Lena
Genervt sah ich aus dem Fenster, während mein Bruder sich aufgeregt mit Dad unterhielt. Seit Wochen gab es kein anderes Gesprächsthema mehr als das Feriencamp. Dom war wie besessen davon. Ich hingegen wäre lieber Zuhause geblieben oder zu Grandma gefahren. Ich verstand einfach nicht aus welchen Grund wir in dieses Feriencamp mussten, während Mum und Dad den Urlaub ihres Lebens machten.
„Lena, überleg mal. Urlaub ohne Eltern, gemeinsam mit anderen Jugendlichen. Neue Freunde finden, Party's feiern und Kurse belegen. Das wird super werden, glaube mir.", hatte Dom euphorisch an diesem Tag gesagt, als Mum und Dad uns darüber informierten.
Ihm stand die Begeisterung förmlich ins Gesicht geschrieben. Mich beschlich eher ein ungutes Gefühl. Ich war noch nie die Person, die offen auf andere zu ging. Ich war eher die Einzelkämpferin. Schüchtern und zurück haltend, der unscheinbare Part unserer Familie.
Dom hingegen stand gerne im Mittelpunkt. Das tat er schon immer. Er war ein klasse Sportler, was man seinem Körper auch deutlich ansah. Ein gut durchtrainierter braungebrannter Body, welcher etlichen Mädchen den Kopf verdrehte. Sie hingen an ihm wie Kletten an deren Sträuchern. Dom war einfach eine beeindruckende Persönlichkeit und sah nebenbei auch noch gut aus.
Wie oft haben sich Mädchen um seine Gunst gestritten? Ich hatte aufgehört zu zählen.
Ich hingegen stand eher auf die düsteren Geheimnisvollen Typen. Welche, die den gefährlichen unnahbaren raushängen ließen. Jedoch war ich viel zu schüchtern einen solchen Typ anzusprechen.
Weshalb ich mit meinen siebzehn Jahren noch immer keinen Freund hatte.
Nicht das ich hässlich wäre, zum Glück hatten wir gute Gene. Ich war einfach nicht selbstbewusst genug. Vielleicht lag es auch an meiner eigenen Wahrnehmung. Irgendwie passte mein Bild nicht wirklich zu dem Rest meiner Familie. Ich hatte eine helle sommersprossige Haut und Pechschwarze gelockte Haare. Mit meinen ein Meter achtundsechzig war ich auch somit die kleinste in unserer Familie. Mein Körper war sportlich gebaut, nicht zu dünn oder zu dick. Auch mit meiner Augenfarbe hob ich mich von den anderen ab. Die meinen waren strahlend blau, während meine Eltern und Dom braune Augen hatten. Man könnte meinen ich wäre adoptiert worden. Wenn Dom mir nicht so ähnlich sehen würde. Was bei eineiigen Zwillingen ja so üblich war. Wir waren schon eine kleine Sensation. Den dieses Phänomen trat unter Hunderttausenden nur einmal auf. Eine sehr seltene Mutation, so zu sagen.
„Lena, liebes wo bist du mit deinen Gedanken? Ist alles in Ordnung?", ertönte die sanfte Stimme meiner Mutter über das Gespräch der beiden Männer hinweg.
Sie sah mich nachdenklich mit einem leichten lächeln auf ihren Lippen an.
„Ja, alles in Ordnung. Es ist nur... könnt ihr mich nicht doch einfach zu Grandma bringen?
Sie würde sich sicherlich freuen.", gab ich fast schon flehend zurück, obgleich ich die Antwort bereits kannte.
„Lena, darüber haben wir bereits mehrere Male gesprochen. Du kannst keine sechs Wochen bei Grandma bleiben. Du weißt sie ist krank, du würdest weder ihr noch dir einen Gefallen damit tun.", tadelte sie mich bedauernd. „Camp Valerian wird dir zusagen, das verspreche ich. Es gibt tolle Freizeitbeschäftigungen und du kannst bereits Kurse für das nächste Semester belegen, neue Freunde kennenlernen. Dein Vater und ich haben uns dort kennen und lieben gelernt.", fügte sie schwärmend hinzu.
Dad sah sie lächelnd an und berührte dabei zärtlich ihr Bein.
„Ja ich weiß, aber du kennst mich Mum. Ich bin alles, aber nicht gesellig. Alte Leute wären mir in dem Fall tausend mal lieber. Sie sind wesentlich unkomplizierter.", antwortete ich ihr und sah erneut aus dem Fenster.
Der dumpfe Schlag gegen meinen Arm ließ mich leicht zusammen zucken. Ich rieb mir die Stelle und blickte meinen Bruder angesäuert an.
„Weil ja alte Leute so unkompliziert sind, Sonnenschein!", gab er lachend von sich, wobei er das "so" dramatisch in die Länge zog.
