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Kapitel 95: Drache - Teil 1

Vor siebenundzwanzig Jahren am Phönix-Hof der Rin-Gilde.

Das weiß-rote Gewand der Tänzerin wirbelte durch die Luft, beschrieb Formen, die Mehn Wudu gar nicht für möglich gehalten hätte. Aus dem Augenwinkel beobachtete er, wie die Menge den Blick ebenfalls nicht von ihr losreißen konnte. Es musste nicht ausgesprochen werden, alle wussten es schon: Diese Tänzerin würde ohne Zweifel den Wettbewerb gewinnen. Eine junge Frau am Rand brach sogar in Tränen aus, weil sie direkt danach antreten musste. Als die Tänzerin mit einem erleichterten Lächeln auf den Lippen einige Sekunden in ihrer letzten Pose stehen blieb, brach ohrenbetäubender Applaus aus. Mehn Wudu fiel aus Höflichkeit mit ein.

Statt wie der Großteil der Anwesenden zu der Tänzerin zu drängen und ihr seine Bewunderung auszusprechen, sah er sich nach Mu Zairda um. Sie hat versprochen, zu diesem Zatos zu kommen. Eigentlich war sie gerade in ihrem letzten Jahr an der Gämsen-Pagode, aber da sie, wie so viele andere, durch die Territorien reiste, hatte sie versprochen, hier vorbei zu kommen. Sie schrieben sich regelmäßig Briefe und sobald er erfahren hatte, dass dieser Zatos von der Rin-Gilde organisiert wurde, hatte er ihr sofort Bescheid gesagt.

»Warum so trübselig?«, ertönte eine Stimme hinter ihm. Als er sich umdrehte, grinste Mehn Shia ihn frech an und wackelte mit den Augenbrauen. »Sucht mein Bruder etwa nach einer gewissen Mu Zairda?«

»Woher weißt du das?«, platzte er erschrocken heraus.

»Es ist offensichtlich, dass du sie magst«, meinte Dia Nemesis, die mit verschränkten Armen neben seiner Schwester stand. Er hatte nie verstanden, warum Mehn Shia mit dieser Frau befreundet war. Sie war eine unangenehme Zeitgenossin und schien überhaupt keine Emotionen zu besitzen. Ihr Gesicht war immer hinter einer regungslosen Maske verborgen. Vielleicht war sie es sogar gewesen, die Mehn Shia dazu überredet hatte, an der Jagd teilzunehmen.

»Und was ist mit dir?«, lenkte Mehn Wudu vom Thema ab.

»Was sollte mit mir sein?«, fragte seine Schwester.

»Bist du wieder dem Kerl begegnet, der dir beim letzten Zatos die Beute streitig gemacht hat?«

Mehn Shia verdrehte die Augen. »Zum Glück nicht. Ich glaube, er hat seine Lektion gelernt. Er hat sich dieses Mal nicht mal in meine Nähe getraut. Dabei habe ich mir nur für ihn einige Sprüche überlegt, sollte er nochmal damit kommen, dass Heiler weder jagen noch kämpfen können.«

Mehn Wudu lachte auf. Typisch, dachte er und sah auf die andere Seite des freien Platzes, wo einige Anhänger der Jhe-Gilde standen. Er hatte bisher nie verstanden, warum man als Mann freiwillig weiße Kleidung mit violetten Blumen trug. Aber wenn er genauer darüber nachdachte, hatte das irgendeinen seltsamen Effekt auf die ganzen Mädchen und jungen Frauen. Einige warfen den zwei Jhe-Brüdern immer wieder flammende Blicke zu. Doch nur der ältere, Jhe Beishi, reagierte und nahm die Einladung einer Frau zum Tanz an. Jhe Newin hingegen blieb dort, wo er war. Für sein Alter war er schon beeindruckend erfolgreich. Angeblich war er von Val Hiro persönlich als Meister in die Gämsen-Pagode eingeladen worden. Umso unverschämter, dass er Mehn Shia beim letzten Zatos so angefahren hatte. Hoffentlich würde er die Narbe nie vergessen, die seine Schwester ihm zugefügt hatte.

»Dann warte mal weiter auf deine Mu Zairda«, sagte Mehn Shia und klopfte Mehn Wudu auf die Schulter. »Ich schau mich um, ob ich denjenigen finde, der mir einen besseren Platz bei der Jagd weggenommen hat.«

Mehn Wudu schaffte es nicht mehr, ihr irgendwas hinterher zu rufen. So schnell, wie sie aufgetaucht war, verschwand sie auch wieder in der Menge. Dia Nemesis folgte ihr mit der Hand am Griff ihres Breitschwertes. Solange sie in der Nähe von Mehn Shia war, waren Se Rafal, der eigentliche Leibwächter seiner Schwester, und Se Laf, ihre treue Dienerin, praktisch arbeitslos. Wahrscheinlich hingen die zwei Geschwister wieder irgendwo bei seinen Eltern herum und halfen ihnen, alles für den letzten Wettbewerb vorzubereiten, der irgendwann am Abend stattfinden würde.

Während die Musik wieder einsetzte und die Frau, die vorhin geweint hatte, versuchte, ihren einstudierten Tanz möglichst fehlerfrei vorzuführen – was ihr nicht gelang –, schaute Mehn Wudu hinüber zu dem Tisch, an dem die Gilden-Anführer der fünf mächtigsten Gilden saßen. Er war ihnen zwar schon bei einigen anderen Zatos-Meisterschaften begegnet, zu denen seine Eltern ihn mitgenommen hatten, aber er fand es immer wieder aufregend, sie alle zusammen zu sehen.

Auf einmal legten zwei Hände sich über seine Augen und er spürte einen warmen Körper, der sich von hinten an ihn drückte.

»Rate, wer ich bin!«

Wie von selbst schlich sich ein Lächeln auf seine Lippen. »Hm, ich weiß nicht. Vielleicht diese Frau, die vorhin so schön getanzt hat?«

Die Belohnung für seine frechen Worte war ein scherzhafter Stoß in seinen Rücken. »Hältst du mich etwa für Va Dalja? Du Fiesling!«

Mehn Wudu drehte sich um und fand sich Mu Zairda gegenüber wieder. Sie strahlte ihn mit ihren dunkelbraunen Augen fröhlich an. Wie sehr er diese Augen liebte... Und dieses Muttermal direkt neben ihrem rechten Ohr, das aber meistens von ihren orangenen Locken verdeckt wurde. Lächelnd streckte er die Hand aus und strich ihr diese lästige Lockensträhne hinter das Ohr. Dann beugte er sich zu ihr runter und küsste sie. Es war, als würde etwas in ihm explodieren. Eine Fontäne des Glücks. Alles um ihn herum war vergessen. Erst, als er sich von ihr löste, merkte er, dass er die ganze Zeit keine Luft bekommen hatte.

»Meine Rose«, flüsterte er und strich ihr zärtlich über die Wange. »Ich habe mir schon Sorgen gemacht, dass du nicht kommst.«

»Natürlich komme ich, wenn du mich einlädst!«, rief Mu Zairda gespielt beleidigt. Sie beugte sich ein Stück zu ihm vor und flüsterte ihm ins Ohr: »Und zwar egal, wohin.«

Mehn Wudu spürte, wie seine Wangen anfingen zu brennen. Das Zeichen dafür, dass er rot anlief. An was denkst du gerade! Sie meint Orte! Schöne Orte, an denen man spazieren gehen kann zum Beispiel!

»Die Jagd habe ich anscheinend verpasst«, meinte Mu Zairda, als er nicht antwortete. »Den Tanz-Wettbewerb auch. Was ist sonst noch passiert?«

»Nicht viel«, antwortete Mehn Wudu, legte ihr vorsichtig den Arm um die Taille und zog sie näher zu sich. »Meine Eltern bereiten sich aber schon auf den letzten Wettbewerb vor.«

»Der, wo die Erfindungen vorgestellt werden?«, fragte Mu Zairda überrascht. »Nicht auf den der Heiler?«

»Nein.« Er lächelte. »Meine Eltern meinen, es wäre ungerecht, immer zu gewinnen. Dieses Mal wollen sie den anderen auch eine Chance geben und nehmen nicht daran teil.«

»Wie großzügig!«

Mehn Wudu verkrampfte sich, als Mu Zairda ihm scheinbar beiläufig über den Rücken strich. Sie war heute ungewöhnlich mutig und geradeheraus. Ihre Finger wanderten seine Wirbelsäule entlang, wobei er erschauerte. Als er ihr ins Gesicht blickte, sah er ein freches Lächeln.

»Wie läuft dein drittes Jahr bisher?«, fragte er nach einem Räuspern.

