07 • 2 | Azvar
Meine Nervosität wuchs mit jedem Schritt, den ich von meinem Thron aus auf den Kampfplatz machte. Mein Schwert schien dreimal so viel zu wiegen wie sonst. Ich fühlte mich, als stünde ich im Hochsommer zur Mittagssonne draußen, obwohl Athkazr einzeln am Himmel stand und es eigentlich recht kühl war.
In der Mitte des Platzes blieb ich stehen. Hunderte von Augenpaaren spürte ich auf mich gerichtet, als ich mich zur Empore wandte und dem König respektvoll zunickte. Sein Gesichtsausdruck war kalt und unleserlich und verunsicherte mich etwas, was ich mir aber natürlich nicht anmerken ließ.
Enlaya war das komplette Gegenteil ihres Vaters. Sie grinste mich an und hielt beide Hände mit den gedrückten Daumen nach oben. Beinahe trieb sie auch mir ein Lächeln ins Gesicht, doch eigentlich war ich dafür zu unruhig.
Mein Blick blieb ohnehin nicht bei meiner Schwester hängen, sondern bei der Dienerin, die hinter meinem Thron stand und eine Hand auf dessen Lehne gelegt hatte. Kairas Schwingen leuchteten schneeweiß im hellen Licht der Sonne. Die brustlangen Haare fielen ihr heute offen über die Schultern und wurden ebenfalls von Athkazr so angestrahlt, dass die rotblonden Strähnen golden zu glühen schienen und ihr ganzes Gesicht zum Strahlen brachten. Sie sah mich unverwandt an, ihr ruhiger Blick fing meinen auf und hielt ihn gefangen. Kaum merklich lächelte sie, auch wenn ich ihr ansah, dass sie besorgt war. Ihre Ruhe übertrug sich dennoch auf mich und die Nervosität wandelte sich in Konzentration um.
"Prinz Azvar aus Samalfar, Sohn von König Amroth, Thronfolger von Arnarith." Der Sprecher verneigte sich vor mir und nahm wieder Platz. Die beiden Lazaliv wurden auf den Platz gelassen und die Umzäunung geschlossen.
Ich wandte mich ihnen zu und zog mein Schwert. Die beiden sahen entschlossen aus, waren aber in keiner besseren Verfassung als die bisherigen Gefangenen. Ihre Flügel zierte dasselbe Eisenkonstrukt wie Kairas, doch die Farbe ihrer Federn war um einiges dunkler. Einer der beiden hatte eine große Narbe quer über das Gesicht, war stämmig und groß für einen Lazaliv, beinahe so hochgewachsen wie ich. Doch das würde ihn langsamer machen, ein Vorteil für mich. An Körperkraft war ich beiden um Welten überlegen, das war mir klar, doch ich hatte ja deutlich gesehen, dass diese Annahme in falscher Sicherheit wiegte.
Das Schwert hielt ich locker an der Seite, als ich meine Beine hüftbreit auseinanderstellte, das linke ein wenig weiter vorn als das rechte. Aufrecht stand ich in der Mitte des Platzes und ließ die beiden Lazaliv herankommen. Sie tauschten einen Blick und trennten sich, das Narbengesicht näherte sich mir von links, der andere von rechts. Ich ließ sie bis auf drei Meter an mich heran, ohne mich zu rühren, dann ging ich in einer fließenden Bewegung auf den Kleineren los. Er parierte meinen Schlag und ich wirbelte herum, um die Klinge des Narbengesichts abzuwehren und gleichzeitig in den Gegenangriff zu gehen. Der jedoch war schnell genug, sich mit einem Flügelschlag außer Reichweite zu bringen. Sofort wollte ich mich wieder dem Kleineren zuwenden.
Als ich mich umdrehte, war seine Klinge nur noch Zentimeter von meinem Gesicht.
Das silberne Metall funkelte in der Sonne, ein reflektierter Strahl traf mich direkt ins Auge. Mit Schwung trieb der Lazaliv die geschliffene Kante auf meinen Kopf zu und ich blieb erstarrt stehen, meine Muskeln schienen in einer Schockstarre gefangen zu sein, während die glänzende Klinge auf mich zuraste. Die Zeit verlangsamte sich, meine Gedanken rasten, in Zeitlupe schien das Schwert auf mich zuzukommen.
Dann reagierten meine Reflexe und ich warf mich zu Boden. Der Schlag des Lazaliv ging ins Leere. Ein erschrockenes Raunen ertönte von den Zuschauern und Staub wirbelte auf, als ich mich einmal herumdrehte und mit einer fließenden Bewegung wieder auf die Beine kam, das Schwert kampfbereit in Abwehrhaltung.
Die Zuschauer, der kühle Blick meines Vaters, meine ganze Umgebung rückte in den Hintergrund und meine komplette Konzentration richtete sich auf diese beiden Lazaliv. Sie waren genauso schnell, wie Kaira mich gewarnt hatte. Es gelang mir, dem Kleineren eine schwere Wunde an der Schwinge zuzufügen. Hellgraues, glänzendes Blut verklebte die dunklen Federn.
Mit zwei Schritten brachte ich mich außerhalb ihrer Reichweite, um nicht durchgehend zwischen den beiden zu stehen. Sie erwarteten, dass ich mir nun einige Sekunden Zeit nehmen würde, um durchzuatmen. Mit einer schnellen Bewegung und so viel Kraft, wie ich aufbringen konnte, ging ich jedoch sofort wieder auf den Kleineren los.
Ich erwischte ihn unvorbereitet. Meine Klinge sank in sein Fleisch und er brüllte vor Schmerz. Als ich das Schwert wieder aus seiner Hüfte zog, glänzte hellgraues Blut daran und spritzte auf den sandigen Boden. Der Lazaliv sackte zusammen und ließ sein Schwert fallen, presste beide Hände auf die tiefe Wunde.
Ohne ihm noch viel Beachtung zu schenken, wirbelte ich herum und führte das Schwert mit Schwung mit mir. Meine Klinge hakte sich mit so viel Wucht unter die Parierstange des Narbengesichts, dass ihm seine Waffe aus der Hand gezogen wurde. Sand stob auf, als es einige Meter weiter auf dem Boden landete.
Der Lazaliv schlug mit den Flügeln, um schneller dort zu sein. Mit einem gezielten Tritt in seine Rippen brachte ich ihn aus der ohnehin wackeligen Flugbahn. Stöhnend landete er im Sand, eine seiner grauen Schwingen verdreht unter dem Körper. Mit zwei Schritten war ich bei ihm, drehte ihn mit dem Fuß auf den Rücken und stieß ihm ohne zu zögern mein Schwert durch den Hals. Ein Schwall an beinahe schwarzem Blut trat aus, durchnässte seine Kleidung und färbte den Sand unter ihm dunkel. Der Lazaliv bäumte sich auf, rang röchelnd um Atem, die Augen weit aufgerissen. Mit einem schmatzenden Geräusch zog ich meine Klinge aus seinem Hals. Leblos sackte der Körper in sich zusammen.
Ohne Zeit zu verschwenden wandte ich mich ab und ging wieder zum Kleineren, der noch immer an Ort und Stelle kniete und die blutverschmierten Hände auf die Wunde presste. Die Waffe lag vergessen am Boden und sein Atem ging schnell und flach, als er mit deutlicher Panik in den Augen zu mir aufsah. Hellgraues Blut sammelte sich zwischen seinen Lippen und tropfte über das Kinn zu Boden. Rasselnd holte er Luft und versuchte aufzustehen, orientierungslos tastete seine rechte Hand nach dem Schwert.
Ich holte mit meiner Klinge aus. Die Erkenntnis stand in seinen Augen und er sah aus, als wollte er etwas sagen, als ich ihn mit einem einzigen Schlag enthauptete.
Ohrenbetäubender Applaus brandete auf und durchflutete mich mit Erleichterung. Außer mir waren lediglich zwei andere Prüflinge unverletzt geblieben und ich hatte meine Gegner mit Abstand am schnellsten getötet. Ein Ergebnis, das dem Thronfolger würdig war.
Noch während das melodische Klingen des Gongs durch die Jubelrufe klang, drehte ich mich zur Tribüne um. Ich hatte am besten abgeschnitten. Ich hatte mich gut geschlagen. Ich war unverletzt. Meine Gegner waren tot. Sicher würde mein Vater damit zufrieden sein?
Schwarze Augen blickten mir kalt und unbeeindruckt entgegen. Entmutigt ließ ich das Schwert sinken und sah zu meinem Vater auf. Er ließ keinerlei Reaktion durchscheinen. Hatte ich nicht gut genug gekämpft? Hatte er Besseres von mir erwartet? Ich nickte ihm kurz zu und hoffte, dass ich eine Reaktion bekommen würde. Und wenn es ein enttäuschter Blick oder ein Kopfschütteln war. Wenigstens irgendetwas. Doch sein Blick war starr und dunkel wie immer und die Freude über meinen Kampf rückte in den Hintergrund.
Dann zog Enlaya meine Aufmerksamkeit auf sich. Sie sprang auf und ab, jubelte und klatschte und scherte sich nicht darum, wie wenig sich dieses Verhalten für eine Prinzessin geziemte.
Mein Blick ruhte für einige Sekunden auf ihr, ehe ich zu meinem leeren Thron sah. Kaira stand noch immer knapp dahinter, hatte ihre Flügel nun teilweise entfaltet und wirkte dadurch noch majestätischer, als sie es mit ihren golden glühenden Haaren und den funkelnden Augen ohnehin schon tat. Auch sie applaudierte und auf ihrem Gesicht lag ein Lächeln. Ein ruhiges, warmes Lächeln, das ihre Freude um einiges weniger überschwänglich ausdrückte als Enlayas Gehopse, doch sie nickte mir zu und lächelte noch ein wenig breiter, als unsere Blicke sich trafen.
Ohne es wirklich wahrzunehmen, erwiderte ich das Lächeln. Eine Welle an Zuneigung für diese stolze, ermutigende Lazaliv überrollte mich und ertränkte die Enttäuschung über die fehlende Reaktion meines Vaters.
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