Egal wie sehr ich mich auch bemühte nicht zu lachen, es war unmöglich. Sein Lachen war einfach ansteckend und er hatte ja auch recht. Ich würde nicht mal zwei Wochen bei Grandma aushalten.
Einmal mehr erfreute ich mich daran, dass Dom und ich uns so gut verstanden. Ein kleiner Lichtblick in Bezug auf das Camp. Es machte das ganze erträglicher, zu wissen, dass mein Zwillingsbruder gemeinsam mit mir dort sein würde.
„Eure Mutter hat recht, dieses Camp wird eine tolle Erfahrung für euch sein. Ihr werdet neue Freundschaften schließen und einen tollen Sommer erleben.", unterstützte Dad Mum's Aussage.
Was ich erneut belächelte. Ich und Freunde finden. Mein Freundeskreis bestand aus Sarah und Lukas und das auch nur weil sie mit Dom befreundet waren. Es lag nicht an den anderen, es lag an mir. Ungern ließ ich jemanden an meinem Leben Teil haben. Ich wollte nicht verletzt werden.
Dom bemerkte meinen verbitterten Gesichtsausdruck und legte behutsam seinen Arm um mich.
„Warum so besorgt Sonnenschein? Ich bin bei dir, wir werden Spaß haben und ich gebe auf dich acht. Dafür sind Brüder da.", flüsterte er mir aufmunternd zu.
„Schon gut, ich habe es verstanden. Aber nur, wenn du mich nicht Sonnenschein nennen wirst. Es ist mir peinlich wenn du es vor anderen Leuten aussprichst.", gab ich augenrollend zurück.
„Ich dachte du magst deinen Kosenamen?", fragte er entsetzt und zog eine Schnute.
„Natürlich mag ich ihn, aber eben nur wenn wir alleine sind. Es ist mir eben peinlich, das verstehst du doch?", versuchte ich ihm liebevoll beizubringen und gab ihm einen sanften Schubs mit meiner Schulter. Verständnisvoll nickte er mir zu.
„Wir sind gleich da.", warf Dad ein und unterbrach somit unsere Konversation, während er fröhlich vor sich hin lächelte.
Dad schien sich auf die Zweisamkeit riesig zu freuen. Was man ihm nicht verübeln konnte.
Diesen Urlaub hatten sie lange geplant. Jetzt da wir so gut wie volljährig waren, konnten sie ihn endlich wahrnehmen. Ich gönnte es den beiden.
Dad bog in eine unbefestigte Straße ein. Circa zwanzig Meilen führte sie in Serpentinen durch einen Wald, der wie in einem Märchen aussah. Die Bäume standen in voller Blüte und ihre Blätter waren in den verschiedensten grün Tönen gefärbt. Ich liebte die Natur, sie gab mir ein Stück Freiheit zurück. Zwischendurch konnte man einen Blick auf die Berge, Seen und Felder erhaschen, welche unseren Weg schmückten.
Ein leicht mulmiges Gefühl hatte ich schon, immerhin saßen wir mitten im Wald. Irgendwo in den schottischen Highlands, fernab von Städten und Dörfern.
Angeschnitten von der Außenwelt.
Dies war der bisher heißeste Sommer hier, zumindest stand es so in der Zeitung. Selbst meine geliebte Natur wollte mir einen Strich durch die Rechnung machen. Ich mochte es lieber mild und ich mochte den Regen. Denn Sonne vertrug meine helle Haut nicht sonderlich gut. Mum hatte jedoch vorgesorgt. Etliche Tuben Sonnencreme hatte sie mir eingepackt, damit ich mir keinen Sonnenbrand zuziehen sollte. Wofür ich ihr nun auch sehr dankbar war.
Als Dad die letzte Kurve fuhr, staunte ich nicht schlecht. So schön hatte ich es mir nicht vorgestellt.
Eine weite Lichtung umsäumt von Mischwäldern, in der Ferne war ein Gebirge zu erkennen. An dessen Fuße ein weitläufiger See zu sehen war. Die Reflexion der Sonne ließ ihn funkeln. Wie Sterne am Firmament.
Hunderte Hütten, als wären sie eben erst wie Pilze aus dem Boden geschossen, bildetet mehrere Kreise, in dessen letzten eine weitaus größere Hütte Platz fand. Dom rutschte aufgeregt neben mir hin und her.
Der Parkplatz war nicht sonderlich groß, es parkten auch nur wenige Autos dort. Was Dad das einparken erleichterte. Als wir standen öffnete ich die Tür und sog die frische klare Luft in mir auf. Ich musste mich erst einmal strecken. Immerhin hatten wir eine neunstündige Autofahrt hinter uns. Dafür war ich nicht gemacht, meine Muskeln schmerzten. Hier war schon allerhand los.
