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Damian's Sicht
Der Seelenbund straffte sich. Er wurde immer weiter ausgezerrt. Doch er zerriss nicht. Er war da. Wenn auch gedehnt und ich befürchtete jede Sekunde, er würde reißen. Aber das tat er nicht.
Seit ich wieder aufgewacht war, bestand er.
Ich hatte Alina gehört. Noch im Tod. Ich hatte ihren Schrei gehört und wurde schließlich von einem grell leuchtenden Licht wieder ins Leben gezogen. Nur um von Alina ein Versprechen zu erhalten und sie gleich darauf zu verlieren.
Dass sie lebte, machte mir jedoch Mut. Und diesen würde ich nutzen, denn trotz allem was geschehen war, ging es weiter.
Menschen und Werwölfe waren immer noch im großen Saal verteilt. Nur eines hatten die unterschiedlichen Wesen gemeinsam: Sie sahen mich an wie jemanden, der gerade von den Toten wieder auferstanden war.
Sämtliche Werwölfe hatten Alinas Aktion überlebt, lediglich die Menschen hatten Verluste. Die hinter Gregor gestandene Traufe war vollkommen unter den Trümmern begraben worden.
Die Wachposten konnten sich rechtzeitig in Sicherheit bringen und Gregor hatte auf wundersame Weise überlebt. Um seinen Körper herum waren die Überreste der Decke versammelt, verletzt worden war mein Mörder aber nicht. Ich hatte das komische Gefühl, dass mir eine bestimmte Person die Rache überlassen und ihn am Leben gelassen hatte.
Ich richtete mich vorsichtig auf und überprüfte den Stand meiner eigenen Beine. Als ich mir sicher war, dass ich nicht einfach wieder umkippen würde - das würde sicherlich nicht gerade einen bedrohlichen Eindruck erwecken - sah ich hinauf. Der Mond leuchtete mir ins Gesicht, doch etwas war anders.
Es fühlte sich vertraut an. Die Art, wie ein Lichtstrahl mich an der Wange berührte, die Berührung lediglich ein Hauch, kannte ich. Und obwohl ich wusste, dass diese Vorstellung nicht möglich war, lächelte ich, als würde ich einer vertrauten Person einen Blick zuwerfen.
Es machte mir mehr Mut als ich zugeben wollte.
Ich drehte mich um, sodass ich alle Anwesenden im Auge behalten konnte. Erst jetzt fielen mir die roten Gestalten auf, die sich in Scharen vor der kleinen Menge Wölfe versammelt hatte. Alle trugen Pistolen, Peitschen und Messer.
Ich brauchte nicht viel Fantasie, um mir vorzustellen, was sich in und auf den Waffen befand.
Ich wandte mich meinen Leuten und den anderen Alphas zu. In manchen Gesichtern sah ich Wut, in anderen Verblüffung und Freude, aber auch Trauer.
Aber wieder hatten alle etwas gemeinsam. Wir würden nicht mehr so mit uns umspringen lassen. Wir würden uns wehren und hier lebend wieder herauskommen.
Der Plan war schon längst vergessen, egal. Das Einzige, was ich noch unterbewusst wusste, war, dass die Peitschen uns nichts antun konnten, solange sie nicht zu weit in unser Fleisch eindrangen. Das war schon einmal ein kleiner Hoffnungsschimmer.
Obwohl Alina uns einen großen Vorsprung verschafft hatte, da sie eine bestimmte Anzahl unserer Gegner bereits vernichtet hatte und die Überlebenden uns unsicher ansahen, würde dieser Kampf schwierig werden.
Nach meiner bisherigen Erfahrung waren die Menschen gerade im Vorteil. Sie waren in der Überzahl und hatten zudem bessere Waffen.
Doch ich hatte das Gefühl, dass wir dennoch eine erhebliche Chance besaßen. Denn trotz der Tatsache, dass Alina uns im Kampf viel hätte nützen können, hatten wir eine Motivation, ein Ziel vor Augen, das genügend Ansporn lieferte, unser Bestes zu geben.
Macht euch bereit. Wir werden denen jetzt endlich mal zeigen, warum alle so viel Schiss vor uns haben. Bisher haben sie davon noch nichts mitbekommen, doch jetzt ist unsere Zeit gekommen. Wir werden hier lebend herauskommen.
Meine kleine Ansprache bewirkte viel. Meine Krieger richteten sich auf, mit einem aufgeregten Funkeln in den Augen, und verwandelten sich in ihre Wolfsform. Als Wölfe waren wir stärker, schneller und deutlich besser in der Lage, jemanden zu verletzen.
Ich wagte mich ein paar Schritte von meinem Aufwach- und gleichzeitig Sterbeort, um zu den Alphas zu gehen. Die Menschen behielt ich dabei im Blick, doch sie wagten es nicht, uns anzugreifen.
Manche sahen immer wieder zu ihrem Anführer herüber, der immer noch reglos am Boden lag.
"Ich will meine Rache", stellte Zabrina klar, kaum dass ich bei ihr angekommen war.
"Und ich habe keineswegs vor, sie dir zu verweigern", meinte ich lediglich, was viele eindeutig überraschte.
