15 • 4 | Azvar
Die Lazaliv nutzten das Ende des Sturms, um sich wieder in die Lüfte zu erheben. Sie zündeten eine unserer wichtigsten Städte an und brachten mich damit für kurze Zeit auf andere Gedanken. Larjim, günstig gelegen für eine Überfahrt nach Thazanur und Exportstadt für Fisch und Meeresfrüchte nach ganz Arnarith. Speicher wurden niedergebrannt, Felsbrocken auf Gebäude geworfen und Caraliv niedergemetzelt. Es war ein willkürlicher, doch höchst effizienter Angriff, der unsere Vorräte minimierte und zahlreiche Familien trennte.
Normalerweise wäre ich nun in die Stadt gereist, hätte mich an Aufräumarbeiten beteiligt und den Caraliv dort Hoffnung und Zuversicht gespendet. Der Rat erwartete auch, dass ich bald aufbrechen würde, doch lehnte ich ab, ohne genauere Erklärungen zu liefern.
Vorräte würden nach Larjim geschickt werden, zusammen mit einigen Hundert Soldaten und neuen Verteidigungsanlagen wie Netzwerfer, die fliegende Lazaliv aus der Luft holen konnten. Ich selbst blieb im Palast und war schon bald mit den Gedanken wieder bei Kaira.
Noch nie hatte ich mich so verantwortungslos verhalten, meine Regierungsgeschäfte so vernachlässigt. Doch ich konnte mich einfach nicht auf Verlustzahlen und Truppenverschiebungen konzentrieren, wenn ich mich durchgehend fragte, ob Kaira überhaupt noch hier war oder ob sie das bessere Wetter genutzt hatte, um die Flucht zu ergreifen.
Eljina versuchte mich einmal darauf anzusprechen, doch ich blockte ab und vermied es von da an, mit ihr allein in einem Raum zu sein und ihr so die Gelegenheit zu geben, mich zur Rede zu stellen. Sie wirkte besorgt, allerdings sprach sie das Thema kein weiteres Mal an und beschränkte sich auf nachdenkliche Blicke in meine Richtung, die ich geflissentlich ignorierte.
Schließlich hielt ich die Ungewissheit nicht mehr aus und rief Krijan erneut zu mir. Der Diener wusste genau, was ich von ihm wollte, und antwortete auf die Frage, bevor ich sie ihm stellen konnte.
"Sie ist nicht geflohen."
Eine Welle der Erleichterung flutete mein Herz und ich atmete auf. Das kleine Grinsen, mit dem Krijan mich musterte, ignorierte ich einfach. "Wie geht es ihr?"
"Den Umständen entsprechend."
Also nicht sonderlich gut. Da ich wusste, dass ich aus ihm keine Informationen mehr bekommen würde, entließ ich ihn wieder und begann in meinem Schlafzimmer auf- und abzutigern.
Ich musste sie sehen. Ich musste mit ihr sprechen, sie wieder zu mir zurückholen. Und am besten fand ich erst einmal heraus, wo sie sich aufhielt. Egal, wie wütend sie war, etwas essen musste sie doch, oder nicht? Also würde ich in den Küchen anfangen und dort entweder nach ihr fragen oder jemanden mit ein wenig Bestechung dazu bringen, nach ihr Ausschau zu halten und mich zu informieren, sollte sie dort auftauchen.
Mein Blick richtete sich auf die Ritze in der Wand, die das einzige Merkmal der sich dort befindenden Tür war. Zum ersten Mal würde ich nun also den Teil des Palastes betreten, der nicht für den König erbaut worden war. Und das für eine lazalische Dienerin.
Durch leichten Druck öffnete sich die Tür und ich gelangte in die Korridore der Angestellten. Ich war noch nie hiergewesen und es überraschte mich, wie dunkel und schmal diese Gänge waren. Holzbalken zogen sich unverputzt über die Wände und Decke und überall herrschte eine unangenehme Kühle, begleitet von einem muffigen Geruch.
Wahllos schlug ich eine Richtung ein und stellte fest, dass es unmöglich war, den Überblick zu behalten, wo in etwa ich mich gerade befand. Diese Gänge waren viel verzweigter und verwinkelter als die normalen Korridore, hatten keine Fenster und natürlich auch keine Wegweiser, wo genau denn nun die Küchen waren.
Schließlich lief mir eine Dienerin über den Weg, die kaum ein Wort herausbrachte, so perplex war sie, den König in diesen düsteren Gängen anzutreffen. Ich ignorierte ihre Sprachlosigkeit und drängte sie so lange, bis ich eine ausreichende Wegbeschreibung erhalten hatte.
Ihren zittrigen Worten folgend bog ich wieder und wieder ab, stieg einige Treppen nach unten und fröstelte, als es zunehmend kühler wurde. Schließlich erreichte ich jedoch eine Doppeltür, die laut den Beschreibungen der Dienerin zu meinem Ziel führte.
Als ich eintrat, hatte ich den Eindruck, gegen eine Wand zu laufen, so stark war der Kontrast zwischen der Kälte der Gänge und der brütenden Hitze der Küchen. Mehrere Feuer brannten unter den Herdplatten und massigen Töpfen und erhitzten den riesigen Raum, sodass alles sich anfühlte wie ein einziger, großer Ofen.
Ein geschäftiges Treiben herrschte überall. Unzählige Schneideflächen wurden bedeckt von Gemüse und Obst gleichermaßen, von ganzen Fischen und großen Braten. Riesige Töpfe standen überall, teilweise gefüllt, teilweise bereit zum Abspülen. Überall lagen Dinge wie Schneidemesser und überdimensionierte Holzlöffel herum, Köche und Gehilfen wuselten durch die Gegend und doch wirkte es, als hätte alles seine Ordnung.
In den ersten Sekunden bemerkte mich niemand, so beschäftigt waren alle. Doch dann fielen die ersten Blicke auf mich und ein Raunen breitete sich aus. Was machte der König hier?
Aus dem Augenwinkel meinte ich etwas Rotblondes zu sehen und als ich den Kopf drehte, sah ich sie. Kaira. Sie stand dort, einen Holzbecher mit einer dampfenden Flüssigkeit fest umklammert, angelehnt an die Brust Krijans, den freien Arm um seinen Oberkörper geschlungen. Auch er umarmte sie, hatte das Kinn auf ihrem Kopf abgelegt und redete leise auf sie ein. Das Beben, das immer wieder ihren Körper durchlief, war unverkennbar.
Sie weinte.
Sie weinte und umarmte dabei diesen nichtsnutzigen Diener.
Die Eifersucht nahm mich ein wie ein Flammeninferno und schien ein Monster in meiner Brust zu erwecken, das die Zähne fletschte und sich bereit machte, sich auf Krijan zu stürzen und ihn zu zerfleischen. Doch ein Schwall von kaltem Wasser löschte die Flammen und ließ das Monster als zitterndes, nasses Häufchen zurück.
Ich hatte kein Recht eifersüchtig zu sein. Ich hatte Kaira verletzt. Ich war Schuld an ihrem Zustand und sie brauchte jemanden, der sie genau so hielt, wie Krijan es jetzt tat. Es war nicht meine Aufgabe, ihn jetzt wegzuschicken. Sie brauchte ihn, weil sie mich nicht hatte.
Gleichzeitig mit dieser Erkenntnis sah Kaira auf. Inzwischen waren beinahe alle Augenpaare auf mich gerichtet, die allgemeinen Gespräche und gerufenen Befehle waren verstummt. Alle starrten auf den König, der hier so fehl am Platze wirkte, und einige folgten wohl seinem Blick zu dieser lazalischen Dienerin.
Kaira löste sich langsam von Krijan und wischte sich mit dem Handrücken die glitzernden Tränenspuren vom Gesicht, ohne ihren Blick nur eine Sekunde von mir abzuwenden. Tausende Dinge schossen mir durch den Kopf, die ich nun sagen konnte, doch keines davon schien wirklich ausreichend, um alles auszudrücken, was ich fühlte.
Wie gerne würde ich sie jetzt in den Arm nehmen. Sie küssen. Ihre samtenen Lippen auf meinen, ihre zarte Haut unter meinen Fingern spüren.
Sie drehte sich um und rannte.
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