Kapitel Einundzwanzig: Wettbewerb
Stumpfe Augen blicken mir entgegen, die ihren Glanz gänzlich verloren haben. Tiefe Augenringe schmücken diese trostlose Erscheinung, sodass man genau erkennen kann, was Schlafentzug mit jemanden anstellt. Die Haare sind in einem wirren Durcheinander, der Körper umhüllt in weiten Sachen und um den Hals baumelt ein Halstuch und versteckt die offensichtlichen Wunden, die auch tief im inneren herrschen.
Die Dunkelheit breitet sich schneller aus als beim letzten Mal, zieht sie tief hinein und lässt sie nicht los. Die Miene ausdruckslos, zeigt keine Emotionen, denn jedes Lachen reißt den Riss weiter auf und würde jedes Kind verschrecken, da es eher eine Grimasse ist als ein Lächeln.
Die Tränen sind aufgebraucht, auch wenn sie sehnlichst gewünscht sind, denn diese zeigen ihr, dass sie noch immer etwas fühlen kann. Aber nach einer Woche, in der sie ununterbrochen geflossen sind, haben auch die Tränen die Erscheinung im Stich gelassen.
Könnt ihr erahnen, wen ich genau vor mir habe?
Mein eigenes Spiegelbild.
Seit Hunter in dieser Nacht verschwunden ist und mein Herz mir ein weiteres Mal zerstört hat, habe ich mich auf die Arbeit gestürzt. Die Versuche von Faith habe ich abgeblockt, denn ich wollte sie nicht in mein Durcheinander hineinziehen, wenn auch sie mit ihren eigenen Problemen zu kämpfen hat.
Meine einzige Abwechslung, die mir ein schwaches Lächeln auf die Lippen gezaubert hat, ist mein kleiner Knirps, der mich mit meiner Schwester besucht hat. Er hat sich an mir festgekrallt, als hätte er gewusst, dass ich in diesem Moment Trost gebrauchen könnte. Ich habe Finn an mich gedrückt, seine Berührungen und den unschuldigen Duft in mich eingesogen, um mich einen Augenblick in eine Welt zu begeben, die sorgenfrei ist.
Er hat die ganze Zeit an meinem Halstuch gefummelt, welches ich nur in der Nacht abgelegt habe. Jeder hat mich verwirrt gemustert, denn in dieser Hitze ein Foulard zu tragen ist mehr als ungewöhnlich. Aber wie hätte ich diese Fingerabdrücke auf meinem Hals erklären sollen? Niemand hätte es verstehen können.
Zum Glück sind die Flecken an meinem Hals verblasst und man sieht kaum noch etwas, weswegen ich ab morgen das Halstuch verbrennen kann.
Am Anfang waren sie nicht zu übersehen. Die Schwellung war richtig übel. Ich konnte nicht richtig schlucken, weshalb ich etwas an Gewicht verloren habe, denn außer Suppe konnte mein Hals nicht ertragen. Jeden Abend habe ich ihn eingecremt, versucht das Offensichtliche abzumildern und doch, hat es fast eine Woche gebraucht bis sie weg sind.
Eine Woche habe ich den Flecken und meinen Gefühlen die Zeit gegeben, um sie verschwinden zu lassen. Die Hautverfärbung ist verblasst und meine Gefühle sind in der hintersten Ecke meines Verstandes eingesperrt und verschlossen.
Denn heute muss ich mich von meiner besten Seite zeigen, weil ich mein kleines Café repräsentiere und noch mehr Kunden gewinnen will.
Aber mit einer solchen Entscheidung würde das schiefgehen, weshalb ich zum Make-up greife und meine Augenringe verdecke. Rouge wird aufgetragen, damit meine Haut gesünder aussieht als sie ist und meine Augen werden betont, ein kleiner Versuch sie vom meinem stumpfen Blick abzulenken. Als sich mein Spiegelbild langsam ändert und wieder zu der Erscheinung wird, die ich vor zwei Wochen noch war, schnappe ich meinen Schlüssel und verlasse meine kleine Wohnung.
Meine Anmeldung und die Bestätigungsmail liegen ausgedruckt in einer Mappe. Mein heutiges Rezept ist in meinem Kopf gespeichert und meine Hände können es kaum erwarten sie alle zu überraschen. Die Bäckerin in ist voller Vorfreude und verdrängt somit alle negativen Gedanken. Für diesen Tag sollen sie verschwinden und erst wieder kommen, sobald ich zu Hause bin.
An meinem Auto angekommen schaue ich verwundert an die Windschutzscheibe, an der sich viele kleine Zettel befinden. Eine nach der anderen nehme ich ab, zaubern mir ein kleines Lächeln auf die Lippen und Tränen bannen sich ihren Weg aus dem Augenwinkel. Schnell wische ich sie weg und lege sie sorgfältig in meine hintere Jeanstasche, sodass sie ganz nah bei mir sind.
All unsere Stammkunden, meine Familie und beste Freundin wünschen mir für den heutigen Tag viel Glück. Jeder hat was aufgeschrieben und Faith hat sie sicher vor der Öffnung hier platziert. Es ist schön zu sehen, wie alle hinter mir stehen und mich motivieren, das Ganze zu gewinnen. Eine Motivation, die ich gut gebrauchen kann.
Mit neu gewinnenden Elan setze ich mich ins Auto, erwecke den alten Kasten ins Leben und brause davon. Konzentriert blicke ich die Straße an, halte mich an alle Verkehrsregeln, denn ich habe mir genug Zeit eingerechnet, um pünktlich aufzutauchen. Nach einer Stunde komme ich an mein Ziel an, suche mir nahe am Eingang einen Parkplatz und seufze laut auf.
