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Kapitel 3: Ankunft - Teil 3

Nachdem Rin Raelin mit frischer Bettwäsche und Kleidung zurückgekehrt war, machten die zwei Brüder sich daran, den untersten Stock des Hauses aufzuräumen. Genauer gesagt nur den Eingangsflur und das Zimmer, in dem sie schlafen würden. Sie sahen nicht ein, warum sie auch den Rest des Hauses putzen sollten, wenn sie ihn doch sowieso nicht benutzen würden und Jhe Newin in nächster Zeit keine anderen Schüler haben würde. Dafür stellten sie fest, dass jedes der Schüler-Häuser der vier Meister einen Namen hatte, der über der Eingangstür in einen Querbalken geritzt war. Über ihrem stand ›Falkennest‹, wobei sie keine Ahnung hatten, wie es zu diesem Namen gekommen war.

Am nächsten Morgen erwachten beide mit schmerzenden Knochen. Die Sonne war bereits aufgegangen und schien hell durch die Fenster hinein. Die Strahlen landeten direkt auf Rin Verrans Gesicht, der unwillig blinzelte. Gähnend setzte er sich auf und schwang die Beine aus dem Bett.

»Bist du wach?«, rief er zu Rin Raelin hinüber.

Dieser brummte nur und bekam gleich darauf ein Kissen ins Gesicht geschmissen. Sofort sprang er auf die Beine und funkelte Rin Verran gespielt wütend an. »Willst du eine Kissenschlacht anfangen?«

Rin Verran winkte lachend ab. »Verschone mich bitte!« Er trat zum Schrank, den sie gestern mit viel Mühe aus dem benachbarten Zimmer hinüber geschleppt hatten, und holte einen Satz der Kleidung der Val-Gilde raus. Das Grün gefiel ihm immer noch nicht. Es gefiel ihm noch weniger, als ein beschriebener Zettel auf den Boden fiel, nachdem er das Hemd auseinander gefaltet hatte, um es anzuziehen. Ein Blick darauf genügte, um ihm einen heftigen Schreck zu versetzen.

»Was ist los?«, fragte Rin Raelin, der sich wieder in sein Bett fallen gelassen hatte.

»Wie spät ist es jetzt?«

Der Junge schaute gelangweilt aus dem Fenster. »Müsste um die zehn Uhr sein. Warum fragst du?«

»Wir sollten um sieben Uhr zu Meister Jhes erster Unterrichtsstunde kommen«, sagte Rin Verran und hielt den Zettel hoch.

Rin Raelin starrte ihn eine Weile perplex an, bevor ihm ein keuchendes »Scheiße« entwich.

So schnell sie konnten, zogen die zwei Brüder sich die grüne Kleidung der Val-Gilde an und machten sich nicht mal die Mühe, ihre Betten zu machen, bevor sie völlig übereilt aus dem Falkennest eilten. Wären sie früher aufgestanden, so wie die anderen Schüler, hätten sie vielleicht mitbekommen, wo der Unterricht stattfand, aber so sahen sie sich nur etwas verloren um.

»Scheiße«, sagte Rin Raelin wieder. »Was wird Meister Jhe nur mit uns machen!« Dann hellte sein Gesicht sich jedoch auf. »Vielleicht schmeißt er uns dann raus und wir können doch noch die Schüler von Val Zirro werden.«

»Das bezweifle ich«, murmelte Rin Verran und wollte gerade vorschlagen, zur Gämsen-Pagode selbst zu gehen, als auf einmal eine Stimme ganz in ihrer Nähe ertönte.

»Braucht ihr Hilfe?«

Die beiden Brüder sahen in die Richtung, aus der die Stimme gekommen war. Sie waren so beschäftigt damit gewesen, nach einer Lösung für ihr Problem zu suchen, dass sie das Mädchen gar nicht bemerkt hatten, das sich ihnen näherte. Sie trug ein grünes Kleid der Val-Gilde und hatte zusätzlich ein Stoffband von ähnlicher Farbe – es war nur etwas dunkler –, das ihre blonden Haare in einem Zopf zusammenhielt. Wahrscheinlich war sie ebenfalls eine Schülerin.

»Wo findet der Unterricht statt?«, fragte Rin Raelin direkt.

»In der untersten Etage der Gämsen-Pagode«, antwortete das Mädchen. »Ihr seid die Schüler von...?«

Doch bevor sie ihren Satz beenden konnte, war Rin Raelin schon davon geeilt. Er konnte es nicht ausstehen, von jemandem aufgehalten zu werden, wenn er ohnehin schon zu spät war. Besonders, wenn es um seinen Ruf ging. Obwohl er zuvor gesagt hatte, es wäre nicht so schlimm, wenn Meister Jhe ihn rausschmeißen würde, wollte er nicht, dass andere schlecht über ihn dachten. Zum Beispiel, dass er immer zu spät kam und sich den Befehlen seines Meisters widersetzte. Selbst wenn er sich ihn nicht freiwillig ausgesucht hatte.

Rin Verran lächelte dem Mädchen entschuldigend zu und ertappte sich dabei, einige Sekunden länger stehen zu bleiben als es nötig wäre. Schnell riss er sich von ihrem Anblick los und eilte seinem Bruder hinterher, der mittlerweile schon in der Gämsen-Pagode verschwunden war. Im Inneren zweigten mehrere Gänge und Türen nach links und rechts ab. Aus einigen drangen das leise Gemurmel von Schülern oder die mehr oder weniger strenge Stimme von einem der Meister. Die zwei Brüder gingen den Hauptflur entlang, bis sie an einer offenen Tür vorbei kamen.

»Ihr seid zu spät.«

Bei der eisigen Stimme blieben Rin Verran und Rin Raelin sofort stehen. In dem Raum mit der offenen Tür saß Jhe Newin. Er hatte ihnen nicht mal den Blick zugewandt, schien sie nur anhand ihrer Schritte erkannt zu haben. Erst jetzt drehte er sein Gesicht den zwei Jungen zu und musterte sie mit seinen grauen Augen. Er wirkte vollkommen ruhig, aber genau diese Gelassenheit jagte ihnen eine unheimliche Angst ein. Es war fast, als würden sie einem Tiger gegenüber stehen, der jeden Moment auf sie zu springen könnte.

»Drei Stunden.«

Mit jedem Wort fühlten die Brüder sich unwohler. Rin Verran war der erste, der eine entschuldigende Verbeugung andeutete. »Es tut mir leid, Meister Jhe. Ich habe gestern den Zettel übersehen, den Ihr hinterlassen habt.«

Jhe Newin schwieg eine Weile, bevor er streng fragte: »Dachtet ihr, der Unterricht würde anfangen, wann es euch gefällt? Es ist eure Pflicht, euch zu erkundigen, wann ihr hier sein müsst.«

Als er aufstand, wich Rin Verran ein Stück zurück und sogar Rin Raelin hatte damit zu kämpfen, auf der Stelle stehen zu bleiben. Es war das erste Mal, dass sie Jhe Newin aus so einer Nähe sahen. Er strahlte eine einschüchternde Aura aus und verursachte bei seinem Gegenüber ein unangenehmes Gefühl der Gefahr, obwohl er weder Waffen trug noch besonders aggressiv auftrat. Auch war er mit ungefähr vierzig Jahren nicht mehr der Jüngste. Seine silbrig weißen Haare zeugten von einem Leben voller Stress und Anstrengung.

»Besonders von dir hätte ich das nicht erwartet, Rin Verran«, sagte Meister Jhe kalt.

Warum ausgerechnet von mir nicht?, dachte Rin Verran. Er kennt mich doch gar nicht. Er hat mich nicht mal von Raelin unterscheiden können!

»Zur Strafe werdet ihr zehn Tage schweigen, um darüber nachzudenken, was es bedeutet, ein Schüler der Val-Gilde zu sein«, fuhr Jhe Newin fort. »Während dieser Zeit werdet ihr von morgens bis abends oben im fünften Stock der Gämsen-Pagode die Schriften abschreiben, die ihr eigentlich heute lesen solltet. Insgesamt hundert Kopien möchte ich sehen. Von jedem.«

»Hundert... Das soll doch wohl ein Scherz sein!«, stieß Rin Raelin aus. »Dann müssten wir ja pro Tag zehn Kopien von wer weiß wie vielen Seiten verfassen! Was soll das überhaupt bringen?«

Er hatte den Satz gerade zu Ende gebracht, als Jhe Newin ihm einen Schlag gegen den Kopf versetzte, durch den er jedoch noch wütender wurde. Rin Raelin wollte erneut los schimpfen, aber Rin Verran warf ihm einen warnenden Blick zu, sodass er zähneknirschend den Mund wieder schloss und sich nur die schmerzende Wange rieb.

»Zehn Tage schweigen bedeutet, dass man zehn Tage nicht reden darf«, sagte Jhe Newin mit zusammengezogenen Augenbrauen. »Behalte deine giftigen Worte bei dir.«

Was für ein Mistkerl, dachte Rin Verran, wusste aber, dass er ebenfalls einen Schlag abbekommen würde, wenn er jetzt etwas sagte. Und dann würde Rin Raelin erst recht nicht an sich halten können. Also stimmen die Gerüchte, dass niemand ihn als Meister haben will, weil er so schlecht mit seinen Schülern umgeht und immer eine grottige Laune hat.

»Wenn ihr abends fertig seid, gebt ihr die Kopien, die ihr geschafft habt, Zen Ramka. Sie ist eine der Bibliothekarinnen und außerdem meine Dienerin.« Jhe Newin sah sie ein letztes Mal frostig an, bevor er wieder im Raum verschwand und die Tür heftig hinter sich zu schlug.

Rin Verran sah, dass sein Bruder kurz davor war, die Tür einzutreten, um dem Meister seine Meinung zu sagen, ergriff ihn also schnell am Unterarm und zerrte ihn den Flur entlang, bis sie vor der Gämsen-Pagode standen.

»Leise sein«, warnte Rin Verran ihn im Flüsterton.

»So ein Scheißkerl«, zischte Rin Raelin dann auch nach mehreren tiefen Atemzügen. »Was fällt ihm ein? Sind wir hergekommen, um zu lernen oder um irgendwelche dämlichen Schriften abzuschreiben? Werden wir nicht hinter den anderen hinterher hängen? Was wird Vater dazu sagen, wenn er davon erfährt? Warum hast du überhaupt diesen dämlichen Zettel übersehen!«

»Tut mir leid«, sagte Rin Verran. »Ich habe ihn wirklich übersehen.«

Rin Raelin seufzte und winkte schließlich ab. »Wir sollten vielleicht wirklich gehen und anfangen, diesen Mist abzuschreiben. Wer weiß, was Meister Jhe mit uns tun wird, wenn wir nicht machen, was er möchte.«

Rin Verran war zwar etwas überrascht, dass sein Bruder so schnell nachgab, nickte aber und sie betraten gemeinsam wieder die Gämsen-Pagode. Nach unzähligen Treppenstufen gelangten sie endlich in den fünften Stock. Dort erwartete sie bereits eine junge Frau im grünen Gewand der Val-Gilde, die sie im ersten Moment fast für einen Mann gehalten hatten, denn ihre Brust war flach wie ein Brett und sie besaß absolut keine Kurven wie andere Frauen sie meistens hatten. Zusätzlich hatte sie ihre Haare zu einem strengen Zopf nach hinten gebunden und sah auch ansonsten ziemlich streng aus. Fast so wie Jhe Newin, dessen Dienerin sie offenbar war. Ohne ein einziges Wort zu verlieren, bedeutete sie ihnen, ihr zu folgen. Zen Ramka führte sie an mehreren hohen Schränken voller Bücher und Schriftrollen vorbei, bis sie bei einem Tisch an einem der Fenster ankamen. Darauf stapelten sich einige – zum Glück recht dünne – Hefte.

»Fangt an«, sagte die Frau mit einer leicht näselnden Stimme. »Blätter zum Schreiben sind genug da. Tinte auch. Um zehn Uhr abends komme ich wieder. Dann wird die Schriftensammlung abgeschlossen und ihr könnt zurück ins Falkennest gehen. Ich erwarte euch am nächsten Morgen um sieben Uhr.«

Zen Ramka würdigte sie keines weiteren Blickes, drehte sich auf dem Absatz um und verschwand fast lautlos zwischen einigen der Schränke.

Rin Raelin starrte entgeistert auf die insgesamt fünf Hefte und sein Gesicht verzog sich noch weiter, als er eines davon aufschlug und die winzige Schrift sah. Dann sah er zufällig aus dem Fenster und wurde leicht blass im Gesicht. Er war kurz davor, einen Fluch auszustoßen, hielt sich aber gerade noch rechtzeitig zurück. Wer wusste schon, ob Zen Ramka vielleicht in der Nähe war und sie beobachtete, um später Jhe Newin zu berichten.

Rin Verran hatte mittlerweile auch eines der Hefte in die Hand genommen und blätterte es durch. Er hatte sich nie viel für Bücher interessiert und es als Qual gefunden, unter den strengen Blicken der Diener seines Vaters das Lesen und Schreiben zu lernen. Jetzt für zehn Tage hier festzustecken war mindestens genauso schlimm. Besonders, weil er sich nicht mal mit jemandem unterhalten konnte. Trotzdem war er der erste, der sich seufzend eines der bereitgelegten Blätter nahm und anfing, den Inhalt des ersten Heftes abzuschreiben. Es ging um irgendwelche Tugenden, die man haben sollte. Interessierte ihn nicht.

Die nächsten Tage fühlten sich eher an wie Jahre. Jeden Morgen standen sie noch vor Sonnenaufgang auf und eilten in den fünften Stock der Gämsen-Pagode, wo Zen Ramka sie zu dem berüchtigten Tisch führte. Der einzige Vorteil an diesem Tisch war, dass er am Fenster stand und sie einen guten Blick auf den Kampfplatz hinter der Pagode hatten. Rin Verran sah das jedenfalls als Vorteil. Rin Raelin vermied es eher, dorthin zu sehen, wo die Jungen und Mädchen trainierten, die bereits ihr zweites Jahr bei der Val-Gilde waren. Wenn sie mit ihren Schwertern, Messern, Peitschen und anderen Waffen um sich schlugen, sah das alles etwas chaotisch aus, aber das war das Zeichen für die zwei Brüder, dass es bereits früher Nachmittag war und sie eine Pause machen konnten, um etwas zu essen.

Der Tagesplan bei der Val-Gilde war sehr straff und besonders die vier Meister hatten viel zu tun. Rin Verran fragte sich, wie insbesondere Val Zirro und Val Erjan dieser Belastung stand hielten und auch noch Zeit hatten, sich um ihre eigenen Sachen zu kümmern, aber vermutlich hatten sie sich schon daran gewöhnt. Morgens aßen alle Schüler gemeinsam im Speisesaal, der in einem Gebäude außerhalb der Gämsen-Pagode lag. Vormittags war dann der Unterricht für die Jungen und Mädchen in ihrem ersten Jahr vorgesehen. Nachmittags der für die im zweiten Jahr.

Wenn die zwei Brüder von ihrer Mittagspause zurückkehrten, schaute Rin Verran normalerweise erst aus dem Fenster, um zu sehen, was die Schüler im zweiten Jahr dort draußen machten. Ihm fielen immer mehrere Gestalten auf, die sich ganz gut schlugen. Eine Schande, dass er ihre Namen nicht erfahren konnte. Auch das Mädchen, das ihnen am ersten Tag gesagt hatte, wo der Unterricht stattfand, war unter ihnen. Zwar war sie keine der Besten, egal mit welcher Waffe, aber sie bewegte sich sehr elegant.

Wer ist sie? Die Frage drängte sich Rin Verran mit jedem Tag mehr auf. Er wusste selbst nicht, warum er bei jedem Probekampf hoffte, sie würde gewinnen. Bald bemerkte er nicht mal mehr, was die anderen taten, sondern beobachtete nur noch sie. Manchmal löste sich ihr Zopf und das grüne Band, das ihn zusammengehalten hatte, flatterte mit engen Drehungen und Windungen zu Boden. Rin Verran schwor sich, dass er, nachdem ihre Strafe vorbei war, rechtzeitig dort sein würde, um das Band für sie aufzuheben und dann nach ihrem Namen zu fragen. Irgendwie kam ihm das aber auch falsch vor. Vielleicht erinnerte sie sich ja gar nicht an ihn. Was würde sie dann von ihm denken?

Am letzten Tag ihrer Strafe setzte Rin Verrans Herz fast einen Schlag aus. Rin Raelin hatte sich wieder missmutig daran gemacht, die letzten fünfzehn Kopien anzufertigen – er hatte sich am Anfang zu viel Zeit gelassen –, während Rin Verran erneut aus dem Fenster sah. Eigentlich hatte er vor gehabt, nur einen flüchtigen Blick hinaus zu werfen, weil er selbst noch siebzehn Kopien vor sich hatte, aber er blieb an dem Jungen hängen, der gerade zu dem Mädchen getreten war und ihr das grüne Stoffband zurückgab, das sich wieder gelöst hatte.

Mahr Xero! Rin Verran fühlte eine seltsame Wut und gleichzeitig Enttäuschung in sich aufsteigen. Der Junge mit den struppigen Haaren, der am Tag ihrer Ankunft mit seinem Schwert angegeben hatte, gab ihr das Band nicht nur zurück, sondern half ihr sogar, es wieder um den Zopf zu binden. Und dann fingen sie an, sich zu unterhalten. Das Mädchen schien bei jeder zweiten Bemerkung zu lachen. Erst, als sie von Zha Denja, die offenbar ihre Meisterin war, zurechtgewiesen wurde, wandte sie sich von Mahr Xero ab. Aber der Junge ging nicht weg, sondern blieb am Rand des Kampfplatzes stehen.

Ein lautes Knacken ertönte, bei dem Rin Verran erschrocken zusammenzuckte. Erst im nächsten Moment stellte er fest, dass er den Federkiel,  mit dem er schrieb, so fest umklammert hatte, dass er in der Mitte durchgebrochen war. Rin Raelin schaute ihn fragend und mit hochgezogener Augenbraue an. Um es seinem Bruder zu ersparen, aus dem Fenster zu schauen, winkte er ab und stand auf, um nach Zen Ramka zu suchen, damit sie ihm eine neue Feder gab. Seine Laune hatte sich jedoch von einem Augenblick auf den anderen dermaßen verschlechtert, dass er die Dienerin nicht mal mit einer respektvollen Verbeugung begrüßte und ihr den durchgebrochenen Kiel einfach direkt ins Gesicht hielt.

»Ist ja gut!«, sagte sie erstaunlich laut. Sie war überrascht, dass Rin Verran nun auf einmal genauso leicht zu verärgern war wie sein Bruder. Trotzdem rügte sie ihn nicht, sondern gab ihm einfach, was er wollte. Jhe Newin hatte ihr gesagt, ein gutes Auge auf beide zu haben, aber besonders auf Rin Verran. Er stellte ihr auch erstaunlich viele Fragen über diesen Jungen, wenn sie dem Meister die Kopien brachte, die er aber nicht mal durchsah. Sie hegte die Vermutung, dass er sie sogar als Brennmaterial für den Ofen in seinem geräumigen Zimmer benutzte und nur wollte, dass sie ihm die beschriebenen Zettel brachte, um sie über Rin Verran ausfragen zu können.

»Er sieht Rin Baleron zu ähnlich, denkst du nicht?«, fragte er auch an diesen Abend.

»Vermutlich. Immerhin ist er sein Sohn«, antwortete Zen Ramka und ließ sich ihre Irritation nicht anmerken. Ihr Gesicht war eine ausdruckslose Maske. Sie wusste, dass sie sonst nicht mehr lange seine Dienerin sein würde. Aber sie brauchte diese Arbeit. Die Zen-Gilde war zu klein und unwichtig, als dass sie sich leisten könnte, ihre Stelle hier zu verlieren. So verdiente sie wenigstens genug Geld, um es ihrer Familie im Echsen-Tempel schicken zu können.

»Ja, ja, er ist sein Sohn«, sagte Jhe Newin und nickte bedächtig. Zen Ramka bemerkte, dass er leicht angetrunken war. Er saß nicht mehr ganz aufrecht und machte sich nicht die Mühe, seine übliche Strenge auszustrahlen. »Aber warum kann er nicht wenigstens ihre Gesichtszüge haben. Oder ihre Augen. Selbst die Augenfarbe würde reichen. Ich hätte ihn sofort erkennen müssen, aber er ähnelt Rin Baleron zu sehr.«

»Ich verstehe nicht, wovon Ihr redet, Meister Jhe«, erklärte Zen Ramka höflich und hatte gleichzeitig das Gefühl, etwas gehört zu haben, was sie eigentlich gar nicht mitbekommen sollte.

»Richtig«, murmelte Jhe Newin. »Du kannst es nicht wissen.« Er schien in Gedanken verloren zu sein und es dauerte eine ganze Weile, bis ihm auffiel, dass die junge Frau immer noch vor ihm stand.

»Rin Verran und Rin Raelin haben es nicht geschafft, hundert Kopien anzufertigen, Meister Jhe«, berichtete sie. »Und die ganze Zeit geschwiegen haben sie auch nicht.«

Jhe Newin schüttelte den Kopf, nickte dann und schwieg erneut.

»Meister Jhe?«, fragte Zen Ramka vorsichtig, als er immer noch nichts sagte.

»Sie haben sich verzählt und es sind doch hundert Kopien gewesen«, bestimmte er schließlich. Seine Stimme klang wieder so eisig und streng wie sonst. »Geschwiegen haben sie auch. Oder hast du sie reden hören, während sie in der Schriftensammlung waren?«

»Nein.« Zen Ramka war etwas irritiert, wagte aber nicht, zu widersprechen oder sogar zu versuchen, den seltsamen Gedankengängen dieses Mannes zu folgen. Seine Launen waren viel zu wechselhaft als dass sie verstehen könnte, was genau in seinem Kopf vor ging. Obwohl sie ihm schon fast sechs Jahre diente.

»Sie sollen morgen um sieben Uhr zu ihrer ersten Unterrichtsstunde erscheinen«, meinte Jhe Newin. »Am besten, du gehst jetzt zum Falkennest und sagst es ihnen persönlich. Hinterlassene Zettel können sie offenbar nicht lesen.« Seine Augenbrauen zogen sich noch weiter zusammen. »Komm morgen Nachmittag nochmal zu mir. Ich habe eine weitere Aufgabe für dich.«

Zen Ramka nickte und verbeugte sich zum Abschied. Als sie die Tür hinter sich schloss, hörte sie, wie Jhe Newin sich ein weiteres Glas Alkohol – wahrscheinlich Wein – einschenkte. Es war nicht das erste Mal, dass sie ihn so aus dem Gleichgewicht geraten sah, aber dieses Mal schien es besonders schlimm zu sein. Sie hoffte nur, er würde sein Zimmer nicht verlassen und etwas Unbedachtes tun, was seinen Ruf gefährden könnte. Er galt zwar als streng, finster und immer schlecht gelaunt, aber es gab Gerüchte darüber, dass er vor etwa fünfzehn Jahren auf das Dach der Gämsen-Pagode geklettert war und herunter springen wollte. Zum Glück hatte jemand ihn gerade noch rechtzeitig aufgehalten.

Ihr Blick fiel auf das Schloss an Jhe Newins Tür. Jeder Meister hatte zwei Schlüssel zu seinem Zimmer. Einen trug er selbst immer bei sich und den anderen überreichte er normalerweise seinem Diener, da dieser ab und zu den Raum betreten musste, wenn der Bewohner nicht da war. Zen Ramka überlegte kurz, holte ihren Schlüssel dann aber doch noch raus und schloss die Tür so leise sie konnte ab. Sie musste am nächsten Morgen nur sehr früh aufstehen, um sie wieder aufzuschließen, bevor Jhe Newin es bemerkte. Es war zu seiner eigenen Sicherheit.

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