~Kapitel 19~
Auf einem Adler zu fliegen, war genauso wunderbar, wie alleine zu fliegen. Unter uns flog die Landschaft nur so vorbei, als wir uns auf den Weg zu Terras Tempel machten.
Das einzige was sich als ein bisschen beschwerlich herausstellte, war das nicht herunterfallen. Unsere Adler trugen nämlich nichts weiter als ein einfaches Gebiss mit Zügeln, die zum Lenken gedacht waren und ganz bestimmt nicht zum Festhalten. Am Anfang fiel es mir schwer die Bewegung des Tieres auszugleichen, doch irgendwann fühlte ich mich, als ob ich einfach auf Ricky galoppieren würde.
Mist, Ricky stand immer noch im Wald, zusammen mit Nyx. Besorgt teilte ich dies Morticia mit, doch die winkte ab. „Wir haben die Pferde geholt, nachdem Ragna mir erklärt hat, was Sache ist", teilte sie mir mit.
Erleichtert atmete ich aus.
Mir war nicht bewusst, wie lange wir geflogen waren, als wir endlich im Schutz des Rutschbaumes landeten. „Wie geht es eigentlich dem Zeitgeist und dem Geist der Rutschbäume?", wollte ich wissen. Die beiden waren mir gerade wieder in den Sinn gekommen.
„Denen geht es gut, Ragna hat sie befreit, bevor sie geflüchtet ist. Was denkst du, warum die Zeit wieder normal vergeht?", erklärte Melly mir.
„Viel Glück ihr zwei, Ragna und ich werden jetzt so viele Rächerinnen wie möglich ausschalten gehen, hoffentlich ohne so viel Blut vergießen zu müssen", flüsterte Einar.
Ich sah zu Ragna, diese war reichlich blass um die Nase, machte aber sonst einen gefassten Eindruck. Sie tat mir leid, immerhin sollte sie jetzt ihres eigenen Vertrauten niederschlagen und wenn es hart auf hart kommen würde, sogar töten müssen. Es schüttelte mich, allein schon der Gedanke daran, dass vielleicht Blut vergossen werden musste, ließ mich schaudern. „Viel Glück, ihr schafft das", flüsterte ich zurück und lächelte Ragna aufmunternd zu.
„Wir zwei werden auf Mellys Signal warten, sie wird die beiden begleiten", teilte mir Morticia mit, bevor sie sich auf den Boden gleiten ließ.
„Ich dachte Melly schaltet Matrep aus?", wollte ich irritiert wissen. „Kleine Planänderung, das wird sie danach machen", antwortete Morticia.
„Wie wollen wir Terra eigentlich ausschalten? Immerhin haben wir das letzte Mal nur ein Gesicht gesehen und das sah nicht sonderlich nach einem physischen Körper aus", teilte ich mit. „Bitte was?", zischte die ehemalige Rächerin da. „Sie hatte keinen physischen Körper? Warum sagst du mir das erst jetzt? Wie wollen wir ihr denn dann den Fuß abschlagen!", schrie sie jetzt.
Instinktiv machte ich mich kleiner. Doch dann erinnerte ich mich an die Worte von Colum, die Worte meines zweiten Vaters und richtete mich wieder auf. Während des Fluges hatte ich darüber nachgedacht und vermutete die Botschaft dahinter, dass ich genauso viel Wert war wie aller anderen und verdammt nochmal stark. Ich hatte so viel durch gemacht, als die Jahre Angst um meinen Vater, all das hier, Mellys Tod. Jetzt würde ich mich nicht mehr von jedem einschüchtern lassen.
„Es tut mir wirklich leid, dass ich dieses Detail vergessen habe, man wird ja nicht alle Tage von einer Göttin irgendwo hingeschickte und bei deiner kühlen Art hatte ich auch nie die geringste Lust mit dir zu plaudern", gab ich im ruhigen Tonfall zurück.
Morticia seufzte und murmelte dann etwas, was sich wie eine Entschuldigung über ihr laut werden anhörte.
Das erstaunte mich, normalerweise entschuldigte sie sich nicht.
„Und ich habe eine Idee, kann ich Terra nicht für ein Duell herausfordern? Muss sie das nicht annehmen? So etwas ähnliches habe ich irgendwo mal gelesen", schlug ich dann vor.
Meine Begleiterin schien überrascht und überlegte kurz. „Das müsste gehen. Wenn sie ihre Ehre behalten will, muss sie annehmen. Willst du es selber machen oder soll ich vielleicht?" „Nein, ich muss es selber machen", ich wusste nicht woher dieser Übermut kam, aber gerade war es für mich das einzig Richtig.
„In Ordnung", antwortete Moritica, schien aber nicht sonderlich begeistert.
„Ist was? Du bist doch sicherlich nicht scharf darauf Terra den Gar auszumachen. Und falls ich dabei sterben sollte, macht es dir sicherlich nichts aus, immerhin bin ich ja nur ein Mensch", entgegnete ich.
Ihre Erzählung über ihre Mutter und dass sie alle Menschen hasste, hatte ich nicht vergessen. Im Nachhinein enttäuschte es mich, dass sie mich auch für so schrecklich hielt. Das würde zumindest erklären, warum ich jetzt so gewillt war ihr zu beweisen, dass ich zu etwas fähig war und nicht so grausam wie anderen Menschen. Obwohl das eigentlich keinen Sinn machte, immerhin war ich ja auch eine Art Mörderin, wenn ich Terra den Fuß abschlug und sie dadurch starb.
Anscheinend hatte ich meine letzten Gedanken laut ausgesprochen, zumindest wusste ich nicht, warum Morticia sonst so etwas geantwortet.
„Warum denkst du das ich dich hasse?
Du bist nicht wie die anderen Menschen, das habe ich dir danach aber auch gesagt. Außerdem hast du schon mal daran gedacht, dass ich vielleicht Angst um dich haben könnte, weil du mir nicht vollkommen egal bist? Was denkst du warum ich die ganze Zeit so kühl zu dir war? Weil es mich geängstigt hat, dass ich einen Menschen mag, obwohl Menschen meine Mutter umgebracht haben!", ihre Stimme war wieder lauter geworden.
Das überraschte mich wirklich.
Morticia mochte mich?
Das hätte ich niemals gedacht.
„Komm wie müssen jetzt los, Melly hat gerade das Signal gegeben, der Weg ist frei", wechselte Morticia das Thema.
Verdutzt stand ich vom Boden auf und folgte ihr über die Wiese, vor den Tempel. Alles war ruhig. Anscheinend hatten Einar und Ragna Erfolg gehabt. Hoffentlich mussten sie kein Blut vergießen. „Meine Güte, wenn ich nicht wüsste, dass Ragna und Einar alle ausgeschaltet hätten, würde ich es für eine große Falle halten", murmelte die ehemalige Rächerin.
Wir waren vor dem Tor zum Tempel angekommen. Ich stieß das Tor auf und sah mich schnell um. Am Altar stand eine Person, die sich mit einem Gesicht unterhielt. Matrep und Terra.
Matrep drehte sich um und machte die Sicht auf Terra frei. „Hallo Aiana, schön dich wiederzusehen", flötete sie lieblich. „Hast du jetzt herausgefunden, dass ich die Böse bin?"
„Was denkst du, warum sie hier ist", zischte Morticia unhöflich zurück. „Tja, aber was wollt ihr jetzt machen. Terra ist unsterblich", höhnte Matrep.
„Was soll ich jetzt machen?", flüsterte ich. „Fordere sie offiziell zum Duell heraus und dann werden wir sehen", murmelte Morticia.
„Terra, ich Aiana Enfys fordere Sie, die Erdmutter auf, mich in einem fairen Duell zu messen", forderte ich, in der Hoffnung, formell genug gewesen zu sein.
Terra schaute kurz geschockt, doch dann erschien ein selbstischeres Lächeln auf ihrem Gesicht. „In Ordnung meine Liebe. Wenn du gewinnst, was forderst du als Preis?", wollte sie wissen. Verwirrt schaute ich zu Morticia. „Typische Duellregeln in Viridi, war dir das nicht bewusst, als du das vorgeschlagen hast?", flüsterte sie. Ich schüttelte den Kopf, das war mir nicht bewusste gewesen.
„Liebe Aiana, ich erläutere dir mal kurz die Duellregeln", meinte Terra, „Jeder Duellant kann aussuchen, wer für ihn kämpft. Das ist wichtig für die Regeln. Du hast mich herausgefordert, wenn wir gegeneinander antreten, würde der Sieg dem gehören, der den Gegner zuerst bluten lässt. Der Sieger darf dann bestimmen, was der Verlierer machen muss. Doch hat jeder der Duellanten das Recht jemand anderes für sich in den Kampf zu schicken. Dabei ändern sich die Regeln. Jetzt muss der Gegner getötet werden, um zu gewinnen."
Schlagartig wurde mir bewusst, warum Terra so siegessicher gelächelt hatte. Sie würde sicherlich Matrep in den Kampf schicken und würde daraufsetzen, dass ich ihn nicht töten konnte. Ich schluckte hart. Wenn ich Viridi und die Erde retten wollte, müsste ich Matrep töten. Natürlich könnte ich auch Morticia für mich kämpfen lassen, doch das kam mir feige vor.
Ich nickte einfach nur und sagte dann: „Ich werde selber antreten." „Für mich wird Matrep antreten", entgegnete Terra wieder mit ihrem Lächeln. Ein leuchtend orangenes Viereck erschien auf dem Boden des Tempels.
„Viel Glück Aiana, du schaffst das", flüsterte Morticia mir zu. Und ehe ich mich versah hatte sie mir einen Kuss gegeben, mitten auf den Mund. Im nächsten Augenblick schob sie mich auch schon in das Viereck.
Was war das denn gewesen? Mochte sie mich etwa doch?
Der Lapi trat ebenfalls hinein, mit einem Schwert bewaffnet. Ich zog ebenfalls mein Schwert und atmete tief durch.
Jetzt musste ich erst einmal Matrep besiegen, bevor ich mich um Morticia kümmern konnte. „Drei, zwei, eins, los", zählte Terra herunter. Mein ehemaliger Freund packte sein Schwert fester und griff mich an.
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