Dienstag, 14. Februar 2023
Mein Magen grummelt, obwohl ich mich heute morgen im Tavolo 24 am reichhaltigen Frühstücksbuffet bedient habe. Bereits zu früher Stunde haben wir unser Hotel am Stadtrand von Seoul verlassen und sind mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zu unserem Zielort gefahren.
Der schwarze Mantel streifte meine Knie, die nur von einer dünnen Strumpfhose bedeckt sind. Ich trage lediglich ein anliegendes Wollkleid darunter, das meine schlanke Figur betont. Seit ich mit Jin zusammengekommen bin, habe ich zwar mehrere Kilos zugenommen, doch ich fühle mich wohler denn je in meinem Körper. Endlich war ich mehr als Haut und Knochen, wie meine Zwillingsschwester Hannah so gern sagt.
Eigentlich ist mein Koffer vollkommen falsch gepackt für einen Touristenurlaub in Südkorea, doch da ich mit Jin hier bin und damit genau weiß, dass ich nicht mit einer Wanderung durch Matsch oder etwas Ähnlichem rechnen muss (zumindest sofern er mich nicht vorwarnt), bin ich hervorragend ausgerüstet.
Mein Blick schweift zu dem Südkoreaner, der zielsicher neben mir geht. Er trägt ebenfalls einen langen schwarzen Mantel und darunter einen schicken Anzug, mit dem er für das Daelim Museum genauso passend gekleidet ist, wie für das Seoul Arts Center Opern Haus, in welchem wir nach dem Abendessen das Musical 'König der Löwen' anschauen werden.
In Stuttgart haben Jin und ich das Theater und die Musicals für uns entdeckt. Wir besuchten regelmäßig Veranstaltungen dort und schon seit Jin zurück nach Südkorea geflogen ist, wo er sein Studium beendet hat, freue ich mich auf unseren gemeinsamen Urlaub in Seoul, um auch dort endlich das Theater zu besuchen. Schon seit meiner Ankunft vor drei Tagen habe ich diesem Abend entgegen gefiebert und nun war es endlich so weit. Jin hat den gesamten Urlaub geplant und überraschte mich so jeden Tag mit einem schönen Programm, doch ich weiß, dass diesen Tag einfach nichts toppen kann.
Mein Freund senkt den Blick auf mich und sieht mich aus seinen tiefbraunen Augen voller Ruhe an. Ein liebevolles Lächeln schieb sich auf mein Gesicht und er legt mir den Arme um die Taille, während er wieder nach vorn sieht und mich wie ein Fels in der Brandung durch die hektischen Menschenmenge auf dem Bürgersteig schleußt.
"Du wirst das Cleo lieben, das verspreche ich dir!"
Zuversichtlich sieht er mich an, ehe wir an einer roten Fußgängerampel halten und mit den anderen Passanten warten, bis wir die viel befahrene Straße gefahrlos überqueren können.
"Ich nehme dich beim Wort." Verschwörerisch zwinkere ich ihm zu und weiß, dass ich genau das tun kann. Jin hat mich nicht ein einziges Mal enttäuscht, wenn er mir sein Wort gegeben hat. Eine Eigenschaft, die ich an ihm überaus schätze.
Wenige Minuten später erreichen wir das Restaurant und werden von einem Kellner ganz in schwarz zu einem Zweiertisch am Fenster gebracht. Es ist früher Abend und die Dämmerung senkt sich langsam über die Stadt, während die Lichter hinter den unzähligen Fenstern angeschaltet werden und der Umgebung Helligkeit verleihen.
In den letzten drei Jahren haben sich meine Koreanisch-Kenntnisse deutlich verbessert. So weiß ich, dass Samgyeopsal ein Grillteller mit verschiedenen Fleischsorten ist und dazu Paprika, Nudeln und große Salatblätter gereicht werden. Gejang identifiziere ich mittlerweile als Meeresfrüchte und mieden das Gericht deshalb. Bei Japchae handelt es sich um Fadennudeln mit Gemüsestreifen und Algen. Manchmal wird dazu auch Fleisch hinzugefügt. Und obwohl ich jeden Tag übe und durch Jin den besten Lehrer überhaupt habe, brauche ich öfter als einmal seine Hilfe um die Karte zu verstehen.
"Habe ich dir heute bereits gesagt, wie hübsch du aussiehst?", fragt der Südkoreaner und sieht mich mit leicht nach oben gezogenen Mundwinkeln an.
Auf dem Tisch zwischen uns brennt eine hohe Kerze in einem vergoldeten Kerzenständer, daneben steht eine einzelne Rose in einer hohen Vase. Das Licht ist gedimmt, weshalb sich lange Schatten über unsere Gesichter ziehen. Das Ambiente des Restaurant war trotz der großen Fenster und ansonsten modernen Gestaltung sehr romantisch und privat gehalten.