Was dachten die denn? Dass ich meine eigenen Mörder einfach würde laufen lassen?
Ich schaute zu Egbert, der eh schon kampfbereit war und auf meinen fragenden Blick hin nur grinste. Alle anderen reagierten ähnlich.
Nur Eriens sah mir mit einer Entschlossenheit im Gesicht entgegen, die ich von ihm gar nicht gewohnt war. "Ich will meine Leute befreien." Jones neben ihm drückte die Schultern nach hinten und knackte mit den Fingern.
"Wir werden eure Leute befreien und Rache für die bereits Gefallenen bekommen. Wir vergessen den Plan. Erstmal. Machen wir zuerst das und überlegen uns danach, wie es weitergehen soll." Leiser fügte ich hinzu: "Denken ist eigentlich ja eh nicht so unsere Stärke. Wir lassen lieber unsere Muskeln spielen."
"Der eigene Tod verändert einen wohl ziemlich", grinste Egbert, woraufhin ich bloß die Augen rollte und zu Jack ging.
"Lass sie mich alle fertigmachen", forderte mein Beta.
Ich lachte lediglich und klopfte ihm auf die Schulter.
"Warum greifen sie uns nicht an?"
"Sie trauen sich nicht ohne einen ausdrücklichen Befehl von Gregor. Dabei ist er doch eigentlich nur ein Vertreter, nicht wahr?", fragte ich ironisch und schritt auf ebendiesen Vertreter zu.
"Ich werde sie dazu bringen, uns anzugreifen. Es soll doch nicht langweilig werden."
Ich stieg über die Trümmer und stieß einige Backsteine zur Seite. Gregor lag regungslos in einer verkrampften Position. Er sah aus als würde er schlafen. Ganz friedlich, ungeachtet all der Leben, die seine Vorstellungen und Träume gekostet hatten.
Nun, ich hatte vor, das zu ändern.
Ich packte Gregor unter den Armen und zog ihn auf die Beine, bevor ich ihm eine Ohrfeige verpasste. Erschrocken erwachte der Mann und guckte direkt mit geweiteten Augen zu mir.
Ich lächelte ihn an und war mir sicher, dass ich dabei nicht gerade freundlich aussah. "Du erinnerst dich noch an mich?"
Gregor nickte. Scheinbar war er nicht mehr imstande zu sprechen. Wie komisch, wo er das doch vorher so gut konnte.
"Du hast mich umgebracht", erklärte ich ihm. "Und doch stehe ich hier. Ich habe schließlich noch einiges zu erledigen, bevor ich endgültig sterben kann."
Ich beugte mich nach vorne, sodass mein Mund sich direkt an Gregors Ohr befand und begann zu sprechen: "Einmal hat mir jemand gesagt, ich würde niemals meine Gefährtin finden. Ich habe ihn getötet. Jetzt hatte ich sie und jemand hat es gewagt, sie mir wegnehmen zu wollen. Verstehst du ungefähr, worauf das hier hinaus laufen wird?"
"Bitte nicht", flüsterte Gregor flehend.
Ich lachte. "Darauf hast du auch nicht gehört. Warum sollte ich es tun?"
"Ich habe dir einiges anzubieten. Wir können eine Vereinbarung machen, so wie ihr es vorhattet. Ich könnte dir auch den Verräter, Connor, liefern, denn ich weiß, wo er ist."
"Ich habe kein Interesse an Connor." Das stimmte. Er hatte sich für sein Leben entschieden und ich respektierte das. "Und die Chance auf Verhandlungen hast du dir verspielt. Besonders bei ihnen." Ich deutete auf die Alphas, deren Leute er ohne zu zögern hatte abschlachten lassen.
"Wenn ich so darüber nachdenke, könnte mir das Folgende schon fast leidtun." Ich dachte noch einmal kurz nach und schüttelte dann den Kopf. "Nein, vergiss das wieder. Es tut mir überhaupt nicht leid. Ich spüre eher so ein Kribbeln, wie Vorfreude." Ich zögerte seinen Tod absichtlich hinaus, ließ ihn darauf warten, zu sterben.
"Und weißt du, was das Beste ist? Durch deinen Tod werden diese roten Typen aggressiv und werden uns angreifen. Dann bekommen wir unsere Rache und sollten wir hier sterben, wissen wir, wer uns im Tod erwarten und empfangen wird." Die Mondgöttin. Gregor verstand diese Anspielung. Wir würden ohne Hemmungen töten. Zwar war es nicht mein Plan, alle hier umzubringen, aber ich würde alle sich austoben lassen.
Mit dem Wissen, dass Gregor schuld war, und das nicht nur an dem Tod unserer Leute, sondern auch seiner, und dem angsterfüllten Blick in seinen Augen lächelte ich ihn wieder an, bevor ich ihm die gleiche Behandlung zukommen ließ, wie auch dem Heiler damals. Ich riss ihm das Herz aus der Brust und genoss den erschrockenen Ausdruck in seinem Gesicht, als ihn der Tod verschlang und wie erwartet die Kampfgeräusche um mich herum begannen.
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