Lavender
Es war still, als wir nebeneinander saßen, der Raum um uns herum leise, nur das Rascheln der Blätter draußen drang in mein Ohr.
Ich fühlte, wie die Fragen in meinem Kopf immer drängender wurden und plötzlich konnte ich es nicht mehr für mich behalten.
„Jisung...", sagte ich leise, die Worte schwer in meinem Mund.
„Wenn du mich wirklich liebst, warum bin ich dann noch blind?"
Ich spürte, wie sich eine Spannung in der Luft aufbaute. Jisung reagierte nicht sofort, und die Stille zwischen uns dehnte sich aus. Die Worte hingen in der Luft, und mein Herz schlug schneller. Ich wusste, es war eine schwierige Frage.
Eine Frage, die tief ging.
Und vielleicht eine, die nicht leicht zu beantworten war.
„Warum... warum kann ich immernoch nichts sehen?", fuhr ich fort, die Stimme ungewollt zitternd. „Warum bleibe ich so, wie ich bin, obwohl du sagst, dass du mich liebst?"
Ich atmete tief ein, als ein schwerer Kloß in meiner Kehle sich bildete. „Was ist der Grund, warum ich immer noch so leben muss?"
Ich fühlte, wie sich meine Augen mit Tränen füllten. Es war nicht das erste Mal, dass ich weinte, aber diesmal war es anders. Es war die Hilflosigkeit, die mich übermannte, die ständige Frage, warum alles so sein musste.
Warum musste ich der einzige sein, der die Welt nicht sehen konnte?
„Ich verstehe es einfach nicht, Jisung", flüsterte ich, während die Tränen nun unaufhaltsam über mein Gesicht liefen.
„Ich will nicht mehr nur der sein, den du retten musst. Ich will mehr sein. Ich will dich sehen, wie du mich siehst. Warum kann das nicht einfach passieren?"
Ich konnte den Schmerz in meiner eigenen Stimme hören, und es fühlte sich an, als würde ich mich in den Fragen verlieren, die ich immer wieder stellte, aber nie eine Antwort erhielt. Es war, als würde mein ganzes Leben aus diesen Fragen bestehen.
„Minho", sagte Jisung dann, seine Stimme ruhig, aber voller Wärme.
„Es tut mir leid, dass du dich so fühlst. Es ist nicht so, dass ich dich nicht sehen will oder dass ich deine Schmerzen nicht verstehe."
Ich hörte, wie er sich näher zu mir beugte.
„Aber du bist nicht der Einzige, der durch etwas hindurchgeht. Auch ich habe meine eigenen Ängste. Ich habe immer wieder darüber nachgedacht, was es bedeutet, dich zu lieben, obwohl du blind bist. Aber du bist mehr als nur das. Du bist du, Minho. Deine Blindheit ist nicht alles, was du bist. Ich liebe dich, nicht, weil du sehen kannst oder nicht, sondern weil du der bist, der du bist."
Seine Worte schoben sich sanft durch den Sturm in mir, und ich atmete tief ein. Doch der Schmerz und die Tränen waren immer noch da.
„Aber warum muss das so schwer sein?", fragte ich, die Stimme brüchig. „Warum kann ich nicht einfach sehen?"
Ich spürte, wie Jisung seine Hand auf meine legte, und ich ließ sie dort, die Wärme seiner Hand ließ mich für einen Moment ruhiger werden. Aber der Kloß in meiner Kehle war immer noch da.
„Jisung...", flüsterte ich, „ich will dich sehen. Ich will sehen, was du siehst, was die Welt für dich ist. Warum muss es immer so eine Leere in mir geben?"
„Weil du mehr bist als das, Minho. Ich will nicht, dass du dich von deiner Blindheit definieren lässt. Du bist mehr als das. Und auch ich muss damit leben, dass du nicht sehen kannst. Aber es bedeutet nicht, dass du weniger wert bist oder weniger geliebt wirst. Wir sind beide auf unsere eigene Weise blind, verstehst du? Vielleicht nicht im gleichen Sinne, aber wir tragen beide unsere eigenen Schatten."
Ich schluckte schwer, seine Worte trafen mich, aber es war immer noch schwer, die Frage loszulassen. Es war, als ob ich eine Mauer zwischen mir und der Welt fühlte, eine Mauer, die sich nicht einfach niederreißen ließ.
„Aber Jisung... warum kann es nicht einfach leichter sein? Warum kann ich nicht einfach alles sehen, um endlich wirklich zu verstehen?"
