》51《
Alina's Sicht
"Was machst du hier?", fragte ich ihn, noch immer total schockiert, dass er hier war.
"Wonach sieht es denn aus?", reagierte er mit einer Gegenfrage.
"Ich bin mir noch nicht ganz sicher. Vielleicht gehörst du ja zu diesem Rudel." Das glaubte ich zwar selbst nicht, aber ich konnte nichts ausschließen.
Niklas sah mich zweifelnd an. "Natürlich, ich bin in zwei Rudeln gleichzeitig."
Ich zuckte mit den Schultern. "Wer weiß."
Er rollte mit den Augen. "Ich bin hier, um dich hier rauszuholen."
"Warum?"
Er sah mich verwirrt an. "Was meinst du mit Warum?"
"Warum du mir hilfst? Wir sind nicht gerade die besten Freunde. Außerdem frage ich mich, wie du hierhergekommen bist? Oder woher du wusstest, wo ich bin?"
"Du stellst ganz schön viele Fragen für jemanden, der gerade von einer anderen Person gerettet wird. Wie wäre es mit Dankbarkeit?"
"Du bekommst meine Dankbarkeit, wenn du meine Fragen beantwortest und wir hier heil rauskommen." Ich deutete auf die Tür. "Noch stehen wir nämlich vor der Tür."
Niklas funkelte mich ein paar Sekunden an. Dann packte er meine Hand und zog mich hinter sich her. Selbstsicher lief er durch die schmalen Gänge, die meist lediglich von einer Lampe beleuchtet wurden. Vor einer Abbiegung blieb er stehen und drückte mich mit einer Hand an die Wand. Er schielte um die Ecke und ging dann zufrieden mit dem, was er gesehen oder nicht gesehen hatte, weiter.
So ging es immer weiter und irgendwann begann ich mich zu fragen, ob entweder Niklas keine Ahnung hatte, wo wir hinmussten, oder der Thronsaal nicht das einzige hier war, das ziemlich altertümlich war.
Vor einer schmalen und kleinen Tür hielt Niklas endlich an.
"Gehen wir da hinaus, sind wir draußen. Dann müssen wir nur noch ihr Revier hinter uns lassen, und schon haben wir es geschafft."
"Wieso kennst du dich hier so gut aus?"
Niklas seufzte. "Okay, ich werde deine Fragen beantworten. Aber danach hauen wir hier ab."
Er lehnte sich gegen die Wand, behielt aber unsere Umgebung im Auge. Da der Weg zur Tür aus einer schmalen verstaubten Gasse bestand, war es leicht, alles im Blick zu behalten. "Ich habe mitbekommen, wie Damian und die anderen im Dorf ankamen, ohne dich. Ich blieb also in dem Waldstück, wo ich gewesen war und behielt alles im Auge." Niklas zuckte mit den Schultern. "Das hab ich mir angewöhnt."
Warum konnte ich mir vorstellen.
"Und dann... ich fasse es nicht, dass ich das sage, kam dieses Eichhörnchen zu mir." Er senkte den Kopf, so als würde er sich für diese Aussage schämen. "Anfangs habe ich es ignoriert, aber es ist nicht abgehauen. Als es dann anfing, mir an der Hose zu ziehen, bin ich ihm gefolgt. Und es hat mich hierher geführt. Ich habe zwei Frauen belauscht, die über die Göttin gesprochen haben. Dann habe ich mich nur noch hineingeschlichen, alles etwas ausgekundschaftet, und den Rest kennst du ja."
Überrascht sah ich ihn an. Das hatte er alles auf sich genommen, nur um mich hier raus zu holen? "Danke. Das meine ich ernst. Danke, dass du hierher gekommen bist."
"Ach naja, war ziemlich einfach. Deren Sicherheitsvorkehrungen stammen scheinbar aus dem letzten Jahrhundert."
Ein kurzes Lachen entwich mir.
"Außerdem solltest du mir noch nicht danken. Wir sind noch nicht in Sicherheit."
"Ich hätte nicht gedacht, dass du so etwas jemals machen würdest. Also doch, es ist ein Dank angebracht. Und vielleicht auch eine Entschuldigung, ich habe dich wirklich falsch eingeschätzt."
"Es reicht mir, wenn du diese Aktion vor Amelia erzählst. Im Grunde genommen, mach ich das hier nur ihretwegen."
Wieder lachte ich und musste mir sogar die Hand vor den Mund halten, um nicht noch lautere Geräusche zu machen. "Mach ich."
"Gut, wenn das alles geklärt ist, würde ich hier gerne verschwinden."
Ich zeigte mit einer Hand auf die Tür. "Ich folge dir."
Damian's Sicht
"Okay, also nur, um das Ganze mal zusammenzufassen: Wir haben weder eine Ahnung, wo Alina ist, noch wer sie hat. Wir haben nicht mal eine klitzekleine Spur, wo sie sich befindet. Habe ich das soweit richtig verstanden?"
Die Werwölfe in meinem Büro fühlten sich deutlich unwohl, nur ein paar reagierten auf meine Frage mit einem kurzen Nicken.
"Klasse", meinte ich sarkastisch. Ich richtete den Blick auf den Wald hinter mir. Zu viele Stunden waren vergangen. Ich hatte nicht geschlafen. Wann ich zuletzt etwas gegessen hatte, wusste ich ebenfalls nicht. Ich konnte keinen Kontakt zu Alina bekommen. Ich konnte nicht einmal spüren, in welcher Verfassung sie sich befand.
"Alle raus hier!"
Lediglich Jack blieb, während alle anderen scheinbar sehr glücklich waren, aus meiner Aufmerksamkeit entlassen worden zu sein.
Jack räusperte sich. "Du darfst den Mut nicht verlie-"
Er brach den Satz abrupt ab, als ich meine Faust mal wieder in die Wand schlug.
"Okay", begann er, "trotzdem ist es wich-"
Ich legte die Hände an die Unterseite meines Tisches und warf ihn mit einer schnellen Bewegung um. Das bedeutete, es steckte so viel Kraft in meinen Armen, dass der Tisch kurzweilig durch den Raum flog, und Jack sich nur durch einen Sprung zur Seite davor retten konnte, unter ihm begraben zu werden.
Leicht überfordert schaute er nun von dem Tisch zu mir. "Okay", fing er wieder mal an, "kann ich meinen Satz jetzt beenden, ohne dass wieder irgendetwas in diesem Zimmer kaputt geht?"
Da ich nicht reagierte, aber auch nichts mehr zerstörte, schien er zufrieden.
"Du darfst nicht vergessen, dass Alina sehr gut auf sich selbst aufpassen kann."
Ich legte den Kopf in den Nacken und schloss die Augen. Jack sprach unbeirrt weiter: "Das hat sie uns mehrere Male bewiesen. Zudem kann es nicht mehr lange dauern, bis wir eine Spur haben. Und wäre sie schon tot, würden wir das ja merken."
Mit hochgezogenen Augenbrauen sah ich ihn nun an. "Wow, danke. Das ist wirklich beruhigend."
Jack stöhnte auf. "Oh Mann. Ich bin nun mal echt nicht gut in diesem Trösten und Aufbauen. Ich handle. Also kann ich dir gerne anbieten, deinen Frust an mir auszulassen, wenn du das möchtest."
Ich wollte verneinen, als mir bewusst wurde, dass die Idee gar nicht so schlecht war. Aber ich wollte keine Zeit verlieren. Jede Minute, die ich nicht mit der Suche nach Alina verbrachte, konnte eine Minute zu viel sein. Da ich nicht wusste, in welcher Lage sie sich befand, konnte ich auch nichts über ihren gesundheitlichen Zustand sagen.
Es war zum Verrücktwerden. Ich hatte das gesamte Waldgebiet, in dem Benjamin gestorben war und in dem Alina unterwegs war, absuchen lassen. Selbst bei Mr. Tally war ich gewesen. Nichts, ich hatte keine Spur von ihr. Nicht einmal riechen konnte ich sie.
"Ich hasse dieses Nichtstun. Das langsame Verzweifeln, während ich keine Ahnung habe, was mit ihr ist."
"Glaub mir, das geht mir au-"
"Alpha", meine Bürotür wurde abrupt geöffnet.
Jack stöhnte genervt auf. "Warum unterbricht mich heute jeder?"
Ich reagierte nicht darauf, stattdessen fragte ich: "Was ist?"
"Draußen befindet sich ein Reh."
Ich sah den Mann ungläubig an. Wollte der mich verarschen? Er platzte hier rein, um mir zu sagen, dass sich ein Reh in diesem Wald befand.
"Schön für das Reh. Leider habe ich keine Zeit, mit ihm ein Kaffeekränzchen zu halten."
"Alpha, das ist wirklich wichtig. Das Reh steht direkt vor dem Rudelhaus und verschwindet nicht. Nicht einmal, wenn wir es in Wolfsform anbrüllen."
Immer noch schaute ich den Mann starr an. Dann meinte ich: "Ich fasse es nicht, dass ich mich mit einem dämlichen Reh beschäftigen muss."
Jack und ich folgten dem Mann hinaus. Auch ohne dass er mir das Tier gezeigt hätte, hätte ich es gesehen. Es stand wirklich direkt vor der Tür, neben ihm einen braunen Wolf, der es bedrohlich anknurrte. Aber das schien ihm nicht das Geringste auszumachen.
Ich befahl der Frau, sich zurückzuverwandeln und lief auf das Reh zu.
Mit dunklen Augen starrte es mich an. Auffordernd hob ich die Hände. Es war mir völlig egal, dass ich mich damit zum Affen machte. Gerade war mir sowieso alles egal.
Tatsächlich reagierte das Tier. Es kam auf mich zu, schnappte nach meiner Hose und zog mich in Richtung des Waldes.
"Oh nein, dafür habe ich jetzt wahrlich keine Nerven. Lass mich in Ruhe." Als das Tier - oh Wunder - nicht reagierte, knurrte ich es an. Endlich eine Reaktion. Es stapfte ein paar Schritte zurück und schaute mich wieder ein.
Nun zeigte ich auf den Wald. "Los, hau ab, bevor ich die Geduld verliere." Etwas leiser fügte ich hinzu: "Ich fasse es nicht, dass ich davon noch etwas übrig habe."
Kurz abgelenkt, merkte ich erst, dass das Reh hinter mich getreten war, als ich einen Kopf an meinem Hintern spürte, der mich nach vorne drückte.
Ich seufzte und folgte der Aufforderung für ein paar Meter, bis ich mir bewusst wurde, dass es mich nur wieder zum Wald führen wollte. Ruckartig drehte ich mich um und sagte: "Okay, jetzt habe ich keinen Bock mehr. Dann bleib halt hier und komm in einem Dorf mit Wölfen alleine klar."
Ich drehte mich um und wollte wieder hineingehen, als ich Jacks Blick bemerkte. Seufzend schloss ich die Augen und massierte mir die Schläfen, bevor ich ein "Was?" hervor presste.
"Jetzt nur mal einen komischen Gedanken. Alina ist doch mit der Natur verbunden. Und dazu gehören auch die Tiere. Vielleicht wollen die uns helfen, sie zu finden."
Ich sah ihn ausdruckslos an. Ich hob das Gesicht gen Himmel. Ich seufzte abermals. Ich wandte mich wieder dem Reh zu.
"Willst du uns helfen?" Keine Ahnung, was ich erwartet hatte. Das Tier legte lediglich den Kopf schief. "Im Endeffekt ist es eh unsere letzte Chance und Hoffnung. Eine Idee, wo sie ist, haben wir schließlich nicht", murmelte ich.
Dann blickte ich mal wieder zu dem Reh und beugte mich etwas vor. "Also schön. Ich hoffe für dich, dass du weißt, wo sie ist."
Das Reh stapfte kurz auf der Stelle und lief dann zum Wald.
Jack trat an meine Seite. "Mach dir nichts draus. Irgendwann kommt der Punkt im Leben eines Alphas, an dem du einfach mit einem Tier sprechen musst." Aufmunternd klopfte er mir auf die Schulter.
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