Überall waren kleine Gruppen von Jugendlichen unterwegs. Eine kleine Gruppe Mädchen spähte zu uns rüber und kicherten tuschelnd vor sich hin. Ich folgte ihren blicken und wusste augenblicklich den Grund für ihre Reaktion.
Dom zwinkerte ihnen lächelnd zu und nahm seinen Koffer aus dem Auto. Augenrollend wandte ich mich ab und kämpfte derweil mit meinem Koffer.
„Was?", fragte Dom grinsend. „Ich kann nichts dafür, ich bin auch nur das Objekt ihrer Begierde.", sprach er weiter und grinste noch breiter.
„Ja klar, es tut mir sehr leid, dass du das Opfer hier bist, hab ich nicht gewusst. Als wenn dir das nicht gefallen würde!", gab ich sarkastisch zurück und hatte meinen Koffer endlich gebändigt.
„Lena, Dom hier sind eure Anmeldungen.", unterbrach uns Dad und reichte uns zwei Schriftstücke. Während er immer wieder einen Blick auf seine Uhr warf.
„Habt Spaß und Gebt aufeinander acht. Tut nichts, was wir nicht auch tun würden.
Und jetzt kommt schon her, Ich möchte meine Kinder umarmen!", sprach er weiter und öffnete grinsend seine Arme. Es war eine kurze schnelle Verabschiedung, denn die beiden standen unter Zeitdruck. Aber sie war nicht weniger liebevoll. Das Verhältnis zu unseren Eltern war mehr als gut.
Wir sahen zu wie sie den Parkplatz verließen, ich vermisste sie bereits jetzt.
Nervös sog ich die Luft ein und kehrte dem Parkplatz den Rücken.
„Na komm Lena, lass uns mal die Anmeldung suchen.", sprach Dom Händereibend.
Ohne Aufforderung nahm er auch meinen Koffer und trug sie mühelos.
Die Anmeldung war leicht zu finden. Es war direkt die erste Hütte hinter dem Parkplatz.
Ihre Tür stand weit offen, also traten wir ein. Vor uns stand die Gruppe Mädchen, welche Dom vorhin schon angehimmelt hatten. Sie nahmen grade ihre Schlüssel entgegen. Ein Mädchen mit langen blond gelockten Haaren, welches nicht zu ihnen zu gehören schien, wandte sich zu uns um. Freundlich lächelte sie mir zu. Sie war so wunderschön, wie ich es selten gesehen hatte. Ihr Antlitz glich dem einer Gottheit. Zwinkernd trat sie an mir vorbei und verschwand aus der Hütte. Ich blickte mich fragen nach Dom um, doch er studierte die Aushänge an der Pinnwand. Hatte sie wirklich mir zu gelächelt? Vielleicht dachte sie, sie würde mich kennen. Bestimmt hatte sie mich mit jemandem verwechselt. Auch das Grüppchen drängelte sich nun an und vorbei. Eine rothaarige stolperte rein zufällig und prallte gegen Dom. Oh wie offensichtlich dies war, umgehend machte sie ihm schöne Augen und verschwand lächelnd aus der Tür.
Hinter dem Tresen lugte eine kräftige ältere Dame hervor, die uns freundlich anlächelte.
„Hallo ihr zwei, mein Name ist Doris, ihr könnt mir eure Anmeldungen geben und euch bitte hier eintragen.", sagte sie freundlich und gab uns eine Liste.
„Danach werde ich euch die Schlüssel zu euren Hütten überreichen. Die Begrüßung findet in zwei Stunden in der großen Hütte des Camps statt. Für Fragen stehe ich allzeit bereit.", sprach sie weiter und überreichte mir einen Stift.
„Danke, ich hätte da schon eine Frage. Werden mein Bruder und ich gemeinsam in einer Hütte nächtigen?", fiepte ich und übergab Dom den Stift, während ich sie leicht errötet ansah.
„Tut mir leid mein liebes Kind, aber gemischte Hütten werdet ihr hier im Camp Valerian nicht finden. Aber eure Hütten liegen nahe beieinander.", lächelte sie mir verständnisvoll entgegen und heftete unsere Anmeldungen in einen Ordner.
Ich hatte es bereits geahnt, doch nun hatte ich Gewissheit. Es gefiel mir überhaupt nicht, mir mit fremden Leuten eine Behausung zu teilen. Jedoch blieb mir keine andere Wahl.
„Danke Doris, das ist schon in Ordnung. Wir verstehen das es regeln gibt.", warf Dom ein und reichte ihr Liste und Stift zurück. Während sie uns die Schlüssel übergab, an denen je ein Anhänger befestigt war. Sie lächelte uns aufmunternd zu und begrüßte bereits die nächste Gruppe.