Ich hörte, wie er sich sanft zu mir beugte, seine Hände suchend nach meinen, und als er sie fand, legte er sie fest in seine.
„Weil das Leben nicht immer fair ist, Minho. Aber es bedeutet nicht, dass du nicht wichtig bist, nur weil du etwas nicht sehen kannst. Du siehst mit deinem Herzen, mit deiner Seele. Und das ist viel mehr wert als alles, was man mit den Augen sehen könnte."
Ich konnte seine Nähe fühlen, seine Worte wie ein beruhigender Klang in meinem Inneren. Doch die Tränen hörten nicht auf zu fließen.
„Ich möchte dir mehr geben, Jisung. Ich möchte dir zeigen, dass ich genug bin. Dass ich mehr sein kann, als nur jemand, der Hilfe braucht."
„Du bist genug", flüsterte er leise, als er mich in den Arm nahm.
„Du bist mehr als genug."
Und ich fühlte es in diesem Moment. Vielleicht konnte ich nicht sehen, aber ich wusste, dass er mich verstand. Dass er mich mehr liebte, als ich mir jemals hätte vorstellen können. Und das war vielleicht das Einzige, was wirklich zählte.
Ich schloss meine Augen, um mich in diesem Moment der Stille zu verlieren, in dem ich mich sicher und geliebt fühlte. Und vielleicht würde es nie einfach sein, aber in diesem Moment wusste ich, dass wir zusammen stärker sein würden.
Es war einer dieser Tage, an denen alles, was um mich herum war, sich irgendwie leichter anfühlte.
Der Himmel schien mir heute so weit zu sein, der Wind fühlte sich weicher an, und ich konnte die Sonne mehr spüren als je zuvor.
„Minho", sagte Jisung und zog sanft an meiner Hand, „komm mit."
Er führte mich aus dem Gebäude hinaus und sofort spürte ich die Veränderung in der Luft. Die kühle, feuchte Luft des Innenraums weichte einer sanften Wärme, die den ganzen Tag durchzogen hatte. Der Himmel schien anders, der Tag hatte etwas Neues.
„Was für eine Farbe hat der Himmel heute?", fragte ich, als ich die Wärme auf meiner Haut spürte.
Jisung nahm einen Moment, als ob er selbst darüber nachdachte.
„Der Himmel ist golden", sagte er dann, „der Himmel ist heute golden."
Seine Worte ließen ein Bild in meinem Kopf entstehen, obwohl ich den Himmel nie gesehen hatte. Doch irgendwie verstand ich es. Ich konnte es fühlen - die Wärme, die Strahlen, die anscheinend goldene Umarmung der Sonne.
Dann zog er mich plötzlich in eine eigene Umarmung. Ich ließ es zu, fühlte die Nähe und den Trost seiner Arme um mich.
Es war, als könnte ich alles vergessen in diesem Moment, als wären wir in unserer eigenen Welt.
Er küsste mich sanft und ich schloss meine Augen, spürte den zarten Kontakt seiner Lippen auf den meinen, die Wärme seines Atems.
Der Kuss war so voll von dieser Verbindung, die nur wir beide fühlten, wie ein Versprechen, dass nichts zwischen uns stehen würde.
Dann atmete Jisung tief durch, bevor er mir leise ins Ohr flüsterte.
„Schließ deine Augen, Minho."
Ich lächelte schwach, obwohl meine Augen längst nie mehr geöffnet worden waren. „Ich bin doch eh blind", sagte ich, meine Stimme weicher als sonst.
„Schließ sie trotzdem", forderte Jisung und ich konnte die Entschlossenheit in seiner Stimme hören.
Ich tat, was er sagte, schloss die Augen, obwohl es nichts Neues für mich war. Aber irgendwie fühlte sich dieser Moment anders an, als ob wir etwas ganz Besonderes miteinander teilten.
„Minho", begann Jisung, seine Stimme war jetzt nur noch ein sanftes Murmeln.
„Ich liebe dich unendlich."
„Ich weiß", sagte ich, fast automatisch, weil es mir schon oft gesagt worden war. „Ich weiß, Jisung. Ich weiß."
Doch Jisung ignorierte mich, wie er es manchmal tat, wenn er etwas wirklich fühlte, etwas, das er einfach sagen musste.
„Ich hoffe, dass sich nichts ändern wird. Dass es immer so bleibt."
Ich wollte etwas antworten, aber er ließ mich nicht und dann hörte ich, wie er mir schließlich sagte: „Du kannst die Augen wieder öffnen, Minho."
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