》37《
Alina's Sicht
Ich hatte mir wirklich ein Lächeln verkneifen müssen, als ich den Keller hinter mir gelassen hatte und stattdessen in die Küche gegangen war. Die Männer in diesem Raum zu hören, wie sie sich gegenseitig aufzogen, war etwas sehr Amüsantes und hätte ich gerade nicht ein paar erschreckende Dinge erfahren, hätte ich vielleicht noch ein bisschen gelauscht.
Jetzt hatte ich mich aber auf einen Küchenstuhl gesetzt und spürte die interessierten Blicke auf mir. Ich ordnete noch einmal, was ich gerade erfahren hatte. Was sie mir verraten hatten. Die Bilder ihrer roten Kleidung, auf der das eingeweichte Blut nicht gut zu erkennen war, und das hämische Grinsen auf ihren Gesichtern hatten sich in mein Gedächtnis eingebrannt.
Habt ihr es bekommen? Unsere Botschaft?, hatte einer spottend gefragt. Seine Augen dunkel, als wäre er nicht ganz klar in seinem Kopf. Oder aber, als wäre er so überzeugt von seiner Motivation, dass er nicht davor zurückschrecken würde, viele Leute zu verletzen.
Ein Schauer überfuhr mich, als ich daran zurückdachte.
"Alina", hörte ich Jack neben mir flüstern, der plötzlich wieder ganz ernst war. Er war wieder in seiner Rolle als Beta.
Ich räusperte mich und richtete mich in meinem Stuhl etwas auf. "Eine Organisation steckt hinter dem Angriff. Und nicht nur daran waren sie Schuld. Auch die Ermordungen der Menschen fallen auf ihr Konto."
"Ihr habt euresgleichen getötet."
Der Mann zuckte mit den Schultern. "Wir befinden uns in einer Zeit, in der so etwas nicht wichtig ist. Es waren Opfer, die gebracht werden mussten. Teil eines großen Ganzen." Er leckte sich genüsslich über die Lippen.
Eine Frau begann hysterisch zu kichern. "Würden sie wissen, wofür wir kämpfen, wären sie sicherlich freiwillig gestorben", krächzte sie hervor.
"Was für eine Organisation? Etwa wie die Mafia?", wollte Drokor ungläubig wissen.
"Nein, eher wie eine Gruppe von Menschen, die es leid waren, herum geschubst zu werden und sich deshalb auflehnen", antwortete ich.
"Sie spielen mit uns. Glauben, sie können machen was sie wollen. Und jetzt wird sich das ändern." Die dritte Gestalt kroch in eine kalte Ecke des Raumes. Sie sah zu mir auf und strich abwesend mit dem Zeigefinger über das Löwen-Emblem.
"Also ist es so, wie wir vermutet haben", murmelte Damian. "Diese Morde und dass sie es uns in die Schuhe schieben wollten, waren Teil einer Auflehnung. Weil sie es leid waren, dass wir über ihnen stehen?"
Ich nickte und zitierte: "Immer mussten wir in ihrem Schatten stehen, doch das ist jetzt vorbei."
"Sie werden alle sterben, sterben, sterben", wiederholte die Frau immer wieder. Sie kroch langsam auf mich zu, jedoch blieb ich standhaft stehen. "Wir verraten dir hier unsere Geheimnisse, du hübsches Mädchen. Weil sie es wissen sollen. Sie sollen wissen was es heißt, sich zu fürchten. Den Tod zu fürchten."
"Aber warum beginnen sie es genau jetzt?", fragte Ethan nachdenklich. "Schließlich haben Werwölfe die Menschen in gewisser Weise schon immer unterdrückt. Es muss doch etwas vorgefallen sein, dass sie zum Handeln gebracht hat."
