mother
»Jinhees Sicht«
Im Chaewon
★ 10. August 1973
† 23. Februar 2007
"Ich war lange nicht mehr hier." Mein Vater fuhr mit seinen Fingerkuppen über das Bild meiner Mutter, dass neben ihrer Urne stand.
"Ich auch nicht", ließ ich ihn wissen.
Das lag daran, dass ich beim letzten Mal von dem Sicherheitsdienst raus befördert werden musste. Ich glaube ich war sechszehn und einer meiner berühmten hysterischen Anfälle waren über mich gekommen. Seitdem versuchte ich mich eigentlich grundsätzlich von Friedhöfen oder Ruhestätten fernzuhalten. Sie lösten etwas in mir aus, dass ich nicht kontrollieren konnte.
Doch heute war es anders, denn ich war mit meinem Vater hier. Meine Augen brannten bei dem Anblick, der sich mir bot.
Es war herzzerreißend ihm dabei zuzusehen, mit welcher Sanftheit er ihr Foto anlächelte. Der Schmerz stand ihm ins Gesicht geschrieben, aber auch die tiefe Verbundenheit zu ihr war zu erkennen.
"Wie habt ihr beide euch eigentlich kennengelernt?", fragte ich ihn, da mir auffiel, dass ich diese Geschichte noch gar nicht gehört hatte. Was sehr seltsam war. Ich kannte die Liebesgeschichte seines besten Freundes, aber nicht meiner eigenen Eltern.
Mein Vater drehte seinen Kopf in meine Richtung, ehe er antwortete.
"Deine Mutter und ich waren wie dieses Klischeehafte Rich Boy, Poor Girl Pärchen. Ich war ein aufgeblasener Strohkopf, der nur das Geld seines Vaters verprasste und deine Mutter war eine der wenigen Studenten mit einem Stipendium an unserer Universität."
Der Ältere blühte richtig auf, als er mir davon erzählte, ich hörte ihm währenddessen begeistert zu.
"Wie du weißt ist deine Mutter in einem Waisenhaus groß geworden. Sie musste sich von Anfang an alles erkämpfen und das hat mich so sehr an ihr beeindruckt. Ich, der alles immer auf dem Silbertablett serviert bekommen hat, kannte so etwas überhaupt nicht."
Meine Mutter wurde nie adoptiert und war deshalb ihr ganzes Leben immer alleine gewesen.... bis sie meinen Vater traf.
"Deine Mutter...." Tränen stauten sich in seinen brauen Augen an und er musste inne halten, um sich zu sammeln.
"-hat mich zu einem besseren Menschen gemacht." Seine Lippen bebten und ich konnte sehen, wie er sich schnell die Träne wegwischte, die über seine linke Wange gerollt war.
"Ich vermisse sie auch, Appa...", meinte ich leise und nahm seine Hand, um sie zu drücken.
Wir standen einige Minuten so da, bis mein Vater mich schließlich hektisch hinter sich her zog.
"Was machst du?", wollte ich von ihm wissen, als ich ihm hinterher stolperte.
"Ich möchte dir einen besonderen Ort zeigen."
[...]
"Was ist so toll an einer Bank?" Ich hatte meine Stirn voller Argwohn gerunzelt, als mein Vater in dem kleinen Park stehen blieb.
"Das ist keine gewöhnliche Bank, Jinhee. Das war unsere Bank. Hier habe ich sie gefragt, ob sie mit mir ausgeht, wir hatten unseren ersten Kuss hier und den Antrag habe ich hier ebenfalls gemacht."
"Bitte sag mir, dass ihr mich hier nicht gezeugt habt, sonst setzte ich mich ganz bestimmt nicht hier hin."
"Yah!", mein Vater lachte schockiert, bevor er sich auf die Bank setzte und mir versicherte, dass dem nicht so sei. Also tat ich es ihm gleich.
