Kapitel 6
Das galoppieren der Hufe riss mich unsanft aus dem Schlaf. Apollo sah angespannt in den Wald hinein. Auch die anderen waren wach und Kampfbereit. Perseis trat an meine Seite.
„Cheiron geht endlich seiner Aufgabe nach. Es wurde jemand gesichtet !"
Perseis sah mich erschrocken an. Mein Herz begann augenblicklich schneller zu schlagen. Dann hatten die Zentauren unser Nachtlager erreicht.
„Apollo mein Herr. Jemand hat den Übergang zur Menschenwelt benutzt! Wir konnten ihn nicht mehr stoppen. Es war ein Wolf, auf dem jemand saß. Kurz darauf übertrat eine Harpyie die Grenze.", donnerte er.
„Wollt ihr mir damit sagen, dass nun eine Harpyie die Menschenwelt unsicher macht?!", gab er entsetzt von sich.
„Natürlich nicht, die Harpyie ist zurück gekehrt. Jedoch nicht der Wolf!"
Hermes dehnte derweil seine Muskeln, er war noch immer auf einen Kampf aus. Ich hingegen wusste, dass wir nun nicht zum Olymp zurück kehren würden. Denn wir mussten der Sache auf den Grund gehen. Jemand verstieß gegen sämtliche Regeln. Wenn dies wirklich unser Widersacher war, dann war er sehr leichtsinnig. Dom packte bereits alle Sachen zusammen während Cheiron mit einer kurzen Verbeugung davon galoppierte.
Minas sprach zu mir.
„Ich habe etwas gehört, bevor die Zentauren hier angekommen sind. Jedoch glaubte ich an einen Traum."
„Schon okay Minas. Es wird uns ein leichtes sein, ihn zu finden. Wenn er in der Menschenwelt ist."
Athene schulterte ihren Rucksack und sah uns erwartungsvoll an.
„Also wird die Reise fortgesetzt? Das habe ich doch richtig interpretiert.", grinste sie.
„Wenn wir wissen wollen wer hinter diesem ganzen Schlamassel steckt, müssen wir der Sache nachgehen!", donnerte Hermes und schlug mit seiner Faust auf seine Hand ein.
Herakles klang wütend. Ich konnte es nachvollziehen. Auch ich war wütend. Irgendwer spielte hier mit uns. Apollo deutete meinen Gesichtsausdruck und reichte mir entschlossen seine Hand.
„Natürlich werden wir der Sache nach gehen! Lasst uns keine Zeit verlieren!", herrschte er und an.
Herakles änderte die Richtung unseres Weges und wir liefen auf die Grenze zu. Allmählich vertrieb die Dämmerung das Dunkel der Nacht. Die aufsteigende Feuchtigkeit trug dazu bei, das der Nebel sich über uns legte. Was uns die Sicht erschwerte.
„Wenn es so neblig ist, kann ich rein garnicht's sehen! Wir müssen vorsichtig sein."
„Ich weiß Perseis. Uns wird schon nichts geschehen. Wir sind neun an der Zahl. Wer auch immer uns angreifen wird, wird verlieren. Mach dir nicht immer so viele Gedanken."
„Du hast gut reden! Ich bin ziemlich eingerostet! Immerhin ist der letzte Kampf fünfzehn Jahre her. Beim Hades, ich habe Das Pferd eurer Kinder gespielt und bin die Grenze abgelaufen."
Ich grinste in mich hinein. Apollo gab neben mir ein leises lachen von sich. Minas ging dicht an Arti's Seite. Er hatte wohl endlich seine Göttin gefunden, der er mehr vertraute als sonst jemandem. Als wir die Grenze erreicht hatten, konnte ich es deutlich spüren. Das Kribbeln zog durch meinen gesamten Körper. Es war wesentlich stärker als damals. Der Wald lag still und friedlich vor uns. Ich spitzte meine Ohren, während die beiden Wölfe zu wittern begannen.
„Argia! Sie war hier. Ich kann ihren Geruch deutlich wittern! Ich rieche auch diese dreckige Harpyie."
Minas knurrte bei seinen Worten. Auch Perseis knurrte heftig und fletschte die Zähne.
„Da ist noch ein Geruch den ich kenne! Ja sogar sehr gut. Ich kann ihn jedoch nicht wirklich zuordnen. Es müssen zwei Götter bei ihr gewesen sein."
Stunden liefen wir den Wald ab. Suchten sogar im Camp. Dort war jedoch alles friedlich. Konnte es sein, dass sie bereits zurück nach Athen gegangen waren? Vielleicht sogar in dem Moment, als uns die Zentauren berichteten? Die Grenzen waren einfach nicht genügend gesichert. Wir liefen erneut im Kreis. Die Hoffnung schwand, so kamen wir nicht weiter. Die Fährte endete an einer anderen Stelle der Grenze. Dort gingen wir zurück nach Athen. Diese Gegend kannte ich nur allzu gut. Wir standen am Fuße des riesigen Gebirges. In dessen inneren es etliche Höhlen gab. In einigen von ihnen hatten wir schon mehrere Male übernachtet und in einer von ihnen wohnte Talos. Ich persönlich war nicht scharf darauf, ihn an zu treffen. So weit wie jetzt, waren wir schon lange nicht mehr von Zuhause entfernt. Ich hoffte, das dort alles in Ordnung war...
Währenddessen im Olymp...
Als ich erwachte, war meine Schwester bereits auf. Was eigentlich seltsam war. Denn sie schlief normalerweise länger als ich. Ich streckte mich und stand auf. Meine Gedanken glitten zu Mum und Dad. Ich ging davon aus, dass sie bisher noch nicht zurück gekehrt waren. Sonst wären sie längst hier gewesen. Ich beschloss zu Oma und Opa zu gehen. Dort würde sich auch meine Schwester befinden.
Also lief ich die Stufen hinab zur großen Halle. Opa saß auf Vater's Thron und Oma stand neben ihm. Seltsamerweise war meine Schwester auch hier nirgends zu sehen. Argios war aber bereits hier.
„Leonas, ich wollte euch grade wecken. Ich habe euch das Frühstück vorbereitet."
„Danke Oma, dann geh ich davon aus dass Lenara bereits am Tisch sitzt. Sie hätte mich auch wecken können."
Verdutzt sahen sie mich an. Angst spiegelte sich in ihren Gesichtern. Opa erhob sich blitzschnell von seinem Thron.
„Wie meinst du das?! Ist sie nicht in eurem Gemach?!", donnerte er.
Okay. Jetzt bekam ich es auch mit dr Angst zu tun. Mein Herz begann zu klopfen. Argios Augen weiteten sich.
„Bei mir war sie auch nicht.", schüttelte er seinen Kopf.
Opa wuchs etwas in die Höhe. Seine gewittrige Aura leuchtete auf. Oma war weiß wie der Marmor, der die Wände der Halle zierte.
„Prometheus! Lenara ist verschwunden! Hast du sie gesehen?!", schrie er.
Prometheus eilte zu uns. Er sah geschockt aus.
„Niemand hat den Olymp verlassen Zeus. Ich habe die Ausgänge bewacht! Sie muss hier im Olymp sein.", gab er von sich.
Dann brach die Hölle los. Opa donnerte so laut, dass alle götter innerhalb weniger Sekunden versammelt waren. Wir begannen sie zu suchen. Doch von Lenara war nichts zu sehen. In der Küche stand das Fenster offen. Ich wusste wie sehr sie die Natur liebte. Ich selbst war auch lieber an der Luft, als im Inneren des Olymp's. Ich hatte Angst, Angst um meine Familie. Wir suchten den ganzen Vormittag, sogar im Innenhof. Lenara tauchte jedoch nicht wieder auf.
Das einzige was ich fand, waren ihre Fußspuren. Doch die endeten mitten auf der Wiese. Wie konnte das geschehen? Eos stand bei Opa, sie sah besorgt aus.
„Glaubst du Lenara ist weggelaufen?", fragte Argios mit trauriger Miene.
„Ich weiß es nicht Argios. Irgendetwas muss geschehen sein. Du kennst sie doch. Niemals würde sie solch eine Regel brechen. Zumal sie wusste, dass uns jemand versucht zu bekämpfen.", flüsterte ich.
„Was wenn dieser jemand, Lenara in seiner Gewalt hat? Was glaubst du was sie jetzt tun werden?", drängte er weiter.
„Ich habe keine Ahnung. Die besten Kämpfer sind mit unseren Eltern unterwegs. Wenn Prometheus nun auch den Olymp verlässt, sind wir hier sehr geschwächt. Opa sollte seine Brüder ins Vertrauen ziehen.", entgegnete ich meinem Cousin.
„Ich denke das wird er tun. Ich würde auch gerne helfen."
Ich konnte Argios verstehen. Immerhin war es meine Schwester, die verschwunden war. Doch was konnten wir schon unternehmen. Mein Herz wog schwer, in sorge um meine Familie. Opa hatte einen Rat zusammengetrommelt. An dem wir natürlich nicht Teil nehmen durften. Stunden diskutierten sie. Man hörte Opa wüten. Oma saß derweil mit uns in der Küche, ihr Blick war besorgter denn je.
„Wir werden sie finden Leonas. Opa wird alles in Bewegung setzten. Ihr wird nicht's geschehen.", versuchte sie uns zu beruhigen.
Wie denn auch sie war eine Göttin. Sterben konnte sie zum Glück nicht. Aber Schmerzen erleiden und das war schon mehr als genug. Sie konnte das Druckmittel sein. Opa sandte Eos, Helios und Selene aus. Sie sollten die nähere Umgebung absuchen und erfragen, ob jemand Lenara gesehen hatte. Umgehend machten sie sich auf den Weg. Ich hoffte sie werden sie finden...
Irgendwo in Athen...
Ich fühlte mich völlig übermüdet. Argia führte uns auf ein riesiges Feld. Immer wieder witterte sie und änderte ihre Richtung. Nikos war fit wie eh und je. Ein wenig seltsam war das schon. Junge Götter ermüdeten noch schneller als erwachsene. Aber ich hatte die Nacht, in der meine Familie aufbrach, nicht gut geschlafen. So schob ich meine Müdigkeit auf den fehlenden Schlaf, der letzten zwei Nächte.
Argia blickte verstohlen zu mir rüber. Auf ihrem Gesicht lag ein Blick, den ich nicht deuten konnte. Umso erleichterter war ich, das Nikos uns begleitete. Während wir über dieses riesige Feld schritten, nahm er meine Hand. Es fühlte sich unglaublich gut an.
„Sag Lenara, wie ist es so im Olymp. Ich meine wie waren die letzten Jahre. Ich hatte ja nicht die Möglichkeit, mich lange mit den anderen zu unterhalten."
Ich sah Argia an. Ein wehmütiges Lächeln erschien auf meinem Gesicht.
„Ich weiß ja nicht wie es vorher war. Aber alles war perfekt. Frieden herrschte all die Jahre. Herakles ist mit Frau und Kinder zurück in den Olymp gezogen. Tägliches Kampftraining stand auf dem Plan. Gemeinsames Abendessen. Alle waren glücklich. Perseis ist mein persönlicher Beschützer. Ich liebe diesen Wolf."
Argia sah noch bestürzter aus. Irgendetwas stimmte nicht. Im Gefühle verbergen war sie nicht sonderlich gut.
„Früher war das alles ganz anderes. Streitigkeiten bestimmten den Tagesablauf. Jeder wollte über den Olymp herrschen. Die Götter widerten uns an. Dann kam die Reise. Apollo, dein Vater, war der einzige Gott dem ich vertraute. Er war einfach anders. Ich freue mich, dass er den Olymp nun führt. Lenara... ich..."
Weiter kam sie nicht. Nikos unterbrach unsere Stille Konversation. Er warf ihr einen seltsamen Blick zu, den ich nicht deuten konnte.
„Wir sollten in einer der Höhlen rasten. Es wird bald dunkel und ich bin ziemlich erschöpft. Da vorne ist ein Eingang. Seht ihr ihn?"
Ich kniff meine Augen zusammen und konnte die Höhle erkennen. Er hatte recht. Ich benötigte dringend etwas Schlaf. Wir steuerten die Höhle an und traten vorsichtig ein. Irgendwie fühlte ich mich hier unwohl. Hier stimmte etwas ganz und garnicht. Ich hatte so ein seltsames Gefühl. Argia ging weiter hinein, um sich zu vergewissern dass hier nicht's auf uns lauerte.
„Die Höhle ist sicher. Wir sind hier alleine, ihr könnt also beruhig schlafen. Ich werde Wache halten."
„Ich danke dir Argia."
Erschöpft ließ ich mich zu Boden. Es dauerte nicht lange bis ich in die Traumwelt glitt.
So bemerkte ich auch nicht, dass Nikos wieder aufstand. Leise Schlich er sich davon. Tiefer in die Höhle rein...
Chaos...
Ich habe dieses Mädchen, sie vertraut mir. Gut dass uns bisher niemand auf die Schliche gekommen ist. Doch die Wölfin muss ich wach rütteln. Sie war es doch, die mir dieses Angebot unterbreitete. Jetzt wurde sie weich. Ich darf nicht zulassen, dass die ihr von mir erzählt. Ich muss in den Tartaros gelangen. Wo zum Hades ist diese nichtsnutzige Harpyie? Sie sollte doch den Jungen bewachen. Alles muss man hier selbst machen.
„Hallo Nikos. Hier, etwas Wasser für dich. Du sollst ja nich auf der Stelle sterben. Übrigens Lenara ist hier. Sie ist eine hübsche junge Göttin, wäre sie nur nicht die Tochter von Lena."
Warum habe ich mich auf Chaos eingelassen. Dieser arme Junge. Wenn es wirklich stimmt was Lenara sagte, kann ich die Götter nicht verraten."
„Ah, Argia. Was zum Hades sollte das?! Ich warne dich nur einmal. Du hast dein Leben, doch ich werde es dir nehmen wenn sie von mir erfährt."
„Ich habe ihr nicht von dir erzählt Chaos. Nur gefragt wie es im Olymp derzeit ist. Nicht mehr und nicht weniger. Ich habe deine Warnung verstanden."
„Das ist auch besser für dich. Wir müssen den Styx erreichen, ehe uns die anderen auf die Schliche kommen. Ganz Athen ist bestimmt schon in heller Aufruhr."
Die Wölfin nickte mir zu, sah einmal wehleidig zu Nikos und schritt zurück. Es war so unglaublich schwer seine Rolle zu spielen. Es widerte mich an, gut zu sein. Es lag einfach nicht in meinem Naturell. Schon bald wird Kronos frei sein. Dann werden sie alle vor seiner Macht erzittern. Dies stimmte mich glücklich.
Was soll ich nur tun. Ich wollte das alles nicht. Nicht nachdem ich gehört habe, was Lenara mir berichtete. Ihre Mutter war damals auch nett zu mir. Sie war der Grund, der alles veränderte. Dank ihr hat sich alles zum besseren Gewand. Ich muss ihr einen Hinweis geben. Morpheus! Dies war die einzige Möglichkeit, mit ihr in Verbindung zu treten. Er würde ihr berichten, da war ich mir sicher. Denn er wird schon wissen, dass ich noch lebte und er wird versuchen in meine Träume zusehen. Ich darf ihn nicht aussperren.
Als ich zurück zu dem Mädchen schritt, lag auch die Wölfin und schlief. An Schlaf war für mich nicht zu denken. Zu aufgeregt war ich. Endlich wird der Olymp fallen. Gaia wäre stolz...
Ganz in der Nähe...
Der Weg den wir bisher zurück gelegt hatten, hatte es in sich. Die letzten Tage gab es für keinen von uns einen erholsamen Schlaf. Es kam mir allmählich unwirklich vor. Wir suchten die gesamte Umgebung ab, doch Hinweise fanden wir keine. Nun standen wir vor dem riesigen Gebirge. Ich konnte bereits das tosen des Styx in der ferne hören. Die zu Anfangs euphorische Stimmung, war verschwunden. Wir traten auf der Stelle. Perseis drang in meinen Kopf ein.
„Lena, wir sollten zu Dionysos gehen. Ich denke wir benötigen alle etwas Schlaf. Von hier aus ist es nicht mehr weit!"
Das war eine fabelhafte Idee. An den Gesichtern der anderen konnte ich erkennen, dass Perseis es Ihnen ebenfalls mitteilte. Die Mundwinkel aller, zuckten in die Höhe.
„Zu einem guten Wein, sag ich niemals nein!"
Herakles lachte über Hermes Bemerkung. Also steuerten wir den Weg zu Dionysos an. Ein Lächeln lag auf meinen Lippen, als ich das Tal mit seinen Weinreben und Wasserfällen erblickte. Es war noch genauso traumhaft, wie ich es in Erinnerung hatte. Die von weitem unscheinbare Villa lag inmitten der Weinberge.
Ich pflückte mir ein paar der besten Weintrauben, die es je gegeben hatte. Was würde sich Leonas und Lenara darüber freuen. Die Sorge um meine Kinder wuchs erneut. Wir bogen auf den kleinen Weg ein, die Villa lag nun unmittelbar vor uns. Hermes war ungeduldig. Er klopfte gegen die Tür. Es dauerte nicht lange, da öffnete uns der gut aussehende Dionysos die Tür. Verdattert sah er in strahlende Gesichter. Ungläubig rieb er seine Augen, dann donnerte sein Lachen in die Stille des Tales. Er zog jeden von uns in eine kräftige Umarmung, ehe wir in sein Haus eintraten.
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