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Damian's Sicht
"Am heutigen Tag haben wir uns hier versammelt, um unsere Gefallenen zu ehren, die diese Welt verlassen haben, damit wir auf ihr weiterleben können."
Eine Beerdigung von Werwölfen war weniger eine Trauerveranstaltung, sondern mehr eine Feier. Wir trauerten nicht um ihren Tod. Wir feierten das Leben, das sie gelebt hatten, und würdigten dieses, indem wir ihnen den Weg zur Göttin bereiteten.
Werwölfe wurden verbrannt. Jeder bekam seinen eigenen Platz, der mit Stroh ausgelegt war und auf den Freunde und Verwandte all die Dinge stellten, die ihn charakterisierten und beschrieben.
Es wurden drei Fackeln entzündet. Eine für die Lebenden, die der Werwolf hinterließ; eine für die Mondgöttin, die sich seiner im Tod annehmen würde und eine für sich selbst, die den Werwolf für seine Einzigartigkeit und Taten feierte.
Der Rauch, der durch das Feuer entstand, fand seinen Weg dann hinauf zum Himmel.
Es waren viele Feuer, die wir in dieser Nacht entflammten. Viele, die während des Kampfes für die Überlebenden gestorben waren und die wir nie vergessen würden.
Die meisten vergossen keine Tränen. Doch einige hatten ihre Gefährten verloren. Ihre einzigartigen Partner. Sie weinten um ihre verlorene Liebe. Nur sie durften es.
Um ein Bett aus Stroh hatten sich mehr Personen versammelt als bei den anderen. Für die Verantwortung, die er sein gesamtes Leben lang getragen hatte, und die Opfer, die er für sein Volk gebracht hatte, wurde er von ihnen gewürdigt. Doch er erhielt die gleiche Prozedur, wie alle Toten.
Im Tod waren wir alle gleich. Dann spielte es keine Rolle mehr, welche Position wir im Leben eingenommen hatten. Selbst die Fehler wurden verziehen. Jeder erhielt die gleiche Behandlung, denn wir alle hatten das Recht darauf. So war es schon immer gewesen und so würde es auch immer sein.
Eines der wenigen Dinge, die sich vielleicht nie ändern würden.
Ethan trat neben mich. Gemeinsam sahen wir dabei zu, wie der Alpha von seinen Kriegern in Flammen gesetzt wurde und unter Wolfsgeheul endgültig diese Welt verließ.
"Es fühlt sich nicht real an, hier zu stehen", murmelte Ethan. Auch für ihn war es eine komische Zeit, nun da der Kampf vorbei war.
"Du meinst hier zu stehen, ohne sie?", fragte ich und deutete auf die vielen Betten und Lager vor uns. "Ja, es ist wirklich komisch."
"Besonders, dass er nicht hier ist. Sicherlich hätte er wieder irgendeinen Spruch auf Lager, der dich auf die Palme bringen würde." Ethan schmunzelte bei dem Gedanken.
Ich sah Egberts Geist nach, als er uns endgültig verließ.
Auch Karl sah seinem Alpha noch lange nach. Vermutlich dachte er auch darüber nach, wie der alte Mann ihn verlassen hatte. Ziemlich heldenhaft, wie ich fand. Denn er hatte eine Kugel abgefangen, die für seinen Beta und Freund gedacht war. Er war gestorben, damit Karl, Saphira und Matthias ein glückliches Leben führen könnten.
Auf jeden Fall wurde es nun deutlich interessanter. Durch Egberts Tod war automatisch Karl zum Alpha geworden. Doch durch einen Einspruch des Volkes wäre diese Entscheidung sicherlich irgendwie rückgängig zu machen. Aber sie waren einverstanden, zumindest die, die bisher gefragt werden konnten. Wenn Karl jedoch die Unterstützung der Krieger des Wester Rudels besaß, war es sehr unwahrscheinlich, dass sich daran noch etwas änderte. Laut Saphira war Karl aber schon immer ziemlich angesehen im Rudel, weshalb ich da keine Probleme erkannte.
"Damian."
Ich drehte mich zu Lerhome, der leise weitersprach: "Wir können beginnen."
Ich nickte und schaute noch einmal zu Ethan. Er atmete tief durch und ging dann zu unseren Kriegern. Er ließ mir Zeit und drängte mich nicht, ihm zu folgen. Aber ich war bereit, Abschied zu nehmen. Also folgte ich ihm.
Im Gehen konnte ich Niklas und Amelia erblicken. Sie standen etwas abseits, ließen den Trauernden Raum. Es hatte sich etwas zwischen ihnen verändert. Im Kampf hatten sie sich gegenseitig geschützt und auch jetzt standen sie näher zusammen als jemals zuvor.
Ich kannte eine Person, die das sehr freuen würde.
