~Kapitel 2~
Nervös betrachtete ich die Rächerinnen der Terra vor mir. Die meisten Mädchen sahen so aus, als würden sie sich fragen, wer ausgerechnet mich ausgesucht hatte, bei ihnen mitzumachen. „Das ist Aiana", stellte Ragna mich ihnen vor. „Sie wird die Nachfolgerin ihrer Großmutter Elisabeth werden."
Ein schwarzhaariges Mädchen trat vor und schüttelte mir die Hand. Ihre eisblauen Augen musterten mich und eine Gänsehaut überzog meinen Rücken. Ihre Augen wirkten, als seien sie elektrisch Aufgeladen. „Mein Name ist Morticia, ich bin Ragans Stellvertreterin und freue mich sehr, dich neues Mitglied bei uns begrüßen zu dürfen", begrüßte sie mich, doch es kam mir vor, als würde sie diese Wort zu jedem Neuankömmling sagen.
Denn ihre Blick, mit dem sich mich bis eben gemusterte hatte, zeigte ihre Abscheu gegen über mir deutlich.
Ich nickte schüchtern und versuchte ihren Blick zu ignorieren. Warum sie mich wohl so verabscheute?
„Ist in meiner Abwesenheit", erkundigte meine
Begleiterin sich bei dem schwarzhaarigen Mädchen, „ irgendetwas passiert?" „Ja, wir haben die Fährte des Umweltsünders von letzter Woche aufgenommen, der den Fluss mit hochgiftigen Substanzen verschmutzt hat", erstatte ihre Stellvertreterin Bericht. Mein Herz zog sich zusammen. Wie konnte man nur so herzlos sein?
Wenn man einen Fluss verschmutzte, schadete man nicht nur den Fischen, sondern auch den Pflanzen im Wasser und den Tieren, die das Wasser tranken. Ich würde solche Menschen niemals verstehen. Wie kann jemanden die Natur nur so vollkommen egal sein?
„Mädels, macht euch Abmarsch bereit,wir ziehen in fünfzehn Minuten weiter", befahl Ragna und wandte sich dann an mich.
„Wenn du möchtest, erkläre ich dir noch ein bisschen etwas über die Rächerinnen." Ich nickte und schaute sie interessiert an.
„Die Rächerinnen der Terra, dienen wie gesagt Terra. Wir alle sind Mädchen im Alter zwischen zwölf und siebzehn. Mit zwölf beginnen wir unsere Zeit hier, mit siebzehn werden wir entlassen. Unsere Ausbildung beginnt mit elf Jahren, aber erwählt, zu den Rächerinnen zu gehören, werden wir bereits bei unserer Geburt", erzählte die Blondhaarige.
„Nachdem wir unseren Dienst, als Rächerin beendet haben, ziehen wir in ein Dorf, wo alle ehemaligen Rächerinnen wohnen. Dort können wir dann verschieden Berufe ergreifen."
„Das hört sich alles interessant an", meinte ich ehrlich und lächelte mein Gegenüber an. Sie lächelte zurück. „Wir leben in solchen Zelten, diese sind aber magisch", teilte die Anführerin mir mit und zeigte auf ein Zelt, was sich gerade selbst zusammenklappte und dann von einem kleinen Mädchen in einen Rucksack gepackt wurde.
„Fällt noch etwas anderes in euren Aufgabenbereich, außer Terra rächen?", wollte ich nun wissen. Gegenüber Ragna legte ich meine Schüchternheit nun ab, ich vertraute ihr, ich wusste zwar nicht wieso, aber ich tat es. „Nein, erst wenn wir unsern Dienst abgetan haben, dann können wir wie gesagt verschiedene Berufe ergreifen, die natürlich alle etwas mit Naturschutz zu tun haben, oder andere darüber informieren, wie sie die Natur schützen können", beantwortete die Grünäugige geduldig meine Frage.
Mein Blick streifte über das nun abgebaute Lager und die Mädchen. Sie alle waren mir ähnlich, ihnen allen lag die Umwelt am Herzen, doch einen gewaltigen Unterschied gab es. Denn sie waren alle bestimmt nicht so schüchtern wie ich und außerdem waren diese Mädchen alle mutig ,denn es gehörte schon eine gehörige Portion Mut dazu, ohne seine Eltern zu leben, nur mit anderen Jugendlichen zusammen.
