machtlos
Guk weiß nicht, ob er erleichtert oder frustriert sein soll, als T in seine Wohnung kommt. Einerseits muss er es jetzt nicht mehr mit seinen Gedanken alleine aushalten, findet Ablenkung, aber andererseits kommt nun das Gespräch, vor dem er so Angst hat. Doch entscheiden muss er sich ja eh nicht, was er fühlt, denn die Raumzeit läuft auch so weiter.
"Hey", grüßt T seinen Freund und kommt bei der Tür rein.
"Hi", erwidert dieser schwach.
Sie schauen beide fertig aus. Guk sowieso mit seinen endlos schwarzen Augenringen, den aufgerissenen Lippen und den fettigen Haaren. Aber auch T sieht man deutlich die Spuren der letzten Nacht an. Seine Augen sind noch immer geschwollen vom ganzen Weinen, die Locken wirken irgendwie kraftlos heute und generell ist seine Haltung etwas gekrümmt. Guks Schuldgefühle verstärken sich, als sie sich gemeinsam auf sein schmales Bett setzen.
"A-also, was ist?", beginnt Guk, er weiß nicht wieso, aber irgendwie fühlt er sich verpflichtet, was zu sagen.
"Bist du jetzt high?", ignoriert T die Frage und sieht ihm mit ausdruckslosem Blick in die Augen, sodass Guk wo anders hinschauen muss.
"Ähm, nicht wirklich. Vor drei Stunden ein Joint, aber das ist so gut wie weg wieder"
"Okay"
Guk fragt sich, ob T sich trennen will. Warum sollte er sonst herkommen? Zum Chillen sicher nicht, er hat ja geschrieben, er will reden und ein anderes Thema fallt Guk dabei nicht ein. Er wartet ab, da er keinen Plan hat, was er tun soll und befürchtet, was Falsches zu sagen.
"Ich kann das nicht mehr", meint T, sieht dabei wieder auf den Boden und lässt den Kopf etwas sinken, "Das macht mich fertig, ich halt das nicht mehr aus"
Guk schweigt weiter. Trennung it is anscheinend. Doch wenn er diese Worte von T hört, die Verzweiflung, die da raus klingt, dann zieht sich sein Herz schon zusammen. Er ist verantwortlich für seinen Schmerz, er löst diese Hoffnungslosigkeit in T aus. Er würd sich echt gern die Schere durch den Schädel rammen.
"Was war jetzt gestern?", will der Lockenboy wissen und richtet sich wieder etwas auf.
"I-ich weiß nicht...ich kann mich nicht erinnern"
"Ab wann? Was weißt du noch?"
"Ähm...wir haben in der U-Bahn über Gendern geredet. Dann waren wir bei der Votivkirche und dann in der Bar. Ja, da haben wir dann halt getanzt und...keine Ahnung, auf einmal ist es weg. Nächstes, was ich weiß, ist, dass du weinend auf mir liegst"
T ist schockiert, wie viel sein Freund vergessen hat, dass er wirklich einen kompletten Filmriss hatte. Aber woher kommt der? Er checkt's nicht, so viel gesoffen haben sie doch nicht. In seinem head geht er nochmal die Ereignisse durch und versucht, Guks time line durch seine eigenen Erinnerungen zu ergänzen.
"Ok, also wie wir getanzt haben", fährt T fort, während der Schwarzhaarige in unsicher ansieht, "Dann,...also, nimm das jetzt nicht schlecht auf. Das ist passiert, das war nicht okay, aber das ist in der Vergangenheit, ja? Brauchst keine Schuldgefühle schieben"
Guk ist lowkey verwirrt von dieser Einleitung. Hat er irgendwas Schlimmes gemacht? War er gemeint zu T und kann sich nicht mal erinnern? Die Angst wird größer und obwohl T ihn bittet, sich nicht schuldig zu fühlen, tut er es jetzt schon.
"Also wir haben halt so getanzt und dann hast du halt so meinen Körper angegriffen, meinen Hintern, und das will ich nicht, hab ich dir dann auch gesagt. Dann warst du irgendwie ganz anders, hast mich gar nicht mehr gescheit angeschaut und warst irgendwie...unbewohnt. Wir haben uns auf die Couch gesetzt, ich wollt dir ein Glas Wasser holen, aber dann warst du auf einmal weg. Hab dich gesucht und erst im Klo dort gefunden"
T hat zwar weiter erzählt, aber Guks Hirn hat sich schon nach dem ersten Satz aufgehängt. Er hat seinen Freund begrapscht? Er weiß doch genau, dass T sowas nicht mag, wieso tut er das? Das ist ja schrecklich, nur weil er so sexsüchtig ist und sich nicht im Griff hat. Fuck, er will sich die Augen mit Bleistiften ausstechen, den Schädel zwischen Tür und Rahmen zertrümmern oder seine Haare abfackeln. Doch er kann nicht, also kratzt er sich subtil den Arm weiter auf.
"Hey, was machst du?", bemerkt T das Kratzen, das er anscheinend doch nicht so gut versteckt hat. T legt seine Hände auf Guks Arm und mustert die neuen Wunden. "Es ist okay, Guk, wirklich. Es war halt ein Fehler, ist doch nicht wild, merkt man sich einfach und wird geändert. Du bist der respektvollste Mensch, den ich kenne"
"Ich kann dich nicht mal gut behandeln, ich bin der Fehler", erwidert er trocken und ernst.
T checkt, dass das Gespräch in diese Richtung keinen Sinn macht. Guks Selbsthass ist wie ein Naturgesetz, dagegen kommt er nicht an, egal wie gut er ihm zuredet. Es ist frustrierend, aber er bemüht sich, es nicht persönlich zu nehmen. Dann lenkt er des Thema bisschen woanders hin.
"Was hast du gestern alles genommen? Weißt du, was das weiße Zeug an deiner Nase war?"
Da muss Guk jetzt aufpassen. Was macht er, erzählt er T vom Valium, oder belässt er es bei Gras und Alk? Dass er die Pillen regelmäßig konsumiert, weiß er nämlich nicht. Ts Stand ist der von vor drei Monaten, dass er eine pill geschluckt hat, als er ihn da mit dem Versprechen betrogen hat. Irgendwie hat Guk Angst davor, die Normalität von Valium in seinem Leben zu beichten. Hat den vibe von, dass es nur bergab mit ihm geht.
Doch kurz darauf könnte er sich schon wieder schlagen für diese Gedanken. Er wird sich T sicher nicht widersetzen, was er fragt, wird so gut wie möglich beantwortet.
"Ich hab 40 Milligramm Valium genommen, bevor ich zu dir gekommen bin. Davor einen Joint am Nachmittag, einen weiteren bei dir und dann halt das, was wir in der Bar getrunken haben. Aber keine Ahnung, was das Weiße war, tut mir leid"
"Warte, was? Valium? Was war das nochmal?"
"Dieses Angstmedikament"
"Das du vor drei Monaten mal genommen hast, ist das das?"
"Ja"
"Hä, du nimmst das immer noch? Ich dachte, das wäre für Akuttherapie"
"Ist es auch, weil...das macht halt sehr schnell abhängig. Und der Körper baut schnell Toleranz auf"
"Warte...bist du süchtig? Nach Valium?"
Da stockt Guk kurz. Ist er süchtig? Schwer zu sagen, er nimmt's halt schon mehrmals die Woche, aber er weiß nicht, ob er jetzt Entzugserscheinungen hätte, wenn er aufhören würde. Bruh, der Gedanke ans Aufhören macht ihm gehörige Angst. Mit Valium, wenn's funktioniert, fühlt er sich wie ein Kind, der Kopf ist unbeschwert. Das will er nicht aufgeben. Nach diesem Gedankengang muss er aber zugeben, dass er mindestens psychisch abhängig ist.
"Ähm, kann schon sein...denke schon, ja", beichtet er unsicher und reißt die Haut an seinen Fingernägeln ab.
T schweigt und starrt auf den Boden. Diesem Funken Hoffnung in ihm wird gefährlich viel O2 entzogen, bald erlischt er noch, wenn's so weiter geht. Sein Freund ist nicht nur von Gras und Alkohol abhängig, sondern auch von Valium. T kennt sich nicht wirklich mit der Substanz aus, weiß nicht, wie gefährlich die ist oder so, aber was Guk grad erklärt hat, klingt alles andere als harmlos. Und who knows, was er noch alles konsumiert. Bei seinem Drogenreservoir hier würde es ihn nicht wundern, wenn er auf einmal mit den Heroinspritzen daher kommt. Einmal mehr fühlt er sich machtlos, Schrecken und Angst sitzen ihm tief in den Knochen. Er kann nichts tun.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro