》21《
Alina's Sicht
"Dir ist schon klar, dass du mir einiges zu erzählen hast, oder?", fragte mich Amelia flüsternd. Sie warf einen Blick auf Damian, der hinter uns ging und angestrengt versuchte, so zu tun, als würde er nicht jedes Wort verstehen, das Amelia oder ich sagten.
"Ich wüsste nicht, was es da zu sagen gibt", meinte ich schulterzuckend.
Amelia kniff die Augen zusammen und leitete mich weiter zum Rudelhaus, in welchem sich Mr. Tally als Gast aufhielt.
"Oh, ich bitte dich. Hätte euch keiner bei eurem schönen Frühstück unterbrochen, wäre unser feiner Alpha wahrscheinlich über dich hergefallen, so wie er dich mit seinen Blicken auffrisst", sagte Amelia spöttisch und drehte sich grinsend zu Damian, um mir dann vielsagende Blicke zuzuwerfen.
Ich muss zugeben, dass sie wohl recht hat. Du kannst dir nicht vorstellen, wie heiß du in meinen Klamotten aussiehst. Und ich stelle mir gerade gerne vor, wie heiß du wohl ohne sie aussiehst.
Empört drehte ich mein Gesicht zu Damian, der mich grinsend musterte. Langsam wanderte sein Blick an meinem Körper herunter und wieder rauf. Dann leckte er sich genüsslich über die Lippen. Seine Augen glitzerten vergnügt.
Rasch drehte ich mich wieder zu Amelia und versuchte das Prickeln in meinem Nacken zu ignorieren. Ebenso wie das heiße Gefühl, das bei Damians Begutachtung über meinen Körper gerauscht war.
Amelia öffnete die Haustür des großen Rudelhauses und durchquerte dann einen schmalen Flur. Wir folgten ihr eine geschwungene Treppe hinauf und gingen schließlich in eine große Suite hinein, die mit einem Doppelbett, einem Sofa, Tisch sowie Stühlen und einem Fernseher ausgestattet war.
Verschönert wurden die Zimmer durch Gemälde, Porträts und Landschaften, und einen großen flauschigen Teppich. Neben einem Bücherregal war eine Stehlampe zu finden, die zwar nur spärlich Licht spendete, jedoch mit schönen altertümlich Mustern verziert war.
Vor einem Gemälde stand Mr. Tally mit dem Rücken zu uns. Er schien unsere Anwesenheit noch nicht bemerkt zu haben. Damian schob mich sanft zur Seite und ging dann mehrere Schritte auf den Schulleiter zu.
"Mr. Tally, wir sind Ihrer Bitte nachgekommen und-"
Der ältere Mann drehte sich sofort um und verschwendete nicht einen einzigen Blick mehr auf Damian. Stattdessen rauschte er an ihm vorbei und blieb dann vor mir stehen.
"Alina, mein Kind, geht es dir gut?"
Ich lächelte ihn an. "Ja, es geht mir sehr gut."
Er sah mir unsicher in die Augen, als würde er nach einem Hinweis darauf suchen, dass es mir auch wirklich gut ging. Ich grinste innerlich und überquerte dann den letzten Abstand zwischen uns, bevor ich den kleinen Mann in meine Arme schloss.
Dass er sich so Sorgen um mich gemacht hatte, war wirklich rührend und ich hatte das Gefühl, wir beide bräuchten uns jetzt, in diesem Dorf voller Werwölfe. Nach einer Weile lösten wir uns voneinander. Rasch wischte Mr. Tally eine Träne unter seinem Auge fort, bevor er sich räusperte und wieder ein paar Schritte zurück trat. Lächelnd betrachtete ich das Szenario.
Dann hob ich den Blick und begegnete Damians Augen, die das Geschehen genau beobachtet hatten. Es schien ihn zu freuen, dass ich einen Menschen hatte, dem ich wirklich vertraute.
Das tut es, sehr sogar.
Mein Lächeln wurde noch breiter, als ich Damians Worte liebevoll in meinem Kopf hörte.
"Es ist gut, dass es ihr tatsächlich wieder gut geht", unterbrach Mr. Tally unseren Blickkontakt. "Trotzdem würde ich gerne wissen, warum Alina so lange bewusstlos war." Er fixierte Damian mit seinem Blick.
Vielleicht sollten wir es ihnen sagen.
Was? Damians Kopf schoss überrascht in die Höhe.
Nur Amelia und Mr. Tally. Ich vertraue ihm und er sollte es erfahren. Und Amelia wird mich so lange ausquetschen, bis ich es ihr sage. Außerdem reimt sie sich sowieso schon alles zusammen.
Vielleicht hast du recht. Jack weiß es schließlich auch. Trotzdem sollten wir es aber nicht noch mehr Leuten sagen. Schließlich ist das unsere Sache und ich will nicht, dass sich andere da einmischen. Jack ist mein Bruder, Amelia ist deine Freundin und Mr. Tally... nun ja. Der kann es wohl auch erfahren.
"Sehr schön", sagte ich laut. Ich schloss die Tür zur Suite und sah Damian dann auffordernd an.
"Wie? Ich?"
"Natürlich du. Schließlich warst du doch in gewisser Weise Schuld, dass ich bewusstlos war. Hättest du mich nicht so gedrängt, hätte mein Körper nicht so intensiv darauf reagiert."
Damian schnaubte.
Mr. Tally sah verwirrt zwischen uns hin und her, während sich Amelias Augen erstaunt weiteten.
"Sag jetzt nicht...", sagte sie.
"Doch", meinte Damian schließlich und erschien plötzlich neben mir. Dann sah er mich an und grinste selbstgefällig. "Wir sind Seelenverwandte."
"Ich wusste es!", schrie Amelia los, während Mr. Tally uns mit großen Augen anstarrte.
Dann begann er, ruhig und sachlich zu erklären: "Das ist nicht möglich. Menschen und Werwölfe können-"
"Keine Seelengefährten sein. Ja. Das wissen wir auch. Trotzdem ist es nun mal so", meinte Damian.
"Du darfst sie nicht markieren."
"Wie bitte?", fragte Damian ruhig. Doch ich wusste, dass diese Ruhe nicht echt war. Damian hatte selbst gesagt, dass er mich nicht markieren wollte, aus Angst vor den Folgen. Von einer anderen Person jedoch Vorschriften zu bekommen, war etwas, das Damian, ebenso wie mir, sehr missfiel.
"Alpha, Sie dürfen Alina nicht markieren. Das könnte verheerende Folgen haben, schließlich ist sie nur ein Mensch."
"Jetzt hören Sie mir mal gut zu." Damian ging mit langsamen Schritten bedrohlich auf Mr. Tally zu. "Ich habe es geduldet, dass Sie hier totalen Terror gemacht haben. Doch statt Sie wegzuschicken, habe ich Ihnen erlaubt, hier zu bleiben. Und jetzt nehmen Sie sich das Recht, mir zu sagen, wie ich mit meiner Seelenverwandten umzugehen habe?"
"Damian, beruhig dich", sagte ich leise mit Blick auf Mr. Tally, der zu verbergen versuchte, wie sehr ihn der jahrhundertealte Alpha einschüchterte.
"Nein Alina, das geht wirklich zu weit."
Ich stöhnte genervt auf und zog ihn von Mr. Tally weg, was wirklich schwer war, da der Kerl gefühlt eine Tonne wog.
"Krieg dich wieder ein, mein Gott. Außerdem ist es letztendlich meine Entscheidung, wie das zwischen uns ablaufen wird. Immerhin wusstest du es vor mir und hast es mir erst jetzt gesagt."
"Wenn ich bedenke, wie empfindlich du darauf reagiert hast, hab ich wohl alles richtig gemacht."
"Oh, Verzeihung, wenn ich dir nicht glaube, wenn irgendein dahergelaufener Wolf meint, er wäre mein Seelengefährte", antwortete ich sarkastisch.
"Ähm Leute, wir sind auch noch da. Nur so zur Info." Amelia winkte übertrieben mit ihren Armen, um auf sich aufmerksam zu machen. "Beziehungsweise gehe ich jetzt wieder. Ich muss meiner Familie helfen. Aber wir beide, Fräulein, sind noch lange nicht fertig", sagte sie mit Blick auf mich.
Murmelnd meinte ich nur: "Yay."
Nachdem Amelia den Raum verlassen hatte, begann Damian in der Luft rumzuschnüffeln. Entgeistert starrte ich ihn an, wie er verwirrt in der Luft nach etwas roch.
"Was ist denn nun schon wieder?"
Damian reagierte nicht. Stattdessen schnüffelte er weiter und ging auf Mr. Tally zu. Bei dem armen Mann angekommen, senkte er den Kopf und zog einmal kräftig die Luft ein. Hilfesuchend sah mich Mr. Tally an, ich zuckte jedoch bloß mit den Schultern. Damian würde wohl nicht einfach so zu schnüffeln anfangen.
Und tatsächlich. Er griff in Mr. Tallys Jackentasche und zog ein lilanes, zerdrücktes Kraut hervor. Der Schulleiter kniff die Lippen zusammen und beobachtete, wie Damian realisierte, was er da in der Hand hielt.
"Das ist Krecanos-Kraut", war das Einzige, was er von sich gab.
Ich ging ebenfalls zu Damian und nahm ihm das Krecanos ab. "Sowas habe ich schon ewig nicht mehr gesehen. Das einzige Gift gegen Werwölfe. Wird es zerdrückt in ein Getränk gegeben, führt das zu einer mehrtägigen Lähmung sämtlicher Gliedmaßen. Die Länge der Lähmung entscheidet sich je nach Macht des Werwolfs."
Ich sah zu Mr. Tally. "Woher haben Sie das?"
Er straffte die Schultern. "Meine Familie baut es seit Generationen an. Es ist ein kleines Beet in meinem Garten. Ich habe es also selbst gepflückt."
"Und wieso haben Sie es hier?", fragte Damian, während er sich die Hand sorgfältig an seiner Hose abwischte.
"Nun ja, ich bin vom Schlimmsten ausgegangen. Und wenn ein solcher Fall eingetreten wäre-"
"Hätten Sie einem Werwolf das Krecanos ins Gesicht geschmiert. Möglichst in den Mund oder in die Nase, damit die ätzende Wirkung Ihnen etwas Zeit verschafft." Staunend betrachtete ich das alte Kraut, welches vor vielen Jahren größtenteils von den Werwölfen vernichtet worden war, damit auch diese Bedrohung ausgeschaltet war.
Damian schüttelte den Kopf. "Sie machen es mir ja echt nicht leicht, Sie zu mögen."
Ich grinste vielsagend. "Also ich finde, er hat alles richtig gemacht. Schließlich wollte er sich nur verteidigen können. Außerdem musst du ihn mögen, oder zumindest respektieren. Schließlich tu ich das auch."
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