This Is What Space Feels Like
Ich wachte früh auf.
Zu früh, eigentlich. Doch irgendetwas in mir wollte nicht länger schlafen, wollte... warten. Es war ein seltsames Gefühl, fast wie ein Kribbeln unter der Haut, als ob die Dunkelheit, die mich umgab, heute leichter war.
Vielleicht lag es daran, dass Wochenende war. Vielleicht daran, dass Jisung gestern gesagt hatte, er hätte mehr Zeit. Vielleicht lag es daran, dass ich mich auf etwas freute - und das allein war ein Gedanke, den ich kaum glauben konnte.
Langsam setzte ich mich auf, tastete nach meinem Stock, der wie immer neben meinem Bett lehnte und stand auf. Der Raum um mich war vertraut, aber ich ließ meine Hand trotzdem an der Wand entlanggleiten, als ich mich zum Flur vorarbeitete.
„Warum wohnst du überhaupt im zweiten Stock?" Die Stimme kam aus dem Gemeinschaftsraum.
„Ja, wäre doch viel einfacher für dich unten, oder?" Ein anderes Lachen, gefolgt von den klirrenden Geräuschen von Besteck auf Tellern.
Ich ignorierte sie. Wie immer. Ihre Worte trafen mich, aber ich würde ihnen nie das Vergnügen geben, es zu zeigen.
Ich machte mich auf den Weg die Treppe hinunter, die ich mittlerweile im Schlaf kannte. Meine Hand glitt über das kalte Metall des Geländers, meine Schritte waren vorsichtig, aber sicher. Jeder Schritt hallte leicht in der Stille des Flures wider, bis ich schließlich die Küche erreichte.
Frau Kang war schon da, wie immer. Ihre leise, beruhigende Stimme grüßte mich, während sie mich mit dem Frühstück versorgte.
„Früh dran heute, Minho," stellte sie fest, während sie mir den Teller vor mich stellte.
„Ja", murmelte ich, während ich mit der Gabel nach dem Essen tastete. „Ich wollte dich um etwas bitten."
Sie lachte leise. „Das klingt nach Ärger. Was ist es diesmal?"
„Ich will heute mit Jisung das Gelände verlassen."
Ihre Bewegung stoppte kurz. Ich hörte, wie sie den Löffel, den sie hielt, auf den Tisch legte. „Minho..."
„Bitte", unterbrach ich sie, noch bevor sie ihre Gründe aufzählen konnte. „Er ist kein Fremder, und wir gehen nur in die Nähe. Ich verspreche, nichts passiert."
Es folgte eine lange Pause. Ich konnte fast hören, wie sie mit sich selbst rang.
„Na gut", sagte sie schließlich. „Aber bleib in seiner Nähe und sei vorsichtig, ja?"
Ein leises Lächeln stahl sich auf mein Gesicht. „Danke."
Als ich Jisung später draußen hörte, konnte ich nicht anders, als mein Tempo zu beschleunigen. Seine Schritte waren, wie immer, leicht und lebendig, und das Lächeln in seiner Stimme war unüberhörbar, als er mich begrüßte.
„Minho! Du bist ja schon hier!"
„Natürlich bin ich hier", erwiderte ich trocken. „Ich habe heute sogar Erlaubnis bekommen, das Gelände zu verlassen."
„Was?" Seine Stimme wurde vor Freude fast ein Ton höher. „Perfekt, meine Mutter hat mir auch erlaubt, länger zu bleiben!"
„Dann nutzen wir das aus", sagte ich mit einem leichten Grinsen.
Zusammen gingen wir durch das Tor, und er führte mich sicher über die Straßen. Er beschrieb die Umgebung mit einer Geduld und Detailtreue, die ich zu schätzen lernte.
„Eis", schlug er plötzlich vor.
„Eis? Im Herbst?"
„Es gibt nie einen schlechten Zeitpunkt für Eis."
Ich konnte nicht widerstehen und ließ mich von ihm zu einer kleinen Eisdiele führen. Er bestellte für uns beide, und das kühle, süße Gefühl von Schokolade auf meiner Zunge brachte ein unwillkürliches Lächeln auf mein Gesicht.
„Und? Gut?" fragte er.
„Besser, als ich erwartet habe", gab ich zu.
Nach dem Eis führte er mich weiter, diesmal zu einem Strand. Die Geräusche von Wellen, die sich gegen das Ufer warfen, und die Stimmen von Menschen füllten die Luft.
„Hier ist es ein bisschen voll", sagte er. „Aber wir setzen uns an den Rand, wo es ruhiger ist."
Ich ließ mich von ihm führen, bis wir schließlich auf etwas Weichem saßen. Der Sand fühlte sich unter meinen Händen warm und feinkörnig an.
„Okay", begann er, „ich will dir was zeigen."
„Zeigen?" Ich hob skeptisch eine Augenbraue.
„Fühlen."
Ich spürte, wie er meine Hand nahm - seine Haut war warm gegen meine - und sie ins Wasser tauchte.
„Das hier", sagte er leise, „ist hellblau. Das Wasser."
Es war kalt, ein schockierender Kontrast zu der Wärme des Sandes.
„Kalt", murmelte ich.
„Ja, aber blau ist nicht immer kalt", widersprach er. Er nahm meine Hand aus dem Wasser und ließ sie über den Sand gleiten. „Der Sand hier - das ist gelb. Fast golden. Und die Sonne..."
Ich hob das Gesicht und spürte die warmen Strahlen, die meine Haut wärmten.
„Die ist auch gelb?", fragte ich.
„Manchmal. Manchmal orange. Manchmal rot, wenn sie untergeht."
„Rot", wiederholte ich leise.
