Liebster M,

fürchte nicht, dass all meine Briefe so kurz sind. Nun habe ich weniger Angst, entdeckt zu werden. Mir wurde versichert, unsere Briefe würden für alle anderen wie gewöhnliches Vogelgezwitscher klingen. Jetzt fühle ich mich wohl genug, mein Herz vollständig zu öffnen. Ich habe Dich so vermisst.

Jeden Tag, jede Stunde, jede Minute!

All die Zeit warst Du in Gedanken bei mir und ich bei Dir.

So färben auch meine Gefühle, meine Hoffnungen die Art, wie ich Deine Briefe lese und sie sagen mir nur eins. Dem folge ich gern: Ich weiß, von wem Du schreibst. Ich weiß es, da ich mit dieser Frage genau das erfahren wollte. Doch nun hoffe ich, dass ich die Einzige für Dich bin.

Darf ich hoffen, Liebster?

Darf ich träumen, mein rettender Ritter?

Darf ich in Gedanken zu Dir reisen, wenn ich wieder nur in meinem Schlafzimmer sitze, ohne etwas tun zu dürfen, weil alle zu sehr um mein fragiles Herz fürchten?

Darf ich mich wenigstens bei Dir nicht mehr vorsichtig zurückhalten?

Apropos, Vorsicht ist in Maßen eine gute Tugend und geschickt, sie zu haben. Als Kind war selbst diese ein Fremdwort für Dich. Du bist also weit gekommen.

Meine Schwester, diese herzensgute und wertvollste Seele, ist glücklicher denn je. Ihr Glaser ist sehr gut zu ihr und sie ist weit genug von Abu fortgezogen, dass sie ein aktives, aufregendes Leben führen kann. Manchmal habe ich mit dem Gedanken gespielt, mir selbst einen Glaser zu suchen. Doch habe ich ihn schnell wieder verworfen. Du bist nicht zufällig des Gläserns mächtig?

Erst jetzt erinnere ich mich an Deine Frage, ob ich glücklich sei. Das ist eine sehr schwierige Frage, die ich an der Stelle gern an Dich zurückgeben möchte. Aber damit allein wirst Du Dich nicht zufriedengeben, wie ich Dich kenne. (Du bist nicht der Einzige, der solche Andeutungen kann.) Ich würde sagen, ich bin zufrieden. Glück ist schön, davon zu träumen, aber in Wahrheit unerreichbar. Dir zu schreiben und Deine Stimme zu hören kommt meiner Traumidee von Glück wohl am nächsten.

In Liebe,

Z