Draußen im Freien atmete ich erst einmal auf. Den Schlüssel ließ ich nervös zwischen meinen Fingern hin und her gleiten. Dom sah mich an, stellte unsere Koffer ab und suchte meinen Blick.
„Kopf hoch Lena, es war doch klar, dass wir in verschiedenen Hütten untergebracht sind. Stell dir mal vor was hier los wäre, wenn Jungs und Mädchen sich ein Bett teilten, hmm? Komm ich bring dich erst mal zu deiner Hütte.", sagte er und hob mein Kinn, sodass ich ihm in die Augen blicken musste.
Nickend überreichte ich ihm meinen Schlüssel. Dom schien mit dieser Situation wesentlich weniger Probleme zu haben als ich. Er hatte ja recht, aber eine Wohnung mit fremden zu teilen gefiel mir überhaupt nicht. Mich beschlich ein mulmiges Gefühl, welches sich in meiner Magengrube langsam ausdehnte. Was Dom natürlich nicht entging. Immer wieder spürte ich seinen Blick auf mir ruhen. Er wusste genau, dass mir dies überhaupt nicht gefiel. Vor meiner Hütte blieben wir stehen. Er setzte meinen Koffer ab und sah mich an.
„Soll ich mit dir rein gehen?", frage er liebevoll. „Nein schon gut. Ich schaffe das.", entgegnete ich ihm und nahm meinen Schlüssel entgegen."Kommst du mich später abholen?", hing ich verunsichert an.
„Natürlich Schwesterherz. Ich werde hier auf dich warten.", gab er mir zuversichtlich zu verstehen. Zum Abschied gab er mir einen sanften Kuss auf meine erhitzte Stirn.
Ich sah ihm eine Weile nach ehe ich mich der Tür zuwandte.
Tief sog ich die Luft in meine Lungen und schloss meine Augen.
Komm schon Lena, sei nicht so ein Angsthase. Du schaffst das, was soll schon groß geschehen?
„Hey du! Geht es dir gut? Ich meine du bist hier doch nicht festgewurzelt, oder?", riss mich der Glockengesang ihrer Stimme zurück in die Realität. Erschrocken wandte ich mich um, mir stockte der Atem. Das Mädchen mit den langen blond gelockten Haaren stand vor mir und lächelte mir freundlich entgegen. „Ich bin Eos, dies ist auch meine Unterkunft.", gab sie nun etwas verunsichert von sich. Doch ihr Lächeln erreichte noch immer ihre großen leicht schrägstehenden Augen. Welche blau wie das Meer im Mondschein funkelten. Welch einen schönen Namen sie trug. Eos, wie die Göttin der Morgenröte. Die griechische Mythologie faszinierte mich bereits als junges Mädchen. Dies war auch der Grund, warum ich jene Studierte. Bei Gelegenheit musste ich sie nach der Herkunft ihres Namens fragen.
Beschämt tritt ich auf der Stelle und spürte wie die Hitze mir in meine Wangen kroch.
„Entschuldige, ist mein erstes Mal in einem Camp. Meine Eltern dachten, ein gemeinsamer Urlaub würde meinem Bruder und mir gut tun. Ich wollte dich nicht unnötig zu Texten.", fiepte ich und spürte die Hitze erneut empor steigen.
„Freut mich dich kennenzulernen Lena. Es ist auch mein erstes Mal in einem Camp. Sollen wir uns das Domizil anschauen?", entgegnete sie mir mit einem leicht südländischen Akzent und reichte mir lächelnd ihre Hand.
Nickend reichte ich ihr die meine. Ich wandte mich der Tür zu und schloss sie mit zittrigen Händen auf. Als wir eintraten staunte ich nicht schlecht. Die Hütte sah im Inneren garnicht so aus als solche. Wir standen in einem modern eingerichteten Wohnzimmer, dessen Decken und Wände in Weiß gehalten waren. Einige landschaftliche Gemälde zierten die Wände und brachten so etwas Farbe hinein. Eos schritt weiter in den Raum. „ Hallo? Ist schon jemand hier?", fragte sie und wartete auf eine Antwort.
Wir schienen jedoch die ersten zu sein. Schulterzuckend sah sie mich an.
„Wir sollten unsere Zimmer auswählen, solange noch niemand hier ist haben wir freie Wahl.", sprach sie und setzte ihren Koffer ab.
Fünf weitere Türen säumten den Wohnraum.
„Du hast recht, wir sollten einen Blick riskieren. Ich bin gespannt wie die Zimmer eingerichtet sind.", flüsterte ich aufgeregt und schritt zur ersten Tür.
Jedes der Zimmer besaß ein großes Bett, einen zweitürigen Kleiderschrank mit Spiegel und einen Schreibtisch, welcher unter dem Fenster platziert war. Das beste jedoch war das kleine Badezimmer, welches jedes Zimmer besaß. Dies beruhigte mich ungemein.
Doch was mir am besten gefiel, war die wundervolle Aussicht. Von hier aus hatte ich einen freien Blick auf den See und das dahinterliegende Gebirge.
„Wenn es für dich in Ordnung ist, würde ich gerne dieses Zimmer nehmen.", stammelte ich und spürte die Hitze in meinen Wangen.
„Natürlich, ich nehme das Zimmer gleich nebenan. Sollen wir später gemeinsam zur Begrüßung gehen?", lächelte sie fröhlich.
„Sehr gerne, dann lernst du gleich auch meinen Bruder kennen. Er kommt mich abholen.", antwortete ich ihr und war glücklich, dass sie so herrlich unkompliziert war.
„Schön! Das trifft sich gut, dann lernst du auch meine Geschwister kennen. Ich werde mich nun eben erfrischen.", flötete sie und verschwand aus der Tür.
Lächelnd hievte ich meinen Koffer auf das Bett und stellte meinen Laptop auf den Schreibtisch. Danach räumte ich meine Kleider in den Schrank. Die Vorstellung aus einem Koffer zu leben, kam für mich überhaupt nicht in Frage. Bei mir musste alles seinen festen Platz haben.
Ich entschloss mich ebenfalls duschen zu gehen. Das warme Wasser würde meiner verspannten Muskulatur gut tun. Mein Badezimmer war in feuchten Nebel gehüllt. Mit der Hand wusch ich über den Spiegel um mich darin besser sehen zu können. Meine Haare fielen mir locker über die Schultern, Fönen war nicht nötig bei dieser Hitze. Ich trug schnell noch Kajal, Mascara und etwas von dem Lipgloss auf, welchen ich so gerne mochte. Mehr Make up besaß ich nicht, da ich selten ausging. In mein Handtuch gehüllt, huschte ich zurück in mein Zimmer. Schlüpfte in meine Lieblingsjeans und zog ein schwarzes top an, als es an meiner Tür klopfte.
„Störe ich?", ertönte Eos Stimme. „Wir sind noch immer alleine hier, darf ich zu dir rein kommen?", fragte sie und wartete auf meine Antwort.
Meine innere Stimme warnte mich leicht alarmiert, wie sie es immer tat, wenn jemand sich meiner Privatsphäre annäherte. Ich schob meine schlechten Gefühle jedoch beiseite, es werden nur sechs Wochen sein. Außerdem fand ich Eos wirklich nett, besser wenn ich mich mit meinen Mitbewohnerinnen in dieser Zeit gut verstand. Also sprang ich über meinen Schatten.
„Nein du störst keineswegs, ich bin grade fertig geworden. Komm ruhig herein.", antwortete ich ihr mit einer leichten Vibration in meiner Stimme. Ich war einfach immer viel zu nervös.
Erleichtert betritt sie lächelnd mein Zimmer und setzte sich im Schneidersitz auf den Boden.
Ich ließ mich gegenüber von ihr nieder und versuchte meine Angespanntheit durch reden zu lösen.„Du sagtest eben, dass du auch Geschwister hast? Wieviele hast du den?"
„Ja genau. Zwei, einen Bruder und eine Schwester. Wir verstehen uns ziemlich gut, was mich umso mehr erfreut, mit ihnen und unseren Cousinen und Cousin's hier zu sein. Du musst wissen, ich gehöre zu einer sehr großen Familie.", zwinkerte sie mir zu.
„Das freut mich. Auch ich verstehe mich super mit meinem Bruder. Ihr seid aber nicht hier aus der Gegend, oder? Ich meine du hast einen leicht südlichen Akzent." gab ich zurück und knetete nervös meine Hände.
„Familie ist das wichtigste Gut im Leben.", nickte sie mir verschwörerisch zu. „Nein, du hast recht. Wir sind vor einem knappen Monat von Athen hierher nach Schottland gezogen. Meine Mum hatte hier ihre Wurzeln, sie wollte unbedingt wieder zurück. Nun wohnt meine gesamte Familie hier. Ich finde es hier sehr schön, zumindest der Sommer ähnelt dem in Griechenland, auf den Winter bin ich gespannt.", sprach sie weiter und zog die Nase kraus.
Bereits bei dem Wort Athen, hatte sie das Eis endgültig gebrochen. Das leicht mulmige Gefühl hatte sich in Luft aufgelöst. „Du bist Griechin?! Wie toll ist das denn? Daher trägst du auch den Namen der Göttin der Morgenröte. Ich liebe Griechenland! Die griechische Mythologie ist unglaublich interessant, auch wenn du mich jetzt für verrückt erklärst, ich Studiere sie bereits im zweiten Semester.", gab ich stolz von mir.
