Kapitel 42: Krähen - Teil 1
Die Reise zum Krähen-Palast dauerte länger als sie es eigentlich geplant hatten. Das lag vor allem an Rin Veyvey, die ihren Wagen regelmäßig anhalten ließ, weil ihr angeblich schlecht wurde, obwohl sie schon mehr als nur ein Mal in einem unterwegs gewesen war. Rin Verran war zunächst dagegen gewesen, mit den drei Wägen zu fahren – rittlings auf Pferden ging es viel schneller –, aber Rin Veyvey hatte darauf bestanden. Umso mehr wunderte es ihn, dass sie ihn jetzt genau wegen dieser Wahl noch weiter aufhielt. Aber er hatte auch nicht vor, zu ihr zu gehen und sie zur Rede zu stellen. Er wartete einfach geduldig zusammen mit seinem zur Seite gestellten Diener in seinem eigenen Wagen.
Zha Elto hatte letztes Jahr erst die Gämsen-Pagode verlassen. Seinem Namen nach zu urteilen war er wohl irgendwie mit Meisterin Zha verwandt, aber wie genau, konnte er anscheinend selbst nicht erklären. Er war die meiste Zeit aufgeregt am Rumzappeln und wenn Rin Verran ihn aus irgendeinem Grund ansprach, leuchteten seine Augen sofort vor Begeisterung auf. Kurz gesagt: Er war einfach nur übereifrig und sah ihn wohl als eine Art Vorbild.
Als sie endlich die Straße durch den Silbermistel-Wald entlang fuhren und Rin Verran schon glaubte, sie hätten ihr Ziel im nächsten Moment erreicht, ertönte wieder der ihm bereits allzu bekannte Ruf von Rin Veyvey. Die Wägen hielten an. Eine Tür knallte. Schnelle Schritte, die sich entfernten, dann ein Würgen.
»Was ist nur mit ihr los?«, flüsterte Rin Verran mehr zu sich selbst, aber offenbar hatte Zha Elto ihn gehört. Der junge Mann setzte sich sofort auf, die blauen Augen strahlten.
»Ihr wisst es nicht?«
Rin Verran warf ihm einen finsteren Blick zu. Normalerweise brachte ihn das dazu, schnell wieder zu verstummen, aber diesmal nicht. Zha Elto kratzte sich verlegen hinter den abstehenden Ohren.
»Ihr wisst es wirklich nicht. Wie gut, dass ich es Euch sagen kann! Meine Mutter hatte das nämlich auch mal.«
»Soll ich sie im Krähen-Palast zu einem Heiler schicken?«, fragte Rin Verran leicht besorgt. »Ist es eine Krankheit?«
»Wenn Ihr eine schwangere Frau als krank bezeich...«
»Was?« Rin Verran war sofort hellwach und fuhr hoch.
Zha Elto zuckte erschrocken zusammen. »Schwangeren wird oft übel. Das hat mit irgendwas in ihrem Blut oder so zu tun. Keine Ahnung. Meine Mutter hatte das auch, als sie mit meiner Schwester schwanger war.«
Rin Verran fluchte innerlich. Es fühlte sich an, als würde er in ein unendlich tiefes, schwarzes Loch fallen. Genau das, was er befürchtet hatte, war eingetreten. Ein Fehler, ein einziger Fehler und sowas kam dabei heraus! Du bist ein Mistkerl, Verran, sagte er sich. Ein hoffnungslos verlorener Mistkerl. Und dennoch war da etwas, was er nicht verstand. Eine milde Wärme, die sich in seiner Brust ausbreitete. Ein kleiner, leuchtender Funke.
Als das Würgen aufhörte und er Schritte hörte, die zurück kamen, öffnete er die Tür seines eigenen Wagens und stieg aus. Rin Veyvey stand zusammen mit Lai Vatani mitten auf der Straße und drehte sich erschrocken zu ihm um. Rin Verran ignorierte die Frage des Wagenführers, was denn los sei, und ging geradewegs auf Rin Veyvey zu. Sie war einen Kopf kleiner als er und musste zu ihm hoch schauen. Unruhig knetete sie ihre Hände.
»Wann hattest du vor, es mir zu sagen?«, fragte Rin Verran wahrscheinlich etwas zu harsch, denn ihr Blick verhärtete sich und wurde trotzig.
»Was zu sagen? Ich weiß nicht, wovon du redest.«
»Du erwartest ein Kind, oder?«
An dem herunterklappenden Mund von Lai Vatani konnte er sehen, dass er recht hatte. Ein Lächeln zuckte über seine Lippen.
»Na und?«, blaffte Rin Veyvey. »Du hast mir klarer als klar zu verstehen gegeben, dass dich einen Dreck interessiert, was mit mir los ist und wie es mir geht!«
»Das stimmt so n...«
»Warum bist du mir dann aus dem Weg gegangen?«, kreischte Rin Veyvey fast schon hysterisch. »Einen ganzen Monat lang! Du wolltest nicht mit mir reden! Du wolltest mich zuerst nicht mal mit zum Krähen-Palast nehmen! Hättest du mich wirklich einfach im Forellen-Pavillon zurückgelassen ohne zu wissen, wann und ob du überhaupt zurückkommst?«
Rin Verran knirschte mit den Zähnen. »Wenn ich gewusst hätte, dass du schwanger bist, hätte ich dir erst recht verboten, mitzukommen.«
Rin Veyvey keuchte und sah sich keuchend nach Lai Vatani um. »Siehst du? Siehst du! Ich habe es gewusst! Und du hast mich genervt mit ›Sag es ihm doch, sag es ihm doch‹! Sieht er für dich vielleicht glücklich aus?«
»Nein, Frau Rin«, murmelte die Dienerin kleinlaut.
»Misch dich nicht in Sachen ein, die dich nichts angehen«, fuhr Rin Verran Lai Vatani an, die betreten den Kopf senkte. »Das letzte Stück fährst du mit Zha Elto im vorderen Wagen und ich im hinteren.«
»Kommandiere meine Dienerin nicht herum!«, regte Rin Veyvey sich auf, aber Lai Vatani war bereits an Rin Verran vorbei gehuscht und im vorderen Wagen verschwunden. Die Tür flog zu. Rin Veyvey sah ihr ungläubig hinterher, bevor sie ihre wütend funkelnden Augen auf Rin Verran richtete. »Jetzt auf einmal kümmert es dich, wie es mir geht, oder was?«
»Steig ein«, wich Rin Verran der Frage aus und bot ihr eine Hand an, die sie jedoch weg schlug.
»Ich bin nicht so hilflos wie du denkst!«
Rin Verran seufzte, folgte ihr und klopfte gegen die Wand, damit die Wägen sich wieder in Bewegung setzten. Schweigend fuhren sie den Rest der Straße entlang. Rin Veyvey hatte die Arme vor der Brust verschränkt und ignorierte ihn. Er konnte nicht verhindern, dass seine Augen immer wieder zu ihrem Bauch wanderten. Er war so flach wie immer. Oder lag das am Korsett? Warum trug sie überhaupt noch ein Korsett? War das nicht schlecht für das Kind? Andererseits dürfte es noch gar nicht so groß sein. Allmählich begriff er, dass er absolut keine Ahnung von schwangeren Frauen hatte. In der Gämsen-Pagode war das Thema totgeschwiegen worden und von seinem Vater hatte er nie etwas darüber erfahren. Von Rin Narema erst recht nicht.
Endlich hielt der Wagen an und Rin Verran stieg aus. Dieses Mal hielt er Rin Veyvey die Hand nicht hin, behielt sie aber vorsichtshalber im Auge. Der Krähen-Palast sah immer noch genauso aus wie er ihn von seinem ersten Zatos in Erinnerung hatte. Schwarz und furchteinflößend von außen, aber funkelnd und prächtig von innen. Ein Diener, der sie bereits erwartet hatte, führte sie hinein, doch bevor er sie zu Ghan Shedor bringen konnte, unterbrach Rin Verran ihn.
»Meine Frau muss umgehend in ein ruhiges Zimmer, um sich auszuruhen. Und schickt einen Heiler zu ihr.«
Der Diener, ein älterer Mann in der dunkelgrauen Kleidung der Ghan-Gilde, überspielte geschickt seine Überraschung und verbeugte sich. »Natürlich, Rin Verran.« Er winkte eine junge Frau zu sich, die Rin Veyvey höflich dazu aufforderte, ihr zu folgen. Das tat sie eher widerwillig, aber anscheinend war ihr wieder schlecht, sodass sie ihn nicht anmeckern konnte.
Rin Verran warf ihr ein triumphierendes Lächeln zu, bevor er weiter ging. Ghan Shedor empfing ihn nicht in der Versammlungshalle wie es normalerweise üblich war, sondern nur in einem geräumigen Zimmer, das wahrscheinlich für Besprechungen im kleineren Kreis benutzt wurde. Bei ihm war ansonsten nur noch sein Onkel Ghan Leddan, der jedoch schweigend an der Wand lehnte.
»Gilden-Anführer Ghan«, begrüßte Rin Verran Ghan Shedor und verbeugte sich auch in Richtung des älteren Erzwächters. »Ghan Leddan.«
»Es freut mich, dass Ihr mein Angebot angenommen habt«, sagte Ghan Shedor und nickte ihm dankbar zu. »Ehrlich gesagt war nicht ich derjenige, der auf diese Idee gekommen ist, sondern mein Onkel. Ich wollte nur die besten Erzwächter unter meinen Wachmännern haben und zusätzlich einen verlässlichen Leibwächter. Männer wie Ihr sind in diesen Zeiten schwer zu finden, Rin Verran.«
»Ich habe gedacht, Ihr würdet mir die Schuld für den Tod Eures Vaters geben«, gab Rin Verran offen zu. »Immerhin bin ich nicht schnell genug angekommen, um auch ihn zu retten und gehöre zudem zu der Gilde, die diesen Zatos veranstaltet hat.« Er hatte sich im Vorhinein überlegt, was er sagen würde. Er musste wissen, ob Ghan Shedors Angebot ehrlich gemeint war oder ob er ihn irgendwie für das Geschehene bestrafen wollte.
Doch dieser lachte nur bitter auf. »Ich denke nicht, dass Ihr etwas damit zu tun habt. Sonst hättet Ihr zugelassen, dass die andere Drachenklaue auch mich tötet. Aber Ihr habt mir das Leben gerettet.«
Rin Verran nickte ihm dankbar zu. »Ich würde es wieder tun. Die Drachenklauen scheinen es besonders auf die Ghan-Gilde abgesehen zu haben.«
»Das ist auch mein Gedanke«, sagte Ghan Shedor. »Die Drachenklauen gehören eingesperrt, gefoltert und getötet. Ich werde ihnen nie verzeihen!« Seine Stimme war immer lauter geworden, doch jetzt beruhigte er sich wieder und fuhr in normaler Lautstärke fort: »Dennoch habe ich eine Frage an Euch. Mein Onkel sagt, ich bräuchte mir darum keine Sorgen zu machen, doch ich weiß nicht, ob ich ihm so recht glauben soll. Wem gehört Eure Treue? Nachdem Ihr aus Eurer Gilde verstoßen worden seid, habt Ihr in die Dul-Gilde eingeheiratet. Und jetzt verlange ich von Euch, mein Leibwächter zu sein. Wärt Ihr bereit, mich auch vor Euren eigenen Leuten zu beschützen?«
Rin Verran hatte gewusst, dass diese Frage früher oder später kommen würde. Und eine passende Antwort hatte er sich auch schon überlegt. »Ein Hund würde seinem Herren immer treu sein. Egal, ob er ihn schlägt oder ihn beschimpft. Aber ich bin kein Hund, sondern ein Erzwächter. Meine Treue gilt an erster Stelle dem Kodex und an zweiter Stelle demjenigen, der mich nicht wie Abschaum behandelt. Die Rin-Gilde hat mich verstoßen. Warum sollte ich ihr weiterhin treu ergeben sein? Was die Dul-Gilde angeht, kann ich nur sagen, dass ich mit ihr nicht sonderlich kompatibel bin. Solange Ihr nicht gegen den Kodex verstoßt und mich wie einen vernünftigen Menschen behandelt, gehört meine Treue also unangefochten Euch.«
Ein zufriedenes Lächeln huschte über Ghan Shedors Gesicht. »Dann werdet Ihr also den Platz meines Leibwächters einnehmen. Über Eure Kampfkünste brauche ich Euch nicht zu fragen. Idos hat mir bereits erzählt, wie Ihr Euch in der Gämsen-Pagode geschlagen habt, und mein Onkel hat mir berichtet, was beim Kampf auf der Insel passiert ist. Meister Jhe scheint Euch ein guter Meister gewesen zu sein.«
»Wie man es nimmt«, antwortete Rin Verran ausweichend.
»Gut.« Ghan Shedor nickte ihm zu. »Ein Diener wird Euch durch den Palast und dann zu Eurem Zimmer führen. Ich erwarte, dass Ihr stets in meiner Nähe seid, wenn ich mich außerhalb meiner Gemächer bewege. Die Drachenklauen können überall sein. Selbst unter meinen eigenen Anhängern.«
Rin Verran war überrascht. »Wie kommt Ihr darauf?« Eigentlich hatte er genau das bei seinen Überlegungen ausgeschlossen, da es sicher auffallen würde, wenn einige der Anhänger ab und zu fehlten. Außerdem hatte die tote Drachenklaue keine Gilden-Kleidung getragen.
»Idos war dabei, als mein Vater ermordet wurde«, erklärte Ghan Shedor mit finsterer Miene. »Er hat erzählt, dass die drei Drachenklauen genau gewusst haben, wo sie auf ihn warten mussten. Jemand muss ihnen mitgeteilt haben, wo mein Vater nach Beute suchen würde.«
»Nur die Anhänger der Ghan-Gilde wussten davon«, fügte Ghan Leddan hinzu. »Und auch die Eurer Gilde.«
Rin Verran runzelte die Stirn. »Es kann also auch jemand von der Dul-Gilde sein?«
»Möglich«, meinte Ghan Shedor. »Ehrlich gesagt haben wir aber keine Ahnung. Die Drachenklauen sind uns ein Rätsel. Und solange wir nichts von ihnen wissen, müssen wir vom Schlimmsten ausgehen. Nämlich, dass eine von ihnen sich direkt unter uns befindet. Vielleicht sogar mehrere. Darum ist Eure Arbeit hier besonders wichtig.«
»Ich verstehe.«
»Mein jüngster Bruder versucht zurzeit fieberhaft, mehr über sie herauszufinden«, sagte Ghan Shedor nach kurzem Zögern. »Allerdings ist es ziemlich schwer, mit ihm zu reden. Die Hälfte der Sachen, die er sagt, versteht man meistens nicht. Er würde sich aber bestimmt freuen, wenn Ihr ihm einen Besuch abstattet und ihm aus Eurer Sichtweise nochmal erzählt, was beim Angriff der Drachenklauen auf der Insel geschehen ist. Soweit ich weiß, wart Ihr auch beim Angriff auf Muwam dabei?«
Rin Verran nickte.
»Das würde ihn bestimmt auch interessieren.«
Er nickte wieder. Mich würde es auch interessieren, endlich mit Ghan Edhor zu reden. Er scheint ein sehr schlauer Kerl zu sein. Und er beschäftigt sich mit den Drachenklauen. Vielleicht hat er sogar mehr herausgefunden als ich.
»Dann seid Ihr hiermit entlassen«, verkündete Ghan Shedor, woraufhin der ältere Diener vortrat und Rin Verran nach draußen bat. Er führte ihn im Eiltempo durch die vielen Flure, Gänge, Treppen und öffentlichen Zimmer des Krähen-Palastes, bevor er vor einer Tür stehen blieb, hinter der das Prasseln von Feuer und leise Stimmen zu hören waren. Rin Verran konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen, als er eine davon als die von Ghan Jadna erkannte. Wusste seine Schwester, dass er heute angekommen war? Gut gelaunt klopfte er an, während der Diener ihn mit einer Verbeugung alleine ließ, und betrat den Raum.
»Verran!«, rief Ghan Jadna sofort und wollte auf ihn zu stürzen, doch ein Stapel von Büchern und chaotisch übereinander gelegter Schriftrollen, war ihr im Weg. Als sie ihn endlich umrundet hatte, warf sie sich ihm in die Arme. »Ich hatte schon die Hoffnung aufgegeben, dass du kommst! Warum hast du so lange gebraucht!«
»Veyvey ist immer wieder schlecht geworden«, erklärte er und drückte seine Schwester behutsam. Die einzige Person seiner Familie, die noch zu ihm stand. »Sie... ist schwanger. Deswegen.«
Ghan Jadna schaute von unten strahlend zu ihm hoch, doch als sie sein Gesicht sah, erlosch das Lächeln. »Du siehst nicht glücklich aus«, stellte sie fest. »Warum nicht? Du wirst doch Vater. Es ist auch dein Kind. Kinder sind doch was Schönes.«
»Mag sein.«
Seine Schwester warf einen Blick auf den Smaragd an Habichtfeders Knauf und sah ihn vorwurfsvoll an. Da sie jedoch nicht alleine waren, konnte sie nichts sagen. Weiter hinten, hinter weiteren chaotischen Stapeln, in der Nähe eines prasselnden Kaminfeuers betrachtete Ghan Edhor nachdenklich ein Stück verkohltes Holz. Es war das erste Mal, dass Rin Verran dem jungen Mann im Rollstuhl so nah gegenüber stand. Er hatte ein relativ hübsches Gesicht mit runden Zügen und kleinen Grübchen oberhalb der Mundwinkel. Seine strohblonden Haare bildeten einen krassen Gegensatz zum dunklen Schwarz seiner beiden älteren Brüder. Wahrscheinlich hatte er sie von seiner Mutter Ghan Ilana geerbt. Über seine Beine war von der Hüfte abwärts eine graue Wolldecke gelegt, die ihn wahrscheinlich warm halten sollte. In seinem Schoß lagen bereits zwei weitere angekohlte Holzstücke, zu der sich jetzt das dritte aus seiner Hand gesellte. Erst dann drehte er sich um und schaute Rin Verran an. Ein breites Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus und offenbarte eine auffällige Lücke zwischen den zwei oberen Vorderzähnen.
»Das ist also die Schatztruhe, von der Jadna so oft gesprochen hat!«, rief er fröhlich. »Freut mich, dich kennenzulernen!« Er streckte ihm die Hand entgegen und schüttelte sie auffordernd. »Komm her! Ich habe mir leider selbst den Weg zu dir verbaut. Deswegen musst du zu mir kommen.«
Rin Verran war etwas überrascht von der vertrauten Anrede des jungen Mannes, aber irgendwie gefiel ihm das auch. Er umrundete die Stapel und schüttelte Ghan Edhors Hand, bevor dieser ihm sofort eines der verkohlten Holzstücke vor die Nase hielt. Beziehungsweise so weit hoch hielt, wie er es aus dem Rollstuhl aus konnte.
»Sieht das so aus wie das Holz, das in Muwam verbrannt ist?«, fragte er.
Rin Verran sah es ratlos an. »Ich weiß es nicht. Das ist schon etwas länger her.«
»Wie kann man sich so wichtige Sachen nicht merken?« Ghan Edhor legte das Stück zurück in den Schoß und hob das nächste hoch. »Dann das vielleicht? Oder das andere? Nein? So ein Mist.« Er schaufelte alle drei Holzstücke weg, sodass sie polternd zu Boden fielen, griff nach einem der frischen Scheite neben dem Kamin und wedelte gleichzeitig ihn Ghan Jadnas Richtung. »Kannst du mir bitte Probe vier geben?«
Rin Verran beobachtete etwas verwirrt, wie seine Schwester sich nach einem der Gläser ausstreckte, das auf dem überfüllten Tisch stand. Sie reichte es Ghan Edhor, der kurz hinein schaute, bevor er die Flüssigkeit in den Kamin schüttete. Plötzlich fauchten die Flammen auf und färbten sich für einen kurzen Moment leuchtend grün. Schnell hielt der junge Mann das neue Holzstück ins Feuer. Als er es wieder raus holte, schwenkte er es kurz durch die Luft und starrte dann die verbrannten Stellen an.
»Vielleicht sowas?«, fragte er und hielt es Rin Verran hoch.
»Ich weiß es wirklich nicht«, antwortete er ehrlich. »Ich hatte damals anderes zu tun und konnte mir die Überreste von Muwam nicht anschauen.«
Ghan Edhor stockte, ließ das Holzstück sinken und seufzte schwer. »Entschuldige. Manchmal lasse ich mich zu sehr treiben. Hat Shedor dich geschickt, damit du mir hilfst?«
Rin Verran nickte. »Er meinte, du versuchst etwas über die Drachenklauen herauszufinden.«
»Etwas? Ich versuche alles herauszufinden!« Ghan Edhor machte Anstalten, seinen Rollstuhl vom Kamin weg zu bewegen, aber hinter ihm waren weitere Bücher und neben ihm lagen die drei Holzstücke, die er zuvor fallen gelassen hatte. Sofort war Ghan Jadna zur Stelle, die ihn geschickt aus der Klemme und hinüber zu einem anderen Tisch manövrierte, den er offenbar im Blick gehabt hatte. Rin Verran folgte ihnen.
»Das ist meine Such-Karte«, sagte Ghan Edhor und breitete die Arme aus.
Auf dem Tisch lag tatsächlich eine Karte. Sie zeigte die Territorien aller Gilden – inklusive der kleinen – und die wichtigsten Städte, Dörfer und Wege. An einigen Stellen steckten Nadeln, an die verschiedenfarbige Fäden geknotet waren. Es gab welche in rot, welche in gelb und welche in grün. Ein paar blaue waren auch dabei.
»Eine Such-Karte?«, hakte Rin Verran nach. »Suchst du damit nach den Drachenklauen? Nach ihrem Versteck?«
»Hm, nicht ganz«, meinte Ghan Edhor und beugte sich ein Stück vor. »Ich versuche, ein Muster zu finden.«
»Ein Muster?«
»Wenn du das jetzt verstehst, bin ich wirklich beeindruckt«, flüsterte Ghan Jadna Rin Verran zu. »Ich habe es nämlich erst nach zwei Wochen verstanden. Und er ändert fast jeden Tag etwas.«
»Ich muss auch jeden Tag was ändern«, sagte Ghan Edhor. »Sonst ist ja alles falsch! Also...« Er wandte sich wieder Rin Verran zu. »Die Nadeln zeigen Stellen an, an denen die Drachenklauen schonmal aktiv waren. Ich unterscheide dabei zwischen denen von früher und denen von heute. Mittlerweile bin ich mir aber sicher, dass es ein und dieselbe Organisation ist.
Das Rote zeigt an, wo sie vor zwanzig Jahren Dörfer niedergebrannt haben. Wenn noch ein zweiter Faden dran ist, bedeutet das, dass dort auch die Friedhöfe geschändet wurden. Das Grüne steht für niedergebrannte Städte und Dörfer aus den letzten paar Jahren. Die gelben Nadeln sind unbestätigte Fälle, wo also ein paar Sachen nicht mit den anderen übereinstimmen.«
»Wie meinst du das?«, fragte Rin Verran.
»Zum Beispiel hier, in Skoli.« Ghan Edhor deutete auf eine Nadel mit gelbem Faden im Süden des Territoriums der Mahr-Gilde. »Das ist ein sehr kleines Dorf, besteht vielleicht gerade mal aus zwanzig Häusern. Die Bewohner bauen Mais auf ihren Feldern an, den sie an die Mahr-Gilde weiterverkaufen. Allerdings haben sie Gilden-Anführer Mahr wohl irgendwann betrogen, haben zu viel Geld verlangt. Er hat ihnen eine Strafe verhängt, laut der sie den Rothirsch-Turm ein Jahr lang kostenlos mit Mais versorgen sollten. Das hat ihnen natürlich nicht gepasst. Und dann, oh Wunder, kamen die Drachenklauen und brannten all ihre Felder nieder und jetzt muss Gilden-Anführer Mahr dem Dorf eine Entschädigung zahlen.«
»Du meinst, die Bewohner haben ihre Felder selbst abgebrannt und die Schuld den Drachenklauen zugeschoben, um sich vor der Strafe zu drücken und gleichzeitig Geld abzustauben?«
»Ganz genau.« Ghan Edhor hatte den Blick vollkommen auf die Karte vor sich fixiert. »Und leider gibt es nicht gerade wenige solcher Fälle. Deran, Peito, Remsal... Um herauszufinden, welche der Dörfer und Städte die Drachenklauen wirklich abgebrannt haben, müsste ich wissen, wie das verbrannte Holz danach aussieht. Oder anders gesagt: Ich müsste eine Probe haben, um sie mit den anderen abgleichen zu können. Aber meistens sind die, die man mir mitbringt, schon viel zu alt oder zu nichts zu gebrauchen. Und wie du siehst, schaffe ich es auch nicht, das Zeug zu reproduzieren, mit dem die Drachenklauen die Dörfer in Brand stecken.«
»Was bedeuten die blauen Fäden?«, fragte Rin Verran neugierig.
»Darüber reden wir nicht!«, fiel Ghan Jadna schnell ein.
»Meine Vermutungen«, sagte Ghan Edhor trotzdem. »Zurzeit liege ich bei einer Erfolgsquote von null Prozent.«
»Du versuchst also herauszufinden, wo die Drachenklauen als nächstes zuschlagen werden?«
»Unter anderem.« Ghan Edhor rückte mit der Fingerspitze eine Nadel mit blauem Faden nördlich des Rotkiefer-Hains zurecht, bevor er die Hand wieder zurückzog. »Du als Nicht-Voreingenommener: Welches Muster erkennst du?«
Rin Verrans Blick schweifte über die Karte mit den farbigen Nadeln. Es war schwierig, den Überblick zu behalten. Nein, es war praktisch unmöglich. Sie steckten praktisch überall, auf jedem Territorium, aber vor allem auf dem der Ghan-Gilde. Vielleicht lag das allerdings auch daran, dass es das größte war. In der Feuerkorn-Steppe gab es die wenigsten, was ihn erfreute. Die meisten davon waren auch rot, waren also Angriffe, die zwanzig Jahre zurück lagen. Doch das alles waren nur Merkmale, keine wirklichen Muster. Woher sollte er wissen, wo die Drachenklauen als nächstes auftauchen würden?
»Sie sind oft im Territorium der Ghan-Gilde gewesen«, hob er zögernd an. »Nicht so oft in dem der Rin-Gilde. Früher allerdings mehr.«
»Und was hat das zu bedeuten?«, hakte Ghan Edhor nach.
»Dass sie der Ghan-Gilde schaden wollen?«
»Das wissen wir schon. Noch etwas?«
Rin Verran zögerte. Soll ich ihm von meinen eigenen Überlegungen erzählen? Von meiner Vermutung, dass die Drachenklauen sich für die Mehn-Gilde rächen wollen? Er hatte die vier Zettel zusammengefaltet und in einer seiner Hemdtaschen versteckt. Da er ein gemeinsames Zimmer mit Rin Veyvey bekommen und sie für eine Weile alleine mit seinem Reisegepäck sein würde, hatte er sie bei sich behalten, um nicht das Risiko einzugehen, dass sie sie beim Auspacken fand.
»Ich habe mir auch Gedanken darüber gemacht«, entschied er sich schließlich dafür. Er holte die vier Zettel hervor und reichte sie Ghan Edhor, der sie aufgeregt auseinander faltete und las. Ghan Jadna schaute ihm über die Schulter. Als sie die Notizen zu Yodha sah, weiteten sich ihre Augen.
»Raelins Verrat?«, fragte sie und sah ihn an. »Was ist passiert?«
»Nicht wichtig«, wich Rin Verran aus. »Wichtig ist, dass Yodha davon wusste.«
»Wer ist das überhaupt? Er hat dich besucht? Verfolgt? Warum hast du mir nie davon erzählt!«
»Er...« Rin Verran wusste nicht, ob es wirklich eine gute Idee war, ihr alles zu erzählen. Aber Ghan Jadna war seine Schwester. Er konnte ihr vertrauen. Wem konnte er vertrauen, wenn nicht ihr? »Er ist zwei Mal zu mir gekommen. Das erste Mal war bei dem Zatos hier, wo ich mir den Arm gebrochen habe. Er hat... ein Angebot gemacht, das ich strikt abgelehnt habe. Dann ist er gegangen. Das zweite Mal war während meiner Gefangenschaft bei der Dul-Gilde. Er wusste, dass... gewisse Sachen passiert sind und dass Dul Nehmon mir eine Möglichkeit geben würde, die Gefangenschaft ohne größere Strafe zu beenden.« Er wollte vor Ghan Edhor nicht sagen, was genau damals am Phönix-Hof passiert war, aber Ghan Jadna verstand, was er meinte und nickte.
»Und du denkst, dieser Yodha gehört zu den Drachenklauen?«, fragte Ghan Edhor, der nur mit halbem Ohr zugehört hatte. »Und war beim letzten Zatos auch auf den Inseln.«
»Ja.«
»Das ist interessant.« Der junge Mann strich sich nachdenklich über das Kinn, während er die Zettel nebeneinander legte und weiter eingehend betrachtete.
»Es gibt noch etwas, was ich nicht aufgeschrieben habe.« Rin Verran machte eine kurze Pause, um sich zu sammeln. »Ich denke, die Drachenklauen wollen Rache für die Mehn-Gilde nehmen.«
»Für die Mehn...« Ghan Jadna riss überrascht die Augen auf. »Das...«
»...ergibt erstaunlich viel Sinn«, beendete Ghan Edhor ihren Satz und klatschte begeistert in die Hände, lachte auf. »Wie konnte ich das übersehen! Natürlich! Diese alte Geschichte!« Er deutete auf einen Bücherstapel in der Nähe des Eingangs. »Es hat mich ganz schön viel Mühe gekostet, Meister Erjan davon zu überzeugen, mir einige Schriften darüber aus der Gämsen-Pagode zu schicken. Ich habe ganz vergessen, dass ich mir das alles durchgelesen habe!«
Ghan Jadna zögerte kurz, bevor sie hinüber zu dem Stapel ging, die Buchrücken absuchte und schließlich mit einem davon zurückkehrte. Es war dasselbe Buch, das Rin Verran damals auch gelesen hatte. Seine Mundwinkel sanken runter. Das Buch hat mich glauben lassen, Vater wäre ein Monster. Glaubt Ghan Edhor etwa, was da drin steht?
»Keine Sorge«, sagte der junge Mann auf einmal und grinste ihn von der Seite her an. »Ich weiß, wie man mit solchen Quellen umgeht. Nicht alles, was in solchen Büchern steht, ist die Wahrheit.«
»Du weißt also, dass meine Mutter aus der Mehn-Gilde stammt?«
»Natürlich. Man erkennt es an deinem Namen.«
»Meinem Namen?«
»Schatztruhe.«
»Das ist nicht mein Name!«
»Ich weiß, ich weiß«, lachte Ghan Edhor und schlug das Buch auf. Er blätterte eine Weile herum, blieb auf einigen Seiten länger und legte es dann beiseite. Schließlich starrte er eine Weile nachdenklich auf die Karte.
Rin Verran sah fragend zu Ghan Jadna, die einen Zeigefinger an ihre Lippen legte. »Er denkt nach«, flüsterte sie ihm so leise zu, dass er es selbst kaum hörte.
Nach mehreren Minuten des Schweigens nickte Ghan Edhor, scheinbar für sich selbst, und lehnte sich in seinem Rollstuhl zurück. »Ich weiß jetzt, warum ich das Feuerzeug der Drachenklauen nicht reproduzieren konnte«, sagte er und schaute seitlich zu Rin Verran. »Es ist ein Schatz der Mehn-Gilde, nicht wahr?«
Rin Verran blinzelte verwirrt, bevor seine Augen aufleuchteten. Natürlich! »Der Atem des Drachen!«, stieß er hervor. »Mein Vater hat mir davon erzählt. Eine Flüssigkeit, die sehr lange und heiß brennt. Er meinte, wenn man sie in einer Stadt anzündet...«
»...würde sie vollkommen zerstört werden, richtig.« Ghan Edhor sah ihn aufgeregt an. »Niemand kennt das Geheimnis der Herstellung. Nur die Mehn-Gilde. Deswegen kann ich es auch gar nicht reproduzieren. Es ist kein Brennstoff, der irgendwem bekannt ist. Was waren die anderen Schätze?«
Rin Verran versuchte, sich zu erinnern. »Das Wasser der Wahrheit«, sagte er. »Wenn man es trinkt, ist man dazu gezwungen, die Wahrheit zu sagen. Und der Schleier des Vergessens. Ein Pulver. Es bewirkt, dass man vergisst, was in den letzten Stunden passiert ist.«
»Faszinierend.« Ghan Edhors Augen leuchteten vor Begeisterung. »Kein Wunder, dass das in keinen Aufzeichnungen steht. Sonst wären die Schüler der Gämsen-Pagode in ihrem dritten Jahr nur damit beschäftigt, nach diesen Schätzen zu suchen.«
»Aber wurden sie nicht alle vernichtet? Zusammen mit der Mehn-Gilde?«, fragte Ghan Jadna vorsichtig und legte Rin Verran die Hand auf die Schulter.
»Offenbar ja nicht, wenn die Drachenklauen den Atem des Drachen benutzen«, meinte Ghan Edhor. »Ich frage mich, wann die anderen Schätze auftauchen werden. Wobei... Vom Schleier des Vergessens werden wir wahrscheinlich nie erfahren. Was das Wasser der Wahrheit angeht... Unsicher.«
»Wenn die Drachenklauen das alles benutzen«, fragte Ghan Jadna. »Bedeutet es dann, dass... die Mehn-Gilde... jemandem ihre Geheimnisse weiter gegeben hat? Oder dass jemand sie gefunden hat?«
»Oder dass die Drachenklauen die Mehn-Gilde sind«, sagte Ghan Edhor auf einmal mit ernster Stimme. »Einige Anhänger, die damals fliehen konnten und jetzt nach Rache suchen.«
Ghan Jadna sog scharf die Luft ein, während Rin Verran sich versteifte. Ein winziger Teil von ihm hatte diese Vermutung ebenfalls gehabt, doch er hatte sich nicht getraut, es ganz durchzudenken.
»Das erklärt vielleicht, warum Yodha Kontakt mit mir aufgenommen hat«, meinte er. »Meine Mutter gehörte zur Mehn-Gilde.«
Ghan Edhor wiegte nachdenklich den Kopf hin und her. »Irgendwas kommt mir daran trotzdem komisch vor. Klar, Yodha hat dir wahrscheinlich nicht gesagt, wer er in Wirklichkeit ist, weil er sich nicht sicher war, ob du von der Auslöschung der Mehn-Gilde wusstest. Und du hättest ihm auch nicht geglaubt, wenn er es dir erzählt hätte, oder?«
Rin Verran schüttelte den Kopf. »Nein. Ich kenne ihn ja gar nicht. Außerdem ist er nachts gekommen und durch ein Fenster geklettert. Wer würde so einer Person glauben?«
»Richtig. Das würde niemand tun«, bestätigte Ghan Edhor. »Aber trotzdem: Warum dieses Versteckspiel? Es kommt mir fast so vor, als würden sie etwas von dir wollen und darauf warten, dass du dich bei ihnen meldest. Irgendeine Idee, was das sein könnte?«
Rin Verran schüttelte den Kopf. »Nach dem Angriff auf Muwam wollten sie zwar mit mir reden, aber als ich zum Treffpunkt gegangen bin, war keiner da. Ich weiß bis heute nicht, warum sie nicht gekommen sind, obwohl sie das Treffen selbst vorgeschlagen haben. Vielleicht wollten sie uns nur verwirren.«
Ghan Edhor wiegte nachdenklich den Kopf und zeigte wieder auf die Karte. »Die meisten der Dörfer und Städte sind entweder wichtige, militärische Standpunkte der verschiedenen Gilde oder waren früher welche. In einigen befinden sich gute Schmieden oder allgemein Werkstätten zur Herstellung von Waffen und Rüstungen. Andere sind die Wohnsitze von kleinen Gilden, die damals an der Auslöschung der Mehn-Gilde beteiligt waren.« Er tippte auf die Nadel, die in Muwam steckte. »Zum Beispiel die Wrun-Gilde. Es gibt aber auch einige, die nicht in dieses Schema passen.« Er deutete auf mehrere andere Stellen, die quer über die Karte verteilt waren. »Besonders die Angriffe von vor zwanzig Jahren passen nicht dazu. Ich kann mir nicht erklären, warum die Drachenklauen diese Dörfer niedergebrannt haben. Bei einigen haben sie auch noch die Friedhöfe geschändet.
Ein weiterer interessanter Punkt«, fuhr er nach einer kurzen Pause fort, »ist, dass Yodha sich laut deinen Notizen normalerweise weiter vom Territorium der Dul-Gilde entfernt befindet. Warum das?«
»Er hat gesagt, er wäre früher gekommen, wenn er früher von meiner Gefangenschaft erfahren hätte«, erklärte Rin Verran kurz.
»Interessant«, sagte Ghan Edhor. »Das passt zum Beispiel überhaupt nicht zu der Theorie, dass die Drachenklauen die Überlebenden der Mehn-Gilde sind.«
»Warum nicht?«, fragte Ghan Jadna verwirrt.
»Die Mehn-Gilde hatte ihren Wohnsitz hier.« Ghan Edhor nahm eine Nadel ohne Faden und steckte sie auf die Ostseite des Fernen Stroms. »Der Ort hieß Drachen-Heim. Jetzt erklärt mir bitte, wie das ›weiter entfernt vom Territorium der Dul-Gilde‹ ist. Man muss einfach nur den Fluss überqueren.« Er fuhr mit dem Finger nach links. »Dann ist man schon beim Forellen-Pavillon.«
»Du nimmst an, dass die Drachenklauen sich in den Ruinen dort verstecken?«, hakte Rin Verran nach.
»Das war mein erster Gedanke«, meinte er. »Früher sind bestimmt viele hingegangen, um nach diesen Schätzen zu suchen, aber heutzutage wird um die Geschichte ein riesiger Bogen gemacht. Nur wenige wissen überhaupt, dass es die Mehn-Gilde früher gab. Und die, die an den Ruinen vorbeigehen, denken sich bestimmt nichts dabei. Es gibt überall Ruinen. Und die vom Drachen-Heim müssen schon lange mit Pflanzen überwuchert sein. Aber wie gesagt, es passt nicht zu dem, was du geschrieben hast.«
»Vielleicht hat Yodha auch gelogen.«
»Das denke ich nicht«, gab Ghan Edhor zurück. »Offensichtlich ist er an deinem Wohlergehen interessiert. Er wäre sofort zu dir gekommen, wenn er von deiner Gefangenschaft erfahren hatte, und hätte nicht zuerst einige Zeit gewartet, um bei dir den Anschein zu erwecken, er wäre normalerweise nicht in der Nähe des Forellen-Pavillons.«
»Ich verstehe das nicht«, machte Ghan Jadna sich wieder bemerkbar. »Gehört Yodha jetzt zu den Drachenklauen oder nicht? Sind sie die Überlebenden der Mehn-Gilde?«
»Ich gebe uns achtzig Prozent, dass das stimmt.« Feierlich nahm Ghan Edhor ein Fadenknäuel in die Hand, das im Gegensatz zu den anderen auf dem Tisch völlig unberührt war. Er riss ein Stück ab und band den weißen Faden um die Nadel, die immer noch im Drachen-Heim steckte. »Ich habe so lange darauf gewartet, das zu tun!« Dann wandte er sich mit einem frechen Grinsen an die zwei Geschwister. »Wer sagt Shedor Bescheid, dass er ein paar Erzwächter dorthin schicken soll?«
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Keine Ahnung, ob es das längste Kapitel in diesem Buch ist, aber es ist auf jeden Fall lang XD Es passieren viele Sachen, es gibt viele neue Informationen UND Rin Verran hat endlich mit Ghan Edhor geredet, jei :) Wenn ihr irgendwann später dieses Kapitel nochmal lesen werdet, haha, werdet ihr vermutlich eine Gänsehaut kriegen. Jedenfalls hatte ich eine, als ich es Korrektur gelesen habe O.o
Und danke für die 1K Reads! Wir haben sie pünktlich zum Abschluss des ersten Drittels des Buches erreicht :)
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