Du wirst das schaffen, Haylee. Jeder glaubt an dich, also solltest du auch an dich selbst glauben.
Ein letztes Mal atme ich tief ein, bevor ich aussteige und mich dem Eingang nähere. Zwischen meinen Händen ist die Mappe, die ich festhalte, als würde sie mir jeden Augenblick entwischen und halte nach der Anmeldung Ausschau.
Mein Herz dämmert heftig in meiner Brust als ich das mehrstöckigem Gebäude betrete.
Eine moderne Lobby kommt zum Vorschein. Es wurde mit viel Holz gearbeitet, Ledersofas sind gut positioniert, sodass man sich gut unterhalten kann, ohne dass jemand etwas mitbekommt. Ein sanftes Licht bringt die jeweiligen Akzente gut zur Geltung und man fühlt sich hier sofort wohl. Es ist als würde man in ein Wohnzimmer schreiten und nicht einen Hotelempfang.
Eine zierliche Blondine arbeitet konzentriert und doch mit einem Lächeln hinter der Theke. Ihre Augen strahlen mich an, als sie mich entdeckt und ich zielstrebig auf sie zu laufen, ihr die Mappe hinlege und ihr ein zögerliches Lächeln schenke.
„Hallo, mein Name ist Haylee Lane. Ich bin wegen des Wettbewerbes hier“, erkläre ich mein Anliegen und schaue sie nervös und erwartungsvoll zugleich an.
„Herzlich willkommen im Staybridge Suite.“ Ihre Stimme besitzt einen warmen Unterton, der jeden um den Finger wickelt. Während sie blind auf die Tastatur haut, sieht sie mich noch immer an.
„Mein Name ist Lia und sie können sich jeder Zeit bei Fragen an mich wenden. Der Backwettbewerb wird heute Nachmittag in der unteren Etage durchgeführt.“
Sie legt mir ein Dokument vor die Nase und hält mir ein Stift entgegen. Während ich die Unterlagen unterzeichne, fischt Lia meinen Zimmerschlüssel aus einer Schublade und hält ihn mir entgegen.
„Ihr Zimmer befindet sich im zweiten Stockwerk. Wenn sie wollen, rufe ich sie eine halbe Stunde vor dem Beginn an und begleite sie nach unten.“
Ich nehme den Schlüssel in die Hand, reiche ihr die Unterlagen, als ein Hotelpage hinter mir erscheint.
„Oh nicht nötig. Die Tasche bringe ich selbst nach oben. Trotzdem vielen Dank und ein Anruf wäre schön.“
Höflich nickt der Hotelangestellte mir zu und verschwindet so diskret wie er auch gekommen ist.
„Dann wünschen wir im Namen von Staybridge einen guten Aufenthalt. Die Aufzüge befinden sich hinten rechts.“
Ihre Finger zeigen mir nochmals den Weg, als ich lächelnd meine Tasche in die Hand nehme und Lia dankbar zu nicke. Die Aufregung steigt rasant in mir hoch, während ich auf den Lift zu laufe und mir den Kopf zerbreche, wie ich den Sieg mit nach Hause nehmen sollte. Denn die Selbstzweifel kommen langsam in mir auf.
°°○°°
Nach einer langen Dusche ziehe ich mir etwas Gemütliches an, sodass ich mich gut bewegen kann, wenn ich gleich beginne in der Küche zu hantieren.
Die Empfangsdame Lia hat vor einigen Minuten angerufen und nun steh ich vor dem Spiegel, binde meine Haare zu einem Dutt nach oben, sodass sie mir beim Backen nicht in die Quere kommen.
Bei ihr angekommen machen wir uns direkt auf den Weg nach unten, in einen der Anlass räume, die das Hotel zu bieten hat und die extra für diese Show so präpariert wurde, als würde man eine Backshow im Fernsehen ansehen.
Viele Leute sind hier unten versammelt. Einige kenne ich aus unseren Nachbarstädten und begrüße sie höflich mit einem Nicken. Wenn ich mir hier alle Menschen ansehe, steigt die Nervosität rasant in mir aus. Sie wird durch ein Kribbeln in meinem Körper begleitet und meine Hände beginnen zu schwitzen, weshalb ich sie immer wieder an meiner Jeans abwische.
Bei einem älteren Mann kommen wir zum Stehen, der uns freundlich ansieht und mir die Hand entgegenhält.
„Herzlich willkommen zum 150. Backwettbewerb in North Carolina. Mein Name ist Samuel und ich bin der Organisator dieses Events.“
Fest schütteln wir uns die Hände. Ich hoffe, dass er meine Aufregung nicht spürt und schenke ihm deshalb ein Lächeln.
„Freut mich, Sie kennenzulernen, Samuel. Mein Name ist Haylee Lane und ich komme aus Brices Creek.“
Zum Glück ist meine Stimme fest und lässt sich nichts anmerken. Auch wenn es in mir brodelt, zeigt mein Äußeres wohl keine Anzeichen der Schwäche. Er hat nicht mal meine Schweißnassen Hände bemerkt, weswegen ich das als einen kleinen Sieg vermerke.
„Schön, dass sie in diesem Jahr dabei sind, Haylee. Max wird ihnen ihren Platz zeigen und in wenigen Minuten kann es dann auch losgehen. Ich wünsche ihnen viel Glück.“
Als Max bei uns auftaucht, bedanke ich mich bei Samuel und folge dem schmächtigen Mann und schaue mir die Konkurrenz dabei an.
Das wird schwerer als gedacht.
Na dann.
Auf in den Kampf.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro