Kate ;

Unerschütterliche Wut hat mich ab dem Moment gepackt, als ich meine Augen geöffnet habe.

Alles um mich herum ist mit einem Mal anders :
Gerüche, Farben, ja selbst das summen der Bienen draußen im Garten, das rascheln der Bäume und Büsche, das plätschern des Brunnens - so als hätte jemand die Lautstärke extra erhöht.

Am meisten jedoch sind die intensiven Emotionen, die mich anwidern. Selbst jetzt, da ich gefesselt vor Ayden und Benjamin sitze, von denen einer nicht weiß was er tun soll und der andere mich bloß die ganze Zeit anstarrt.
Ich weiß nicht mehr viel, außer der beißende Schmerz, etwas das nun nur noch eine weit entfernte und kaum spürbare Erinnerung ist.

Hass tropft aus all meinen Poren als ich die beiden Schwachköpfe vor mir betrachte, ich spüre das Ungleichgewicht zwischen ihnen. Empfindungen die ich unmöglich haben kann, doch nun da alles anders ist gehört das wohl oder übel dazu.

"Wie lange gedenkt ihr mich hier fest zu halten?", säusele ich super süß, auch wenn das nur eine Täuschung meinerseits ist. "Und wo ist eigentlich Nanny? Sollte sie dem Kasperletheater hier nicht beiwohnen und Tee reichen?"

Bei der Erwähnung ihres Namens bleibt Ayden stehen und blickt genauso wie Benjamin drein. Etwas stimmt nicht, aber keiner der beiden ist bereit es zu erklären, also ziehe ich meine eigenen Schlüsse... Schließlich zieht Ayden ein gequältes Gesicht und Benjamin schaut schuldbewusst.

Es dauert eine Weile bis sich die beiden bewegen und während Ayden in den Garten geht, strömt Benjamin noch tiefer ins Haus. Ich bekomme nicht ganz mit was die beiden eigentlich treiben, doch als Benjamin mit Nanny's Leiche auf den Armen an mir vorbei läuft, weiß ich es. Sie werden sie beerdigen, irgendwo im Garten, sodass ihr Geist auf ewig an diese Gemäuer gebunden ist.

Was eine widerliche Vorstellung.

Bevor sie selbiges mit mir planen, muss ich hier weg und zwar schnell, doch die Fesseln die mich an Ort und Stelle halten sind verdammt stark, was es mir unmöglich macht aus diesem Loch zu flüchten.

"... WIR hätten das anders regeln können, aber soweit hast du nicht gedacht!", höre ich Ayden schreien, der mit Benjamin im Schlepptau zurück kommt. "Du bist ein egoistischer, bösartiger.... Wie ein Tumor, den man unbedingt raus schneiden will!"

Ich amüsiere mich über den Streit, aber vor allem amüsiere ich mich über Benjamin's defensiv haltung, die so gar nichts mit ihm gemein hat. Als er mich lachen sieht färben sich seine Augen schwarz und er tritt näher.

"Was ist so lustig, hm? Du solltest vorsichtig sein. Ich kann dich immer noch töten und dein jämmerliches dasein beenden. Mit oder ohne Seele bist du nur Ballast.", knurrt er.

Ich will gerade etwas wirklich fieses kontern, als die Erinnerungen klarer und wie eine Vielzahl von Schlägen auf mich nieder regnet.

Benjamin. Luzifer. Ayden's Schreie. Meine Seele.

Mit Schmerz verzerrtem Gesicht schließe ich die Augen, doch sobald ich sie wieder öffne fühle ich wie die schwärze mich vollends ergriffen hat.

Die unbändige Kraft die ich habe genügt um mich von meinen Fesseln zu befreien. Ich springe auf und renne mit schier unmöglicher Geschwindigkeit hinaus in den Garten. Ein Sprung genügt um mich auf die Spitze des Daches zu katapultieren, aber ich spüre das ich nicht alleine bin. Ayden ist mir gefolgt, will mich aufhalten und scheitert.

Benjamin kommt ebenfalls dazu, allerdings von der anderen Seite. Sie wollen mich einkesseln!
Elegant und voller Adrenalin springe ich vom Dach, nutze die umliegenden Bäume als Deckung und sprinte, bis das Haus außer Reichweite ist. Das Gefühl von Freiheit ist atemberaubend und zum ersten Mal seit meiner Existenz empfinde ich keine Trauer, kein Leid. Nur die ungebrochene Lust alles neu zu entdecken und zu erforschen...
Doch mein Wunsch danach wird je unterbrochen, als ich mit einem lauten Schlag gegen einen Baumstamm fliege.

Benjamin's Hand legt sich um meinen Hals, verhindert das ich entkommen kann. Der Mistkerl ist über 1000 Jahre alt, was man anhand seiner Stärke spüren kann.

Neben die Wut auf ihn mischt sich plötzlich auch noch etwas anderes : Lust. Zügellose Begierde. Sie tropft aus all meinen Poren.

Wie kann so etwas abnormales geschehen?

"Ruhig, Kate. Ich weiß das alles neu für dich ist, aber du musst dich entspannen.", zischt Benjamin. Hinter ihm erscheint in etwas weiterer Entfernung Ayden, der das Spektakel mit an sieht. Sein Blick ist voller Sorge, aber bei beiden spüre ich die Lust ebenfalls.

"Was du gerade empfindest... Das ist normal. Die Lust, der Heißhunger auf Sex. Das gehört dazu. Bis zu deiner vollständigen Transformation sollten wir dich einsperren. Danach wird es leichter, ich versprechs.", murmelt Ayden.

Ich frage mich, ob die beiden eigentlich total bescheuert sind.... Nicht nur das sie unglaubliche Kraft und Energie haben, sie spüren das Begehren des jeweils anderen, auch von mir. Sie könnten Herrscher sein, anstatt sich zu verstecken!

Wie in Trance lasse ich sie mich zurück zum Haus führen, spüre plötzlich starke körperliche Schmerzen, ein unheilvolles pochen zwischen meinen Beinen. Der Schmerz übermannt mich vollends, sodass es ein leichtes für die beiden ist mich zu fixieren.

"Wie lange noch?", fragt Ayden mit Blick auf Benjamin, der sich frustriert durchs Gesicht fährt.

"Ohne dem nachzugeben? Nun ich würde sagen eine Woche? So schlimm wie bei ihr war es bisher nie.", murmelt Benjamin. "Das hängt unter anderem an der Sache zwischen euch, als sie noch... Menschlich war. Du weißt das die Empfindungen gerade in der ersten Periode ihres neuen Daseins um das 100fache verstärkt sind. Ihr Verlangen nach Dir, nach Chaos und Zerstörung sind immens. Du hättest die Finger von ihr lassen sollen."

Eine Woche? Eine Woche, die ich diese Qualen ertragen soll, ohne das Ayden mir hilft sie zu lindern? Wie soll ich das überstehen und was kommt danach?