04 • 2 | Kaira
Diese Angeber. Wie sie ohne Oberteil im Licht der Sonnen standen und genau wussten, dass die Frauen an der Seite ihre Muskeln betrachteten. Alle drei kämpften sie ganz passabel, doch sie setzten zu viel Wert auf Stärke. Gegen Lazaliv hätten sie so keine Chance.
Wieder prallten die Schwerter aufeinander, das klirrende Geräusch erfüllte mich mit Neid. Gerne würde auch ich mal wieder trainieren, am liebsten mit meinem Bruder. Normalerweise lernten Frauen unseres Volkes nicht, wie man sich verteidigte, und erst recht nicht ich als Prinzessin. Doch Najik und ich hatten uns oft nachts auf den Trainingsplatz geschlichen und er hatte mir gezeigt, wie man kämpfte. Es machte mir Spaß, im Übungskampf gegen meinen Bruder anzutreten und das war eines der wenigen Dinge, bei denen ich mich wirklich begabt fühlte.
Abermals entwaffnete Azvar einen seiner Freunde und richtete das Schwert auf die Brust des anderen. Ein zufriedenes Lächeln stand auf seinem Gesicht, seine Muskeln spielten im hellen Licht der beiden Sonnen und keine Spur war von den Blessuren des Abends zu sehen.
Lediglich in einigen wenigen seiner Bewegungen erkannte ich eine Vorsicht, eine Zögerlichkeit, als wollte er einige Körperstellen schonen. Doch abgesehen davon sah man ihm nicht an, dass er vor keinen zwölf Stunden noch von seinem Vater zusammengeschlagen worden war und sicherlich mehrere Blutergüsse und Prellungen davongetragen hatte.
Ich selbst stand im Schatten unter einem Pavillon, eine Karaffe kühlen Wassers und verdünnten Weins auf einem Tisch neben mir, bereit, den Trainierenden eine Erfrischung einzuschenken.
"Jetzt kämpfst du wie ein Prinz", sagte einer seiner Freunde zufrieden und ging sein Schwert holen.
"Die lazalischen Idioten werden keine Chance gegen dich haben", meinte der andere und trat einen Schritt vor der funkelnden Schwertspitze weg.
Ich versuchte mich davon abzuhalten, trotzdem entfuhr mir ein Laut, der halb verächtliches Schnauben und halb amüsiertes Lachen war. Sofort wandte ich den Blick von den dreien ab und hoffte, dass sie mein Geräusch als Husten identifizieren würden.
"Hey!", erklang die männliche Stimme. "Was sollte das, Iznashra?"
Zögerlich sah ich auf und erkannte, dass alle drei zu mir herüberstarrten. Das Blut schoss mir in die sich dunkelnden Wangen. Sofort senkte ich den Blick wieder. "Nichts", sagte ich knapp, hörte aber, dass der Mann, der gerade gesprochen hatte, auf mich zukam.
Mit dem Knauf seines Schwertes hob er mein Kinn. Die grünen Augen des Mannes funkelten mich an. Genauso wie der Prinz war er um einiges größer als ich. "Findest du das lustig?"
"Nein", sagte ich, sah ihm aber fest in die Augen. "Verzeiht."
"Denkst du nicht, dass er gegen euch Lazaliv gewinnen würde? Sollen wir es testen?", fragte er und sein Grinsen zeigte mir, dass ich aus dieser Nummer nicht mehr so einfach rauskommen würde.
"Wenn er sie umbringt, muss Azvar sich sein Glas Wasser ja selbst einschenken, Eldin", kam die spöttische Stimme des anderen von hinten.
Der Angesprochene lachte und klang dabei erstaunlich ähnlich zu den Geräuschen, die Ihashe verursachten. "Aber sie behauptet ja, dass sie ihn besiegen kann."
Ich schwieg und hoffte, dass ich dadurch wieder ignoriert werden würde. Tatsächlich war ich der Meinung, den Prinzen besiegen zu können. Ich hatte schon gefährlichere Gegner besiegt. Unwillkürlich blitzte eine Erinnerung vor meinem inneren Auge auf. Silbernes Blut und quälende Schmerzen. Mein eigener Schrei klang mir in den Ohren.