Ich drücke Jins Hand, in welcher meine direkt neben dem Kerzenständer auf dem Tisch liegt. Für andere müssen wir wie das Klischee-Pärchen wirken, wie wir uns gegenüber sitzen und uns an den Händen halten, während die Weingläser vollkommen unangerührt neben uns stehen. Doch es ist mir vollkommen egal, was die Leute denken oder sehen. Wichtig ist nur, dass ich mit Jin hier bin und er mich mit diesem einen Blick ansieht, der nur mir zuteil wird.
Ein Blick voller Zuneigung, tiefer Treue, Vertrauen, Zuversicht, Glück und Liebe. Ich kann all diese positiven Gefühle darin erkennen und ein dicker Kloß bildet sich in meinem Hals. Unsere Beziehung ist durch die achtstündige Zeitverschiebung in den letzten Jahren deutlich auf die Probe gestellt worden. Doch hier sitzen wir und es ist, als wären wir nicht für eine Sekunde getrennt gewesen. Zu sehen, was für Gefühle der Schwarzhaarige mir gegenüber hat, wirft mich jedes Mal aufs Neue um und ich merke, wie unendlich dankbar ich bin.
"So ungefähr fünf Mal? Aber du darfst gerne so weitermachen, denn ich kann es gar nicht oft genug hören", gestehe ich und schicke ihm einen Luftkuss. Sein Daumen zieht Kreise über meinen Handrücken und ich muss das selige Lächeln, welches sich bei meinen Worten auf seinem Gesicht bildet, einfach erwidern.
Während des Essens unterhielten wir uns über das bevorstehende Musical und den Plan für den nächsten Tag. Jin hat Aufenthalt in einem Spa in der Innenstadt geplant und ich äußere mich zu Saunagänge und Massagen überaus positiv. Noch etwas, das wir während unserer gemeinsamen Zeit in Deutschland für uns entdeckt haben.
"Es war der Wahnsinn!", sage ich begeistert und noch vollkommen in dem Film gefangen, in den mich das Musical versetzt hat. Ich habe König der Löwen bereits zweimal gesehen. Einmal in Stuttgart und bei einem Wochenendausflug mit Jin in Hamburg. Und auch hier in Seoul war es eine wahnsinnig gute Show. "Ich kann niemals genug davon sehen!"
Mit weit aufgerissen Augen sehe ich zu Jin, der mich mit funkelndem Blick mustert. Ich liebe es, wenn er das tut und mein Herz macht einen aufgeregten Satz. Wir sind seid etwas mehr als drei Jahren zusammen und es fühlt sich noch immer so kribbelig wie am ersten Tag an.
"Du hast Recht. Das Stück war gut, aber Hamburg hat mir besser gefallen. Simba hat mir dort mehr zugesagt", merkt Jin an und wir vergleichen auf dem Weg zur Metro-Haltestelle die Vorstellungen, die wir bereits gesehen haben.
Während wir mit der Rolltreppe nach unten fahren, schlägt Jin vor: "Wenn du Lust hast, können wir noch auf den Namsam Tower. Von dort hast einen der schönsten Blicke über die nächtliche Stadt."
Ein Gähnen steigt in meiner Kehle auf, doch ich halte es zurück. Der Tag hat mich erledigt, was an den viele neuen Eindrücken liegt. Und wenn Jin sehen würde, dass ich müde war, würde er sofort mit mir ins Hotel fahren, um mir meinen Schlaf zu gönnen. Doch ich will seinen Plan nicht zerstören und so wie ich ihn kenne, gehört der N Seoul Tower noch zu einem Programm. Wenn möglich, hat sich Jin noch mehr auf diesen Urlaub gefreut als ich und deshalb will ich ihm alles ermöglichen, was er sich wünscht und geplant hat.
"Mit dir habe ich Lust alles zu jeder Tages- und Nachtzeit zu unternehmen. Also ja, lass uns zum Tower fahren."
Mit dem Fahrstuhl fahren wir bis in das Restaurant des Fernsehturms nach oben, wo eine Treppe auf die Aussichtsplattform 138 Meter über dem Erdboden führt. Das Restaurant ist trotz der späten Stunde gut besucht und auch auf der Plattform tummeln sich mehrere Touristen in kleinen Grüppchen, die die Aussicht auf die Lichter der Stadt genossen.
Vor mir funkelte ein Meer aus warmen und kalten Lichtern, während der Wind mir durch die offenen Haare fährt und sie mir aus dem Gesicht wirbelt. An dem Geländer vor mir sind unzählige Liebesschlösser mit eingravierten Namen und Daten angebracht, doch ich kann meinen Blick nicht von der friedlich glitzernden Stadt abwenden.
Egal wie müde ich gerade im Aufzug noch war, jetzt bin ich hellwach und sauge den Augenblick in mich auf.
"Wow", stoße ich atemlos hervor. "Das ist atemberaubend schön."
"Ja", murmelt Jin leise. "Da hast du recht."
Ich spüre seinen Blick auf mir Brennen und obwohl ich nichts lieber tun würde, als einfach gerade aus auf die Stadt zu blicken, wandern meine Augen automatisch zu ihm. Unser meiner Haut trippeln tausend Ameisen durch meine Adern und lassen mich nervös werden.
"Du schaust ja nicht einmal richtig hin", schnaube ich belustigt und schüttle dabei den Kopf. Sanfter setze ich hinterher: "Danke, dass du mir das hier zeigst."
"Oh Baby, ich schaue sogar sehr genau hin", erwidert Jin und ein Lächeln breitet sich auf seinem Gesicht aus, lässt seine scharfen Züge weicher wirken. Er greift nach meiner linken Hand und hält sie fest, während er mir mit der anderen Hand eine Haarsträhne hinters Ohr streicht. "Du bist wunderschön, Charlie. Nicht nur dein Äußeres, sondern auch dein Inneres. Du bist gütig, freundlich, zärtlich, leidenschaftlich. Du bist die Person, bei der ich immer ich selbst sein kann. Du bist mein Fels in der Brandung und ich kann immer auf dich zählen, egal wie schwer es auch sein mag."
Meine Lippen heben sich zu einem zittrigen Lächeln, weil er die Worte mit solch einer Inbrunst sagt, dass sie mir beinahe den Boden unter den Füßen wegziehen. Mein Herz pocht wild und unregelmäßig in meiner Brust, als würde es einen neuen Takt suchen. Fester schließen sich seine Finger um meine, als würde er genau jetzt den Halt suchen, von dem er eben gesprochen hat.
"Ich liebe dich Charlie. So sehr, dass es weh tut. Doch ich weiß, dass es noch viel mehr schmerzen würde, wenn du nicht da wärst. Wir hatten keinen besonders guten Start, aber du hast dir einen Weg in mein Herz gebahnt und heute kann ich sagen: Ich will keinen einzigen Tag mehr ohne dich verbringen." Jin senkt das Kinn etwas, wobei die Schatten auf seinem Gesicht noch größer werden. Trotzdem kann ich mich der Intensität seines Blickes nicht entziehen. "Ich möchte für immer an seiner Seite sein, mit dir durch dick und dünn gehen, dich lieben bis wir alt und grau sind. Ich möchte mein Leben mit dir verbringen."
Mein Mund klappt auf, um diese Worte zu erwidern, als Jin meine Hand loslässt und auf die Knie sinkt. Ich weiß nicht, woher er die kleine schwarze Samtschatulle zieht, doch plötzlich ist sie dort in seiner Hand und auf einem dunklen Kissen funkelt mir der schönste Ring entgegen, den ich jemals gesehen habe. Ein Stein mit Emeraldschliff, umringt von mehreren kleinen Steinchen glitzerte im künstlichen Licht der Lampen auf einem schmalen Silberring zu mir empor.
Mir bleibt die Luft weg und das Blut beginnt in meinen Ohren zu rauschen. Die Welt um uns herum verschwimm im Nichts und ich kann Jin nur mit offenem Mund anstarren. Vollkommen überfordert mit diesem Moment, in dem er zu meine Füßen auf dem Boden kniet und mit hitzigem aber gleichzeitig so zärtlichem Blick zu mir aufsieht. Hitze glüht unter meinem Körper und ich spüre, wie der Mantel mir die Luft zum Atmen nimmt, weil dieser Augenblick so überwältigend ist.
"Und deshalb möchte ich dich, Charlie Köhler: Willst du meine Frau werden?"
Seine Stimme zitterte leicht, als er mir diese alles entscheidende Frage stellt. Das Blut rauscht noch immer so laut in meinen Ohren, dass ich mich auf seine Worte konzentrieren muss, um sie wirklich wahrzunehmen.
Ich muss nicht darüber nachdenken, ob ich will oder nicht. Denn es gibt nur eine Antwort, die ihm und unser beider Gefühlen gerecht wird. Und das ist ein klares ...
"Ja, ich will."
Jin schiebt mir den Ring über den Finger meiner linken Hand und ich warte nicht, bis er die Schatulle zurück in die Manteltasche geschoben habe, sondern ziehe ihn zu mir nach oben und presse meine Lippen auf seine. Während wir Luft holen, murmle ich daran: "Ich liebe dich, Jin. Gestern, heute, morgen und für immer."
Zeit für eine Erwiderung gebe ich ihm nicht, doch die brauche ich auch gar nicht. Der Ring an meinem Finger spricht für sich allein.
∞
Ich hoffe, euch hat das kleine Valentinstags-Special gefalle 💞
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