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Kapitel 27: Verrat - Teil 3

Rin Verran hatte ursprünglich erwartet, dass er in den Kerker des Forellen-Pavillons geworfen werden würde, bis Dul Nehmon ein Urteil fällte, aber dem war nicht so. Ob es überhaupt einen Kerker gab, wusste er nicht. Vielleicht war das wegen der Nähe zum Stillwasser-See gar nicht möglich, da er sonst direkt volllaufen würde. Stattdessen wurde er in einen Teil eines Nebengebäudes gesperrt, von dem aus er die spiegelglatte Wasserfläche und die bewaldeten Inseln in einiger Entfernung vom Ufer sehen konnte. Er fühlte sich nicht wie ein Gefangener, aber alle Fenster waren fest von außen verriegelt und vor der einzigen Tür standen Tag und Nacht bewaffnete Anhänger der Dul-Gilde, sodass es ihm unmöglich war, zu fliehen.

Dafür hatte er den ganzen abgesperrten Teil für sich alleine. Und zwar nicht nur ein Zimmer, wie er es am Phönix-Hof als Sohn des Gilden-Anführers hatte, sondern gleich drei. In einem stand sein Bett, das zweite war das Bad und im dritten war anscheinend eine kleine Bibliothek, für die er sich allerdings nicht interessierte. Den größten Teil nahm der Eingangsbereich ein, der bis auf mehrere Möbel an den Wänden und einem niedrigen Tisch mit Stühlen praktisch leer war. Dort aß er auch immer das Essen, das ihm drei Mal täglich gebracht wurde. Mehrere Tage blieb er in diesem Gebäudeteil, dachte über Rin Raelins schmerzhaften Verrat nach und wurde zunehmend nervöser, weil einfach niemand kam, um ihm seine Strafe zu verkünden.

Es waren fast zwei Wochen vergangen, bis endlich Stimmen von draußen ertönten, die er noch nicht gehört hatte. Und sie gehörten offenbar zwei Frauen, die wild auf die Wächter einredeten, bevor diese leise fluchend nachgaben und die Tür öffneten. Rin Verran richtete sich überrascht in dem Stuhl auf, auf dem er gesessen und versucht hatte, mehrere Stifte, die er in der Bibliothek gefunden hatte, zu einem Turm zu stapeln. Als er die zwei jungen Frauen sah, die hereingekommen waren, verfinsterte seine Miene sich. Es waren Dul Veyvey und vermutlich eine ihrer Dienerinnen. Beide trugen Kleider in den Farben der Dul-Gilde, wobei das der ersteren jedoch um einiges prächtiger und schmuckvoller war. Zusätzlich hatte sie ihre Haare zu einer komplizierten Frisur geflochten und mit mehreren Spangen hochgesteckt. Darunter auch die goldene, die sie bei ihrer ersten Begegnung getragen hatte. In einiger Entfernung zu ihm blieben sie stehen.

»Ich habe keine Angst vor dir«, sagte Dul Veyvey auf einmal und musterte ihn dabei von oben bis unten.

»Das ist schön«, antwortete Rin Verran und wich ihrem Blick aus. »Es tut mir leid.«

»Was tut dir leid?«

Rin Verran warf ihr einen flüchtigen Blick zu. »Das, was am Phönix-Hof passiert ist. Ich kann es dir nicht erklären, aber du kannst mir glauben, dass ich normalerweise nicht so bin.« Er hatte beschlossen, niemandem davon zu erzählen, dass eigentlich Rin Raelin für alles verantwortlich war. Wobei er sich immer noch fragte, wie sein Bruder das überhaupt durchziehen konnte ohne ein schlechtes Gewissen zu haben. Er war nicht mal gekommen, um sich zu entschuldigen. Hätten Vater und Rin Narema mich nur mit ihm reden gelassen!

»Das sagen alle Männer und am Ende sind sie trotzdem alle gleich«, entgegnete Dul Veyvey schnippisch. »Schauen den Röcken hinterher und fragen sich, wie sie am besten an das ran kommen, was dadrunter ist.«

Rin Verran schmunzelte.

»Normalerweise weine ich auch nicht so schnell«, fuhr Dul Veyvey fort. »Und jetzt sagst du wahrscheinlich, dass das alle Frauen behaupten und am Ende trotzdem alle gleich sind.«

»Jetzt hast du es ja schon gesagt.«

Dul Veyvey rümpfte die Nase und starrte ihn mit einer Mischung aus Wut und Empörung an. »Weißt du, in gewisser Weise bin ich dir eigentlich sogar dankbar, dass du so ein Schwein bist. Ich habe gehört, dass dein Bruder ein ziemliches Arschloch ist und so einen möchte ich nicht heiraten.«

Rin Verrans Gesicht verfinsterte sich wieder. »Freut mich, das zu hören.« Und zu hören, dass ich nicht der einzige bin, der so denkt. »Warum bist du hier?«

Die Frau stemmte die Arme in die Seiten. »Eigentlich nur spontan. Ich bin gerade vorbei gekommen.«

Rin Verran grinste. »Irgendwas sagt mir, dass du eigentlich gar nicht hier sein dürftest.«

Die Dienerin neben ihr hob alarmiert den Kopf. »Dul Veyvey, wir sollten...«

»Warte, Lai Vatani, ich bin gleich fertig«, unterbrach Dul Veyvey sie und wandte sich wieder Rin Verran zu. »Woher willst du wissen, ob ich hier sein darf oder nicht?«

»Dein Vater schickt immer nur männliche Diener, um mir das Essen zu bringen«, antwortete er. »Die Wächter draußen sind auch alles Männer.«

Dul Veyvey schaute ihn mit einem undefinierbaren Blick an. »Dumm bist du also nicht.«

»Warum bist du hier?«, wiederholte er die Frage.

Es vergingen einige Sekunden, bevor sie antwortete: »Eigentlich nur, um dir zu danken, was ich jetzt ja schon getan habe.« Trotzdem drehte sie sich nicht um und es schien als wäre das nicht alles. »Aber eigentlich auch nicht. Ich bin schon einundzwanzig, weißt du, und normalerweise sind in diesem Alter schon alle verheiratet und haben Kinder oder sind wenigstens verlobt. Dein Bruder ist zwar ein Arschloch, aber ich weiß überhaupt nicht, wen mein Vater sich jetzt aussuchen wird! Wenn es jemand aus der Ghan-Gilde wird, werde ich dir das nie verzeihen!« Auch jetzt schien das nicht alles zu sein, denn sie wandte sich immer noch nicht zum Gehen, aber dieses Mal schickte sie keine Sätze mehr hinterher.

»Meine Schwester ist genauso alt wie du und sie ist auch noch nicht verheiratet«, sagte Rin Verran und konzentrierte sich wieder auf den Turm aus Stiften vor ihm auf dem Tisch.

Dul Veyvey rümpfte die Nase. »Das ändert nichts an meiner Situation!«

»Und was willst du jetzt von mir?«, fragte er, mittlerweile etwas genervt. »Deinen Frust an mir auslassen?«

»Dul Veyvey, wir sollten wirklich...«, ließ die Dienerin sich wieder vernehmen, doch Dul Veyvey schnitt ihr erneut das Wort ab.

»Du hast Glück, dass dein Vater sich so sehr für dich eingesetzt hat!«, meckerte sie. »Sonst hätte mein Vater schon lange allen erzählt, was du gemacht hast! Jeder würde mit dem Finger auf dich zeigen und du würdest irgendwann aus Scham Selbstmord begehen! Das wollte ich sagen!«

Damit drehte Dul Veyvey sich um, wobei ihr Kleid schlagartig herumgerissen wurde. Die Dienerin folgte ihr in kleinen Trippelschritten. Die Tür wurde so heftig zugeschlagen, dass der ganze Turm aus Stiften in sich zusammenfiel. Rin Verran fluchte leise und begann, sie vom Boden aufzusammeln, während er über diese Worte nachdachte.

Vater hat sich für mich eingesetzt? Vielleicht hat er das. Aber nur, um seinen Ruf und den der Rin-Gilde zu retten! Jetzt hat er keinen Bastardsohn mehr, mit dem er sich herumschlagen muss. Wegen dem bestimmt viele hinter seinem Rücken über ihn gespottet haben. Ich gehöre nicht mehr zur Rin-Gilde. Vielleicht ist das auch besser so. Er hob den letzten Stift auf und betrachtete ihn nachdenklich. Er war vom Aufprall auf den Boden in der Mitte leicht zersplittert und geknickt. Genau so fühlte Rin Verran sich gerade auch und er fragte sich: An welcher Stelle ist alles schief gegangen? An welcher Stelle hat Raelin entschieden, dass es in Ordnung ist, mich so zu hintergehen?

Auch die nächsten zwei Wochen wurde Rin Verran nicht geholt. Er konnte sich den Grund dafür nicht vorstellen, aber eigentlich war es ein ganz einfacher. Dul Nehmon und seine Ehefrau Dul Caitha waren fast jeden Tag in heftige Diskussionen verstrickt. Dul Caitha war sehr lebhaft und wurde von einigen sogar als kindlich bezeichnet, aber ihr Sinn für Gerechtigkeit war ähnlich wie der ihres Ehemannes. Wie genau die beiden sich kennengelernt hatten, wusste niemand so richtig. Angeblich hatte Dul Nehmon sie auf einer Reise nach Ubria kennengelernt, dem Land nördlich der Gilden-Territorien. Er hatte sich in sie verliebt und dann zum Forellen-Pavillon gebracht. Viele fanden sie seltsam und eigensinnig. Insbesondere wegen ihrer ungewöhnlich dunklen Haut und ihrer Vorliebe für extravagante und freizügige Kleidung. Sie war besser bekannt unter ihrem Rufnamen, Dahlie, die in Ubria weit verbreitet war, auf den Gilden-Territorien aber kaum wuchs.

»Du solltest Veyvey nicht in ihrem Zimmer einschließen«, sagte Dul Caitha und setzte sich mit überschlagenen Beinen auf den Arbeitstisch ihres Ehemannes, der sein Bestes tat, um sich nicht von ihrer Anwesenheit ablenken zu lassen. Er scheiterte kläglich.

»Du sagst das so, als würde ihr Zimmer nicht aus einem ganzen Gebäudeteil, sondern aus einem winzigen Raum bestehen«, entgegnete Dul Nehmon. Er legte die Feder beiseite und ergriff stattdessen einen gefalteten Zettel, mit dem er in der Luft herum wedelte. »Ich habe ihr ausdrücklich verboten, irgendwelche Informationen über diese Angelegenheit nach draußen zu verbreiten. Aber sie konnte es nicht lassen und hat ihrer Schwester geschrieben.«

Dul Caitha pflückte den Brief aus seiner Hand, faltete ihn auseinander und las ihn durch. »Aber du hast ihn doch abgefangen? Was ist daran also so schlimm?«

»Hast du den Brief nicht gerade gelesen?«

»Ja.«

»Es ist nicht der erste Brief. Hier schreibt sie, dass sie endlich ›bei dem Schwein war und ihre Meinung gesagt hat‹. Abgesehen davon, dass sie anscheinend heimlich zu ihm gegangen ist, lässt sich annehmen, dass sie ihrer Schwester vorher bereits geschrieben hat. Und diesen Brief habe ich natürlich nicht abgefangen. Wenn wir Pech haben, weiß also bereits die ganze Ghan-Gilde über den Vorfall Bescheid.«

»Ich sehe nicht, was so schlimm daran ist«, meinte Dul Caitha. »Dieser Rin Verran hat es verdient, von allen verachtet zu werden, nach dem, was er Veyvey angetan hat.«

»Ich habe Rin Baleron versprochen, dass die Sache ein Geheimnis zwischen unseren Gilden bleibt. Immerhin ist Rin Verran immer noch sein Sohn, auch wenn er ihn verstoßen hat.«

»Ich verstehe. Und du bist ein Mann des Wortes.«

»In der Tat.«

»Hast du mittlerweile schon entschieden, welche Strafe er bekommt? Die Bediensteten haben bereits Wetten untereinander abgeschlossen.«

»Du auch?«

Dul Caitha lachte. »Natürlich! Ich habe gewettet, dass du ihn auspeitschen lässt und dann auf die Straße wirfst. So wie ich es dir vor einer Woche schon vorgeschlagen habe. Warum zögerst du also?«

»Ich habe Rin Narema versprochen, dass er nicht auf der Straße landet«, antwortete Dul Nehmon. »Also nein.«

»Und was dann? Es ist schon ein Monat vergangen! Wirst du ihn weiterhin einfach durchfüttern?«

»Ich muss nachdenken.«

Dul Caitha zwickte ihm in die Wange. »Du denkst viel zu viel nach! Lass ihn einfach auspeitschen, bis er sich kaum mehr aufrecht halten kann, und stelle ihn dann als Diener ein, wenn du ihn nicht auf die Straße werfen möchtest. Wobei mir das eigentlich sogar zu leichtsinnig vorkommt. Wer sagt, dass der Vorfall sich nicht einfach wiederholen könnte?«

»Das ist auch mein Gedanke. Deswegen muss ich weiter nachdenken.«

Dul Caitha beugte sich zu ihrem Ehemann rüber und hob sein Kinn mit einem Finger hoch, sodass er sie ansehen musste. »Möchtest du mich nicht in deinen Gedankengang einweihen? Immerhin ist Veyvey auch meine Tochter.«

Dul Nehmon seufzte und lehnte sich ein Stück zurück, die Augen halb geschlossen. »Wir dürfen ihn nicht töten. Wir dürfen ihn nicht auf die Straße werfen. Das sind alles Sachen, an die ich mich gebunden habe. Wir können ihn aber auch nicht als Diener hier behalten. Besonders nicht, solange Veyvey hier ist. Aber sie hat in nächster Zeit offenbar nicht vor, den Forellen-Pavillon zu verlassen und etwas Vernünftiges aus ihrem Leben zu machen. Genauso wenig können wir ihn einfach wieder laufen lassen. Jetzt sag du mir, ob du eine vernünftige und angemessene Lösung für dieses Problem siehst?«

Dul Caitha fuhr sich nachdenklich mit dem Finger über das Kinn und schmunzelte auf einmal. »Wir könnten ihn kastrieren lassen.«

Dul Nehmon sah sie entsetzt an.

»Was?« Sie zuckte scheinbar unschuldig und hilflos mit den Schultern. »Das hat man in Ubria immer mit Vergewaltigern gemacht. Das war ihnen eine Lehre.«

Dul Nehmon trommelte mit den Fingern auf dem Tisch herum.

Während Dul Caitha sich im Stillen über ihren Ehemann und seine Reaktion lustig machte, fiel ihr Blick auf einmal auf einige Zettel, die am Rande des Tisches lagen. Normalerweise stapelte Dul Nehmon alle Dokumente ordentlich übereinander, aber hier lugten die Ecken einiger Papiere heraus. Hatte er es einfach übersehen? Belustigt zog sie den störenden Zettel raus, um ihn oben auf den Stapel zu legen, doch mitten in der Luft hielt sie mit der Bewegung inne.

»Was ist los?«, fragte Dul Nehmon, als er ihr Zögern bemerkte, und versuchte, einen Blick auf das Dokument zu werfen. »Was ist das?«

Dul Caitha legte den Zettel vor sich auf den Tisch. »Der Vertrag über die Verlobung zwischen Rin Raelin und Veyvey, den du und Rin Baleron unterschrieben habt«, antwortete sie. »Hast du nicht gesagt, du hast ihn bereits verbrennen lassen?«

»Habe ich eigentlich auch. Vielleicht hat einer der Diener es aber einfach vergessen oder gedacht, er wäre zu wichtig, sodass er ihn wieder hierher gelegt hat.« Dul Nehmon hielt inne, als er bemerkte, dass seine Ehefrau ihm praktisch gar nicht mehr zuhörte, sondern nachdenklich den Vertrag betrachtete. Ihre Augen leuchteten auf eine Art, die ihn stark beunruhigte. »Ich kenne dieses Gesicht. Welche verrückte Idee hast du jetzt schon wieder? Ich werde nicht nochmal Kontakt zu Rin Baleron aufnehmen und die Verlobung erneuern. Er wird ohnehin nicht mehr zustimmen.«

»Nein, nein«, sagte Dul Caitha langsam und nachdenklich. »Aber mir ist gerade eine andere Idee gekommen, wie wir mehrere unserer Probleme gleichzeitig lösen. Auch wenn das Veyvey ganz und gar nicht gefallen wird.«

»Und welche wäre das?«

Dul Caitha lächelte und sah ihm direkt in die Augen. »Erinnerst du dich noch an das Gedicht, das ich vorgetragen habe, als du mich das erste Mal deinen Eltern vorgestellt hast?«

Dul Nehmon schlug sich die Hände vors Gesicht. »Ich dachte, ich würde im nächsten Moment vor Scham im Boden versinken.« Er stockte und sah sie geschockt an, als hätte er soeben etwas begriffen. »Du willst doch nicht ernsthaft...«

»Doch«, antwortete Dul Caitha. »Veyvey weiß, dass sie ihrer Familie gegenüber gewisse Pflichten hat. Außerdem ist dieser Rin Verran doch für sein Alter schon ziemlich bekannt, oder? Abgesehen davon, dass er sich beim letzten Zatos blamiert hat natürlich. War sein Meister nicht auch Meister Jhe? Alle Schüler von Meister Jhe sind zu berühmten Erzwächtern geworden. Stell dir vor, die Dul-Gilde würde über ihn verfügen! Sein Vater hat ihn ja sowieso verstoßen, hat also auch nichts mitzureden. Was die Mitgift angeht, brauchen wir auch keine.«

»Du vergisst, was er am Phönix-Hof angerichtet hat«, gab Dul Nehmon mit finsterem Gesicht zu bedenken. »Ich hätte ihn auf der Stelle getötet, wenn man mich nicht aufgehalten hätte.«

»Wie gut, dass du das nicht gemacht hast«, entgegnete Dul Caitha und beugte sich dicht zu ihm rüber. »Und wie gut, dass Veyvey das nicht gemacht hat. Du weißt, dass sie es hätte tun können.«

Dul Nehmon wirkte immer nicht überzeugt, aber Dul Caitha schaute ihn so durchdringend an, dass er schließlich nur noch nicken konnte. »Lass mich etwas darüber nachdenken.«

Damit war das Gespräch beendet.

Noch in derselben Nacht erwachte Rin Verran von einem lauten Schlag, als wäre ein Brett gegen eine Wand geknallt. Im ersten Moment dachte er an ein Fenster, das vielleicht durch einen starken Windzug aufgestoßen worden war, aber dann erinnerte er sich daran, dass in diesem Gebäudeteil alle Fenster fest verriegelt waren. Niemand würde sie freiwillig öffnen und das Risiko eingehen, ihn fliehen zu lassen. Obwohl er nicht mal wusste, wohin er überhaupt fliehen würde.

Im nächsten Moment hörte Rin Verran jedoch Schritte, die sich vom Eingangsbereich her dem Schlafzimmer näherten. Sofort sprang es aus dem Bett. Wie von selbst langte seine Hand neben den Nachttisch, wo normalerweise Habichtfeder lehnte, aber da Dul Nehmon sein Schwert konfisziert hatte, griff er ins Leere. Er wollte sich gerade nach einer alternativen Waffe umsehen, als eine Gestalt im Türrahmen auftauchte. Sie trug eine brennende Kerze in der Hand, sodass Rin Verran sofort erkannte, wer es war. Sein Gesicht verfinsterte sich.

»Yodha«, stieß er aus.

»So sehen wir uns wieder, Rin Verran«, sagte der Mann mit der Maske. Seine Stimme klang immer noch gedämpft und unvertraut. »Tut mir leid, dass ich so spät komme. Wenn ich früher von deiner Situation erfahren hätte, wäre ich früher gekommen.«

»Wenn du mir wieder vorschlagen möchtest, der nächste Anführer der Rin-Gilde zu werden, kannst du hier und jetzt sofort gehen!«, schleuderte Rin Verran ihm entgegen. »Erstens werde ich meiner Familie nie etwas antun und zweitens wurde ich sowieso verstoßen!«

»Das stimmt«, entgegnete Yodha ruhig. »Daher habe ich ein anderes Angebot für dich.«

»Ein anderes Angebot?« Rin Verran starrte ihn wütend an. »Ich werde es sowieso ablehnen.«

»Sag nichts, was du nachher bereuen wirst. Es ist wieder nur zu deinem Besten.«

»Was ist letztes Mal zu meinem Besten gewesen? Ich habe dir schon gesagt, dass ich nicht der nächste Gilden-Anführer sein möchte!«

Yodha seufzte, was sich durch die Maske eher wie ein leises Heulen anhörte. »Offenbar hast du bereits vergessen, was ich dir damals zuallererst angeboten habe. Ich habe dir angeboten, zu sagen, wer die Markierungen der Falle entfernt hat, in die du danach gestürzt bist. Ich bin mir ziemlich sicher, dass dieselbe Person auch Schuld an deiner jetzigen Situation ist.«

»Schwachsinn!«, fuhr Rin Verran ihn an. »Ich bin selbst Schuld, dass ich jetzt hier bin!« Nur ich weiß, was Raelin getan hat, um die Hochzeit zu verhindern. Es ist offensichtlich, dass dieser Mann sich gerade alles ausdenkt, damit ich sein Angebot annehme. Als ob ich das tun würde! Bestimmt möchte er danach als Ausgleich dafür irgendwas haben!

»Das ist bedauerlich. Du vertraust mir also immer noch nicht.«

»Ich sehe keinen Grund dazu! Verschwinde endlich von hier!«

Yodha schwieg eine Weile. Es schien, als würde er überlegen. Schließlich sagte er: »Dein Wunsch ist mir Befehl. Nicht umsonst werde ich auch Wünscheerfüller und Wohltäter genannt. Aber gestatte mir trotzdem, mein Angebot auszusprechen.«

Rin Verran ballte die Fäuste. »Nein. Raus hier!«

Yodha deutete eine Verbeugung in seine Richtung an und verließ tatsächlich das Schlafzimmer. Das flackernde Licht der Kerze tanzte über die Wände und Möbel im Eingangsbereich. Rin Verran konnte es durch den Türrahmen hindurch deutlich sehen. Geht er wirklich weg? Neugierig ging er zur Tür und beobachtete, wie Yodha zu einem offen stehenden Fenster ging. Er war also erneut einfach eingestiegen. Dieses Mal durfte es jedoch nicht so schwierig gewesen sein, da alle Gebäude des Forellen-Pavillons nur einen Stock hatten. Den Kerzenhalter hatte er auf einer Kommode abgestellt, wo er auch vorher schon gewesen war.

Als hätte der fremde Mann mitbekommen, dass Rin Verran ihm ein Stück gefolgt war, drehte er sich nochmal um. »Du hast dir mein Angebot zwar weder angehört noch angenommen, aber ich werde trotzdem so tun, als wäre das der Fall gewesen. In wenigen Tagen solltest du dein Gefängnis verlassen können, Rin Verran. Denk gut über den Vorschlag nach, den Gilden-Anführer Dul dir bereiten wird. Du solltest ihn annehmen. Das ist mein Rat an dich.« Dann stieg Yodha auf die Fensterbank und sprang nach draußen, hinein in die Nacht.

Rin Verran stürzte zum Fenster, um zu sehen, wohin der fremde Mann gehen würde, aber auf dieser Seite des Forellen-Pavillons gab es praktisch keine nächtliche Beleuchtung, sodass alles, was er sah, nur dunkle Schatten waren. Es war unmöglich zu sagen, ob einer davon Yodha war. Frustriert schlug Rin Verran mit der Faust auf die Fensterbank.

»Verdammt!« Er hatte nicht damit gerechnet, Yodha ausgerechnet hier, weit weg vom Krähen-Palast und überhaupt dem Territorium der Ghan-Gilde wieder zu begegnen. Gehört er also doch nicht zur Ghan-Gilde? Versteckt sich einer der Gäste unter der Maske? Aber ist die Dul-Gilde damals nicht zu spät gekommen? Er schüttelte den Kopf. Nein, sie ist im Laufe des Tages noch angekommen. Ist es also Dul Nehmon? Nein. Warum sollte er von sich selbst in der dritten Person sprechen und warum sollte er mir überhaupt helfen? Außerdem hätte ich seine Stimme erkannt.

Etwas unschlüssig starrte Rin Verran das Fenster an, das Yodha offen gelassen hatte. Er wurde nicht schlau aus diesem Mann. Was will er tatsächlich von mir? Kurzerhand schloss er das Fenster so gut er konnte, damit niemand am nächsten Morgen auf die Idee kam, er hätte versucht, zu fliehen. Das könnte er immer noch tun, wenn Yodhas Voraussage nicht stimmte und Dul Nehmon ihn auch weiterhin nicht zu sich rufen würde. Aber wenn doch...

Hätte Yodha mir dann wirklich geholfen, aus der Gefangenschaft raus zu kommen?, fragte er sich. Oder wäre es dann Zufall?

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Yodha scheint ja wirklich ein seltsamer Kerl zu sein. Wer ist er? Was will er wirklich? Versucht er wirklich nur, Rin Verran zu helfen? Was sollen die ganzen »Angebote«? So viele Fragen O.o Yodha wird übrigens wie »Dschod-ha« ausgesprochen. Das »dsch« wie in OranGe und das D gehört noch zur ersten Silbe mit dazu. Das H wird mit ausgesprochen.

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