Kapitel 1
Hadothiel
**Trigger-Warnung: Gewalt**
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„Es ist deine Schuld! Ich hasse dich! Ich wünschte, du wärst tot und nicht Hadothiel! Er war perfekt, und du? Du hast es nicht mal geschafft zu kämpfen! Wegen dir sind dein Vater und dein Bruder tot! Ich hasse dich! Du warst eh ein Unfall! Weil ich dich gesucht habe, konnte ich deinen Bruder nicht beschützen! Und du, kleines Balg, bist in den Krieg gerannt und hast dich toll gefühlt! Dabei hast du nur noch mehr Schaden angerichtet! Ich hasse dich!"
Ein Schlag ins Gesicht. Ein Tritt in die Magengrube. Eine herausgerissene Haarsträhne, die die Frau in der Hand hielt. Ein Eisenrohr gegen den Kopf.
„Naneth," wimmerte der schwarzhaarige Elbling.
„Nenn mich nicht so! Ich bin nicht mehr deine Mutter! Ich wollte es nie sein! Ich wollte dich damals schon beseitigen, aber dein Vater wollte, dass du bleibst! Und nun hast du ihm und Hadothiel den Tod gebracht! Wieso musst du existieren? Dich braucht niemand!" schrie sie unter Tränen und mit jedem Satz schlug sie ihm ins Gesicht, trat in die Magengrube und riss kleine Haarbüschel aus.
Plötzlich hörte sie auf zu schlagen, doch ihre Worte, die weiter auf ihn einprasselten, taten genauso weh. Sie zog einen Dolch, holte aus und stach mitten in die Brust des Elblings.
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Mit einem Satz saß Erestor kerzengerade im Bett. Seit einigen Wochen schlief er nicht mehr, und wenn doch, träumte er immer diesen Traum. Diese Erinnerung. Die Erinnerung an seine Vergangenheit, die er möglichst vergessen wollte. Schnell schüttelte er den Kopf, um die Gedanken wegzuschütteln, und blickte aus dem Fenster. Seine Schicht würde eigentlich erst in drei Stunden beginnen. Also beschloss Erestor, einen Spaziergang zu machen und danach früher mit der Arbeit anzufangen. Vielleicht würde er dann mal pünktlich zum Frühstück kommen und Elrond würde ihn nicht nach dem Essen anmeckern, weil er zu spät oder gar nicht erschienen war.
Er zog sich eine weite, schlichte Robe aus weißem Seidenstoff an. Er liebte diese Robe, doch trug er sie nicht oft. Sie war nun mal nicht seine Arbeitsrobe und diese trug er immer. Das zu ändern wäre seltsam. Seine normale schwarze Arbeitsrobe war nun mal seine Arbeitsuniform und er arbeitete fast den ganzen Tag. Er lief hinaus und ging durch das nasse Gras. Zwischendurch kam er am Trainingsplatz vorbei. Dieser war noch leer, was auch kein Wunder war, denn die Sonne war kaum zu sehen. Ein einzelner Sonnenstrahl schien auf Imladris und tauchte dies in ein goldenes Licht. Es war noch ziemlich früh, alle anderen schliefen noch.
Deshalb beschloss Erestor, einen kleinen Ausritt mit seiner Stute Morben zu machen.
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Nachdem er sie aus dem Stall geholt hatte, legte er ihr ebenfalls eine Seidendecke über den Rücken. Kurz sah er zum Sattel und zum Zaumzeug, entschied sich aber dagegen. Er lief los und pfiff leise, woraufhin sie folgte. Als er draußen ankam, schwang er sich elegant auf ihren Rücken und trabte mit ihr los. Draußen war es erfrischend kühl. Das Gras glänzte im Morgentau und eine leichte Brise wehte. In Imladris war es wunderschön.