Ich hatte viele meiner Krieger verloren. Zwar waren sie nicht durch Gregors Befehl gestorben, doch als wir mit den roten Menschen zu kämpfen begannen, waren es größtenteils meine Leute, die anwesend waren. Die Rudelmitglieder der anderen Alphas mussten erst einmal zu uns gelangen.
Viele meiner Freunde und Mitglieder des Shadow Rudels versammelten sich um die Betten, sodass keines allein stand. Sie entzündeten die Fackeln und warteten dann auf mein Zeichen.
Ich gesellte mich zu Ethan, während sich Lerhome zu dem toten Drokor stellte.
Er war mitten im Kampf gestorben. Das waren in gewisser Weise alle, aber Drokor hatte im Kampf gelebt, er hatte für diesen Kampf gelebt. Er hatte sich gerächt für unsere Toten und die verschreckten Kinder, die den damaligen Angriff so hautnah miterleben mussten.
Ich hatte nicht gesehen, wie es geschah. Lerhome schilderte es mir später.
Drokor hatte es mit fünf Menschen gleichzeitig aufgenommen und war schließlich am Letzten gescheitert. Die Schnitte und Wunden, die er zugefügt bekam, hatten ihm immer weiter seine Kraft geraubt, sodass er sich nicht mehr wehren konnte, als der Letzte ihm seinen Dolch ins Herz stieß.
Lerhome hatte den Menschen getötet. Er erzählte mir, dass Drokor mit einem Lächeln im Gesicht gestorben war.
Ich glaubte es ihm sofort. So war Drokor. Er hatte sein Leben geliebt und es in allen Zügen genossen. Es gab nichts, was er zu bereuen hätte, denn er war in Ehre und für seine Leute gestorben.
Ethan riss mich aus meinen Gedanken, als er mir ebenfalls eine Fackel reichte.
Ich nahm sie entgegen und starrte noch einmal auf den Boden, um mich zu sammeln, bevor ich es wagte den Blick auf den hellbraunen Wolf vor mir zu legen.
Ich hatte meinen Bruder im Kampf verloren. Für mich einer der größten Verluste, seit ich das Licht der Welt erblickt hatte.
Es war ein Kampf der Aufopferung gewesen - wahrscheinlich würde man ihn so auch in Erinnerung behalten.
Alina wollte ihr Leben für Amelia geben. Letztlich gab ich meins für Alinas.
Egbert starb, damit Karl weiterleben konnte.
Und Jack fing einen für mich bestimmten Dolch ab, indem er sich vor mich schob.
Ich kannte Jack und so kannte ich auch die Gründe für diese Entscheidung.
Jack hatte mit angesehen, wie ich mich in Alina verliebte. Wie ich eine Gefährtin bekam, glücklich war und sie verlor. Dann bekam ich eine zweite Chance und jemand hatte sie mir wieder nehmen wollen.
Es passte zu Jack, dass er das nicht zuließ. Und als er in Form seines geliebten Wolfs zu Boden ging, forderte er mich in Gedanken auf, ihm noch etwas zu versprechen. Ich versprach ihm, nie zu vergessen, was an diesem Tag alles geschehen war. Ich versprach ihm, alles in meiner Macht stehende zu tun, damit die Werwölfe so etwas nicht noch einmal erleben mussten. Ich versprach ihm, zu leben, das Leben zu genießen, das er mir ermöglicht hatte.
Ich hatte ihm unter Tränen zugehört und immer wieder genickt, während er mir seine Wünsche offenbarte. In dem Moment war es mir egal, was er von mir verlangte. Er hätte alles wollen können. Ich hätte es ihm gegeben, damit er zufrieden sterben konnte. Ich war bei ihm geblieben, hatte noch nach Heilern geschrien, doch ich verlor meinen Bruder, bevor sie ihn retten konnten.
Ich straffte die Schultern und ließ meinen Blick über all die Toten wandern, deren Taten nie vergessen würden.
Ich spürte, wie sich Ethan verwandelte.
Kurz dachte ich daran, noch etwas zu sagen, aber da war nichts, was ich sagen konnte. Also entzündete ich das Stroh. Für die Freunde, die er hinterließ.
Ich nahm die zweite Fackel entgegen. Für die Mondgöttin, mit der er sich immer so gut verstanden hatte und von der ich wusste, dass sie ihm ein angenehmes Leben nach dem Tod geben würde.
Die dritte Fackel entzündete ich selbst, für Jack und das glorreiche und erfüllte Leben, das er gelebt hatte.
Als sich das Feuer ausbreitete und Ethan den Kopf in den Nacken legte, um ein Heulen auszustoßen, sah auch ich auf und erkannte, dass die Anderen meinem Beispiel gefolgt waren. Es waren viele Feuer um mich herum entzündet.
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