》52《
Alina's Sicht
"Durchdacht ist dein Plan aber nicht wirklich, oder?" Mit verschränkten Armen musterte ich den sandfarbenen Wolf vor mir, der nun den Kopf schief legte und sich wieder in einen Menschen verwandelte.
"Ich habe uns fast hier raus geschafft, da kann man ja wohl mal vergessen, dass du dich nicht in einen Wolf verwandeln kannst."
Ich rollte die Augen. Wir hatten uns an der Seite des Gebäudes entlang geschlichen. In der Wand waren im gleichmäßigen Abstand kleine Einschnitte eingebaut, in denen wir uns verstecken konnten, sobald Niklas Schritte näher kommen hörte. Zu irgendetwas war diese alte Bauweise also doch gut.
Dann kam aber ein Teil unserer Flucht, der sich als etwas komplizierter erwies. Um in den Wald zu gelangen, der in diesem Moment unser Ziel darstellte, mussten wir einen offenen Bereich überqueren, der von den Fenstern des hohen Gebäudes aus leicht überwacht werden konnte. Wir wurden also schnell gesehen und danach würde es deutlich schwieriger werden, hier heil hinaus zu kommen.
Also verkrochen wir uns wieder in einer Nische und warteten auf die nächste Person, die uns über den Weg lief. Völlig überrumpelt kam die junge Frau nicht mal zu einem Schrei, bevor Niklas ihr einen Schlag gegen den Kopf verpasste, der sie bewusstlos werden ließ.
Auf meinen missmutigen Blick reagierte er lediglich mit: "Entweder so, oder gar nicht." Er übergab mir den Mantel der Frau. Er war mir deutlich zu klein, weswegen ich ihn nur über meine Schultern hang, mir die Kapuze tief ins Gesicht zog, und mit einer Hand vorne festhielt.
"Ich brauche keine Verkleidung, mich kennen sie schließlich nicht", war das Einzige, was Niklas noch sagte, bevor er mich am Arm über den Platz zog.
Jeden Moment rechnete ich damit, dass wir entdeckt und zusammen in eine Zelle gesteckt wurden, aber nichts geschah.
Wir liefen noch etwas tiefer als geplant in den Wald hinein, um auf Nummer sicher zu gehen.
Neben zwei Birken blieben wir stehen und ich ließ den Mantel von meinen Schultern gleiten.
Erschöpft war ich ins Gras gesunken und rieb mir den Arm.
"Alles okay?", fragte Niklas.
Ich hatte daraufhin bloß gegrummelt und mit einer Gegenfrage geantwortet. "Wie sieht dein Plan jetzt aus?"
Er hatte sich in seinen Wolf verwandelt und mich auffordernd angeschaut.
"Ich bin eine Göttin. Das bedeutet nicht, dass ich mich in einen Wolf verwandeln kann."
"Bist du dir dafür zu gut, oder was?"
Ich kniff die Augen leicht zusammen. "Nun, meine Haare vertragen sich nicht mit dem Wind."
Niklas sah mich an, als hätte ich nicht mehr alle Tassen im Schrank. "Was?"
Ich seufzte genervt auf. "Ist doch auch egal. Wie weit ist es bis zu unserem Zuhause?"
"Ich bin in Wolfsform hergekommen und selbst so war es ein ziemlich langer Weg."
Ich war mir nicht sicher, ob ich in meiner jetzigen Verfassung für so etwas bereit war. Die Auswirkungen der Flüssigkeit in meinem Kreislauf waren immer noch deutlich zu spüren.
Niklas schien das Gleiche zu denken, jedoch war er es, der unser beider Gedanken aussprach. "Du schaffst es niemals den ganzen Weg. Ich würde dir ja anbieten, dich zu tragen, aber ehrlich gesagt traue ich mir das selbst nicht zu."
"Ist schon okay", meinte ich. Wen auch immer ich von uns beiden damit beruhigen wollte, es gelang mir bei keinem.
"Verdammt", fluchte Niklas. "Jetzt haben wir es soweit geschafft, um nun zu scheitern." Er zeigte mit einem Zeigefinger auf mich. "Es ist mir ziemlich egal, was passiert, das wichtigste ist, dass du irgendwie Amelia davon erzählst."
Ich lachte laut auf, was ihn sichtlich verwirrte. "Oh, ich bitte dich. Tu nicht so, als wäre ich dir völlig egal. Natürlich hast du das alles größtenteils ihretwegen gemacht, aber du wolltest mir helfen. Nicht weil du mich magst oder so, sondern weil du mich anerkennst, vielleicht sogar verstehst."
Er schnaubte, aber ein leichtes Lächeln umspielte seine Mundwinkel. "Kann schon sein."
Ein Knacken ließ uns herumfahren. Doch anstatt der feindlichen Werwölfe, die wir beide erwarteten, kam uns mit langsamen Schritten ein erstaunlich kräftiger und hochgewachsener Hirsch entgegen. Er schnaubte, während er uns näher kam und dann vor mir stehen blieb.
Niklas beobachtete verwirrt, wie der Hirsch den Kopf senkte und mich vorsichtig an seiner Nase kraulen ließ.
"Was zum Teufel passiert hier gerade?", fragte Niklas leise. Ein bisschen Entsetzen schwang in der Frage mit, als wäre er sich nicht sicher, ob das hier wirklich geschah.