Die dunkle Stute trabte leise durch Bruchtal in Richtung Wald. Erestor wusste, die Wälder waren gefährlich. Deshalb hatte er in seinen Reitstiefeln immer zwei kleine, aber feine Dolche. Diese hatte er für Notfälle dabei. Also ritt er mit Morben über einige Brücken und Felsen in Richtung Wald. Als er den Wald dann sehen konnte, wollte er gerade das Zeichen zum Angaloppieren geben, doch sie war schon, als er daran dachte, losgaloppiert. Sie war ein beeindruckendes Pferd, ohne Zweifel. Sie galoppierten durch den Wald und sprangen über umgefallene Bäume. Die zwei hatten Spaß ohne Ende.
Nach einiger Zeit des Galoppierens kam Erestor an einem etwas größeren Bach an. Er sprang aus dem Sattel und ließ Morben frei laufen. Er wusste, sie würde bleiben. Sie trank gierig am Wasser und aß das saftige, grüne Gras, das neben dem Bach wuchs. Erestor zog seine Stiefel aus und trat vorsichtig ins Wasser. Es war kühl und erfrischte ihn. Der Bach war klar und wurde von dem leichten Sonnenlicht, das durch die Blätter schien, leicht grünlich angestrahlt, weshalb er einen grünen Schimmer auf sich trug.
Mit einem Mal wurde Erestor bleich. Sonne? Wie lange war er denn schon fort? Er pfiff Morben zu sich und galoppierte mit ihr los. Als sie in Imladris ein galoppierten, sah man schon ein paar Elben arbeiten. Die Sonne war gerade erst aufgegangen, weshalb viele noch schliefen. Im Stall sprang Erestor von Morben ab und führte sie in ihre Box. Sie stand im selben Stall wie die Pferde von Elronds Familie, was Erestor sehr stolz machte. Hier waren nur die Pferde der hohen Familie oder von hohem Besuch, und mitten drin stand Morben. In der Box neben ihr stand Asfaloth, der edle Hengst Glorfindels. Erestor mochte den Hengst. Er war sehr zahm und zärtlich. Erestor bürstete und striegelte Morben, gab ihr Futter und Wasser und beschloss, zu Asfaloth zu gehen.
„Na du, wie geht's dir?" fragte er und strich über seinen Hals. Der Hengst schnaubte und stupste Erestor an. „Du willst auch was essen, nicht wahr?" lachte Erestor. Sein Lachen hörte man selten, weshalb es niemand in Imladris kannte. Der dunkelhaarige Elb lachte nicht vor anderen. Er war eigentlich auch nicht wirklich glücklich, aber wenn er in der Natur, bei Kindern oder bei Tieren war, war er wie ausgewechselt. Jedoch nur, wenn er alleine mit ihnen war. Er verstand sich auch gut mit Elronds Kindern. Die Zwillinge waren sehr aufgedreht und machten eine Menge Quatsch, Arwen hingegen war klug und besonnen. Erestor holte einen Apfel aus seiner Tasche und gab ihn Asfaloth. Dann ging er schnell wieder. Vor dem Frühstück könnte er nicht mehr mit der Arbeit anfangen. Also ging er auf sein Gemach, zog seine Robe an und kam, wenn auch verspätet, zum Frühstück.
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Als Glorfindel an diesem Morgen aufwachte, war er gleich von guter Laune erfüllt. Die Sonne schien, Vögel zwitscherten und er hatte heute nicht so viel zu tun. Das hieß, er konnte tun, was er wollte. Da es schon recht spät war, zog er sich an und beschloss, mal bei Erestor vorbeizuschauen. Er versuchte oft, eine Freundschaft zwischen ihm und dem Berater herzustellen, doch dieser war immer kalt und abweisend. Der Berater schwirrte oft in den Gedanken des Balrogtöters umher. Glorfindel war unsagbar neugierig. Er wollte einfach wissen, was in dem mysteriösen Berater vor sich ging. Erestor wirkte immer so gefühllos und geheimnisvoll. Glorfindel schüttelte den Kopf und versuchte, die Gedanken beiseite zu schieben. Da es bald Frühstück gab, beeilte er sich und lief schnell los.
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