Er lachte. „Ich weiß, das ist alles schwer zu erklären. Aber Farben sind nicht nur das, was man sieht. Manchmal fühlt man sie auch."
Ich saß still da, ließ die Worte in mir nachklingen.
„Kann ich dir eine Frage stellen?"
„Natürlich."
„Siehst... sehe ich gut aus?"
Seine Finger, die meine immer noch hielten, zogen sich kurz zusammen. Ich wusste, dass ihn die Frage überrascht hatte.
„Minho", sagte er schließlich, seine Stimme sanfter als zuvor.
„Ja. Du siehst gut aus. Aber weißt du was? Das spielt keine Rolle."
Ich nickte, wusste nicht, was ich darauf antworten sollte. Doch in dem Moment fühlte ich mich leichter. Warmer Sand unter mir, kaltes Wasser an meinen Fingerspitzen und eine Stimme neben mir, die alles besser machte.
„Minho, kann ich dir was Persönliches fragen?" Jisungs Stimme war leise, als wir zusammen am Rand des Strandes saßen.
Ich wandte den Kopf in seine Richtung, zog eine Augenbraue hoch. „Du fragst mich ständig persönliche Sachen. Was ist diesmal?"
Er lachte kurz. „Na ja, ich meine... hast du je jemanden gehabt? Du weißt schon... jemanden, der mehr als nur ein Freund war?"
Die Frage erwischte mich unerwartet, und ich spürte, wie meine Schultern sich anspannten. Für einen Moment sagte ich nichts, unsicher, wie ehrlich ich sein sollte.
„Nicht wirklich", murmelte ich schließlich. „Es ist... kompliziert. Die meisten Leute sehen mich nicht so. Sie sehen nur den Blinden."
„Das ist... bescheuert", sagte er nach einer kurzen Pause, und ich konnte den Ärger in seiner Stimme hören.
„Es ist, wie es ist." Ich zuckte mit den Schultern, versuchte, meine eigenen Gefühle zu verbergen. „Aber was ist mit dir? Hast du jemanden?"
„Oh, ich? Nein." Er lachte. „Ich bin nicht wirklich gut darin, jemanden so nahe an mich ranzulassen."
„Ironisch, wenn man bedenkt, wie nah du mir gerade bist", bemerkte ich trocken.
Er lachte laut und ich konnte nicht anders, als mit ihm zu lachen.
Doch unser Lachen wurde plötzlich von einer anderen Stimme unterbrochen.
„Schau dir den mal an. Was macht der überhaupt hier?"
Die Worte waren scharf, wie ein Schnitt durch die angenehme Stille, die uns umgeben hatte.
Ich spannte mich an, meine Hand ballte sich unbewusst zu einer Faust.
„Das ist der Typ aus dem Heim, oder?" Eine andere Stimme schloss sich an. „Wie kommt der überhaupt ohne Hilfe klar?"
Die Worte prallten nicht einfach an mir ab, sie schienen sich direkt in meine Haut zu bohren. Ich konnte ihre Blicke spüren, so scharf wie die Kommentare.
„Was glotzt ihr so?" Jisungs Stimme schnitt durch die Luft wie ein Messer, kühl und gereizt. „Habt ihr keine eigenen Probleme?"
Es folgte ein Schweigen, das fast greifbar war und ich spürte, wie die Aufmerksamkeit langsam von uns abglitt.
„Lass uns gehen", sagte Jisung schließlich und ich nickte nur.
Wir liefen schweigend vom Strand weg, die Schritte im Sand waren das einzige Geräusch, das uns begleitete.
„Danke", murmelte ich nach einer Weile, als die Stille mich zu erdrücken drohte.
„Dafür brauchst du nicht danken", sagte er schlicht.
„Menschen können echt scheiße sein, aber das heißt nicht, dass sie damit durchkommen sollten."
Als die Luft kühler wurde und ein leichter Wind aufkam, entschieden wir uns, zurückzugehen. Jisung brachte mich bis zum Tor des Heims, seine Schritte waren langsamer geworden, als ob er die Zeit hinauszögern wollte.
Kurz bevor ich hineinging, drehte ich mich zu ihm.
„Jisung."
„Ja?"
„Welche Farbe beschreibst du mir heute?"
Er zögerte nur kurz. „Braun."
„Braun?" wiederholte ich leise.
„Ja." Seine Stimme wurde wärmer. „Braun ist... erdig. Verlässlich. Es ist wie der Stamm eines Baumes, der fest in der Erde steht, egal, wie stark der Wind weht. Es ist... weich und warm, aber auch stark."
Ich lauschte seinen Worten, ließ sie in mir widerhallen.
„Und übrigens", fügte er hinzu, „meine Haare sind braun. Und deine auch. "
Ich hielt inne, spürte, wie mir die Luft wegblieb. Ehe ich nachdenken konnte, trat ich einen Schritt vor und umarmte ihn.
Für einen Moment schien die Welt stillzustehen. Er erwiderte die Umarmung, und seine Arme waren warm und sicher um mich gelegt.
Doch bevor ich zu lange verweilen konnte, ließ ich los und zog mich hastig zurück.
„Gute Nacht", murmelte ich, bevor ich ins Gebäude schlüpfte und die Tür hinter mir schloss.
In meinem Zimmer legte ich mich ins Bett, die Dunkelheit um mich war diesmal nicht bedrückend, sondern sanft.
Ich hob eine Hand und fuhr langsam durch mein Haar. „Braun", flüsterte ich.
Ich wusste jetzt, dass es die Farbe von Jisungs und meinem Haar war. Warm, weich und verlässlich. Und während ich daran dachte, wie er mich umarmt hatte, wie seine Stimme klang, wusste ich, dass diese Farbe nie mehr nur ein Wort für mich sein würde.
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