one
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{ Ein neues Jahr }
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„Ist dir kein anderer bescheuerter Spitzname über die Ferien eingefallen?"
„Livie!", schrie meine beste Freundin hysterisch und kam strahlend und wild mit den Armen rudernd auf mich zugerannt. Sie wich den anderen Menschen auf dem Bahnsteig aus und schaffte es tatsächlich niemand zu schlagen. Lachend fielen wir uns in die Arme und umarmten uns fest. Sie gab mir einen Kuss auf die Wange und löste sich schließlich wieder von mir.
„Du weißt gar nicht wie sehr ich dich vermisst habe.", sagte Eleanor mit leuchtenden Augen. „Ach, es ist so toll dich wiederzusehen."
„Du hast mir auch gefehlt, Elle.", erwiderte ich grinsend.
„Das will ich aber auch schwer hoffen. Es wäre ja wohl das Größte, wenn nur ich die letzten Wochen so sehr gelitten hätte.", meine Freundin grinste mich schief an.
„Ich kann dir versichern, Eleanor, dass Olivia dich mindestens genauso sehr vermisst hat, wie du sie. Sie hat die vergangenen Tagen von nichts anderem mehr als von dir und Hogwarts gesprochen.", schaltete sich mein Vater ein, der mit etwas Abstand hinter mir stand.
„Das freut mich zu hören, Mr. Blake."
Der Zug, der neben uns stand, stieß ein lautes und langes Pfeifen aus.
„Ich glaube wir sollten.", meinte ich an Elle gewandt, die mir nickend zustimmte. Ohne zu zögern schnappte sie sich meine kleinere Tasche.
Ich drehte mich zu meinem Dad um, damit ich mich verabschieden konnte. Er sah nostalgisch den Hogwarts Express an.
„Wie gerne ich nochmal jung sein würde.", meinte er schließlich mit einem Seufzer und wandte sich mir zu. „Genieß dein Jahr, Schätzchen, pass auf dich auf und schreib deinem alten Herrn doch mal."
Ich schloss meinen Vater in eine feste Umarmung. Ich wusste, dass es ihm ein wenig mehr Sorgen als sonst bereitete mich nach Hogwarts zu schicken. Der Grund dafür war ein Krimineller namens Sirius Black, der aus dem Zauberer Gefängnis Azkaban ausgebrochen war. Als aller erster überhaupt.
„Das werd ich machen. Ich wünsche dir viel Spaß in New York."
„Ich probiere so viel Spaß wie möglich beim Arbeiten zu haben.", gab er zwinkernd zurück.
„Das wollte ich hören, Dad.", lachte ich und ergriff meinen Koffer.
„Dir auch ein schönes Jahr, Eleanor."
„Danke, Sir. Jetzt, wo ich Olivia wieder an meiner Seite habe, kann es nur gut werden. Und von mir auch eine schöne Zeit in den Staaten."
Ich schenkte meinem Vater noch ein letztes Lächeln, bevor ich mich umdrehte und Elle folgte. Zielstrebig lief sie mit meiner Tasche durch die Menschenmenge und wie ein braver Welpe folgte ich ihr.
„Die anderen haben zum Glück schon ein Abteil für uns gefunden und halten es frei.", meinte sie, als sie halt machte und vor einer geöffneten Wagontür stehen blieb.
„Hätte aber auch nichts dagegen gehabt, wenn zumindest einer mir mit meinem Koffer geholfen hätten.", brummte ich leise. Als ich mir den schweren Gegenstand ein weiteres Mal gegen meine Beine schlug. Die mussten mittlerweile schon blau und grün sein, so häufig wie mir das schon am heutigen Tag passiert war. Elle gluckste nur und half mir meinen Koffer die paar Treppen in den Zug hochzuhieven.
„Sag mal, hast du einen ganzen Kessel mit Steinen eingepackt oder warum ist das Ding so schwer?", fragte mich Elle als mein Gepäck endlich im Zug war.