Der Prinz würde kein Problem sein, doch ich bezweifelte, dass ich dadurch weniger Ärger haben würde, weswegen ich eigentlich darauf verzichten konnte. Außerdem wussten die Caraliv nicht, dass mein Blut schwarz war. Sollte ich nun verletzt werden, würden sie wissen, dass König Zokaar nicht vorhatte, mich zurückzuholen, und ich war mir nicht ganz sicher, was dann passieren würde.
Auch der zweite Mann kam nun jedoch zu mir und gemeinsam schoben sie mich grob in die Mitte des Kampfplatzes. Azvar stand dort, die Muskeln entspannt, das Schwert locker an der Seite. Ein dünner Schweißfilm bedeckte seinen freien Oberkörper, die Sonnen malten Schatten, Täler und Berge über seine trainierte Brust. Verstehen konnte ich schon, wieso die Damen am Rand standen und ihn kichernd beobachteten. Nicht, dass ich so etwas jemals tun würde. Unsere Blicke trafen sich und ich dachte unwillkürlich an seinen geschwächten Zustand am Abend. Nichts davon lag nun mehr in seinem Auftritt, der Prinz war wieder stark und unnahbar wie immer.
"Frauen der Lazaliv lernen nicht, wie man kämpft", stellte Azvar fest.
"Eine leichte Gegnerin also", erwiderte Eldin spöttisch. "Rednir, hol ihr doch ein Schwert. Hoffen wir, dass sie sich nicht selbst damit ersticht."
"Es wäre nicht schade um sie. Das Schwert kann sie sich selbst holen", entgegnete Rednir.
Wut flammte in mir auf. So unhöflich war ich ganz sicher nie zu meinen Zofen gewesen! Wie konnten sie es wagen, mich so zu behandeln?
"Azvar, sei doch nett zu ihr. Vielleicht kannst du ihr einen ihrer hübschen Flügel abschneiden und als Trophäe über dein Bett hängen." Eldin griff nach der Spitze meines Flügels und zog daran.
Ruckartig fuhr ich herum. "Finger weg!", zischte ich und schlug einmal mit dem Flügel, der dann versehentlich den Prinzen am Kinn traf.
Azvar kniff sichtlich gereizt die Augenbrauen zusammen und trat einen Schritt zurück. "Hol dir eine Waffe. Wir werden kämpfen."
Inzwischen war ich ebenfalls nicht mehr ganz abgeneigt. Es würde diesen aufgeblasenen Idioten nur recht geschehen, wenn ich ihnen zeigte, was ich konnte. Schon lange hatte ich meinen Frust nicht mehr im Kampf abgebaut, und von dem hatte sich in den letzten Tagen viel angesammelt.
"Azvar will wohl schon wieder eine neue Dienerin", stichelte Eldin und grinste mich höhnisch an.
Brodelnd vor Wut stapfte ich zu den Waffenständen am Rand und testete einige Klingen, indem ich sie in der Hand wog und meinen Arm einmal damit kreisen ließ. Schließlich entschied ich mich für zwei einfache Zwillingsschwerter, die etwas kürzer und leichter waren als die, die ich von zuhause gewohnt war, doch ansonsten kamen sie recht nahe an meine Lieblingswaffen heran.
Die Hefte der Klingen fest in der Hand wandte ich mich um und ging auf den Prinzen zu, der nun allein in der Mitte des Platzes stand. Eldin und Rednir saßen auf der Umzäunung am Rand, beinahe unangemessen nahe an den noch immer unverhohlen herüberstarrenden Damen. Ein paar mehr Zuschauer hatten sich inzwischen versammelt. Viele amüsierte Gesichter blickten mir entgegen, alle fanden die Vorstellung belustigend, den Prinzen gleich gegen die kleine, schwache Dienerin kämpfen zu sehen, die einmal eine hochnäsige, arrogante Prinzessin gewesen war.