„Ragna,wir wären soweit", teilte Morticia nun mit, die gerade zu uns gestoßen war. Ragna nickte und rief: „Mädels,wir gehen!" Dann lief sie mit großen Schritten los und ich musste mich beeilen, um mit ihr Schritthalten zu können. „Und wo geht es jetzt hin?", wollte ich wissen und betrachtete die sanften Grünen Wiesen um uns herum. „Zum Haus des Mannes, wo er sich zur Zeit aufhält", erklärte die Rächerin, „er wohnt etwa hundert Kilometer von hier entfernt, in einem etwas größerem Dorf." „Hundert Kilometer", stutzte ich ungläubig, „wir wollt ihr das innerhalb eines Tages denn schaffen zu laufen?" Morticia, die hinter uns lief, begann schallend zu lachen.
Vermutlich über meine Ahnungslosigkeit.
„Wir laufen nur zum nächsten Rutschbaum", meinte sie,„Was das ist,wirst du schon noch sehen."
Wir liefen noch eine Weile und blieben dann an einem Baum stehen.
Ich schaute mir den Baum genau an, konnte aber nichts besonderes an ihm entdecken.
Unsere Anführerin legte ihre Hand auf den Stamm und eine Öffnung tat sich im Baum auf, groß genug, dass ein Mensch hindurch passte. Dahinter lag eine hölzerne Rutsche, die durch Fackeln an den Wänden beleuchtet wurde. Ragna lächelte mir zu und bat mich dann, meine Hand ebenfalls auf den Stamm zu legen. Ich kam ihrer Bitte nach und kurz drauf leuchtete der Baum kurz grün auf. „Nun bist du registriert und kannst die Rutschen nutzen", teilte sie mit mir und verschwand dann durch die Öffnung.
„Du als nächstes", forderte mich ihre Stellvertreterin auf und ich ging auf den Baum zu.
Nachdem ich tief durchgeatmet hatte, stieg ich durch die Öffnung. Ich legte mich auf die Rutschbahn, wie bei einer Wasserrutsche und stieß mich dann mit den Händen ab. Langsam rutsche ich um die Kurve und wurde immer schneller. Während ich den Tunnel entlang rauschte fühlte ich mich frei, meine ganzen Sorgen flogen weg.Mit der Zeit wurde ich langsamer.
Ich verließ die Rutschbahn, nachdem ich angehalten hatte und ging durch die Tür, die sich vor mir auftat. Als ich hinaustrat, hatte sich die Landschaft verändert. Wir standen auf einer mit Gras bewachsenen Klippe und unter uns schlug das Meer an die Felsen und an den Strand. „Da vorne ist das Dorf", meinte Ragna und deutete auf ein kleines Dorf, etwas weiter unten. Nach und nach trafen auch die anderen Rächerinnen ein und zusammen liefen wir nach unten.
Kurz bevor wir das Dorf erreichten verteilten unsere Leiter die Aufgaben. Ein paar Mädchen wurden ausgesandt, die Straße abzuriegeln, in der unsere gesuchte Person sich aufhielt. Das wunderte mich sehr, warum traf man solche Vorkehrungen? Noch mehr wunderte ich mich darüber, dass über die Hälfte der Mitglieder dazu eingeteilt wurde, das Haus des Umweltverschmutzers zu umstellen.
Die noch vier übrig geblieben Mädchen würden bei Morticia, Ragna und mir bleiben. In dieser kleinen Gruppe schlenderten wir nun durch das Dorf, zu dem betreffenden Haus.
„Halt dich dicht bei mir", raunte Ragan mir zu und ich nickte artig. Vor der Tür bleiben wir stehen und ich überlegte, wie wir jetzt hineingelangen sollten. Ein Mädchen mit roten Haaren trat vor, ich schätzte sie auf etwa 16 Jahre. „Das ist Liz, unsere beste Schlossknackerin", flüsterte jemand für mich als Erklärung. Liz machte sie kurz an dem Schloss zu schaffen und dann sprang die Tür auf.
Leise traten wir ein und wie von selbst trennten wir uns, um das Gebäude abzusuchen. Ich blieb bei Ragna, wie es mir aufgetragen war. Sie lief vor mir her und ich konnte trotzdem problemlos über sie schauen, was bei einem Größenunterschied von zehn Zentimetern kein Wunder war. Auf einmal drehte sie sich zu mir um. „Morticia hat ihn gefunden, wir müssen in die Küche", teilte sie mir mit. Wir liefen die Treppe wieder runter und bogen dann nach links ab. Woher meine Begleiterin jetzt wusste, wo wir hin mussten, war mir ein Rätsel.
Schnell öffnete die Blondhaarige vor mir die Tür und stellte sich hinter den Mann, der gerade rückwärts auf sie zu lief. Ich blinzelte und im nächsten Momente sah ich, wie Ragna ihm ein Schwert an die Kehle hielt.
Ihre Stellvertreterin hielt ebenfalls ein Schwert in der Hand und die Schwertspitze lag an der Brust des Mannes. Die anderen Rächerinnen waren ebenfalls eingetroffen und umzingelten den Mann mit gezückten Schwertern. „Was wollt ihr mit den Schwertern, ihr wollt den Mann doch nicht töten oder?", brachte ich stockend hervor uns musterte die Rächerinnen fassungslos.
Diese würden doch wohl keinen Mann töten, obwohl er einen Fluss verschmutzt hatte?
„Marcus Blodwen, wir verhaften sie im Namen der Terra, wegen Verschmutzung des Flusses mit giftigen Substanzen", sprach Ragna mit gebieterischer Stimme. „Leisten sie keinen Widerstand und es wird ihnen nichts passieren, sollten Sie unsere Anweisungen nicht befolgen,sind wir befugt..", führte Morticia den Satz weiter aus, wurde aber unterbrochen, weil Marcus einer Rächerin kräftig gegen das Schienbein trat und sie versuchte an ihr vorbei zu drängen. „Sie zu töten", beendete die Schwarzhaarige ihren Satz ruhig, während sich ihr Schwert in den Unterleib des fliehenden Mannes bohrte.
Dieser schrie auf und Blut spritzt, doch dies bemerkte ich nur noch aus dem Augenwinkel, denn ich rannte schon. Raus aus dem Haus, weg von dem Mann, der bald sterben würde, den so eine Wunde überlebte man nicht, das wusste ich, weg von seinen Mördern.
Tränen rannten über mein Gesicht.
Wie konnte man nur so herzlos sein?
Natürlich sollten Umweltsünder bestraft werden, doch aber nicht mit dem Tod. Irgendwann blieb ich stehen und lehnte mich schluchzend gegen einen Baum. Als meine Tränen versiegt waren, bemerkte ich einen leichten Luftzug. „Ist da wer?", fragte ich mit zittriger Stimme. Vor mir materialisierte sich die Gestalt eines zierlichen Mädchens, mit langen blonden Haaren, blauen Augen und einer Stupsnase. Die Gestalt ließ sich neben mich ins Gras sinken. „Warum bist du so traurig", wollte sie wissen und schaute mich besorgt an.
Ich sah sie an und erzählte ihr, was soeben passiert war. Nachdem ich fertig erzählt hatte, umarmte mich die Kleine und ein zarter Lufthauch umwehte mich. „Wie heißt du eigentlich?", fragte ich nun und sah die Kleine an.
Sie sah so nett aus ,dass ich ihr widerstandslos vertraute, obwohl ich auch Ragna vertraut hatte und diese eben ohne mit der Wimper zu zucken zugesehen hatte,wie Morticia jemand tötete. „Mein Name ist Melly, ich bin Luftgeist", stellte sie sich vor und lächelte mich an. „Aiana,nennt dich kennenzulernen",meinte ich und schüttelte ihr die Hand. Wir blieben eine Weile nebeneinander sitzen, bis ich sie fragte, ob sie wisse, wie ich wieder zurück zum Eingangsbaum käme, wie ich ihn getauft hatte. „Aber natürlich weiß ich das, ich bring dich hin", beantwortete sie meine Frage.
Ein Fingerschnippen von ihr hob mich in die Luft und wir schossen nebeneinander durch die Luft. Ich breitete die Arme und jauchzte vor Freude. So fühlte ich mich frei, so frei, wie ich mich sonst nur im Wald fühlte.Viel zu schnell landete Melly mit mir vor dem Baum. „Vielen Dank,dass du mich her gebracht hast", sagte ich und lächelte Melly an. „Wir sehen uns bestimmt mal wieder",meinte Melly voller Überzeugung und winkte mir zu, bevor sie davon flog.
Während ich mich gegen den Baum lehnte, um zurück zukommen, fühlte ich mich schlecht. Melly war der festen Überzeugung,dass wir uns Wiedersehen würden, doch ich hatte mir fest vorgenommen,nicht mehr herzukommen. Ich wollte nicht mehr hierher, egal wie schön es hier war, aber doch ich verband diesen Ort jetzt trotzdem mit dem Mord,den die Rächerinnen an dem Mann begangen hatte.
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