„Das nicht. Ich hab nur das ein oder andere Buch mehr mitgenommen.", gab ich unschuldig von mir, während wir uns durch den vollen Gang quetschten.
„Haben dir die, die auf unserer Liste standen noch nicht gereicht? Hast du gesehen wie viele das waren? Ich hab gedacht, ich krieg nen Hexenschuss als ich das gesehen habe."
„Elle, du solltest doch mittlerweile wissen, dass Dimples immer mehr Bücher als notwendig einpackt.", grinste ein Junge mit roten Haaren, der seinen Kopf aus dem Abteil vor uns herausstreckte.
„Da hast du recht, Fred. Eigentlich ist sie viel zu überqualifiziert für unsere Freundesgruppe.", antwortete sein Zwillingsbruder, der ebenfalls aus dem Abteil kam. Ich verdrehte die Augen. War klar, dass das erste, was ich von den Weasley Zwillingen zu hören bekam, ein dummer Spruch war.
„Bei euch beiden Pappnasen, muss irgendjemand ja den IQ anheben.", erwiderte ich.
„Wo sie recht hat, hat sie recht, Brüderchen.", meinte George schulterzuckend und schloss mich im nächsten Moment in die Arme. Herzlich erwiderte ich diese. Fred und George Weasley waren mit meine besten Freunde, seitdem wir zum ersten Mal gemeinsam nach Hogwarts gefahren sind. Damals vor genau vier Jahren.
„Komm ich nehm dir den Koffer ab.", meinte er anschließend und schnappte sich das kleine Schwergewicht so, als würde es gerade mal die Hälfte wiegen.
Elle folgte ihm ins Abteil und ich stand mit Fred alleine auf dem Gang, der mich etwas zu dämlich für meinen Geschmack angrinste.
„Hab ich was im Gesicht oder warum grinst du so blöd?", fragte ich schließlich ein wenig unsicher.
„Ne, ich freue mich bloß dich zu sehen, Dimples.", zwinkerte er und schloss mich anschließend auch in eine Umarmung, die etwas länger war, als die mit seinem Bruder zuvor.
„Ist dir kein anderer bescheuerter Spitzname über die Ferien eingefallen?.", fragte ich, als wir uns wieder gegenüber standen. „Falls es dir noch nicht aufgefallen sein sollte, aber ich habe seit über zwei Jahren keine Grübchen mehr.", Fred wusste genau, wie sehr ich den Spitznamen hasste, den er mir im ersten Schuljahr gegeben hatte, wo ich noch aussah wie ein Kindergartenkind, mit viel zu dicken Bäckchen.
„Doch du hast sie immer noch.", erwiderte er schulterzuckend. „Wenn du ganz stark lachst, kann man sie immer noch erkennen. Und solange ich dich noch zum Lachen bringen kann, bist du noch Dimples. So einfach ist das."
„Ich befürchte, dass es dann ein lebenslanger Fluch ist.", gab ich kopfschüttelnd zurück, konnte aber ein kleines Lächeln nicht unterdrücken.
„Seh ich auch so.", Fred schob die Abteilungstür wieder auf und deutete mir an vor zu gehen. „Nach Ihnen, Mylady."
Im Abteil hatten sich George und Eleanor bereits die Fensterplätze gesichert und lachten zusammen über die Leute auf dem Bahnsteig, die sich teilweise wild fuchtelnd voneinander verabschiedeten.
„Habt ihr Angelina eigentlich schon gesehen oder nicht?", fragte ich in die Runde, nachdem ich mich neben Elle hingesetzt hatte.
„Die Arme wurde direkt von Oliver abgefangen, weil er ihr seine neuen Qudditch-Strategien vorstellen wollte.", erzählte George und zog eine bedauernde Miene.
„Wir werden sie also frühestens in ein bis zwei Stunden sehen.", ergänzte Elle und schüttelte den Kopf. „Wie kann man nur so verrückt nach einem Sport sein?"