Meine Aufmerksamkeit richtete sich wieder auf Azvar. Er musterte mich, das Schwert inzwischen kampfbereit in der linken Hand. In seinen vorherigen Kämpfen hatte ich gesehen, dass er beidhändig kämpfte und sowohl links als auch rechts gut beherrschte. Seine Klinge war deutlich breiter und schwerer als meine. Azvar war um einiges größer als ich und in körperlicher Stärke natürlich stark überlegen.
Mir war klar, dass er darauf setzen würde, mich mit Kraft zu besiegen und dass jeder Zuschauer damit rechnete, dass er mich mit zwei Schwertstreichen am Boden hatte. Vermutlich er genauso, seinem milde belustigten Blick nach zu schließen.
Der Ehrgeiz packte mich, als ich die Sticheleien von Eldin und Rednir hörte und diesen Blick sah. Alle drei Männer kämpften, wie man es von den Caraliv erwartete. Mit Flinkheit und Schnelligkeit wäre es ein Leichtes, sie zu besiegen.
Noch bevor Azvar angreifen konnte, schwang ich mein linkes Schwert und versuchte seine Deckung zu umgehen, indem ich gleichzeitig mit rechts von unten schlug.
Meine Hoffnung ihn unvorbereitet zu treffen verflüchtigte sich, als Azvar mit einer schnellen Bewegung parierte und in den Gegenangriff überging. Er war ein guter Kämpfer, das merkte ich schon nach dem ersten Streich. Mit fließenden Bewegungen wechselte er die Schwerthand und ließ einen Hagel an kraftvollen Schlägen auf mich niedergehen. Er verlagerte sein Gewicht geschmeidig und genau zum richtigen Zeitpunkt, hatte schnelle Reflexe und gute Instinkte.
Doch wie zu erwarten gewesen war, legte er all seine Kunst in die Kraft. Ich hatte keine Hoffnung, die Schläge mit meinen Schwertern abzuwehren, doch mit schnellen Schritten brachte ich mich immer wieder aus seiner Reichweite, wagte zwei oder drei Flügelschläge, um ihn von der anderen Seite anzugreifen, und setzte ihn so unter Druck.
Meine Ausdauer hatte in den knapp zwei Wochen ohne Training gelitten und schon bald keuchte ich unter der Anstrengung seinen Hieben auszuweichen und unter erschwerten Bedingungen in die Luft auszuweichen. Meine Muskeln brannten, mein Kleid behinderte mich und nicht selten kamen meine Klingen doch in direkten Kontakt mit seinem Schwert, was mich viel Kraft kostete.
Das Raunen, das das sich stetig vergrößernde Publikum von sich gab, hörte ich nicht. Für mich gab es nur meine Klingen, meinen Gegner und mich.
Ein weiteres Mal traf das Schwert meiner rechten Hand auf Azvars. Er drückte mich von oben zu Boden, gegen seine Muskelkraft hatte ich keine Chance. Doch in seinem siegessicheren Moment vergaß er einmal mehr, dass meine geringere Größe mich flink machte.
Mit einer schnellen Bewegung drehte ich mich unter seinem Schwert hindurch. Aus dem Gleichgewicht geraten holte er aus und wollte seinen Schwung nutzen um mich erneut anzugreifen, doch ich wich ihm fließend aus und sein Schlag ging ins Leere, während ich herumwirbelte und mein Schwert schwungvoll mit mir führte.
Nur mit Mühe bremste ich rechtzeitig, ansonsten hätte ich ihm wohl die Kehle durchgeschnitten. Schwer atmend stand ich hinter ihm, jeden Muskel angespannt, den Arm durchgestreckt. Die Klinge drückte sich gegen seinen Hals. Fasziniert starrte ich auf den Blutstropfen, der aus dem oberflächlichen Kratzer austrat. Leuchtend rot hob er sich von der gebräunten Haut des Prinzen ab.
Dann wurde mir bewusst, was ich gerade getan hatte, und ich sank auf die Knie.
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