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Alina's Sicht
Mit vor Schmerz zusammengepressten Lippen starrte ich auf die tiefe Schnittwunde, die sich nun an meinem Arm entlang zog.
"Es stimmt also wirklich", wisperte das verrückte Mädchen vor mir, welches immer noch das Messer in einer Hand hielt, "du blutest völlig normal, wie jeder Mensch."
"Nur dass sie kein Mensch ist." Ein Mann mittleren Alters kam auf mich zu und blieb vor mir stehen, sodass ich zu ihm hoch schauen musste, während ich kniend auf dem Boden hockte und das Blut - mein Blut - auf den Boden tropfte.
"Wer seid ihr?", fragte ich die beiden.
Nachdem ich im Wald das Bewusstsein verloren hatte, erwachte ich in einem kleinen Raum mit grauen Wänden, der lediglich von einer Glühbirne erleuchtet wurde. Ich hatte auf dem Boden gelegen, da es in diesem Zimmer kein einziges Möbelstück gab.
Nach einer Weile kam dieses Mädchen herein, das ich auf 16 Jahre schätzen würde. Sie begann ununterbrochen von ihrem Leben zu erzählen. Als ihr irgendwann langweilig wurde, griff sie sich meinen Arm und zog ein Messer aus einer Innentasche ihrer Strickjacke hervor, mit dem sie mir kurzerhand und mit einem zufriedenen Lächeln im Gesicht in den Arm schnitt.
Diese Tat reichte mir, um ungefähr zu wissen, mit welchen Menschen oder Werwölfen ich es hier zu tun hatte.
Der Raum besaß kein Fenster und somit war es mir unmöglich Kontakt zur Natur oder zum Mond herzustellen. Obwohl ich mich dazu auch nicht in der Lage fühlte. Was auch immer mir diese Leute aufs Gesicht gedrückt hatten, es wirkte sehr lange. Meine Glieder fühlten sich ganz schwer an und bewegte ich mich zu ruckartig, wurde ich von einem fiesem Kopfschmerz befallen.
Ich vermutete, dass das auch der Grund war, warum ich Damian nicht erreichen konnte. Kaum war ich aufgewacht, hatte ich versucht, Damian durch unsere Verbindung über meine derzeitige Lage zu informieren. Nach einer gewissen Zeit realisierte ich, dass es wohl nicht funktioniert hatte, da ich immer noch keine Antwort von ihm erhalten hatte.
Der Mann mit dem kurzgeschorenen Haar hockte sich vor mich und strich mir eine Strähne aus dem Gesicht. Der Zopf, der heute Morgen noch meine Haare zusammengehalten hatte, hatte sich schon längst aufgelöst.
"Du befindest dich im Territorium des Amium Rudel. Mein Sohn, Fargo, ist der Alpha hier." Er deutete auf das Mädchen, was sich in eine Ecke verzogen hatte. "Das ist meine Tochter, Helena."
Er richtete sich wieder auf. "Und ich bin Viktor."
"Und was genau wollt ihr von mir?" Ich funkelte ihn spöttisch an. Die Reue und Schuldgefühle, die ich vorhin noch wegen Benjamins Tod empfunden hatte, waren der Wut gewichen. Vor allem darüber, dass ich in meiner Trauer über seinen Tod unterbrochen worden war.
"Nun, tatsächlich ist sich der Rat hier nicht ganz sicher, was dich anbelangt. Einige wollen deinen Tod, andere wollen dich benutzen." Viktor ging mehrere Schritte zur Tür und ließ seine Tochter vor ihm hinaus gehen. Bevor er die Tür schloss, drehte er sich noch einmal um und sagte: "Ich denke, dass es auf einen Tod hinauslaufen wird."
Damian's Sicht
"Vielleicht ist sie einfach noch ein bisschen alleine unterwegs." Egbert stöhnte genervt auf. Ihm war es deutlich anzusehen, dass es ihm vollkommen egal war, was mit Alina los war. Und das heizte meine Wut nur noch mehr an.
"Sollte ich deine Meinung wissen wollen, frage ich danach. Bringst du nichts Wichtiges zur Diskussion bei, halt die Klappe."
Empört richtete der Alpha sich auf. Irgendwie erinnerte er mich dabei an ein kleines Kind, das kein Eis essen durfte. "Pass auf, wie du mit mir sprichst, Damian. Ich bin älter als du und auch viel erfahrener. Und ich sage dir, höchstwahrscheinlich ist deine Seelenverwandte dort draußen und redet einfach noch ein bisschen mit ein paar Blumen. Was Frauen halt so tun."
Als Ethan hörbar nach Luft schnappte und Jack so etwas wie "Das hätte ich jetzt nicht gesagt" sagte, war ich mir sicher, dass alle Anwesenden in diesem Raum mitbekamen und hörten, wie mein Geduldsfaden riss.
