiner Brust- befinden, und hin und wieder mit dieser in Kontakt geraten.
Und obgleich er wusste, dass dies nichts mit seinen üblichen Beschwerden, seinem Asthma zu tun hatte, griff er mit seiner rechten Hand nach dem Asthmaspray, das neben ihm auf dem Bett lag, und Schluss sich um jenen kühlen, harten Gegenstand. Er führte es zu seinem Mund, und nahm einige, lange Züge. Eddie wusste bereits seit einiger Zeit- seit fünf Jahren- dass es kein richtiges Medikamt, und sein Asthma kein richtiges Asthma war. Bereits seit fünf Jahren wusste er durch Mr. Keene, dass sein Spray ein Plazebo war.
Dass es nichts weiter als Wasser war. Wasser, vermischt mit etwas, das ihm jenen medizinischen Geschmack verlieh, der vermutlich einer der Gründe gewesen war, warum er all die Jahre, bis er dreizehn Jahre alt gewesen war geglaubt hatte, er hätte Asthma. Warum er seiner Mutter jene Lüge geglaubt hatte, von der er nicht wüsste, ob er sie ihr wirklich jemals ganz verzeihen könnte. Jene Lüge, an die er mittlerweile zwar nicht mehr wirklich glaubte, aber die ihn dennoch weiterhin begleitete.
Jene Lüge, wegen der er sechs Jahre lang nicht im Sportunterricht teilgenommen hatte. Wegen der er stets am Rand gesessen, und den anderen Kindern dabei zugeschaut hatte, was auch immer die im Unterricht gemacht hatten. Wegen der er stets am Rand gesessen hatte, und sich immer und immer wieder gefragt hatte, warum das Asthma ausgerechnet ihn getroffen hatte. Warum er als einziger Junge nie am Sportunterricht teilnehmen konnte. Das Asthma. Dabei war es nie richtiges Asthma gewesen.
Jene Lüge, dass mit seiner Lunge etwas nicht in Ordnung war. Dass es an der Lunge lag, dass er hin und wieder, oft, wenn er nervös oder aufgebracht war, nicht mehr richtig Luft bekam. Dass es wirklich an der Lunge lag, dass er- auch ohne jenen Husten, der ihn seit fadt zwei Wochen begleitete- manchmal das Gefühl hatte, ihm würde dich die Kehle zuschnüren. Ihm würde sich die Kehle zuschnüren, und es so mit unmöglichen machen, normal durchzuatmen. Dass es an der Lunge lag, die durch jenes Spray geweitet zu werden schien, so, dass er wieder atmen konnte.
Dass jenes Slray wirklich zu helfen schien. 'Ich bin nicht verrückt!' Eddie erinnere sich noch daran, wie er in Mr. Kenee's Büro gesessen hatte, als dieser es ihm erzählt hatte. Wie er dagessesn hatte, mit dem Milchshake vor sich, und wie er Mr. Kenee zugehört hatte, als dieser ihm versucht hatte zu erklären, dass sein Asthma psychosomatisch war. Wie er versucht hatte ihm zu erklären, dass es nicht an seiner Lunge, sondern viel mehr an seinem Kopf, seinen Gedanken lag. Daran, wie angespannt er stets war. Daran, wie sehr er seiner Mutter damals noch Glauben geschenkt hatte.
Seiner Mutter und dem, was sie ihm erzählt hatte. Er wusste noch genau, wie nervös, und wie irritiert er in jenem Moment gewesen war, nicht wirklich verstehend, was das zu bedeuten hatte. Nicht wirklich verstehend, was Mr. Keene damit sagen wollte- Doch. Er hatte es verstanden. Er hatte so viel verstanden, dass sein Asthma, das er dreizehn Jahre lang zu haben glaubte kein richtiges Asthma war. Dass seine Mutter ihn angelogen hatte. Dass sie ihn angelte hatte, um einen weiteren Grund zu haben, ihn davon abzuhalten, draußen mit seinen besten Freunden zu spielen.
Einen weiteren Grund, ihm klar zu machen, die zerbrechlich, wie sensibel er war. Um ihn im Haus zu behalten. Er war verwirrt gewesen. Hatte sich in gewisser Weise verraten gefühlt. Verraten, von seiner eigenen Mutter. Und andererseits, hatte er das, was er zu hören bekommen hatte fast am liebsten abstreiten wollen. Hatte Mr. Keene Nicht wirklich glauben wollen- zumindest anfangs nicht. Nicht glauben wollen, dass das, mit dem er sich all die Jahre herum geplagt hatte, sozusagen eine Art Einbildung war. Der mittlerweile Achtzehnjährige betrachtete das blaue Spray in seiner rechten Hand. Vielleicht bin ich doch verrückt.
" Eddie? Hey Ed's", Richie legte seinem besten Freund eine Hand auf die Schulter. " Geht's? Ist Alles in Ordnung?" Er blickte den Kleineren besorgt an. Zwar hatte er früher öfter eine ähnliche Reaktion von dem Jungen gesehen, wenn dieser einen seiner Asthmaanfälle hatte- aber dennoch hatte es nicht ganz so schmerzhaft ausgesehen. Dennoch wirkte es nun in gewisser Weise verstärkt, und der Lockenkopf wusste, dass es wohl an dem merkwürdigen Husten liegen musste. Dass sie Schmerzen seines besten Freundes an diesem liehen mussten. Und wie so oft, seitdem er von jenem Husten erfahren hatte, wünschte er sich, er würde einfach verschwinden. Wünschte er sich, Eddie würde ihn endlich los werden. Sich nicht mehr mit dem Husten herum plagen müssen. Nicht mehr darunter leiden zu müssen. Er hasste es, Eddie leiden zu sehen. Zu sehen, wie der Jüngere Schmerzen hatte. Wie er sich unwohl fühlte.
" Es geht schon wieder, glaube ich ", Eddie schenkte seinem besten Freund ein kurzes Lächeln. Tatsächlich schien der Schmerz in seiner Brust zumindest ein wenig nachgelassen zu haben. Ein wenig glaubte er, ihn noch immer spürten zu können- allerdings milder als zuvor. Ja, sein Asthmaspray war nur ein Placebo, und vermutlich half es gegen jenen Husten nicht viel. Aber dennoch hätte Ed die oft noch immer- auch nach fünf Jahren- das Gefühl, es würde ihm besser gehen, wenn er das Sogar benutzte. Das Gefühl, es würde ihm zumindest ein wenig helfen. Das Gefühl, das vermutlich nicht mehr als eine Art Angewohnheit aus der Zeit war, als er noch so überzeugt davon gewesen war, dass es tatsächlich echt war. " Es ist nur", Eddie gestikulierte auf seine eigene Brust. " Du weißt schon ", murmelte er dann.
" Der Husten?" Hakte Richie nach, woraufhin er ein Nicken als Antwort bekam. " Ist es...ist es sehr schmerzhaft?"
" Mal mehr, mal weniger", seufzte Eddie, und rutschte ein wenig näher an Richie heran, der ihm nach einigem kurzen Zögern einen Arm um die Schultern legte, und ihn noch ein wenig näher an sich herab zog. Der braunhaarige Junge hatte plötzlich mehr oder weniger das Gefühl, als wäre es in jenem Raum plötzlich ein bisschen wärmer geworden. Nicht auf eine unangenehme Art. Eher auf eine angenehme, fast schon tröstliche Art. Auf eine Art, wie öfter einmal, wenn er Richie so nah war, wie jetzt. " Ich hoffe nur, dass das hier bald aufhört", fügte er dann ehrlich hinzu.
" Ja", entgegnete sein Gegenüber, ohne den Arm von Eddie's Schultern zu nehmen. " Ich auch", fügte er dann leiser als er es geplant hatte, aber vermutlich noch immer laut genug, als dass Eddie es hören könnte hinzu.
AN: Uff, Peoples...Es tut mir so leid, dass ich fast zwei Wochen nicht mehr geupdatet habe, aber ich ging irgendwie an diesem Kapitel fest, weil ich nie ganz zufrieden damit war...jetzt bin ich es...Nicht ganz aber halbwegs XD
Wie findet ihr das neue iPad so? Schreibt mir gerne eure Meinung dazu in die Kommis und sonst...
Bis bald🙃💕
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