„Wirklich? Das ist ja ein Zufall. Ich finde es toll. Jeder sollte das machen, was er liebt. Respekt. Alle in meiner Familie tragen diese Namen. Meine Ur Ur Urgroßmutter hatte damit begonnen und dies zieht sich nun wie ein roter Faden durch unsere Familie. Es ist eine Tradition geworden. Dein Name ist übrigens auch griechischen Ursprungs, Lena wird abgeleitet von Helena. Was übersetzt soviel wie Sonnenschein oder die Leuchtende bedeutet.", lächelte sie, während ihre Augen wehmütig funkelten.
„Eine wirklich tolle Tradition. Ja mein Bruder nennt mich auch immer Sonnenschein. Es ist sein Kosenamen für mich. Ich bin gespannt darauf, deine Geschwister kennenzulernen.", lächelte ich ihr zu und war erleichtert, nicht mehr ganz so nervös zu sein.
„Hallo!? Ist schon jemand hier?", unterbrach eine kraftvolle Stimme unsere Interessante Konversation. Fragend sahen wir uns an und standen auf. Eos eilte ins Wohnzimmer und ich folgte ihr, erneut klopfte mein Herz einen Takt schneller. Ich hoffte, dass dieses Mädchen genauso unkompliziert und nett wie Eos war.
Vor uns stand ein top gestyltes Mädchen mit drei Koffern und lächelte uns erleichtert an.
„Hey, ich bin Vanessa, ihr könnt mich aber ruhig Vanny oder Nessa nennen. Bin ich froh, nicht alleine zu sein. Letztes Jahr bekam ich erst in der letzten Woche eine Mitbewohnerin.", sagte sie und fuhr sich theatralisch ans Herz.
„Hey ich bin Eos und das ist Lena. Dann hast du dieses Jahr Glück. Noch sind drei Zimmer frei, du solltest dir eins aussuchen. Möchtest du uns später zur Begrüßung begleiten?", gab Eos freundlich zurück.
„Danke euch beiden, dass ist sehr nett. Ich geh mich eben noch einrichten und frisch machen." nickte Vanessa und schleppte ihre Koffer in das erste Zimmer, gegenüberliegend von den unseren. Sie schien nett zu sein. Zumindest der erste Eindruck war gut. Auch wenn sie für meinen Geschmack zu sehr an Mode interessiert war. Aber jedem das seine.
Das erste mal seit einer sehr sehr langen Zeit, fühlte ich mich wohl im Beisein fremder Menschen. Ich mochte Eos bereits jetzt schon sehr gerne. Vielleicht könnte daraus ja doch eine Freundschaft entstehen. Sie ließ sich auf dem Sofa nieder und wippte genervt mit ihrem Fuß auf und ab, während sie wild auf ihr Handy eintippte.
„Ich werde noch verrückt mit diesem Gerät! Ich komme einfach nicht damit zurecht! Es ist ganz leicht, haben sie gesagt, von wegen!", fluchte sie und schüttelte es in der Luft. Als würde sie jemanden am Hals holen.
„Kann ich dir vielleicht helfen? Was möchtest du den machen?", fragte ich an sie gewandt.
„Das wäre nett von dir. Ich möchte eigentlich nur eine Nachricht schreiben. Aber ich finde dieses Programm nicht."
„Darf ich? Lass mal sehen.", sie reichte mir ihr Handy, unmittelbar danach hatte ich die App schon erspäht. „Da siehst du dieses grüne Symbol? Das ist WhatsApp, damit kannst du Nachrichten verfassen und senden. Ist das dein erstes Smartphone?", fragte ich und wies auf das Symbol.
„Danke! Ja, mein Vater hält nicht viel von neuer Technologie. Wir sind ohne solche Technik aufgezogen worden.", lächelte sie mir zu und tippte ihre Nachricht ein.
Irgendwie tat sie mir ein wenig leid. Sie wurde bestimmt total altmodisch erzogen. Aber vielleicht war das auch der Grund, weshalb sie mir gleich so sympathisch war. Sie war eben nicht wie andere Mädchen in unserem Alter.
Vanessa kam zurück und setzte sich zu uns. Sie roch fantastisch. Wie ein Blumenmeer. Ihr kurzer brauner Bob schmeichelte ihrem schmalen Gesicht.
„Habt ihr euch im Camp schon umgesehen?", fragte sie neugierig.
„Noch nicht, wir wollten bis nach der Begrüßung warten. Dann haben wir ja genügend Zeit.", antwortete ich ihr.
„In Ordnung. Aber ihr wisst schon, dass nach der Begrüßung noch eine Party steigt? Ist zumindest jedes Jahr so gewesen. Seid ihr zum ersten Mal hier?"
„Dies wussten wir nicht. Ja wir sind beide zum ersten Mal hier.",antwortete Eos schneller als ich.
„Ich habe nicht wirklich was Partytaugliches dabei. Ich gehe nicht oft aus. Meint ihr ich könnte auch so gehen?" fragte ich leicht verunsichert. Das mulmige Gefühl war auf einen Schlag zurückgekehrt.
„Das sollte kein Problem sein. Ich habe genügend Kleidung dabei und ich bin mir sicher, dass du die gleiche Größe trägst wie ich.", gab Eos funkelnd zurück und sprang auf. „Ich kann das Make up machen!", fügte Nessa hinzu und sprang ebenfalls auf. Beide verschwanden für wenige Augenblicke, was mich doch etwas überrumpelte.
Eos kam zurück und trug ein wunderschönes dunkelblaues Abendkleid in ihren Händen, dessen Stoff wie Seide aussah. Sie hielt es vor mich und nickte ehrfürchtig. „Das ist es Lena, du musst unbedingt dieses Kleid tragen." Während Nessa bewaffnet mit ihrem Make up Koffer zu uns stieß und ebenfalls begeistert nickte.
Verunsichert nahm ich das Kleid entgegen und ging in mein Zimmer. Ich schlüpfte hinein und war erstaunt, dass es mir tatsächlich passte. Aufgeregt schritt ich zu dem Spiegel und sah mich an. Das Kleid war unglaublich schön. Es lag wie eine zweite Haut auf der meinen. Ich fühlte mich sexy. Mit klopfendem Herzen ging ich zu den beiden zurück.
„Wow! Du sieht sehr hübsch aus Lena! Es passt auch perfekt zu deinen Augen.", erfreute sich Eos und Klatschte in ihre Hände. „Ich hab die passenden Ballerinas dazu!", hing Nessa an und reichte mir die Schuhe. Welche mir erstaunlicherweise ebenfalls passten.
„Ich weiß garnicht was ich sagen soll, danke Mädels.", stotterte ich. Ich wollte ihnen nicht vor den Kopf stoßen. Eigentlich fühlte ich mich in Jeans und Top wohler, aber sie hatten sich extra die Mühe gemacht und was sprach dagegen einen Abend mal anders zu sein.
Eos begann damit meine Haare zu stylen während sich Vanessa an mein Make up machte. Sie trug etwas Puder, Eyeliner und Lidschatten auf. Als ich ein weiteres Mal in den Spiegel sah, traute ich meinen Augen nicht. Ich sah ganz anders aus, aber irgendwie immer noch wie ich selbst. Vanessa hatte mit ihrer Wahl genau ins Schwarze getroffen. Meine Augen und meine Lippen waren dezent betont. Auch Eos hatte ganze Arbeit geleistet. Mein Selbstvertrauen war grade um einiges gestiegen. Ich war wirklich begeistert. Zufrieden lächelten sie mich an.
„Ich danke euch, ehrlich. Ihr seid unglaublich.", fiepte ich.
„Nicht der Rede wert. Das haben wir doch gerne getan.", entgegneten mir die beiden.
Die beiden verschwanden ebenfalls für wenige Augenblicke. Eos sah noch schöner aus als zuvor. Obwohl ich glaubte, dass dies kaum möglich war. Ihre Haare hatte sie zu einem prächtigen Zopf geflochten und hochgesteckt. Sie trug ein wunderschönes cremefarbenes langes Kleid welches einen schönen Kontrast zu ihrer braunen Haut aufwies und ihrer Figur schmeichelte. Nessa trug ein kurzes schwarzes, welches ihr ebenfalls super stand.
Pünktlich zum ausgehen waren wir alle bereit.
„Sollen wir raus gehen, Dom wird gleich hier sein.", fragte ich.
Begeisterndes Nicken voller Vorfreude sprang mir entgegen.
Also wandte ich mich zum gehen. Leicht flau war mir nun doch um die Magen Gegend, ich versuchte es jedoch zu ignorieren. Eos öffnete die Tür und wir schritten hinaus ins freie.
Erstaunt über das Getümmel, welches sich uns bot, tritt ich ins leere.
Ich hatte die erste Stufe übersehen. Mit rudernden Armen kam ich aus dem Gleichgewicht, ich sah mich schon auf dem Boden aufschlagen.
Aber dies geschah nicht. Jemand fing mich auf ehe ich unsanft auf dem Boden landete.
„Nicht so stürmisch kleine Lady. Wir kennen uns noch überhaupt nicht. Du darfst gerne später über mich herfallen, nachdem ich dir ein oder zwei Drinks spendiert habe und dann sehen wir was noch geschehen wird.", raunte er mir rau ins Ohr, was Wellen von Gänsehaut auslöste und sie unkontrolliert über meinen Körper jagen ließ.
