hoffnung methyliert
Ok, der letzte Satz im vorigen Kapitel war vielleicht eine Lüge. Die beiden schlafen nämlich nicht. T bekommt es trotz seiner immensen Müdigkeit nicht hin, hat zwar die Augen zu, denkt an möglichst wenig und stellt sich tot, um das Schlafmännchen anzulocken, aber es funktioniert einfach nicht. Immer, wenn er grad an dieser Schwelle zum Traum steht, zuckt er plötzlich zusammen, reißt die Augen auf und klammert sich an Guks Körper. Er hat so Angst, dass etwas passiert, dass Guk sich wieder selbst zerschneidet, einen Köpfler ausm Fenster macht oder einfach verschwindet. Was er auch gemeint hat, ob es T vielleicht nicht stören würde, wenn er hier und jetzt Suizid begehen würde. Fucking hell, was ist das für eine Frage, er kann ja schon gar nicht mehr schlafen, weil er sich so anscheißt davor, seinen Freund allein zu lassen.
Es ist halt wirklich verrückt. Guk fürchtet sich dauernd, dass er andere, vor allem T, verletzt, ihnen unnötige Probleme bereitet und schlicht nervig ist. Da könnte man ja annehmen, er denkt nur an andere und nicht an sich, richtig selbstlos halt. Aber eigentlich ist das gar nicht so. Er ist gefangen in seinem Kopf, er handelt nicht für das Wohl von anderen, er handelt so, wie er glaubt, dass es für deren Wohl ist. Er spricht seine Sorgen nicht aus, weil er denkt, er würde T damit zur belasten, aber ätsch bätsch, T würde sich freuen, wenn er seine Sorgen aussprechen würde, damit sie das gemeinsam lösen können und eine angenehmere Situation für alle schaffen können. T hat's ihm ja eh schon gesagt, aber es ist legit so tief einprogrammiert in Guk, dass er keinen Respekt und null Mitgefühl wert ist, dass das alles nicht zu ihm durchdringt. Kann man jetzt egoistisch nennen, weil im Endeffekt handelt er nur vorsätzlich für andere, um sich nicht schlecht zu fühlen, aber ja, weiß ich nicht, ist wohl ein philosophischer Diskussionspunkt, könnt gerne eure Gedanken dazu teilen, die sind in der Tat appreciated.
Während T also ängstlich und schlaflos ist, als hätte Guks Angststörung auf ihn abgefärbt, schlummert der Schwarzhaarige friedlich. Ein Joint hilft immer beim Pennen, plus den Kuschler mit seinem Freund findet er auch ultra angenehm. Es ist halt auch wirklich nice, 'ne Person zu halten und gehalten von ihr zu werden. Vor allem wenn man sich nicht schuldig deswegen dank Gras fühlt. Generell ist es erstaunlich, wie niedrig die Gedankenpopulation in ihm ist, seit er T seine Wunden gezeigt hat. Tja, it be like that, good for him.
Was auch like that beet, ist, dass die Nacht einfach vergeht. Für Guk vergeht sie blitzschnell, einmal eingeschlafen und im nächsten Moment ist schon Morgen, so hat man's gern. Für T ist es 'ne ziemliche Qual tho. Der kommt ja gar nicht zur Ruhe, schreckt immer wieder mit schrecklichen Bilder vor Augen auf und ist dann für die nächste halbe Stunde hellwach. Richtig zach, würde keiner dem besten Freund empfehlen und bei 'ner honest review gäb's einen von zehn Punkten. Der eine Punkt ist für die ultra lange Zeitspanne, in der man sich seinen Gedanken widmen kann. Das macht T nämlich die nächtlichen Stunden über, er denkt über das nach, was er und Guk vorhin beredet haben. Wonach Guk sich jetzt richten soll.
Und das ist gar nicht so leicht. Prinzipiell ist es ja so, dass T diese Beziehung erhalten möchte, coole Sachen mit seinem Freund erleben will und diesen nicen Teamspirit fühlen mag. Er ist gern mit ihm zusammen und wenn es mal nicht um Angststörung und Suizid geht, haben sie echt 'nen geilen vibe. Nur blöderweise geht's die letzten Wochen, wenn nicht sogar Monate um fast nichts anderes mehr. Er erlebts live mit, wie Guk von seinen Ängsten zerfressen wird, wie er bei jedem Treffen mit neuen Wunden ankommt und die Körperhaltung immer gekrümmter wird, wie die lockeren Unterhaltungen rapide abnehmen. Das ist 'ne traurige Entwicklung, in der Tat, und vielleicht hat T zu spät realisiert, dass man da professionell was machen muss. Allein kriegen sie's halt auf keinen Fall hin.
Die noch traurigere Tatsache ist nur, dass Guk ihre Beziehung anscheinend aufgegeben hat. Obwohl...hat er das? T ist sich unsicher, er weiß nicht, wie er die Suizidgedanken mit ihrer Beziehung in Zusammenhang stellen kann. Hm, nah, eigentlich hat Guk sie nicht aufgegeben. Sonst würde er doch nicht mehr hier sein, er hat doch selbst gesagt, er ist nur für T mehr da. Diese Worte jagen dem Lockigen einen Schauer über den Rücken. Ihm gefällt das nicht, für diese Verantwortung hat er sich nie angemeldet.
Es ist doch auch kacke. T fühlt sich ja schon fast egoistisch, weil er möchte, dass Guk lebt. So absurd, aber da für den Schwarzhaarigen anscheinend jeder Tag nur pure Qual ist, die er irgendwie mit Drogen überstehen kann, dann fühlt er sich wirklich fast schlecht, dass er diese Prozedur für den Schwarzhaarigen noch verlängern will und ihn dazu zwingt, im Leben zu bleiben. Wichtig, er fühlt sich eben nur fast schlecht deswegen. Im nächsten Atemzug kommt ihm nämlich wie absurd dieses Dilemma ist. Zu absurd, als dass er sich wirklich die Schuld für irgendwas geben könnte, es ist legit zu surreal. Dich schuldig fühlen, weil jemand anderes nur für dich am Leben bleibt, what the hell. T versteht's nicht mehr, er ist zu müde und will schlafen.
Scheiß Hirn, was ist mit der Schlaffunktion passiert? Warum geht das nicht mehr, früher ist er doch so leicht eingeschlafen...Es rennt einfach zu viel in seinem Kopf herum. Gedanken jagen einander, einer löst den anderen ab, aber auf einen wirklich Schluss zu kommen, scheint unmöglich. Soll er Guk verlassen? Wer weiß, was der dann aufführt...T will gar nicht daran denken. Er möchte nicht aufgeben. Aber er hat gleichzeitig auch Angst, etwas in sich zu zerstören durch diese Beziehung. Etwas unwiederbringlich zu verlieren und nicht mehr derselbe am Ende zu sein. Was das Ende sein soll, darauf gehen wir jetzt mal nicht ein.
Aber fact, T ist kein Aufgebertyp. Er ist eher der Hoffnungstyp. Vielleicht ist das auch in der DNA eingeschrieben, paar bestimmte Gene für die Fähigkeit zur Hoffnung. Bei ihm werden die extrem stark exprimiert und bei Guk sind die vielleicht einfach zumethyliert. Ja, so modifiziert, dass sie einfach nicht transkripiert werden können, da kommt keine Helikase oder so shit hin. Wär doch schön, wenn das so wäre, netter Forschungsansatz, dann könnte man vielleicht mit genetic engineering was machen da und einen Haufen dieser psychischen Krankheiten heilen.
Ja, ok, T glaubt's ja auch nicht, aber das sind die verzweifelten, müden Gedanken halt. Da klammert er sich an jeden Hoffnungsfunken eben.
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