»Möchtest du das wirklich wissen?«

Mehn Wudu schluckte. Du willst nicht wissen, was ich gerade möchte.

»Ich... habe meinen Eltern noch nicht gesagt, dass wir heiraten wollen«, antwortete er krächzend.

»Hm«, brummte Mu Zairda nur. »Muss ich etwa vom Recht der ersten Nacht Gebrauch machen?«

»Wir haben noch nicht...«

Der Blick, den Mu Zairda ihm zuwarf, brachte ihn zum verstummen. Er ließ zu, dass sie ihn bei der Hand nahm und durch die Menge hindurch näher zu den Gebäuden hin führte. Einige Diener und Anhänger der Rin-Gilde eilten mit Speisen und Getränken auf den Pfaden hin und her, um sie zu dem Bereich zu bringen, wo die Wettbewerbe stattfanden. Doch sie ignorierten das Pärchen vollkommen. Sie hatten genug zu tun.

Mu Zairda ging zielstrebig in Richtung der großen Scheune, die neben einem anderen, kleineren Gebäude stand, in dem – laut Mehn Shia – das Wasser der Rin-Gilde gelagert wurde. Die Scheune war vollkommen unbewacht. Drinnen roch es nach getrocknetem Gras und der Duft kitzelte Mehn Wudu in der Nase. Er spürte, wie seine Nervosität mit jeder Sekunde anstieg. Im Gegensatz zu ihm wirkte Mu Zairda so ruhig wie ein Fels in der Brandung. Als sie sich zu ihm umdrehte, fiel ihr wieder die lästige Lockensträhne ins Gesicht. Sie sah ihn wortlos an, nahm seine Hände und legte sie sich auf die Hüften.

»Du brauchst keine Angst zu haben«, flüsterte sie ihm zu, bevor sie ihm einen Kuss auf die Lippen hauchte. »Weißt du nicht mehr, was wie uns vor zwei Jahren geschworen haben?«

Mehn Wudu lächelte. »Ich liebe dich«, flüsterte er zurück und erwiderte den Kuss. Erst vorsichtig und sanft, dann wilder, stürmischer. Er löste sich erst von ihr, als er keine Luft mehr bekam. Keuchend blickte er sie an und fühlte sich wie der glücklichste Mann der Welt.

Er hielt Mu Zairda vorsichtig an der Taille und ließ sie beide in einen der Heuhaufen sinken. Stürmisch küsste er sie auf die Lippen, am Hals, auf das Schlüsselbein und spürte, wie sie unter seinen Berührungen leicht erzitterte. Ab und zu entwichen ihrem Mund Laute, die er noch nie gehört hatte. Aber irgendwie fühlte es sich richtig an. Und sein ganzer Körper brannte vor Verlangen nach ihr. Ihm war heiß, viel zu heiß. Mit einer einzigen Bewegung zog er sein Oberteil aus und spürte gleich darauf zarte Finger, die über seine Brust fuhren.

»Interessant«, sagte Mu Zairda schmunzelnd und zog die farbigen Linien auf seiner Haut nach. »Ein Drache?«

»Das Zeichen meiner Gilde«, antwortete Mehn Wudu. Unsicher, ob es ihr gefiel oder ob die Tätowierung sie abschreckte.

»Er sieht schön aus«, flüsterte sie. Ihre Hand wanderte in seinen Nacken und zog ihn wieder zu sich runter, wo ihre Lippen sich in einem heißen Kuss trafen.

Mehn Wudu hatte so etwas noch nie gespürt. Diese Mischung aus vollkommenem Glück und tierischem Verlangen. Und er hatte Mu Zairda auch noch nie so gesehen. Manchmal meinte er, einen gewissen Schmerz auf ihrem Gesicht zu sehen, aber sie hielt ihn nicht auf, sondern küsste ihn dann nur stürmisch und flüsterte seinen Namen. Alles endete in einem Augenblick der Verlorenheit, in dem er glaubte, nicht mehr auf dieser Welt zu sein. Schwer atmend ließ er sich neben sie ins Heu sinken und zog sie dicht an sich. So nah waren sie sich noch nie gewesen. Keine Kleidung, die sie trennte. Haut zu Haut.

»Ich liebe dich«, murmelte er leise.

»Ich dich auch«, hörte er ihre Antwort und spürte, wie sie seinen Unterarm streichelte, mit dem er sie umarmte.

Es war schon fast Abend, als Mehn Wudu und Mu Zairda die Scheune verließen. Er in der roten Kleidung der Mehn-Gilde, sie in der grünen der Val-Gilde. Nach einigen Schritten in die Dämmerung, hielt Mu Zairda ihn jedoch an.

»Du hast was im Haar«, sagte sie und zupfte ihm ein Stück Heu raus, das in Spiralen zu Boden segelte.

»Danke.« Er lächelte sie an und drückte ihre Hand. »Wenn der Zatos vorbei ist, werde ich mit meinen Eltern reden. Ich möchte, dass du so bald wie möglich meine Ehefrau wirst.«

Mu Zairda umarmte ihn, bevor sie weiter zum Schauplatz der Wettkämpfe gingen. Den Großteil hatten sie verpasst. Er entdeckte einige Erzwächter in seinem Alter, die unzufrieden am Rand herumlungerten, weil sie wahrscheinlich schlecht bei den Kämpfen abgeschnitten hatten. Bestimmt hatte Mehn Shia da auch mitgemacht, zusammen mit Dia Nemesis, aber seine Schwester war gerade mit seinen Eltern auf der Tribüne und stellte die letzten Sachen für den nächsten Wettbewerb auf, sodass er sie nicht nach dem Ergebnis fragen konnte.

»Gehst du nicht zu ihnen?«, fragte Mu Zairda.

»Ich habe nichts von den Sachen erfunden, die sie vorstellen werden«, erwiderte er leicht bitter. »Ich war nie so gut mit den ganzen Heilmitteln und Medikamenten wie meine Eltern oder Shia.«

Ihr Gespräch wurde von Gilden-Anführerin Rin, Rin Fjoona, unterbrochen, die die Treppe der Tribüne hochgegangen war. Sie war eine beeindruckende Erscheinung. Trotz ihres Alters war sie hübscher als so einige andere, jüngere Frauen. Nach dem Tod von Rin Balerons Vater, den sie allerdings nie geheiratet hatte, hatte sie stetig alle Männer abgewiesen, die sich bei ihr versuchen wollten. Wegen ihrer Entschlossenheit und ihrer Loyalität über den Tod hinaus genoss sie den größten Respekt.

»Wir nähern uns dem Ende dieser Zatos-Meisterschaft«, verkündete Rin Fjoona. »Wie ich sehe, sogar pünktlich zum Sonnenuntergang.«

Ein allgemeines Gelächter ging durch die Menge, denn es stimmte. Die Sonne berührte mit ihrem Rand bereits den Horizont, was auf dem weiten Flachland der Feuerkorn-Steppe wirklich beeindruckend wirken musste. Nur versperrten die Mauern, die den Phönix-Hof umgaben, den Blick auf dieses Spektakel. Dafür leuchtete der Himmel in allen möglichen Farben zwischen gelb und rot.

»Deine Haarfarbe ist dabei«, flüsterte Mehn Wudu und deutete auf eine orangene Wolke.

»Deine kommt leider erst in einigen Stunden«, antwortete Mu Zairda belustigt und meinte damit das Schwarz der Nacht.

»Kommen wir zu unserem letzten Wettbewerb!«, rief Rin Fjoona von der Tribüne. »Auch dieses Jahr gibt es viele Erfindungen von verantwortungsbewussten und gutherzigen Leuten! Lasst uns schauen, was sie uns vorbereitet haben!«

Unter lautem Applaus zog Rin Fjoona sich wieder zurück. Mehn Wudu sah zu dem Mann ganz rechts, der seine Erfindung als erstes vorstellen würde. Er hörte kaum zu. Seine Aufmerksamkeit galt eher seinen Eltern und seiner Schwester, die als vierte Gruppe drankommen würden. Vor ihnen auf dem Tisch standen schon die drei Kisten, um die sie ein großes Geheimnis machten. Mehn Wudu hatte nur herausfinden können, dass Mehn Shia besonders stolz auf ihre eigene Erfindung war, weil sie sie ganz alleine hergestellt hatte.

Endlich kam die Mehn-Gilde an die Reihe. Mehn Wudu sah gebannt zu seinem Vater hoch, der jetzt nach vorne trat. Er hatte so viel Wachs auf seinen Bart gestrichen, dass er etwas zu steif wirkte, als er anfing zu reden.

»Ich freue mich, heute drei Erfindungen vorstellen zu dürfen, die allen Menschen jeder Gilde von großer Hilfe sein werden!«, sagte er. »Ich würde sie vielleicht sogar als Schätze bezeichnen, denn sie sind nichts anderes.«

Mehn Wudu hörte, wie einige Leute ihren Nachbarn aufgeregt etwas zu murmelten. Die Mehn-Gilde war mit allen befreundet und hatte keine Feinde. Wer krank war oder kranke Bekannte hatte, brach nach Drachen-Heim auf, um sich dort Rat zu holen. Manchmal schickte die Mehn-Gilde ihre Heiler auch selbst los, wenn der Betroffene zu schwach war, um zu reisen. Dementsprechend musste es wirklich etwas Besonderes sein, wenn Gilden-Anführer Mehn Klepos persönlich behauptete, einen ›Schatz‹ erfunden zu haben!

Auf der Tribüne trat Mehn Wudus Vater zu seiner Kiste, drehte den Schlüssel im Schloss um und öffnete sie. Heraus holte er einen durchsichtigen Glasbehälter, in dem sich ein gräuliches Pulver befand.

»Diesen Schatz habe ich ›Schleier des Vergessens‹ getauft«, sagte er und hielt das Behältnis hoch. »Sein Name mag vielleicht etwas einschüchternd wirken, aber es dient nur einem guten Zweck. Nicht selten kommt es vor, dass Menschen zu uns kommen, die in ihrem Leben traumatische Erfahrungen gemacht haben. Teilweise sind sie so verzweifelt und verängstigt, dass sie selbst das Aufblitzen von Metall nicht ertragen, weil es sie an blutige Kämpfe mit Messern und Schwertern erinnert. Es würde ihnen besser gehen, wenn sie sich an diese bestimmten Ereignisse nicht mehr erinnern können. Sie einfach auslöschen könnten. Und genau das kann der Schleier des Vergessens. Wenn man ihn einatmet, vergisst man, was innerhalb eines bestimmten Zeitraums passiert ist. Dabei kommt es auf die Dosierung und die genaue Zusammensetzung des Pulvers an. Dieser Schatz kann also vielen Menschen helfen, die in den Schatten ihrer Vergangenheit gefangen sind und nicht weiter gehen können, um endlich ins Licht der Zukunft zu gelangen.«

Ein Raunen ging durch die beeindruckte Menge, auch wenn Mehn Wudu einige Erzwächter bemerkte, die skeptisch die Augenbrauen zusammenzogen. Zu ihnen gehörte der Anführer der Mahr-Gilde, Mahr Chir, der seiner Ehefrau Mahr Bagata leise etwas zuflüsterte, wobei die Fäden, die von ihrem prächtigen Kopfschmuck hinab hingen, ihr Gesicht teilweise verdeckten.

Mehn Klepos legte derweil den Schleier des Vergessens wieder zurück und bedeutete seiner Ehefrau, fortzufahren. Sie öffnete daraufhin ihre eigene Kiste und holte ein anderes Glasgefäß heraus, in dem eine durchsichtige Flüssigkeit hin und her schwappte, die eine ähnliche Konsistenz wie Öl zu haben schien.

»Dies ist der Atem des Drachen«, erklärte Mehn Isa. »Es ist eine Flüssigkeit, die, einmal angezündet, unauslöschlich weiter brennt. Man kann sie in einen Ofen schütten und muss nicht mehr so viel Brennholz hinterher schieben. Mein Gedanke bei der Herstellung dieses Schatzes war, dass er auch verwendet werden kann, um Feuer in der Nacht länger brennen zu lassen. Besonders im Winter, wenn es kalt ist, holen sich viele Menschen eine Erkältung, weil ihr Feuer in der Nacht plötzlich aus geht. Mit dem Atem des Drachen ist dieses Problem behoben.«

»Wirklich nur dafür?«, hörte Mehn Wudu jemanden ganz in der Nähe murmeln.

Was meint er damit? Doch bevor er sich weitere Gedanken darüber machen konnte, packte seine Mutter den Atem des Drachen wieder weg, woraufhin Mehn Shia von ihrem Platz aufstand. Sie strahlte über das ganze Gesicht, als sie ihre eigene Kiste öffnete und eine kleine Phiole hoch hielt, in der scheinbar klares Wasser war.