Mein Herz galoppierte davon. Die Röte schoss mir unmittelbar in meine Wangen. Wie bitte, hatte ich mich grade verhört? Was dachte der Typ eigentlich wer er war? Wie konnte man nur so von sich überzeugt sein. Wut kroch in mir hoch. Diesem Kerl musste ich den Wind aus den Segeln nehmen. Wütend blickte ich zu ihm hinauf. Doch dann war augenblicklich alles vergessen. In meinem Kopf herrschte eine gähnende leere, während mein Herz weiter ins Stocken geriet.
Meine eben gefundene Schlagfertigkeit war zusammen mit meinem Selbstvertrauen schreiend davon gelaufen und sie versteckten sich wahrscheinlich schreiend unter meinem Bett. Ich sah in Augen die so blau waren, wie das Wasser in den Buchten vom Atlantik. Er lächelte mich verschmitzt an, was Grübchen auf seinen Wangen hervortreten ließ. Was wiederum unglaublich süß aussah.
Seine schwarz glänzenden Haare fielen ihm strubbelig ins Gesicht und sein Shirt spannte sich unter seinem muskelbepackten Körper. Er sah aus wie ein Gott. Mit offenem Mund starrte ich ihn an. Er hob eine Braue und setzte grade zum Reden an, als die Stimme meines Bruders mich zurück in die Realität beförderte.
„Lena?! Geht es dir gut? Belästigt dich der Kerl etwa?!" Angespannt drängte Dom sich zu mir hindurch.
„Es geht mir gut. Ich wäre beinahe hingefallen, er hat mich davor bewahrt.", gab ich ihm schnell mit piepsiger Stimme zu verstehen. Was mich ärgerte, denn eigentlich brachte mich nichts so schnell aus der Fassung.
Was ihn nicht davon abhielt meinen Körper mit seinen Augen abzusuchen.
„Darf ich vorstellen, mein Bruder Dom. Dom, das sind Eos und Vanessa, meine Mitbewohnerinnen.
Jetzt wich sein besorgter Gesichtsausdruck und machte für sein strahlendes Lächeln Platz. Die Mädchen nickten ihm freundlich zu.
Eos sah mich entschuldigend an, ehe sie den Kerl der mich auffing und immer noch festhielt erbost anfunkelte.
„Darf ich vorstellen, mein Cousin Apollo. Er ist momentan nicht sonderlich höflich. Muss wohl so eine Phase sein, die er grade durchschreitet.", gab sie etwas schroff von sich, ohne ihn aus den Augen zu lassen.
Er quittierte ihre Aussage mit einen Schulterzucken und ließ mich los. Ehe er ging zwinkerte er mir ein weiteres Mal zu und verschwand in Richtung der großen Hütte.
Als ich merkte, dass ich ihm immer noch mit offenem Mund nachsah, Schoß mir erneut die Röte ins Gesicht. Solch einen gut aussehenden Mann hatte ich zuvor noch nie gesehen. Doch ich sollte eines besseren belehrt werden.
Ein junges Mädchen, welches mindestens genauso schön wie Eos war und ein ebenso schöner junge eilten auf uns zu. Dies konnten nur ihre Geschwister sein. Denn die Ähnlichkeit war verblüffend. Auch ihre Familie schien hervorragende Gene zu haben.
„Du musst Lena sein, ich bin Helios und das ist Selene. Eos hat mir bereits von ihrer neuen Bekanntschaft geschrieben.", freundlich lächelte er mich an.
Während mein Blick über seinen Körper glitt. Er war genauso muskulös wie Apollo, jedoch hatte er blonde Haare und grüne Augen. Welche mich nun forschend anblickten. Seine Haut hatte einen schönen natürlichen Braunton, der leicht oliv schimmerte. Selene war das Ebenbild von Eos, nur eben mit rotbraunen Haaren und markanteren Gesichtszügen.
„Freut mich eure Bekanntschaft zu machen. Das ist mein Bruder Dom.", stammelte ich. „Schwesterherz, ich kenne Helios bereits. Er ist einer meiner Mitbewohner. Wir sollten nun wirklich los, sonst verpassen wir den Anfang der Begrüßung.", entgegnete Dom und wies in Richtung der Hütte.
Gemeinsam schritten wir los. In der Hütte angekommen, fühlte ich mich umgehend wohl.
Überall standen gemütliche Sofas mit tausenden Kissen und kleinen Tischen, auf denen Kerzen brannten. Links befand sich eine lange Bar, an der sich bereits eine Menge Jugendliche drängten. Aus den Boxen drang leise Musik, ich glaubte Queen zu hören.
Eos ließ ihren Blick schweifen.
„Würdest du mich für einen Moment entschuldigen? Ich habe noch etwas zu erledigen. Könntest du mir ein Wasser mit bestellen?", fragte sie ohne mich anzusehen."
„Natürlich, das mach ich doch gerne.", gab ich zurück. Eos lief ohne Umwege schnurstracks auf ihren Cousin Apollo los. Ich hoffte, das dies kein Ärger geben würde.
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