9-Zusammenbruch
"Warum warst du eigentlich so spät noch wach?", fragte Hermione.
"Ich habe nur nachgedacht.", wich Draco aus.
"Ich habe deine Tränen gespürt, Draco. Lüg mich nicht an.", versuchte Hermione ihm alles aus der Nase zu ziehen.
"Ich werde nichts sagen. Bitte lass mich damit in Ruhe, lass es einfach!", verlangte Draco. Hermione hatte sich zu ihm umgedreht und ihn vorwurfsvoll angesehen. Was hatte sie getan? Sie wusste es nicht, aber sie machte sich auf jeden Fall viele Gedanken darum.
"Entschuldige.", sagte Draco resigniert und wischte sich mit der Hand über sein Gesicht.
"Ich werde nicht mehr danach fragen. Tut mir Leid.", sie lächelte entschuldigend und sah betreten zu Boden.
Sie war zu tief in seine Privatsphäre eingedrungen. Mit nur einer einer einzigen Frage hatte sie es geschafft, sein sorgfältig aufgebautes Gefängnis der Gefühle niederzureißen und ihn dermaßen aus der Fassung zu bringen, dass er wieder weinen musste. Es waren schwere Zeiten, und es war verdammt nochmal normal, als Mann zu weinen! Das wusste auch Hermione, die zu ihm gelaufen kam, ihn in den Arm nahm und einfach nichts sagte. Die Hermione, die ihr Wissen aus Büchern weitergab, mit Rat und Tat zur Seite stand, egal ob man es brauchte oder nicht, gab es nicht mehr. Es gab eine Hermione, die verstand, die für jemanden da war, und die verdammt nochmal wusste was gerade richtig war und was nicht. Draco schlang auf einmal seine Arme um sie und zog sie fest an sich. Laute Schluchzer drangen aus seiner Kehle. Niemals hätte er so etwas zugelassen, niemals hätte er sich so gehen lassen, wäre so ehrlich mit seinen Gefühlen und Empfindungen gewesen, nicht bei sich, nicht bei seiner Mutter oder gar seinem Vater. Doch Hermione war etwas wie ein Anker in der wilden See der Gefühle. Endlich konnte er herauslassen, was sich monatelang angestaut hatte und sich danach sogar besser fühlen. Sie kannten sich erst sieben Tage näher und diese eine Woche fühlte sich wie eine Ewigkeit an. Eine wunderschöne Ewigkeit.
"Danke.", sagte Draco. Seine Tränen waren versiegt und seine Stimme wieder einigermaßen solide und nicht mehr brüchig, wie vorhin. Es hatte ihm sichtbar gut getan, sich bei Hermione ausweinen zu können. Selbst ohne irgend ein Wort verstand sie, dass ihm sehr schlimmes widerfahren haben muss, und dass es ihn und seine Psyche enorm beeinträchtigt haben musste. Sie befand es als einen Schritt des Vertrauens, wobei es kein Schritt war, sondern ein Sprung zum Mars und zurück, denn niemand kam so leicht an einen Draco Malfoy heran. Nicht physisch, nicht psychisch, nicht einmal mit Legilimentik hätte man seine sicheren Barrieren durchbrechen können. Aber auch ein Draco Malfoy litt und auch ein Draco Malfoy, so stur und kalt er auch sein mochte, brauchte Hilfe von jemand außenstehendem.
"Immer doch.", erwiderte Hermione und entließ ihn aus ihrer Umarmung.
"Irgendwo hier müsste ein Fluss sein.", wechselte sie das Thema, wofür Draco ihr sehr dankbar war. Er musste jetzt für sich nachdenken und dieser eine Satz hörte sich für ihn nicht wie eine Aufforderung zum Reden an. Seine Gedanken sortierten sich allmählich, greifen wollte er keinen, aber er wusste jetzt, wie er sich beruhigen konnte und wusste auch, dass er immer zu Hermione kommen könnte, wenn er Hilfe brauchte.
Einige Wegbiegungen später hatten sie eine Quelle gefunden, die einen nicht ganz so kleinen Bach mit Wasser füllte. Hermione legte Umhang, Schuhe, Hose und Pulli ab und sprang in Unterwäsche hinein.
"Komm schon! Wir wollen uns ja nicht durch unseren Gestank verraten.", feixte Hermione. Als Draco noch immer unschlüssig vor dem klaren Wasser mit ihr darin stand und offensichtlich zu vermeiden versuchte, sie anzusehen, setzte sie noch ein gespielt belehrendes: "Es ist nicht giftig, sonst würde ich auch nicht mehr leben, Malfoy." hinterher. Schlussendlich zog er sich auch aus, währenddessen Hermione sich weggedreht hatte (eine Frage des Respekts gegenüber des anderen) und dann war er auch ins Wasser geglitten. Beide wuschen sich ihre Haare und waren auch relativ schnell damit fertig. Im Allgemeinen redeten sie nicht viel, sie hingen ihren eigenen Gedanken nach, von denen sie mehr als genug hatten.
"Wo wollen wir eigentlich bleiben?", fragte Draco schließlich. Er lehnte am Rand des Baches an einer Wurzel und sah eigentlich ziemlich entspannt aus. Sein Haar war noch etwas feucht und schimmerte im untergehenden Sonnenlicht golden.
"Hier sieht es ganz wohnlich aus. Ein bisschen Laub und ein kleines Feuer, dann haben wir unser Leben im Griff.", schlug Hermione vor und setzte in Gedanken noch ein 'Gar nichts haben wir im Griff! Wenn wir überleben, werden wir nur später sterben, der Sinn dafür ist irgendwo zwischen dem sechsten und siebten Jahr flöten gegangen. Pah, Leben und im Griff. Besser gings nicht oder? Was solls, du musst damit anfangen, Malfoy in deinen Plan einzuweihen. Mach es einfach, vertrauen tust du ihm eh schon Mione, also geht das auch noch da rein.'
"Bleiben wir. Ich finde es hier schön.", kam es einsilbig von ihm.
Langsam stiegen sie nach einander hinaus und verwandelten ihre Umhänge in Handtücher und diese später zu Decken. Nachdem sie sich angezogen hatten, starrten sie in das Feuer, dass sie vor wenigen Minuten entzündet hatten, und fokussierten sich auf das Knacken der Äste, die das Feuer vernichtete. Es war ganz ruhig geworden. Hin und wieder hörte man einen Uhu oder eine Eule, aber das war kein Vergleich zu dem lauten Vogelgezwitscher am Morgen. Mechanisch stand Hermione auf und holte etwas Wasser, dass sie auf das Feuer schüttete. Wie gebannt hörte sie auf das Zischen, nahm es mit all ihren Sinnen auf, sog den Duft des Rauches ein und sah schlussendlich zu Draco, der ihren glasigen Blick erwiderte. Sie ging zu ihm, hüllte sich tiefer in ihre Decke und ließ sich neben ihm ins Laub fallen. Der Mond stand ganz hell über ihnen und Hermione schaute hinein. Sie erkannte das Gesicht, dass sie anlachte, so als wollte es sagen: "Warum bist du traurig? Erzähle es mir, ich bin für dich da. Es gibt immer gute Zeiten, Minnie." Als Hermione 'Minnie' in ihren Gedanken gehört hatte, musste sie unweigerlich an ihre Mutter denken, die sie immer so genannt hatte. Eine stille Träne lief ihr über das Gesicht, aber ein kleines Lächeln hatte sich über ihre Züge gelegt. Sie war einen kleinen Moment lang fröhlich, glücklich, weil der Mond sie an ihre Mutter, ihre Eltern erinnerte. Sie wand ihren Blick wieder zum Feuer und sah zu, wie es immer weniger und weniger brannte. Genau so, wie ihre Trauer um ihre Eltern immer weniger und weniger wurde und immer mehr zu einer gerechtfertigten Schutzmaßnahme für beide Seiten.
Langsam schliefen beide ein, ohne Schmerzen, ohne seelischen und ohne körperlichen. Während ein anderer, in Spinners End, in einem verwahrlosten Haus, wieder einen Schmerztrank der Sorte 'sehr Stark, Abhängigkeitsgefahr', zum fünften Mal an diesem Tag hinunterkippte, nur um eine einigermaßen ruhige Nacht zu haben.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro