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Damian's Sicht
"Wir vermuten, dass es Werwölfe waren."
Mit einer Hand fuhr ich mir übers Kinn, während ich nachdenklich nickte und mit einer raschen Handbewegung Drokor deutete, fortzufahren.
"Die Ausweidungen sind zu brutal vorgenommen worden und der Täter hat den Arm nicht mit einer einfachen Schnittbewegung abgetrennt. Es scheint eher, als wäre er abgerissen worden." Drokor zögerte.
"Was?", fragte ich, ohne von meinem hölzernen schweren Schreibtisch aufzublicken.
"Die Leiche trägt keinen Geruch an sich, Alpha. Allein durch die Prozedur des Zerfleischens müsste der Geruch eines Werwolfs an der Frau haften. Und wenn es ein Werwolf wäre, dann..."
Er beendete seinen Satz nicht, aber mir war bewusst, was er hatte sagen wollen. Wenn es ein Werwolf war, war es vermutlich eines meiner Rudelmitglieder. Es war zu auffällig, dass so etwas direkt nach unserem Erscheinen hier passierte.
Abrupt stand ich auf, wodurch die Männer in meinem Arbeitszimmer alle vor Schreck zurückwichen, und drehte mich zu meiner Fensterfront um, von der aus ich den Wald im Blick hatte.
Man konnte vieles von dem Shadow Rudel behaupten. Aber nicht, dass meine Wölfe illoyal waren. Das gegenseitige Vertrauen, das zwischen jedem von uns herrschte, hatten wir gemeinsam aufgebaut, weswegen ich den Gedanken, einer von ihnen hätte mich verraten und so eine Abscheulichkeit getan, nicht ertrug.
Jedoch könnte ich mir vorstellen, dass es ein paar Wölfe waren, die unserem Rudel bisher noch nicht beigetreten waren. Vermutlich weil sie dachten, sie könnten mich verarschen.
Der Anführer der Truppe war auch der Junge gewesen, der Alina damals bei unserem ersten Aufeinandertreffen verraten hatte. Ihm traute ich so etwas zu.
Ohne hinzusehen sagte ich einmal: "Raus!". Daraufhin hörte ich ein paar Schritte und dann das Klicken der Tür.
Zu Jack, der nicht gegangen war, sagte ich: "Hol Mikael her. Ich will, dass er mir was zu dem Zustand der Leiche sagt. Irgendetwas, das ich noch nicht weiß." Vielleicht konnte mein Rudelarzt mir weiterhelfen.
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Nach einem kurzen Anklopfen betrat Mikael mein Büro. Er neigte kurz den Kopf und ich sah Jack an, der daraufhin den Raum verließ und die Tür hinter sich schloss.
"Gibt es etwas, das du mir zu der Leiche sagen kannst, was ich noch nicht weiß? Irgendetwas?"
Ich setzte mich auf meinen Stuhl und deutete meinem Rudelarzt, sich ebenfalls zu setzen.
"Nichts, was Sie noch nicht wüssten. Ich konnte keine Haare oder andere DNS-Spuren auf der Leiche finden. Das einzige Unverletzte an ihrem Körper, ist der Kopf, wobei wir auch da nicht wissen, warum ausgerechnet der von dem Täter verschont blieb. Wobei ich mir vorstellen könnte, dass es hierbei um Folter ging. Denn wenn man davon ausgeht, dass der Arm zuerst abgetrennt wurde, konnte die Frau das alles mit verfolgen. Und auch alle weiteren Taten, die darauf folgten."
"Warum hat sie keiner gehört? Ihre Schreie oder irgendetwas anderes hätten von ihrem Umfeld gehört werden müssen. Zumindest von unseren Leuten."
"Wir wissen es nicht. Aber es befanden sich keine Schleifspuren am Tatort. Sie wurde also nicht wirklich bewegt, weshalb die Frau vermutlich auch dort ermordet wurde."
"Was ist mit den Fußspuren?"
"Wir arbeiten noch daran."
"Also nichts Neues." Ich verzog wütend den Mund und versuchte, meine Wut zu zügeln, scheiterte jedoch. Mit der Faust schlug ich in die Wand, welche sofort ein Loch aufwies. "Scheiße", murmelte ich.
Mikael räusperte sich, bevor er fachmännisch die Hände im Schoß faltete. "Wie lange ist es her, dass Sie sie gesehen haben?"
"Wie bitte?", fragte ich irritiert.
"Ihre Gefährtin. Sie haben sie doch gefunden oder nicht? Das vermute ich an Ihrem Verhalten. Mehrere Tage voneinander getrennt zu sein, ist nicht gut für die Verbindung, selbst wenn sie noch nicht gefestigt wurde."
