I
Ich habe nichts gegen Lärm. Ich liebe es, um genau zu sein. Laute, verstärkte E-Gitarren Töne mit kratziger Stimme, die dem Heavy Metal Song den kleinen Feinschliff geben. Ich liebe es, wenn meine Katze Pennywise jedes Mal die schwarzen Haare zu Berge stehen und sie sich mit erschrecktem Blick in ein anderes Zimmer verzieht. Nur, um dann doch wieder anzukommen.
»Nimmst du mich also doch mit Metal?«, frage ich sie oft. Sie mauzt zur Antwort beleidigt und läuft über die frisch aufgetragene Farbe. Mittlerweile gehören die Tatzen auf meinen düsteren Bildmotiven dazu. Die Leute mögen es sogar, weil sie so im Kontrast zu dem gruseligen Inhalt stehen. Aufgerissene Münder und Augen, Dunkelheit, die das Motiv umkreist und keine Möglichkeit zum Entkommen gibt. Einsame Straßen, blutrote Hände.
Gerade halte ich meinen Pinsel verkrampft in der Hand - erst hat sich die rote Farbe komisch auftragen lassen und jetzt das. Es geht nicht anders. Beinahe hätte ich sogar eine Blume in die Dunkelheit gemalt. Igitt. Sowas will doch niemand kaufen, die Leute lieben das Düstere. Es erzählt so viel mehr Geschichte als eine bescheuerte Blume. Doch bei diesen Klängen, die sich in meine Ohren schleichen, kann ich gar nicht anders. Ich spüre richtig, wie die feinen Klaviertöne wie kleine Nadelstiche in meine Haut eindringen. Wer tut sich denn so etwas freiwillig in maximaler Lautstärke an?
Wahrscheinlich irgendein feinfühliger Spießbürger. Ich habe keine Ahnung von klassischer Musik, aber ich wünschte, die Leute würden nicht zu sehr an diesem vergangenen Klaviergenudel hängen. Meine Hand beginnt immer mehr zu zittern und frustriert lasse ich den Pinsel fallen, um meine lauten Beats noch mehr aufzudrehen. Aber die eleganten Töne bahnen sich dennoch einen Weg zu meinen Ohren.
Ich gebe auf und wische meine Hände an der schwarzen Hose ab, die jetzt von roter Farbe verziert ist. Grummelnd pausiere ich Metallica und schnappe mir meinen schwarzen Ledermantel. Dann kommt mir eine noch bessere Idee, als mich einfach zu beschweren. Ich hole eine Handgroße Gummispinne aus meiner Schreibtischschublade, schreibe auf einen kleinen Zettel etwas und klebe ihn unten in die Spinne. Die Spinne wiederum umwickele ich mit einem dünnen, schwarzen Faden. Bei meiner Idee zuckt mein rechter Mundwinkel. Ich trete auf meinen Balkon, der mit böse grinsenden, schwarz angemalten Kürbissen verziert ist, deren Fratzen schaurig durch die Lichter in ihnen an die Hauswand geworfen werden. Eine kühle Brise weht in meinen Mantel und durch meine schwarzen Haare. Vor mir erstrecken sich verlassene Straßen, die ab und zu von einer Straßenlaterne erhellt werden. Am liebsten würde ich einen kleinen Inspirationsspaziergang machen und die nächtliche, gruselige Atmosphäre in mich aufnehmen, aber zuerst muss ich den Nachbarn zurechtweisen.
Pennywise ist mir gefolgt und streicht an meinen Beinen entlang. Ich trete an den Rand vom Balkon und beuge mich bis zu dem Fenster von meinem Nachbarn. Unter meinem Oberkörper ist jetzt nichts als herbstliche Nachtluft. Geschickt halte ich mich mit dem einen Arm an der Regenrinne fest und lasse die Spinne durch den Lüftungsspalt des Fensters gleiten. Ich werfe einen kurzen Blick in die Wohnung. Hatte sich da gerade etwas bewegt? Ich schaue genauer zu dem beigen Schrank, doch das Bild bleibt still. Dennoch habe ich das Gefühl, dass ich einen schwarzen Schatten gesehen habe.
Ich zucke mit den Schultern und gleite zurück auf den Balkon. Seltsamer Nachbar.
»Pennywise, jetzt kann niemand uns mehr stören«, sage ich und die kleine Katze mauzt. Ich hole mein Handy hervor und rufe die Polizei, um die Ruhestörung zu melden.
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