Kapitel Sieben
„Wir haben es geschafft." Claire rennt mir quiekend entgegen und drückt mir ihr Abschlusszeugnis ins Gesicht. Lachend schüttle ich den Kopf. Es ist ein langer Weg gewesen, aber ja, wir haben es endlich hinter uns. Hinter Claire laufen ihr kleiner Bruder und ihre Eltern. Sie sind stolz, das kann man sehen. Ich mag ihre Familie sehr. Claires Zuhause ist so oft auch meins gewesen, dass sie für mich wie eine zweite Familie geworden sind.
„Gratuliere dir." Frank, Claires Vater, umarmt mich gefolgt von seiner Frau. Jake ist eher mit seinem Telefon beschäftigt.
„Danke." Grinsend sehe ich die beiden an.
„Ich glaube, da ist jemand für dich", murmelt meine beste Freundin und schaut hinter mich. Während ihre Eltern sich angeregt mit meiner Mutter unterhalten, drehe ich mich um und sehe den Rotschopf, wie er lächelnd auf mich zukommt. Es ist ein schüchternes Lächeln, fast als wäre es ihm unangenehm.
„Roy!" Überrascht springe ich auf und renne zu ihm. Er trägt einen dunkelblauen Anzug, in dem er wirklich wahnsinnig gut aussieht. Eigentlich habe ich nicht mit ihm gerechnet, weil er noch nicht zurück sein sollte.
„Glückwunsch zum Abschluss." Er zieht mich in eine lange Umarmung und gibt mir einen Kuss. Ich rieche das Parfüm, dass ich ihm zu unserem ersten Jahrestag geschenkt habe.
„Danke. Was machst du hier?", will ich wissen. Ich sehe zu Mama, die wissend grinst. Schnell schaut sie wieder zu Claires Eltern, mit denen sie sich unterhält.
„Ich bin früher gegangen, das hier kann ich mir doch nicht entgehen lassen." Er kneift die Augen zusammen, weil die Sonne ihm direkt ins Gesicht scheint, und grinst. „Du siehst toll aus." Er deutet auf mein geblümtes Kleid. Es ist das einzige gewesen, das wenigstens halbwegs festlich aussieht und ich bin froh darum, keinen Hosenanzug angezogen zu haben, wie meine Mutter es geplant hatte.
„Schön, dass du hier bist", murmle ich und drücke meinen Kopf noch einen Moment an seine Brust.
Nach den formellen Beglückwünschungen, die eine gefühlte Ewigkeit gedauert haben und nachdem ich meine Mutter dazu überreden konnte nach Hause zu gehen, entscheiden Claire und ich uns, außerhalb der Klassenfeier zu feiern.
„Kannst du es glauben, dass wir nie wieder in dieses Gefängnis müssen?" Ich lasse den Anschnallgurt einhaken und setze mich aufrecht hin. Sie grinst über das ganze Gesicht. Mir geht das Herz auf, jedes Mal, wenn ich sie so sehe. Ihre Sommersprossen scheinen durch das leichte Make-up durch.
„Dafür musst du jetzt aufs College", bemerke ich grinsend. „Das ist was ganz anderes!" Sie lehnt sich im Sitz zurück. „Das wird richtig cool. Mein eigenes Zimmer und Ruhe. Außerdem gibt's dort coole Partys und heiße Jungs. Nicht diese Bubis hier", schwärmt sie.
„Du hast doch Ruben?" Ich runzle die Stirn und schaue kurz zu ihr rüber. Claire ist definitiv nicht der Typ, der fremdgeht. Auch wenn ich sie mir gut auf diesen Partys vorstellen kann, betrügen würde sie Ruben, der immerhin hierbleibt, nicht.
„Ehrlich gesagt, weiß ich das noch nicht. Ich meine, eine Fernbeziehung? Das ist nicht was ich mir in meinem Alter vorgestellt hatte", sagt sie und zuckt mit den Schultern. Es überrascht mich, wo sie doch normalerweise von Ruben geschwärmt hat.
„Dann rede vorher noch mit ihm." Ich bleibe an einer roten Ampel stehen und sehe zu ihr rüber. Claire nickt und sieht mich ebenfalls an. „Aber darum soll es jetzt nicht gehen, ja? Wir wollen doch immerhin ein bisschen feiern!" Ich lächle ihr aufmunternd zu, was sie mit einem Nicken erwidert.
Uns bleiben jetzt noch acht Wochen, bis sie aufs College geht und auch wenn sich das nach viel anhört, ist es das nicht. Ich werde die meiste Zeit im Hotel arbeiten und so wie es aussieht, wird sie noch viel in der Werkstatt ihres Vaters zu tun haben.
Ich stütze meinen Kopf auf der Hand ab und fahre auf den Parkplatz des Cafés. Es wäre fast schon so etwas wie Betrug an unserem Ritual, wenn wir den Tag nicht hier ausklingen lassen würden.
„Das geht aufs Haus", versichert uns die Bedienung und bringt uns zwei Gläser Sekt. Ich beobachte die kleinen Luftblasen, die nach oben steigen und platzen. Grinsend bedanken wir uns bei ihr und stoßen gemeinsam an.
„Auf die Zukunft", sagt Claire stolz und hebt ihr Glas hoch. Ich will es ihr gleichtun, als plötzlich mein Handy klingelt. Verdutzt sehe ich auf das Display und drücke auf Annehmen.
„Ja Mama?", fragend sehe ich zum Fenster raus. Die Sonne droht bereits unterzugehen.
„Faye, ich weiß, du willst feiern, aber kannst du vielleicht kurz nach Hause kommen? Du hast Besuch, von dem ich nicht möchte, dass du ihn warten lässt." Ihre Stimme klingt ungewöhnlich distanziert.
„Roy hat mir schon ..."
„Es ist nicht Roy. Komm' bitte kurz nach Hause."
Bevor ich etwas erwidern kann, höre ich das Tuten, das mir zeigt, dass sie schon lange aufgelegt hat.
Mit gerunzelter Stirn sehe ich zu Claire, die mich abwartend anschaut und an ihrem Sekt nippt.
„Das war Mama", erkläre ich ihr und stecke das Handy wieder in die Tasche. „Ich soll nach Hause kommen, weil mich jemand erwartet. Kommst du mit?"
Meine beste Freundin überlegt nicht lange und greift nach ihrer Handtasche.
Ich habe keine Ahnung, wen meine Mutter meinen könnte. Sie muss diese Person offensichtlich kennen, wenn sie nicht will, dass ich sie oder ihn warten lasse.
„Weißt du wer es ist?", fragt Claire und schaut zu mir rüber. Kopfschüttelnd fahre ich auf die Straße. Ich hasse es, nicht zu wissen, was vor sich geht und noch mehr hasse ich es, wenn ich mich gedulden muss.
Die Rückfahrt fühlt sich wie Stunden an, obwohl sie nur zehn Minuten dauert. Claire bemerkt wie angespannt ich bin, einfach weil sie mich zu gut kennt, als dass ich ihr etwas vor machen könnte.
„Bevor wir jetzt hochgehen." Sie dreht sich zu mir und schaut mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. „Ich bin da, ja? Und schlimm kann es nicht sein." Sie greift nach meiner Hand und drückt sie leicht. Ich lächle sie dankbar an. Manchmal denke ich, dass ich ohne Claire aufgeschmissen wäre. Sie kennt mich besser als jeder andere, was kein Wunder ist, und stärkt mir, wann sie kann, den Rücken.
„Ich bin da", rufe ich durch die Tür und lege meine Tasche auf der Kommode im Flur ab. Die Stimmen, die bis gerade eben noch aus der Küche gekommen sind, verstummen. Nur das Geräusch von der Tür, die ins Schloss fällt, als Claire sie schließt und von Stühlen die auf dem Boden reiben, ist noch zu hören. Ich sehe zu meiner besten Freundin rüber, die schulterzuckend ihre Ballerinas auszieht.
„Faye, Schatz." Mama kommt aus der Küchentür und lächelt mich schwach an. Sie hält eine Kaffeetasse in der Hand.
Ich gehe auf sie zu.
„Was sollte denn dein Anruf? Ich habe niemanden erwartet", lasse ich sie wissen, doch da kommt mein Besuch schon zu uns gelaufen. Mein Kopf schnellt nach rechts, wo ich ihn sehe. In lockeren Jeans, Sandalen und dem Tennisshirt.
„Was willst du denn hier?", frage ich barsch und verschränke die Arme vor der Brust. Dunkelblaue, gerötete Augen sehen mich an.
Ich betrachte die mittlerweile gräulichen Haare meines Vaters. Sein Bart ist länger, als er früher war.
„Ich habe es leider nicht auf die Feier geschafft, aber ich möchte dir natürlich noch zu deinem Abschluss gratulieren."
Er hält ein paar Blumen und eine kleine Schachtel in der Hand. Fassungslos sehe ich zu dem Mann, der so viel Unglück über meine Mutter und mich gebracht hat, und dann wieder zu Mama. Die Situation macht ihr zu schaffen, sie weiß wahrscheinlich selbst nicht, wie sie damit umgehen soll, dass er jetzt hier steht. Mit ein paar verdammten Blumen und denkt alles sei wieder in Ordnung.
„Danke." Wenn meine Augen es könnten, würden die Funken versprühen und ich bin mir sicher, er weiß das genauso gut wie ich.
„Und jetzt kannst du wieder gehen." Ich zeige mit meiner Hand auf die Tür. Mein Vater schluckt, offenbar hat er erwartet, dass ich anders reagiere.
„Faye ..." Jetzt ist es Mama, die mich beschwichtigend ansieht.
„Nein, Mama. Ich will ihn nicht hier haben, er soll gehen!"
Alles was dieser Mann verursacht hat, sind blutende, schmerzende Wunden. Und diese reißen wieder auf, weil er vor mir steht. Ich will nicht hören, dass es ihm leidtut und dass er sich geändert hat, denn niemand ändert sich.
Gerade, als er etwas sagen will, werden wir von einem lauten Klopfen unterbrochen. Wütend sehe ich auf den Boden und trete fest mit dem Fuß auf.
„Halten Sie die Klappe, Mrs. Parker!", schreie ich wütend und trete erneut nach. Diese alte Hexe ist das Letzte, was ich gebrauchen kann.
„Faye, es tut ..."
"Verschwinde!", schreie ich über das Quietschen in meinen Ohren hinweg und reiße ihm die Blumen aus der Hand, nur um sie vor seinen Augen auseinanderzureißen. So, wie er mir das Herz auseinandergerissen hat. Für nichts, wegen nichts.
„Hau ab, ich will dich nicht sehen. Ich brauche dich nicht und deine bescheuerten Blumen oder eine Entschuldigung auch nicht. Geh einfach wieder dahin, wo du hergekommen bist." Tränen laufen mir die Wange runter. Schnell wische ich sie weg, als plötzlich Claire meine Hand nimmt und mich von ihm wegzieht.
„Komm, wir gehen", flüstert sie in mein Ohr und zieht mich aus der Situation.
„Wie kann er es wagen, hier einfach aufzutauchen?", spucke ich mit verschränkten Armen und starre die Hauswand an. Claire lehnt neben der Eingangstür und sieht mir dabei zu, wie ich wütend auf und ab gehe.
Galle steigt in mir auf. Seit zwanzig Minuten stehen wir hier unten, doch er ist noch nicht aus dem Haus gekommen. Ich frage mich, warum Mama noch mit ihm redet, warum sie ihn überhaupt in unsere Wohnung gelassen hat. Sie hat selbst immer gesagt, dass sie ihn nie wiedersehen will und jetzt steht sie da oben, mit dem miesesten Vater des Jahrhunderts, und schlägt sich auf seine Seite? In was für einer ungerechten Welt leben wir hier eigentlich?
„Jetzt beruhige dich mal, Liebes. Du wirst schon ganz rot." Sie nickt in die Richtung meines Dekolletés. Jedes Mal, wenn ich irgendwie wütend oder gestresst bin, fange ich an, dort rot zu werden.
„Ich will mich nicht beruhigen." Trotzig setze ich mich auf den warmen Asphalt und lege meinen Kopf auf den Knien ab. Aus den Augenwinkeln kann ich sehen, dass Claire es mir gleich tut. Sie legt einen Arm um meine Schulter und atmet mit mir im gleichen Takt. Anstatt noch etwas zu sagen, seufzt sie nur und starrt mit mir den grauen Boden an. Ich bin froh, dass sie da ist, dass sie mir zuhört und dass ich mich bei ihr ausweinen kann. Selbst wenn ich sie anzicke, obwohl sie nichts dafürkann, sitzt sie neben mir und erträgt es. Weil ich für sie das Gleiche tun würde und sie weiß das.
Die Tür geht schwungvoll auf und als ich nach oben sehe, sehe ich in die traurigen Augen meines Vaters. Sie sind gerötet, was heißen könnte, dass er geweint hat. Allerdings könnte er sich auch wieder zugedröhnt haben, wer weiß das schon. In dem Moment, in dem Claire bemerkt, dass er auf uns zusteuert steht sie auf und stellt sich vor ihn.
„Mr. Green, lassen Sie es gut sein", höre ich sie sagen.
„Claire, ich muss mit ihr reden. Sie versteht das alles nicht."
„Sie kann es auch gerade nicht verstehen. Sie müssen jetzt verstehen, dass sie das nicht will, gehen Sie am besten einfach", redet meine beste Freundin auf ihn ein. Ich sehe währenddessen weiterhin auf den Asphalt, tue so, als würde ich nichts davon hören.
Mein Vater seufzt, setzt zu einem Satz an und belässt es dann doch dabei und geht. Er geht immer, weil er feige ist und nichts auf die Kette bekommt.
„Er ist weg", flüstert sie leise und setzt sich wieder neben mich. Anstatt sie anzusehen, drehe ich meinen Kopf in die entgegengesetzte Richtung. Tränen stehlen sich von meinen Augen und fallen auf den Boden.
Was ein schöner Abschluss.
***
„Schönen guten Tag, was kann ich für Sie tun?" Ich lächle das Pärchen mir gegenüber freundlich an. Heute ist kein guter Tag zum Arbeiten. Die Uniform kratzt unangenehm, die Luft ist stickig und meine Nerven sind so gut wie überhaupt nicht vorhanden. Trotzdem setze ich mein schönstes Lächeln auf und betreue unsere Kunden so, wie es sich gehört.
„Wir möchten ein Zimmer für eine Woche buchen." Der Mann mir gegenüber hat einen Arm um seine Frau gelegt und den anderen lässig auf der Rezeption.
Nickend informiere ich sie über die verschiedenen Angebote, bemerke dabei, dass sie nur schwer die Finger von ihm lassen kann. Das erste Mal seit dem Besuch meines Vaters, überkommt mich mal wieder ein Gefühl von Wärme. Es ist schön, so etwas zu sehen.
„Gut, dann bringen wir Ihr Gepäck gleich nach oben." Ich händige ihm seine Kreditkarte, die Schlüssel zum Zimmer und ein paar Broschüren aus.
„Einen schönen Aufenthalt!" Ich warte, bis das Paar außer Reichweite ist, und lasse meinen Kopf auf die Rezeption sinken. Ich bin müde, fertig mit den Nerven und nicht in der Lage dazu, mich auch nur einen Millimeter vom Fleck zu bewegen.
„Du siehst fertig aus." Eine Stimme hinter mir lässt mich aufschrecken. Es ist Michelle, die grinsend hinter mir steht, eine Tasse Kaffee in der Hand.
„Oh, ja. Aber dafür siehst du umso besser aus", lasse ich sie lächelnd wissen. Sie wirkt wirklich frisch und ausgeruht.
„Das liegt an Ben." Sie zwinkert und sieht aus dem Fenster, wo Besagter noch ein letztes Mal winkt und sie angrinst. Er ignoriert mich vollkommen, während ich ihm hinterherstarre. Das ist doch hoffentlich nichts Ernstes, oder?
„Also wird das jetzt ernst zwischen euch?", frage ich neugierig und ergebe mich aus meiner unbequemen Position. Michelle zuckt mit den Schultern und stellt ihre Tasse so ab, dass eventuelle Gäste sie nicht sehen können.
„Er ist ganz süß, der Rest wird sich schon noch ergeben."
Er ist ganz süß, aha. Unhöflich, zickig und irgendwie auch ein bisschen doof noch dazu. Kindisch, ich weiß, aber irgendetwas an ihm passt mir nicht.
„Geh du mal in die Pause", weist sie mich an und schnippt mit dem Finger. „Du siehst aus als würdest du sie brauchen", fügt sie noch hinzu.
„Allerdings", bestätige ich ihre Aussage und ziehe meine Chipkarte durch das Lesegerät.
Mir ist warm und ich habe das Gefühl, dass ich jetzt sofort einschlafe, wenn ich in den Pausenraum gehe. Also entschließe ich mich dazu, zum Wareneingang zu gehen und mich in den Schatten zu setzen.
Ich drücke die schwere Metalltür auf und werfe einen Blick nach draußen. Alles ist wie leergefegt, alle scheinen zu arbeiten oder in den Aufenthaltsräumen zu sitzen. Heute ist es verhältnismäßig windig, doch immer noch angenehm. Weil sich mir keine andere Sitzmöglichkeit bietet, hüpfe ich auf den Vorsprung der großen Tore für die Warenannahme. Die LKWs kommen sowieso erst abends und wenn ich Glück habe, kann mich hier auch niemand sehen.
Letzten Freitag, nachdem Claire meinen Vater erfolgreich davon überzeugen konnte, zu verschwinden, sind wir nirgendwo mehr hingegangen. Stattdessen haben wir uns in meinem Zimmer einen Film angesehen. Ein ganzes halbes Jahr ist immer noch einer meiner Lieblingsfilme, doch Claire kann sich mit dem Ende nicht anfreunden. Er hätte sich nicht für die Sterbehilfe entscheiden dürfen, sagt sie immer. Letztendlich finde ich aber, dass es kein besseres Ende hätte geben können. Manchmal kann einen nicht mal mehr die Liebe retten, so ist das nun mal im Leben.
Mama hat an diesem Tag auch nicht mehr mit mir geredet. Keine Ahnung, ob sie sauer auf mich war oder einfach selbst mit den Nerven am Ende. Letztendlich konnte sie meine Entscheidung verstehen und ich bin mir sicher, dass sein Besuch ihre Gefühle genauso durcheinandergebracht hat.
Mein Blick ist auf die Bäume im Hinterhof gerichtet. Der Wind lässt die Äste und Blätter wackeln, ich kann das zwitschern von Vögeln hören und genieße die Ruhe, die diese Situation gerade versprüht.
Bis plötzlich die Tür mit Schwung aufgeschlagen wird und jemand nach draußen tritt. Es ist Grey, der sich auf den dreckigen Boden setzt und eine Zigarette anzündet. Er wischt sich den Schweiß von der Stirn und bläst den Rauch in die Luft. Seine Haare liegen strähnig über die Stirn, sein Kiefer ist angespannt, als würde er über etwas nachdenken. Was er auch zu tun scheint, denn er beißt sich nachdenklich auf sein Lippenpiercing. Grey ist hübsch und ich weiß, dass ist nicht die Art, wie man normalerweise Männer beschreibt. Aber anders kann ich es nicht erklären. Er ist einfach hübsch.
„Starr nicht so, Fee", ruft er zu mir rüber, ohne seinen Blick vom Boden zu nehmen. Sofort steigt mir die Röte ins Gesicht. Ich dachte eigentlich, dass er mich gar nicht erst gesehen hat, doch jetzt ist mir mein starren unglaublich peinlich. Ich meine, so etwas wie ein Schmunzeln auf seinem Gesicht zu sehen, bin mir aber nicht sicher.
Weil ich nicht weiß, was ich anderes tun soll, gehe ich zu ihm rüber und setze mich stillschweigend neben ihn. Uns trennen noch immer gut eineinhalb Meter voneinander. Der Wind bläst mir den Rauch, den Grey ausatmet ins Gesicht. Ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, dass es mich nicht stört, doch letztendlich habe ich mich freiwillig hierhergesetzt.
„Machst du das mit Absicht?", frage ich nach einer Weile, in der ich nur auf meine schwarzen Schuhe gestarrt habe. Ich erwarte, dass Grey meine Frage zumindest mit einer Gegenfrage beantwortet, doch er bleibt weiter still. Also schaue ich ihn an, diesmal ganz bewusst. Ich betrachte sein Seitenprofil, das markante Kinn, die gerade Nase und die langen Wimpern.
Er zieht erneut an seiner Zigarette, ich kann sehen, wie er den Rauch einatmet, nur um ihn kurze Zeit später wieder rauszulassen.
„Also ich meine, dass du mich Fee nennst", erläutere ich ihm.
Ich sehe wie er mit den Schultern zuckt und die Zigarette wegschnippt. Meine Augen folgen ihr, beobachten sie, wie sie einige Meter weit weg zum Liegen kommt und weiter glüht, als wäre das das Einzige, das sie kann. Na ja, mehr kann sie ja wohl auch nicht.
„Ärgert dich das?" Er schaut zu mir rüber und runzelt die Stirn. Seine braunen Augen mustern mich von oben bis unten, was mich nervös macht.
„Ein bisschen", gebe ich zu und sehe ihm direkt in die Augen. Durch die Sonne, haben sie einen goldenen Schimmer. Ich mag seine Augen.
„Gut."
Er steht auf und klopft sich den Dreck von der Hose. „Dann bis später, Fee." Er grinst belustigt, streicht sich die Haare aus dem Gesicht und verschwindet gekonnt lässig hinter der Tür.
Vielleicht, aber nur vielleicht, ist Fee ja auch nicht schlecht.
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