Wir alle sahen uns ratlos an. Obwohl Fred und George auch für das Gryffindorteam spielten, waren beide normal und nicht wie Oliver Wood, Hüter und Kapitän der Mannschaft komplett vernarrt in dieses Spiel. Ich war zwar auch großer Fan von Quidditch, allerdings hielt sich mein Talent auf dem Besen eindeutig in Grenzen.
Der Zug setzte sich langsam in Bewegung und verließ den Bahnhof mit den wild winkenden Eltern und Verwandten.
„Ich könnt euch gar nicht vorstellen, wie sehr ich mich auf dieses Jahr freue.", meinte ich schließlich grinsend.
„Trotz den ZAGs?", fragte Elle ungläubig. Die ZAGs waren unsere Prüfungen am Ende des Jahres, die über unseren weiteren Werdegang bestimmen würden.
„Trotz den ZAGs.", bestätigte ich nickend.
„Mich würde es nicht wundern, wenn du schon mit dem Lernen angefangen hast, O.", neckte mich George. Ich verdrehte nur die Augen. Auch wenn ich sehr gut in der Schule war und mich gerne ein wenig mehr informierte, war ich noch lange nicht die Streberin vom Dienst, die nichts besseres zu tun hatte als in den Ferien zu lernen.
„Tatsächlich hatte ich besseres zutun, als mich in den Ferien mit der Schule zu beschäftigen.", antwortete ich ihm schließlich.
„Besseres trägt den Namen Finn, nehme ich an.", fing Elle neben mir an zu lachen und ich gab ihr einen kleinen Seitenhieb.
„So so Finn also?", hakte Fred interessiert nach und fixierte mich mit seinen Augen.
„Ach nicht der Rede wert. Es war nicht mehr als eine kleine Sommerromanze.", gab ich schulterzuckend von mir. „Aber wie war euer Sommer denn so?"
George fing augenblicklich an von Ägypten zu erzählen, wo die Weasleys dieses Jahr waren. Mr. Weasley hatte Geld gewonnen und die Familie hatte ihren ältesten Sohn, Bill besucht. Ich spürte wie Freds Blick immer noch prüfend auf mir lag. Für einen kurzen Moment sahen wir uns in die Augen, ehe er sich schmunzelnd abwandte.
Die Zugfahrt verging wie im Flug, dank meiner guten Gesellschaft. Wie hatten bereits das Thema Sirius Black ausführlich besprochen und Theorien aufgestellt, wie er denn entkommen mag sein, die Frau mit dem Süßigkeitenwagen war auch schon lange da gewesen und draußen vor dem Fenster war es auch schon längst dunkel geworden.
Wir waren gerade dabei eine neue Runde ‚Snape explodiert' anzufangen, als der Zug langsamer wurde. Es zischte laut und die Räder quietschten, ehe der Hogwarts Express komplett zum Stehen kam.
„Sind wir schon da?", fragte Elle verwirrt.
„Das wäre ein Träumchen. Ich hab nämlich unglaublich Hunger.", meinte ich und wie zu Bestätigung knurrte mein Magen einmal extra laut.
Fred schüttelte leicht den Kopf und auch George wirkte etwas skeptisch.
„Ich will dich ja nicht enttäuschen Dimples, aber wir müssen locker noch ne Stunde oder zwei fahren."
„Aber warum halten wir, wenn wir noch nicht da sind?", fragte Eleanor verwirrt. Keiner von uns besaß eine Antwort auf ihre Frage.
Die Lichter im Abteil und auf dem Gang fingen an zu flackern und ein paar Sekunden später war alles komplett dunkel. Reflexartig spannte sich mein gesamter Körper an. Im Flur hörte man es laut rumpeln.
Ich sprang auf, um zu sehen, ob ich etwas erkennen konnte. Ich hörte wie auch Fred sich bewegte und spürte im nächsten Moment seine Anwesenheit hinter mir. Wir spähten durch die Glastür, konnte aber rein gar nichts erkennen, so dunkel war es auf dem Flur.
„Könnt ihr was sehen?", hörte ich Elle aus der Dunkelheit hinter mir fragen.
„Nichts.", antwortete Fred und sein warmer Atem traf auf meinen Nacken.
Ich streckte meine Hand aus, um die Tür zu öffnen, doch blieb mitten in der Bewegung stehen. Eine unnatürliche Kälte breitete sich plötzlich aus und ergriff immer mehr Kontrolle über meinen Körper. Meine Glieder wurden schwerer und meine Gedanken immer negativer. Ich wusste sofort, dass die anderen das Gleiche wie ich erlebten.
Ich kannte dieses Gefühl, obwohl es mittlerweile mehrere Jahre her war, dass ich einem Dementor begegnet war. Diese Hoffnungslosigkeit und Trauer, die meinen Körper und Geist damals ergriffen hatte, hatte ich nie vergessen können.
Und in diesem Moment kam ich mir wieder vor wie das elfjährige Mädchen, das gerade seine Mutter verloren hatte und trauend neben ihrem Vater stand. In einem Gerichtssaal, wo der Todesser, der meine Mutter getötet hatte von Dementoren bewacht wurde und anschließend zu lebenslanger Haft in Azkaban verurteilt wurde.
Ich versank immer tiefer in einem dunklen Loch und die Anwesenheit eines dieser Wesen wurde immer deutlicher. Bilder von meiner Mutter traten vor mein inneres Auge auf und auch das Gesicht von dem Todesser, der sie ermordet hatte.
Die Kälte war unerträglich und ich kam mir vor, als würde ich in meiner eigenen Trauer ertrinken. Nie wieder könnte ich glücklich sein, weil es nichts anderes mehr gab als Angst, Schuldgefühle und Einsamkeit.
Meine Kehle schnürrte sich zu und ich merkte, wie sich Tränen in meinen Augen bildeten. Ein Schmerz ergriff mein Herz und ich wünschte mir mit aller Kraft woanders zu sein. Dieses schreckliche Gefühl hinter mir zu lassen.
Ich konnte erkennen wie die große schwarze Gestalt an unserem Abteil vorbei glitt und ich taumelte mit aller Kraft einen Schritt zurück. Ich prallte gegen Fred, der immer noch hinter mir stand und sich anscheinend auch nicht wirklich bewegen konnte.
Sein Körper war genauso eisig wie meiner. Ich stieß einen leisen Laut aus, der sich wie das Wimmern von einem kleinen Kind anhörte.
Ich spürte wie Fred meine Hand ergriff und sie fest drückte. Und obwohl sie eiskalt war, gab mir diese kleine Geste Kraft. Ich war nicht alleine. Fred war bei mir und George und Elle waren ebenfalls hier.
Ich war nicht mehr das elfjährige Kind, was nur Trauer und Hoffnungslosigkeit kannte. Ich war stark.
Wie zur Bestätigung meiner Gedanken gingen die Lichter im Abteil und im kompletten Zug wieder an und erleichtert atmete ich auf.
„Alles gut bei dir?", fragte mich Fred so leise, dass ich mir sicher war, dass die anderen beiden ihn nicht hören konnten. Ich nickte nur stumm und blinzelte die restlichen Tränen weg.
Ich zog meine Hand aus seiner und setzte mich zurück auf den Platz neben Elle, die viel blasser als sonst war. Es dauerte einige Sekunden bis einer von uns wieder das Wort ergriff.
„Bei Merlins Bart. Nie wieder möchte ich mich so fühlen.", meinte George schließlich und schüttelte sich. Wie nickten alle zustimmend.
* * *
Hi, es freut mich sehr, dass du auf meine Geschichte aufmerksam geworden bist! Ich wünsche dir viel Spaß beim Lesen und würde mich riesig über Feedback freuen :)
Alles liebe!
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