"Jinhee... da gibt es etwas... das ich dir noch sagen sollte."
"Hm?"
Er wirkte plötzlich ziemlich nervös, was mich beunruhigte.
"Manchmal...wenn ich am Rande meiner Kräfte bin und am liebsten aufgeben würde… da sehe ich sie vor mir."
Ein dicker Kloß bildete sich in meinem Hals, der mir gänzlich die Sprache verschlug.
"Und sie sagt mir dann jedes Mal, dass ich mich zusammenreißen muss. Wer passt sonst auf unsere Kleine auf? Ich weiß, das es nicht normal ist seine tote Ehefrau zu sehen, aber sie war nicht bloß meine Frau ... sie war auch meine Seelenverwandte."
Zwölf Jahre und mein Vater war noch immer nicht über ihren Tod hinweggekommen.
Konnte es etwas traurigeres geben?
Um ehrlich zu sein wusste ich nicht was ich dazu sagen sollte. Aber ich erkannte eines ganz deutlich. Und zwar, dass Liebe über den Tod hinaus ging. Mein Vater war dafür der lebende Beweis.
Es würde immer ein Teil von dem Schmerz bleiben und eine Narbe hinterlassen.
"Hoffentlich wird dieser Bastard geschnappt...", krächtzte ich halblaut, weshalb mein Vater die Frage stellte, die ich hoffte vermeiden zu können.
"Wie lief eigentlich das Gespräch mit Taehyung?"
Wunderbar.
"Er wollte nicht über seinen Vater sprechen", antwortete ich und lehnte mich zurück, ehe ich den Kopf in den Nacken legte.
Dieser Mistkerl ließ mich nie die wichtigen Dinge aussprechen.
"Aber ich glaube, es liegt auch an mir... wenn ich es wirklich gewollt hätte, dann hätte er mich nicht aufhalten können."
"Und wieso hast du es dann nicht getan?"
"Ich schätze ich hatte Angst vor seiner Reaktion... Ich weiß ja nicht einmal wie sein richtiger Vater gestorben ist... wie hätte ich ihm das erklären sollen?"
Mein Vater atmete geräuschvoll die Luft aus und verschränkte seine Hände ineinander, was mich sofort alarmierte.
"Du weißt es, oder? Die Todesursache."
Er warf mir einen wehmütigen Blick zu, den ich mit einem stummen Nicken erwiderte.
"Er wurde totgeprügelt. Genau wie deine Mutter."
Ich musste die Augen schließen, als mein Vater es aussprach. Sein Tonfall wirkte sehr bestürzt.
"Aber es gibt einen Unterschied zwischen den beiden. Deine Mutter hat versucht sich zu wehren und in Kim Hyunwoos Autopsiebericht wurde deutlich klargestellt, dass es keine Anzeichen von Gegenwehr gab. Er hätte es bestimmt mit dem Täter aufnehmen können, hat sich aber stattdessen einfach töten lassen."
Ich spürte wie die Tränen an meinem Gesicht herunterliefen und presste die Lippen zu einer schmalen Linie.
"Ich habe es dir bis jetzt verschwiegen, aber ich habe eine Theorie was das angeht."
Mein Herz lag schwer in meiner Brust, denn ich hatte mit diesen grausamen Tatsachen sehr zu kämpfen.
"Ich denke ... Kim Hyunwoo hat sich nicht zu Wehr gesetzt, weil er jemanden beschützen wollte. Jemand der dabei war und nicht entdeckt werden sollte."
Die Zahlenräder in meinem Kopf brauchten einen Moment, um wieder funktionieren zu können. Doch als ich begriff, was mein Vater da versuchte mir zu erklären, öffnete ich langsam meine Augen und sah ihn an.
"Du denkst also...", das sprechen fiel mir schwer unter dem Tränenfluss.
"Ich denke, dass Taehyung den Tod seines Vaters mitansehen musste und sich nicht mehr daran erinnern kann."
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