"Sie haben sich wohl schon immer darauf vorbereitet. Indem sie Krecanos gesammelt und angepflanzt haben. Sie haben weitere Anhänger gefunden." Ich ließ das Geschehene in meinen Gedanken noch einmal Revue passieren. "Zuerst haben sie kleinere Dörfer zum Gehen gebracht. Es läuft immer gleich ab. Einen Mord, eine Schuldzuweisung, Einwohner, die es sich nicht gefallen lassen, dass einer von ihnen abgeschlachtet wird, und die ein Rudel schließlich zum Gehen bringen."
"Aber rein theoretisch könnten diese Wölfe doch locker gegen die Menschen gewinnen. Völlig egal, wie viele sie sind", grübelte Jack.
"Das stimmt. Deshalb haben sie auch mit kleineren Rudeln begonnen. Die Organisation hat sich vorgetastet, herausgefunden, wie sie vorgehen müssen. Ein paar Informationen hier, ein bisschen Krecanos da."
"Sind diese Gestalten in unserem Keller irgendwelche hohen Tiere oder warum wissen die so viel?"
Ich wandte mich Damian zu. "Das habe ich sie auch gefragt. Aber es gehört wohl zu ihrem Konzept. Nachdem sie jahrelang unterdrückt wurden und keine Meinung haben durften, bietet ihnen die Organisation genau das. Jeder hat die gleichen Rechte und Chancen. Ziemlich clever, um mehr Leute für seine Sache zu gewinnen."
"So wie du das erzählst, fange ich ja schon fast an, Mitleid und Verständnis für diese Leute zu hegen. Mit der Unterdrückung und so."
"Sie haben noch etwas von einem Vertrag gesagt. Einem Vertrag mit dem Casiuz Rudel und dem Chasky Rudel. Habt ihr davon schon mal was gehört?"
"So wie du fragst, weißt du genau worum es geht, willst aber wissen, ob wir genauso clever sind wie du", meinte Drokor leicht eingeschnappt.
Ich lächelte. "Und? Seid ihr es?"
"Ich habe davon gehört. Es war vor drei Jahren und endete, soweit ich weiß, ziemlich blutig. Es wurde als eine Meinungsverschiedenheit zwischen zwei Rudeln bekannt, die etwas ausgeartet ist." Damian zuckte mit den Schultern. "Ich habe mir nie die Mühe gemacht, dort nachzuforschen."
Ich atmete tief ein. "Hättest du es mal getan. Ich weiß jetzt so viel, dass ich mich fühle, als wäre ich dabei gewesen. Die Alpha des Chasky Rudel war wohl dahinter gekommen, was es wirklich mit den Morden auf sich hatte. Sie waren Verbündete des Casiuz Rudel und hatten vorgehabt, einen Vertrag mit der Organisation zu schließen. Sie konnten weiterhin dort leben und würden sich jedoch vollständig aus dem Leben der Menschen zurückziehen. Es war eine Falle. Sämtliche anwesenden Werwölfe wurden erschossen und danach ist die Organisation in ihre Dörfer gegangen und hat all die Schutzlosen ebenfalls abgeschlachtet."
"Es war das erste Mal, dass wir unsere neuen Waffen ausprobieren konnten. Ein voller Erfolg. Oh, wie erfüllend es doch gewesen war, als sie alle an Verbrennungen starben." Die Frau kicherte immer weiter. Ihr war das sadistische Vergnügen förmlich anzusehen.
"Also gab es schon mehrere, die versucht haben zu verhandeln? Und sie wurden immer wieder ausgetrickst?"
"Richtig", antwortete ich Ethan. "Und da diese Angelegenheiten immer nur als Rudelkämpfe bekannt wurden, hat sich niemand darüber Gedanken gemacht."
"Sie wollen also nicht verhandeln", überlegte Damian. "Sie wollen Rache."
"Sie sollen alle sterben. Jeder einzelne von ihnen. Bisher wussten wir aber noch nicht wie. Diese Brut hat sich immer wieder vermehrt und wir konnten es nicht aufhalten."
"Aber dann kamst du, du hübsches Mädchen", lächelte der Mann schmierig. "Du hast uns eine Tür geöffnet."