»Das Wasser der Wahrheit!«, rief sie triumphierend. »Ich habe es selbst hergestellt! Damit wird es in Zukunft viel leichter sein, Verbrecher und Lügner zu enttarnen. Wenn man das Wasser der Wahrheit zu sich nimmt, ist man dazu gezwungen, die Wahrheit zu sagen.«

»Dazu gezwungen?«, fragte Mahr Chir, dessen Gesicht sich leicht verfinstert hatte. »Wie soll man das verstehen?«

Mehn Shia wandte sich überrascht dem Mann in der rotbraunen Kleidung zu. Offenbar hatte sie nicht erwartet, dass jemand eine Frage stellte. Mehn Wudu kannte seine Schwester gut genug, um zu wissen, dass sie das Wasser der Wahrheit nur so langsam in ein Tuch einwickelte und zurück in die Kiste legte, weil sie Zeit schinden wollte. Als Mahr Chir sie aber immer noch kritisch ansah, musste irgendeine Antwort her.

»Nun«, hob Mehn Shia an, »wenn man lügt, kommt es zu unangenehmen Nebenwirkungen.«

»Geht das auch genauer?«, forderte diesmal Mahr Bagata.

»Man hat dann das Gefühl, von innen heraus zu verbrennen«, gab Mehn Shia nach kurzem Zögern zu. »Aber das ist völlig ungefährlich! Man muss nur die Wahrheit sagen und es hört wieder auf!«

Das Gemurmel in der Menge wurde lauter. Mehn Wudu konnte sich nicht auf ein Gespräch konzentrieren, aber die Wortfetzen, die ihn erreichten, gefielen ihm zu großen Teilen nicht und trübten seine gute Stimmung.

»Sowas aus dem Mund einer Heilerin zu hören...«

»Das hört sich ja fast schon an wie Folter. Jeder hat seine Geheimnisse! Und jetzt kann man einen mit dem Zeug dazu zwingen, sie zu verraten? Ungeheuerlich!«

»Was sollte das mit dem Atem des Drachen? Brennt es wirklich ewig? Was, wenn man es versehentlich an der falschen Stelle anzündet und sein Haus niederbrennt?«

»Oder ein ganzes Dorf! Eine ganze Stadt!«

»Das heißt, ich werde mich nicht daran erinnern, dass mir der Schleier des Vergessens verabreicht wurde? Was, wenn ich alles vergesse?«

»Seid doch nicht blöd!«, fuhr Mu Zairda die Frau an, die den letzten Satz gesagt hatte. Sie war etwa Mitte zwanzig und hatte ihre schwarzen Haare zu einem Dutt zusammengebunden, der zusätzlich mit mehreren Haarnadeln festgehalten wurde. In ihren Armen hielt sie ein kleines Kind. »Gilden-Anführer Mehn hat doch gesagt, dass es von der Dosierung abhängt! Außerdem gehört Ihr doch gar nicht zu denen, die den Schleier des Vergessens brauchen! Oder habt Ihr irgendein Trauma durchlitten?«

»Unwissende Göre!«, zischte die Frau im Gegenzug, drückte das Kind in ihren Armen näher an ihre Brust und nahm den kleinen Jungen an der Hand, der neben ihr stand. »Komm, Virak, wir müssen uns sowas nicht anhören!«

»Das hättest du nicht machen müssen«, flüsterte Mehn Wudu Mu Zairda zu. »Jetzt hast du Frau Wez vertrieben.«

»Wen?« Mu Zairda zuckte mit den Schultern. »Ich kenne sie sowieso nicht. Sie kann mir nichts anhaben.«

»Sie ist die Mätresse von Gilden-Anführer Ghan. Nachdem seine Ehefrau gestorben ist, jedenfalls. Allerdings hat er die Kinder von ihr nie anerkannt. Er hat ja so schon zwei eheliche Söhne. Aber die beiden stehen sich trotzdem nah. Wenn Frau Wez dich an ihn verpetzt, könntest du Ärger bekommen.«

Mu Zairda wirkte leicht verunsichert und sah der Frau hinterher, die aber bereits außer Sichtweite war. »Sollte ich mich bei ihr entschuldigen?« Ohne seine Antwort abzuwarten, nickte sie entschlossen und tauchte in die Menge ein, die sich schon dem nächsten Erfinder zugewandt hatte. Dennoch hörte Mehn Wudu ab und zu noch angeregte Gespräche über die Schätze, die seine Eltern und seine Schwester vorgestellt hatten.

Ich sehe das Problem nicht, dachte er verärgert. Wir sind Heiler. Wir würden nie etwas herstellen, was einem Menschen schadet!

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