Samstag, 14. Dezember 2019
"Eigentlich ist es ja schon ne ziemliche Unverschämtheit, dass man an seinem eigenen Geburtstag etwas verschenkt. Als würde es nicht reichen, dass die ganzen Kinder zum Essen und Spaß haben hierher kommen. Nein, da muss man dann auch noch etwas mit nach Hause geben als Dankeschön für die gemeinsame Zeit und das Geschenk.", seufze ich, während ich die kleinen Badekugeln in die zartrosa und babyblauen Tütchen packe.
Der Kindergeburtstag von Luna startet bald und während Onkel Will in der Küche mit Milan noch an der Schokosahne-Glasur des Kuchens feilscht, sitzen Lucie und ich im Wohnzimmer um den kleinen Tisch herum und bestücken die Tütchen der eingeladenen Kinder. "Kannst du dich noch erinnern, dass wir das bei unseren Kindergeburtstagen auch hatten? Mittlerweile hat es einfach nur einen neuen fancy Namen bekommen. Goodyback. Auf Englisch klingt einfach alles so viel besser."
Der Tonfall meiner Cousine ist aussagekräftig genug für mich, um von den rosa und blau gefärbten Badekugeln aufzusehen und mein Gegenüber anzublicken. Passend zu ihrem beinahe schon äffenden Tonfall verdreht Lucie ihre Augen und zieht die Nase kraus. Ein Lachen kann ich nicht zurückhalten und so verdrehe ich einfach nur ebenfalls die Augen, während ich ihr zustimmend nicke. Wo meine Cousine Recht hat, hat sie Recht. Eigentlich ist das Ganze ja schon ziemlich lächerlich.
"Wie geht es eigentlich Hannah?", fragt meine Cousine, während wir uns wieder unseren Aufgaben zuwenden. Ich lasse die letzte Badekugel in die Tüte gleiten und schiebe die leere Kiste zur Seite. Stattdessen wende ich mich den Stempeln. Während ich jedes der beschrifteten Tütchen mit dem Buchstabenstempel des Vornamens versehe antworte ich Lucie: "Gut soweit. Ich glaube sie hat sich ziemlich gut erholt und bekommt das alles überraschend gut hin. Aber Paolo stellt sich manchmal schon echt ziemlich bescheuert an. Zumindest entnehme ich das ihren Aussagen wenn wir mal telefonieren oder skypen."
Das beste Beispiel ist ja wirklich das letzte Mal gefallen, als wir miteinander gesprochen haben. Wer kommt auch schon auf die Idee seiner Tochter - oder seinem Sohn - die Windel auf den Kopf zu setzen? Ich habe ja ebenfalls manchmal auf kleine Kinder aufgepasst und ich kam nie auf diese Idee. Aber ich habe auch an meinen Puppen das Windeln oft genug geübt.
"Manchmal frage ich mich ja schon, wie unfähig Männer manchmal sein können.", seufze Lucie und schüttelt den Kopf. "Aber ich glaube das liegt einfach in den Genen. Milan kam bei Luna auch immer auf die seltsamsten Ideen als sie noch klein war."
Erneut nicke ich und stimme meiner Cousine so zu. Statt sich jedoch weiterhin bei der Spezies Mann auf zuhalten, fragt Lucie nach meiner kleinen Nichte. Der Zwerg wurde bereits Anfang Juli geboren und ist somit etwa fünf Monate alt, aber ich habe unsere Familienzuwuchs gerade erst dreimal gesehen. Es waren Besuche die wir bei Hannah gemacht haben, direkt nach der Geburt und dann noch einmal danach. Das dritte Mal habe ich den Winzling vor wenigen Wochen an unserem Geburtstag gesehen, als Hannah mit ihrem Freund Paolo und deren gemeinsamer Tochter bei uns zu Besuch war.
Noch vor einem Jahr hätte ich nie gedacht, dass Hannah tatsächlich vor mir Mutter werden würde. Das hat nichts damit zu tun, dass sie jünger ist als so. Sondern einfach damit, dass ich mir das nie hätte träumen lassen. Als Han gegenüber mir und Lucie kurz vor dem Weihnachtsfest das Geheimnis offenbart hat, hatte ich ihr erst nicht glauben wollen. Aber ein Ultraschallbild hat mich schnell eines besseren belehrt. Im Gegensatz zu unseren Eltern jedoch habe ich wenigstens nicht mit schlechter Laune und Ärger darauf reagiert. Natürlich haben die beiden versucht die Wogen dann wieder zu gätten und stattdessen für ihre Tochter da zu sein, aber es wundert mich nicht wirklich, dass ich mehr von meiner Schwester und ihrer Tochter höre als unsere Eltern.
"Fertig.", sage ich, als ich den letzten Stempel in die zugehörige Tüte fallen lasse. Zufrieden seufzend lehne ich mich gegen das Sofa und beobachte meine Cousine, wie sie die kleine Ritter-Sport-Schokolade in die Tütchen fallen lässt. Breit grinst sie mich an und schiebt mir eine Packung Servietten mit dem Zeigefinger über den Tisch. "Super, dann kannst du ja gleich weiter machen und die hier schön oben drauf stopfen. Sie sollen ein bisschen oben rausgucken und einfach hübsch aussehen. Dunkelblau für die Jungs, helles Lila für die Mädchen. Klar oder?"
Ich verdrehe die Augen, beuge mich nach vorn und schnappe mir die dunkelblauen Servietten und brumme: "Bin ich dumm?"
"Nein. Blond.", schießt meine Cousine zurück und entlockt mir damit ein Lachen. Ich mache mir weder etwas aus Blondinenwitzen, noch aus den Vorurteilen gegen Blondinen. Meistens verdrehe ich nur die Augen oder gebe einen dummen Kommentar zurück. Wer austeilt muss auch einstecken können, selbst von einer Blondine. Das ist das Motte das ich verfolge.
"Was gibt es bei dir denn so Neues?", fragt Lucie, während sie nach den lilafabenen Servietten greift und das Päckchen ausreißt. Leider war das Knistern meiner eigenen Packung definitiv nicht laut genug, sodass ich ihre Frage unmöglich überhören konnte. Die Lust darauf jedoch wirklcih zu antworten ist nicht besonders groß. Dennoch weiß ich, dass meine Cousine es nicht böse meint und ich habe auch niemals etwas vor ihr verheimlicht. Wir alle in unserem Freundeskreis haben eine gute Beziehung zueinander, doch Jenny und Lucie sind neben Hannah die beiden Personen, die am meisten von mir wissen. Ich habe Lucie auch immer miteinbezogen und ihr niemals etwas verheimlicht. Wieso also will ich ihr nichts von Jin erzählen?
Ich habe in den letzten Monaten nicht wirklich wie eine Nonne gelebt. Das gebe ich auch offen zu. Ich hatte meinen Spaß. Nicht vollkommen bedeutungslos, aber zumindest hatte ich keine Beziehung. Und darauß habe ich auch nie ein Geheimnis gemacht. Weder gegenüber meinen Freundinnen, noch gegenüber meiner Schwester oder meiner Cousine. Doch das mit Jin ist anders. Es ist anders als sonst. Er lässt mein Herz höher schlagen, er bringt meine Puls zum Rasen und meinen Körper zum Kribbeln.
Verdammt, ich habe mich ihn in verknallt.
Ja okay es ist raus. Ich habe mich irgendwie in Jin verknallt, obwohl er mir gegenüber nie besonders freundlich war. Obwohl er mich einfach geküsst hat und ich nicht den blassesten Schimmer habe, was er eigentlich von mir will. Ich habe mich ihn in verknallt und das schon lange vor dem Kuss auf dem Weihnachtsmarkt. Und ich habe es mir ganz besonders danach meine Gefühle nicht eingestehen wollen.
Es ist nicht so als wäre ich noch nie verknallt gewesen. Es ist nicht so als würde ich das Gefühl nicht kennen. Ich wusste, dass ich mich in Jin verknallt habe. Und doch habe ich es mir selbst nicht eingestanden. Einfach um mich nicht damit auseinandersetzen zu müssen. Doch jetzt kann ich das alles nicht länger verleugnen. Ich will diesen Kerl mit jeder Faser meines Körpers und ich kann mir selbst nicht einreden das es so wie immer ist und ich einfach nur meinen Spaß will. Denn da ist einfach noch etwas anderes.
Das mit Jin ist zwar nicht gewöhnlich oder normal, so wie es vielleicht von allen anderen angesehen werden würde. Aber es ist auch nicht wie all die Male zuvor. Das mit Jin ist neu. Es ist intensiver als sonst. Es ist neu. Es ist aufregend. Es ist umwerfend.
Ich weiß nicht was genau es ist. Ich weiß nur was meine Gefühle sagen. Was ich will. Doch ich weiß nich was Jin will. Ich weiß nur, dass ich morgen vielleicht endlich eine Antwort auf all meine Fragen bekommen werde. Dass ich morgen vielleicht endlich klarer sehen werde. Dass ich morgen vielleicht endlich verstehen werde.
Seine Taten. Seine Motive. Ihn.
Und ich weiß auch, dass ich zuvor mit niemandem mehr darüber reden werde. Denn auch wenn ich weiß was ich will und was ich fühle bedeutet das nicht, dass ich schon darüber sprechen kann. Zu viele ungeklärte Fragen befinden sich in meinem Kopf und zu vieles steht noch in den Sternen.
Das alles wird mir klar, während ich eine Serviette auffalte, in der Mitte zusammen nehme und in das erste babyblaue Goodyback stecke. Das alles wird mir klar, während ich den herausschauenden Teil schön zurecht ziehe. Das alles wird mit klar, während ich meiner Cousine gegenüber sitze und diese auf eine Antwort von mir wartet.
"Nichts weltbewegendes. Du weißt, wenn sich etwas ändert, werde ich die bescheid sagen."
∞
"Weißt du ich bin ja schon ziemlich froh, dass wir Samstags auf den Weihnachtsmarkt gehen und nicht Freitags.", seufzt Jenny und zieht sich die Mütze weiter über die Ohren. Kaum sitzt ihre Kopfbedeckung wieder wie sie soll, schnappt sie sich ihren Glühwein aus meiner Hand und wir schiebe und durch die Menschen in Richtung von Lucie und Lina. Beide stehen bereits bei den Schokofrüchten an und ich muss nicht einmal dabei sein um zu wissen was sie sich bestellen. Meine Cousine wird ganz klassisch eine Schokobanane nehme, während Lina den Spieß mit Erdbeeren, Trauben und Bananen wählen wird.
"Ich auch. Gestern war es ja schon abends um einiges kälter als heute.", stimme ich meiner Freundin zu, während sich der Abstand zwischen der anderen Hälfte unserer Gruppe und uns verringert. "Hast du eigentlich etwas von Jason gehört über die Woche?"
"Nein bisher nicht. Ich nehme einmal an, dass Noami noch dabei ist und es keinen Stress um sie gab.", antwortet Jenny und hackt sich mit einem Arm bei mir unter, vermutlich um mich nicht zu verlieren. Ich würde Jenny zwar nicht als überängstlich beschreiben, aber sie mag einfach keine großen Menschenmenge und hat immer ein wenig Panik davor allein zu bleiben. Auch wenn wir ihr sicherlich schon einhundertmal erklärt haben, dass wir ganz einfach über WhatsApp oder einen Anruf uns wiederfinden können.
Als wir Lina und Lucie erreichen, halten die beiden bereits ihre bezahlten Schokofrüchte in den Händen und wir treten etwas zu Seite, um den Zugang zum Stand nicht zu verdecken. Statt weiter über das Wetter zu sprechen oder darüber nachzudenken was Naomi wohl gerade macht und wo genau sie sich befindet, wenden wir uns Lina zu. Auf WhatsApp hat sie nicht besonders viel von ihrem Date am letzten Sonntag erzählt und so müssen wir sie nun hier in die Mangel nehmen.
"Wie war eigentlich dein Date Lina?", fragt Lucie betont unschuldig und blinzelt interessiert über ihre Schokobanane zu unserer Freundin. Wenn ich mein Cousine so betrachte dann könnte man direkt meinen, dass ihr die Frage tatsächlich gerade erst in den Sinn gekommen ist. Das wir beide jedoch über den gesamten Weg vom Killesberg zum Weihnachtsmarkt nur darüber nachgedacht haben, wie wir genau diese Frage am besten stellen sollten.
Statt jedoch sofort eine Antwort rauszuhauen, die uns alle verzücken sollte, beißt Lina genüsslich von ihrem Spieß ab und kaut überraschend lange auf ihrer Traube herum. Ich bin mir nicht sicher ob sie das macht um uns auf die Folter zu spannen, denn zumindest ich für meinen Teil starre sie gebannt an. Vielleicht war das Date aber auch nur so katastophal, dass sie überhaupt nicht mit uns darüber sprechen will. Das könnte ich ihr nicht verdenken. Allerdings war sie letzten Samstag noch ein halbes Nervenbündel und so kann ich mir eigentlich gar nichts negatives vorstellen.
"Lina? Komm schon. Zögere die Antwort nicht heraus.", pisakt Jenny sie ein bisschen und hebt drohend den Zeigefinger, als hätte unsere Freundin gerade heimlich aus der Keksdose genascht und wäre von ihr persönlich dabei erwischt worden. Manchmal macht Jenny durchaus Dinge, bei denen ich vollkommen die Erzieherin in ihr sehe. "Du weißt wir werden nicht vom Thema ablenken."
"Och man. Es macht gar keinen Spaß euch auf die Folter zu spannen.", seufzt unsere Freundin und verdreht die Augen, nachdem sie endlich ihre Traube heruntergeschluckt hat. Als wäre es das absurdeste, was sie jemals gehört hat, kommentiert meine Cousine: "Du sollst uns auch nicht auf die Folter spannen. Du sollst uns up-to-date halten."
Und hier haben wir wieder die englischen Wörter, mit denen einfach alles so viel besser und cooler klingt.
"Also schön.", seufzt Lina und verdreht erneut die Augen. Wenn sie so weiter macht muss sie aufpassen, dass diese nicht bald stehen bleiben. "Es war so gut, dass ich morgen gleich nochmal hinfahre. Reicht euch das?"
"Nein!", quietscht Jenny begeistert und ich bin mir sicher sie würde einen Luftsprung machen und dabei in die Hände klatschen, wenn sie nicht die Glühwein-Tasse in der Hand hätte. Ich selbst kann ein breites Grinsen nicht zurückhalten und Lucie jubiliert: "Ich freu mich so für dich! Erzähl uns mehr!"
Gerade holt Lina tief Luft um uns hoffentlich alle Einzelheiten des Dates zu berichten, da wird Jenny auf meiner linken Seite von hinten angerempelt und taumelt einen Schritt nach vorn. Ich will gerade die Hand ausstrecken und nach ihrer Tasse greifen, da schwappt auch schon eine große Menge des dampfenden Getränks heraus und tränkt ihre behandschuhte Hand.
"Verdammt!", flucht unsere Freundin, während Lucie ihr die Tasse aus der Hand nimmt. Mit großen Augen beobachte ich wie Jenny sich umdreht und der Person in braune Mantel hinterher faucht: "Pass doch auf du Idiot!"
Ruckartig dreht sich die zweifelsohne angesprochene Person um und als er Jenny vor sich sieht, kneift er die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen: "Dann steh doch nicht so im Weg rum du Hexe."
"Verpiss dich einfach du Spast.", faucht Jenny zurück und tatsächlich schnaubt der fremde Kerl bloß, dreht sich ruckartig um und läuft weiter. Bevor er von der Menge verschluckt wird kann ich nur noch den Schimmer seiner dunkelblonden Haare erkennen.
"Was war das denn?", fragt Lina und sieht Jenny mit misstrauisch zusammengezogenen Augenbrauen an. Ich selbst bin ebenfalls mehr als überrascht von dem Ausbruch unserer Freundin. Ihr Mund war wieder einmal wesentlich schneller als mein Gehirn und ich brauche einen Atemzug um der Situation folgen zu können.
Jenny dreht sich schnaubend zu uns und brummt: "Das war der Vollidiot mit dem ich Weihnachten verbringen muss."
"Oh.", kommt es mir über die Lippen und ich kann Jenny nur schweigend dabei beobachten, wie sie ihren durchnässten Handschuh auszieht. Jetzt weiß ich genau wer diese Person ist. Ich wusste doch, dass mir das kantige Gesicht und die markenten dunklen Augenbrauen irgendwoher bekannt vorkommen.
Unsere Freundin muss jedes Jahr mit ihrer Familie über Weihnachten mit einer befreundeten Familie in die skandinavischen Länder vereisen und mit dem Sohn dieser anderen Familie versteht sie sich überhaupt nicht. Und das hier gerade eben war besagter Freund. Nick Winter. Für Jenny auch der Teufel in Person.
"Wenn ich diesen Vollidiot schon wieder sehe vergeht mir echt die Lust auf den Urlaub.", schnauft unsere Freundin, stopft die Handschuhe energisch in ihre Jackentasche und schnappt sich die sicherlich klebrig-feuchte Tasse aus Lucies Hand. "Gebt mir mehr Glühwein dann geht's schon wieder. Aber zurück zu dir Lina. Erzähl uns endlich von deinem Date!"
Noch einen Moment blicken wir alle drei Jenny prüfend an, doch da diesen den Blick stur auf Lina gerichtet hat, nimmt diese den Faden wieder auf. Zwar versuchen wir uns nichts von der gekippten Stimmung anmerken zu lassen, aber ich glaube in diesem Falle sind wir alle zu schlechte Schauspielerinnen. Da kann nicht einmal Lina's Erzählung über das französische Café und den Parkspaziergang samt Kuss etwas ändern.
Wieso kann auch nicht einmal etwas einfach sein?
*Auf Instagram könnt ihr gerade abstimmen, welchen Namen die kleine Prinzessin von Hannah haben soll. Einen Link zum Profil findet ihr auf meinem Profil. Ich heißt dort Mila_Cataleya_ (Für alle die mich einfach suchen wollen).
Alle die kein Instagram besitzen, können auch in den "Unterhaltungen" auf meinem Profil aus den Namensvorschlägen auswählen und somit an der Abstimmung teilnehmen.*
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