Er lächelte verhalten. "Wie Sie wissen, habe auch ich das einmal durchgemacht. Sollten Sie also jemandem zum Reden brauchen, bin ich gerne für Sie da."
Vielleicht würde ich auf dieses Angebot tatsächlich zurückkommen.
Mikael war einer der wenigen in meinem Rudel, die bereits ihre Seelenverwandte gefunden hatten. In Mikaels Fall war es sein Seelenverwandter. Er war ein Rogue, ein Einzelgänger, gewesen, der sich, nachdem er in Mikael seinen Seelenverwandten gefunden hatte, uns angeschlossen hatte. Seitdem lebte Ganaer bei uns.
Obwohl es auch für die beiden schwierig gewesen war, zueinander zu finden, bezweifelte ich, dass es so kompliziert wie bei Alina und mir war.
Alina war nur ein Mensch. Denn trotzdessen ich das Nur gerne aus dem Satz gestrichen hatte, war es nun einmal wahr. Als Mensch spürte sie weder die Verbindung in dem gleichen Maße wie ich, noch war sie unsterblich. Irgendwann würde sie einfach sterben.
Ich wusste auch nicht, ob ich überhaupt die Bindung mit ihr eingehen konnte. Bisher gab es nie eine Verbindung zwischen Sterblichen und Unsterblichen. Vielleicht würde ein Mensch die Macht des Bisses nicht überleben.
Außerdem würde ich mir immer Sorgen um Alina machen. Was ich jetzt schon tat. Obwohl mich ihre Worte von vor einer Woche nicht losließen.
"Du hast keine Ahnung, wer ich bin. Denn eigentlich müsstet ihr alle Angst vor mir haben. Ich bin nämlich das einzige Wesen auf dieser verfluchten Welt, das euch mit nur einem Gedanken den Arsch aufreißen könnte."
Natürlich könnte ich das einfach als Versuch abtun, mir zu zeigen, dass sie keinen Schutz brauchte. Doch in der Art, wie sie mich währenddessen angesehen hatte, welche Genugtuung ich in ihrem Blick erkannte, als sie die Worte aussprach. Als würde es sie befreien, das der gesamten Welt mitzuteilen.
Aber auch Alinas darauffolgende Worte und Taten waren ein wichtiger Grund, warum ich den Kontakt zu ihr bisher vermieden hatte. Musste. Schließlich konnte ich mir von einem 16-jährigen Mädchen doch nicht sagen lassen, dass sie mich unter Kontrolle hatte. Selbst wenn es leider stimmte.
Aber Mikael hatte recht. Ich vermisste sie.
Anfangs war es noch recht einfach gewesen, sich von ihr fernzuhalten. Ich lenkte mich mit unnötigen Aufgaben ab und organisierte den vollständigen Aufbau meines Rudels.
Doch nach dem vierten Tag wurde es eine Qual. Und das ich mich andauernd fragte, ob es ihr gut ging, war nicht mal das Schlimmste daran.
Ständig vermisste ich ihr Lächeln, ihre Berührung, ihre Stimme. Ich wollte sie einfach nur in meiner Nähe haben. Selbst wenn ich sie schon nicht berühren konnte, so wollte ich sie doch wenigstens sehen.
Und dieser Drang verschlimmerte sich von Tag zu Tag. Ich würde aggressiver, reizbarer und angriffslustiger. Mikael hatte recht mit dem, was er mir mitteilen wollte. Ich musste sie sehen. Und wenn es nur kurz war.
Ich sah zu der Uhr an der demolierten Wand und brauchte ein bisschen, um die Uhrzeit hinter den römischen Ziffern zu erkennen, da mein Blick sich vor Tatendrang förmlich trübte.
Alina hatte in einer halben Stunde Schulschluss. Dann würde ich sie einfach abholen. Somit musste ich nicht in ständiger Angst leben, dass sie überfallen wurde, bevor ich die Nachricht von Connor erhielt, sie wäre an ihrem Wohnhaus eingetroffen. Denn seit mich Alina ordentlich zusammengeschissen hatte, hatte ich Benjamin von seiner Mission abgezogen und ihn einfach normal zur Schule gehen lassen. Natürlich berichtete er mir jeden Tag, wie es Alina dort ging.
Ich stand auf und gab Mikael die Hand, welcher mich ein wenig verwirrt beobachtete.
"Danke, Dok." Ich grinste. "Ich weiß nun, was ich zu tun habe." Irgendwie kam ich mir vor, wie ein Grundschüler, der gleich einen Schokobonbon erhielt.
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Ich wollte mich hier nochmal für das viele positive Feedback bedanken, welches ich auf diese Geschichte erhalte. So etwas freut mich immer sehr und ermuntert mich direkt, zum Weiterschreiben. Außerdem zaubert es mir jedes Mal ein Lächeln ins Gesicht 😊
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