der andere feuchte traum
Nachdem Guk also wieder hergerichtet ist, beginnt der Aufbruch. T packt den Gugelhupf und die Linsenreste ein, nimmt alles mit als Vorrat für seinen Freund. Pyjama und Zahnputzzeug braucht er nicht mitschleppen, hat er sowieso in der Wohnung gelagert. Somit ziehen sie sich also an, Schuhe, Jacke, T auch eine Haube, ja, das ganze Novemberpaket. Und dann stapfen sie los.
Sie halten sich an der Hand, als sie da durchs grauslig düstere Wien latschen und das ist allemal notwendig. T fühlt sich so verletzt, so sensibel nach dieser Offenbarung Guks, dass er den touch seines Freunds echt braucht. Er gibt sein Bestes, nicht über die Situation nachzudenken, denn dann würde er nur in eine dunkle Spirale wie bei Junji Ito sinken. Guk hingegen kommt sich vor, als wäre er kaputt. For real, er ist so exorbitant verwirrt von Ts Verhalten, dass er nicht mal dazu kommt, Angst zu schieben. Er setzt einfach nur einen Fuß vor den anderen, während seine mind blank ist. Schon komisch, er fragt sich, was da oben los ist, dass keine selbstgehässigen Gewehre auf ihn shooten. Aber joa, was soll er machen, dann halt keine Gedanken, auch nicht schlecht.
Reden tun sie nix, dafür ist T zu innerlich aufgewühlt und Guk zu leer. Als sie bei einer Tankstelle vorbeilaufen glotzt der Schwarzhaarige sehnsüchtig hinein zum Alkohol. Schmarrn, kaufen kann er jetzt ganz sicher nichts, vom Geld mal abgesehen würde T das probably nicht wollen. Ach, aber der Hennessy lächelt ihn so lieb an...Na ja, bissl Vorrat hat er eh noch daheim, muss reichen. Sonst schleicht er sich in der Nacht, wenn sein Freund pennt, einfach davon und besorgt sich was auf die eine oder andere (il-)legale Weise.
Nach kurzem Marsch und U-Bahn Trip kommen sie bei Guks Wohnung an. Der Schwarzhaarige entschuldigt sich und öffnet das Fenster, um einen Joint zu rauchen. T ignoriert es, legt sich aufs Bett und schließt die Augen. Er kann den morgigen Tag kaum erwarten, all seine Hoffnung steckt er in dieses Gespräch in der Psychiatrie. Danach muss sich was ändern. Die Situation, wie sie jetzt ist, ist eindeutig ein Auslaufmodell ähnlich wie der Kapitalismus vom vorigen Jahrtausend. Wie die Lösung der Lage dann aussieht, ist ihm ziemlich egal. Vielleicht geht Guk dann regelmäßig zur Therapie, bekommt was verschrieben oder eventuell weisen sie ihn echt ein. Früher hätte er zwar noch gehofft, dass sein Freund nicht stationär behandelt werden muss, aber mittlerweile juckt's ihn legit gar nimmer. Hauptsache es wird besser, egal wie.
Schläfrig gähnt T und schaut zum offenen Fenster, wo der Schwarzhaarige langsam raucht. Es kommt ihm vor, als wäre Guks Herz ein Loch. Als würde alles, mit dem man es zu füllen versucht, einfach durchfliegen und nicht hängen bleiben. Er fragt sich, wie man sowas behandeln, oder sogar heilen will, weil ihm fällt honestly nix mehr ein. Aber gut, er ist ja auch nicht professionell in dem business, also vielleicht geht's echt.
T muss nochmal gähnen und dreht den Kopf wieder ziellos Richtung Decke. Müdigkeit kickt ordentlich, kein Wunder, er hat nicht gut geschlafen lately. Seit dieser einen Nacht in der Bar, als Guk halb hinig am Kloboden gelungert ist, wird er diesen Moment und die damit verbundene Angst nicht mehr los. Vorm Einschlafen betet er in die Leere, dass sein Freund keine Überdosis oder so pumpt. Mitten in der Nacht plagen ihn hässliche Träume, Bilder vom leblosen Körper, dem eingefallenen Gesicht und matten Augen flackern vor ihm. Mehr als einmal träumt er von Guks Tod und jedes Mal läuft es so ab, dass T es irgendwie verhindern hätte können, aber zu langsam oder unachtsam war. Diese feuchten Träume, bei denen leider nur seine Augen Flüssigkeit lassen, sind die Hölle und danach kann er kaum mehr Schlaf finden.
Gut, dass T diese Nacht nicht allein ist. Guk ist grad fertig mit seinem jibbidy bibbidy und grundelt zu ihm unter die Bettdecke. Sie sehen sich an, beide liegen seitlich, damit sich das ausgeht auf der schmalen Matratze. Arme umeinander, Knie zusammen gestapelt und Zehen angestupst, so nah sind sie sich und trotzdem fühlt Guk sich ungeliebt und T sich unfähig.
"Willst du schlafen?", fragt der Schwarzhaarige, wobei er nach weed riecht.
"Weiß nicht. Du?"
"Mir egal"
Sie schweigen wieder. Und wäre Guk nicht in Plauderlaune vom verrauchten Gras, würde die Stille wahrscheinlich bis zum Morgengrauen andauern, aber so sind seine Lippen schneller als seine Gedanken und er labert drauf los.
"Bist du eigentlich sauer? Oder traurig? Weil ich mich ja geschnitten hab und...keine Ahnung, du hast gar nix dazu gesagt"
"Was soll ich dazu schon sagen? Ich weiß, dass du dich schuldig fühlst deswegen, das brauch ich nicht noch verstärken, indem ich vor die heul, wie schlimm ich das finde"
"...aber findest du's jetzt schlimm?"
"Warum interessiert dich das?", stellt T eine Gegenfrage, weil er das irgendwie nicht beantworten will.
"Na ja, wenn ich nicht weiß, was du magst und was nicht, weiß ich ja auch nicht, was ich machen darf und was nicht"
T gibt sein Bestes, sich sein Missfallen bei diesen Worten nicht anmerken zu lassen. Er wünscht sich, dass es schon morgen um die Zeit wäre.
"Du kannst machen, was du willst. Du brauchst dich da nicht nach mir richten, ich verurteil dich nicht für das, was du machst"
"Hä, also würd's dich nicht stören, wenn ich jetzt beim Fenster rausspring?"
Das ist für T wie ein Schlag ins Gesicht. Bitte, was? Er glaub, er hört nicht richtig. Seine Brust zieht sich auf einmal seltsam zusammen, unbewusst festigt er den Halt um Guks Oberkörper.
"Doch, das würd mich sehr stören. Mach das nicht, bitte, bitte mach das nicht"
"Ja, okay. Aber, ich check's halt nicht. Willst du jetzt, dass ich mich nach dir richte oder nicht?"
T überlegt. Und das ist gar nicht so einfach mit einem übermüdeten, traurigen Hirn. Aber er probiert's, nur kommt er leider nicht wirklich auf einen grünen Zweig. Ja, es wäre ihm lieber, wenn Guk für sich selber Entscheidungen treffen würde, seine Gefühle gechillt äußern könnte und sich nicht immer für ihn verbiegen würde. Aber da Guk, wenn er nur an das denkt, was er will, anscheinend zuerst den Suizid ins Hirn bekommt, stimmt T das schon eher besorgt. Who knows, vielleicht gäbe es schon am Zentralfriedhof einen Grabstein mit dem Namen des Schwarzhaarigen, wenn er sich nicht so verpflichtet fühlen würde, für T da zu sein. Doch der Lockenboy weiß nicht, was er mit diesem Gedankengang anfangen soll, weiß nicht, was er will und findet aus dem gedanklichen Dilemma nicht mehr heraus. Zu müde, morgen kommt da hoffentlich endlich ein etwas positiverer Wind in die Angelegenheit.
"Keine Ahnung. Ich will nicht, dass du stirbst...Aber, bereden wir das morgen, bin müde"
"Okay"
"Gute Nacht"
"Gute Nacht, schlaf gut"
"Du auch"
Und dann schlafen sie.
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