Im nächsten Moment stand ich nicht mehr am Tisch auf den Händen gestützt, sondern drückte Egbert mit dem Unterarm die Luft ab, während ich ihn gegen die Wand presste.
"Ganz recht, du bist älter als ich. Das macht dich auch gleichzeitig schwächer. Außerdem habe ich hier das Sagen und ich will dir nun einen kleinen Rat geben. Hör auf, mich zu provozieren. Hör auf, mir zu sagen, was ich zu tun habe. Und vor allem, wage es nicht noch einmal mir weismachen zu wollen, dass ich nicht, wüsste, in welcher Lage sich meine Gefährtin befindet."
Damit ließ ich ihn frei und meinte zu Jack: "Auf jeden Fall in keiner angenehmen. So viel ist sicher." Ich presste die Zähne aufeinander und widerstand dem Drang, auf etwas einzuschlagen. Sollte die Organisation Alina haben, wäre sie jetzt vermutlich schon tot. Das wurde uns bereits deutlich gemacht. Jedoch würde ich spüren, wenn Alina tot wäre.
Denn auch wenn wir unsere Verbindung noch nicht vollzogen hätten, so würde sie dennoch durch die Markierung bestehen.
Es gab eine Sache, die mir aber fast noch mehr Kopfschmerzen bereitete, als alles andere. Was musste dafür getan worden sein, dass jemand Alina irgendwo festhielt? Ich wusste ungefähr, wie stark und mächtig sie war. Es war definitiv nicht leicht, sie zu überwältigen.
Natürlich war es möglich, dass sie zu abgelenkt war, durch ihre Bedenken an Benjamins Tod. Doch selbst dann hielt ich es für unwahrscheinlich, dass jemand in der Lage war, sie gefangen zu halten.
Zudem verstand ich einfach nicht, wieso ich Alina nicht erreichen konnte. Auf keine meiner mentalen Versuche, sie auszufragen, wie es ihr ging, hatte sie reagiert.
"Was werden wir nun tun?", fragte Ethan.
"Herausfinden, wer Alina hat und warum. Danach müssen wir schnellstmöglich planen, wie wir sie nach Hause holen können", antwortete ihm Jack. Dass er die Worte "nach Hause" benutzte, berührte mich mehr, als ich zugeben wollte.
"Ich hätte da noch eine verrückte Idee", warf Egbert ein, was ihm sofort einen warnenden Blick seines Betas einbrachte, der mich genauestens im Auge behielt und wahrscheinlich gerade berechnete, wann ich seinen Alpha wohl umbringen würde. Je nachdem, was der jetzt sagte, würde es auf jeden Fall nicht mehr so lange dauern.
"Vielleicht ist sie ja auch freiwillig gegangen. Ich meine, eventuell war ihr das zu viel Verantwortung. Einen Alpha als Gefährten, die ganzen Tode und dann auch noch ihre Aufgabe als Göttin." Egbert zuckte mit den Schultern. "Da kann man doch verstehen, wenn es einem zu viel wird. Natürlich wäre das typisch und ich hätte es auch schon vorausgeahnt, aber das spielt hier und jetzt selbstverständlich keine Rolle."
"Für dein eigenes Wohl und das meines Hauses", brachte ich mühsam hervor, während sich meine Hände wie von selbst zu Fäusten ballten", halt deinen Mund. Am besten ist, du gehst. Das hier geht dich sowieso nichts an und helfen willst du ja sichtlich auch nicht. Also geh und lass mich in Ruhe. Du wirst es schon merken, wenn ich dich brauche."
"Also jetzt reicht es mir aber!", schrie mir der Alpha plötzlich entgegen. "So muss ich nicht mit mir umgehen lassen. Ihr braucht mich und trotzdem muss ich mir so etwas anhören."
Jack sprang ein. "Bitte verzeih, Egbert. Aber du verstehst doch hoffentlich, dass wir uns gerade in einer sehr schwierigen Situation befinden und jetzt einfach etwas Freiraum benötigen. Nimm es nicht zu persönlich."
Karl und Egbert wechselten ein paar Blicke, die ich so gut es ging zu ignorieren versuchte, schließlich brachten sie mich nicht weiter und Alina somit auch nicht näher.
"In Ordnung. Wir ziehen uns erst einmal zurück", hörte ich Karl sagen. "Solltet ihr etwas brauchen, sagt Bescheid."
Jack stellte sich wieder an den Tisch und fragte, nun, da keine Person mehr anwesend war, die uns stören konnte: "Also, wie kriegen wir sie zurück?"
Ich realisierte, wie meine Augen sich in ihren dunkleren Farbton umwandelten, während ich darüber nachdachte, was mit den Leuten geschehen würde, die ihr Leid angetan hatten.
"Nun", antwortete ich", das ist die Eine-Million-Dollar-Frage."
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