Vorsichtig stand ich auf, woraufhin das Tier ein paar Schritte rückwärts ging, aber dennoch nicht verängstigt wirkte.
Ich ging auf ihn zu und fuhr mit den Fingern langsam sein Geweih nach. Dann fuhr ich seinen Rücken ab und platzierte schließlich beide Hände auf dem kräftigen Rücken des Tieres.
"Scheinbar ist unser Problem gelöst."
Nach kurzem Überlegen verstand Niklas, was ich gerade andeutete und reagierte auch dementsprechend: "Bist du völlig bescheuert? Der wird sich total erschrecken, wenn plötzlich ein Wolf neben ihm steht."
Ich sah dem Tier in seine dunklen Augen und meinte: "Finden wir es heraus", bevor ich mich sanft auf seinen Rücken hievte.
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Es hatte etwas wahrlich Aufregendes auf dem Rücken eines solchen Tieres durch den Wald zu preschen. Meine anfängliche Furcht, ich würde dem Hirsch wehtun, verflog spätestens, als er mit einer atemberaubenden Geschwindigkeit loslief. Auch Niklas' Sorge war unbegründet. Das Tier störte sich nicht im Geringsten daran, dass ein Wolf neben ihm herlief. Vermutlich lag das aber eher an meiner Anwesenheit.
Obwohl ich nicht wusste, in welche Richtung wir mussten, schienen Niklas und der Hirsch sich bestens auszukennen.
Plötzlich hielt letzterer aber sanft an und ging noch ein paar ruhige Schritte weiter, bevor er vollkommen zum Stehen kam.
Auch Niklas bremste abrupt ab, musste aber wieder zu uns zurückkommen, da er zu spät bemerkt hatte, dass er gerade allein weiterlief.
"Was ist denn nun los?" Niklas klopfte sich die Hosen ab und runzelte dabei verwirrt die Stirn.
Ich antwortete ihm nicht. Stattdessen stieg ich ab und sah den Hirsch an, der den Kopf hoch erhoben hielt und mich aus seinen Augen musterte. Dann neigte er leicht den Kopf, was ziemlich ulkig aussah. Ich offenbarte meine Belustigung jedoch nicht, weil ich verstand, was mir der Hirsch gerade sagen wollte.
Also neigte ich ebenfalls den Kopf und lächelte ihn dankbar an. "Danke."
Zufrieden schwenkte das Tier noch einmal zu Niklas, um dann mit mehreren schnellen Sprüngen zu verschwinden.
"Klasse", meinte Niklas, "der hat wohl keinen Bock mehr."
Ehrlich gesagt wusste ich auch nicht, was den plötzlichen Umschwung verursacht hatte.
Er wollte gerade noch etwas hinzufügen, als sich Niklas im nächsten Moment versteifte und dann vor mir stand. "Wir sind nicht allein", flüsterte er mir zu.
"Was soll das heißen?"
"Das heißt, dass dieses Tier besser hören kann als ich und hier gleich ein paar Personen aufkreuzen werden." Er sah sich um. "Am besten verstecken wir uns."
Doch ich hielt ihn auf, denn ein mir nur zu bekanntes Prickeln machte sich in meinem Nacken breit. Ein angenehmes Kribbeln. Ich lächelte und schaute in die Richtung, aus der im nächsten Moment vier Wölfe schossen. Der schwarze, welcher vorne lief, verwandelte sich noch im Laufen.
Ich trat hinter Niklas hervor und rannte die letzten Meter auf Damian zu. Ich sprang in seine Arme und presste die Beine um seine Hüften, während Damian den Kopf in meinem Nacken barg und tief einatmete.
Am Rande bekam ich mit, wie sich auch Ethan, Drokor und Jack zurück verwandelten und irgendetwas zu Niklas sagten. Ich konnte aber nicht darauf achten, was es war. Dazu war ich viel zu beschäftigt mit dem Mann, der mich so fest umschlungen hatte, dass ich fast befürchtete, er würde mich nie wieder loslassen.
Nach einer langen Weile tat er das aber doch. Vorsichtig ließ er mich wieder zum Boden, vergrößerte jedoch nicht den Abstand zwischen uns.
"Hi", flüsterte ich ihm lächelnd zu, woraufhin sich der Druck seiner Hände an meiner Taille verstärkte.
"Hallo." Damians Stimme war merkwürdig rau, aber das Lächeln, das sich nun auf seinem Gesicht breit machte, ließ mich nicht darüber nachdenken.
"Geht es dir gut?", war seine nächste Frage.
"Naja", ich zuckte mit den Schultern, "ist okay, aber war definitiv schon mal besser."
Ich sah ihm an, dass er mich dazu später noch genauer befragen würde. Doch das war mir egal, solange ich ihm nahe sein konnte.
Damians Blick fuhr derweil zu Niklas, der immer noch neben Jack stand, und die Arme verschränkt hatte, als müsste er sich irgendwie verteidigen.
"Ihr habt mir viel zu erzählen", stellte Damian fest.
Wieder mal ließ ich Taten statt Worte sprechen und zog Damian zu mir herunter in einen langen sehnsüchtigen Kuss, der mir nur allzu gut sagte, dass er mich ebenfalls vermisst hatte.
"Jetzt bin ich bereit zu erzählen", lächelte ich.
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