Da war mir klar geworden, warum es in letzter Zeit so wenig Seelenverwandte gab, die ich verbinden konnte. Durch all die toten Werwölfe starben auch potenzielle Partner und Gefährten. Ein ziemlich erfolgreicher Weg, um die Vermehrung der Werwölfe zu stoppen. Aber sie waren scheinbar auf einen weiteren gestoßen.
Ich räusperte mich. "Da gibt es noch etwas." Ich sah zu Damian, der mich verwirrt musterte und die Augenbrauen zusammenzog. Ich spürte die Blicke der anderen auf mir und wusste, dass sie unseren Blickwechsel verfolgten.
"Was?", fragte Damian. "Was ist es, Alina?"
Ich schluckte schwer. Es würde ihm nicht gefallen. Das, was ich herausgefunden hatte, würde ihm alles andere als gefallen.
Diese Drohung, die die drei Gestalten gekrächzt hatten. Welches Vergnügen es ihnen bereitet hatte, als ich es realisiert hatte. Welchen Fehler wir begangen hatten.
"Eine neue Tür. Eine neue Hoffnung", zischte die Frau nun direkt neben mir. "Das bist du. Du kannst froh sein. Du bist der Schlüssel zu einer neuen, einer gerechten Welt."
Verwirrt blickte ich jedem einzeln ins Gesicht. Erwartungsvoll starrten sie mich an. Warteten, bis sich das fehlende Puzzleteil an seinen Platz setzte.
"Lange haben wir gesucht. Nach einer Möglichkeit, alle Wölfe auszulöschen. Alles Wölfische zu verbannen. Denn egal, wie viele wir umbringen würden, es würden immer mehr kommen. Immer mehr Wesen diesen Seelenverbindungen entspringen."
"Wenn es aber eine Möglichkeit gäbe", sprang der Mann seiner weiblichen Zellengenossin zur Hilfe, "diese Prozedur zu stoppen, würden wir sie selbstverständlich ergreifen. Dann kamst du. So strahlend hell, wie die Hoffnung, die du brachtest. Durch dich leben die Wölfe. Sie überleben durch den Fortschritt, den du ihnen sicherst. Sie sehen das vielleicht nicht, aber wir. Wir verstehen, was es bedeutet. Erlösen wir dich von deiner Aufgabe, erlösen wir die Welt vom Elend."
Entsetzt starrte ich in die irren und doch so klaren Augen des Mannes, der noch nicht fertig war.
"Wir müssen dich töten, verstehst du das, du hübsches Mädchen? Deinen Körper von seiner Last befreien. Es wäre doch bestimmt eine Erlösung auch für dich. Du trägst doch so viel Verantwortung. Wir können sie dir abnehmen. Lass uns dir helfen!"
Die schmeichelnden Worte flogen an mir vorbei. Alle lachten, als sie die Angst in meinem Gesicht sahen, als ich verstand.
Ich dachte nicht lange drüber nach, sondern flüchtete aus dem Raum und verriegelte die Tür hinter mir, bevor ich in die Knie sank, angesichts dieser Offenbarung.
"Alina! Hörst du mich?"
Ich blinzelte ein paar Mal und befand mich wieder im Hier und Jetzt. Vor mir Damian, der meinen Körper panisch nach etwas absuchte, was mein merkwürdiges Verhalten erklären würde.
Im nächsten Moment - ich konnte einfach nicht anders - schlang ich die Arme um seine Schultern und presste ihn fest an mich. Ich brauchte es. Zuerst reagierte er überrascht, erwiderte meine Umarmung aber schnell.
In dem Wissen, dass Damian mich gut hören konnte, fixierte ich seine Freunde, während ich meine Wange an seiner Schulter vergrub. "Wir haben damals einen Fehler begangen. Ich habe damals einen Fehler begangen. Sie wissen, was unsere Schwachstelle ist, wo sie am stärksten zupacken müssen."
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