II. M
Liebe L,
oder sollte ich sagen: liebes Gläschen? (ein passender Deckname für Dich)
danke, danke, danke für Deinen Brief!
Du glaubst gar nicht, wie sehr ich mich gefreut habe, dass Du mir schreibst. In den Jahren – sind es schon neun? – seit unserem letzten Treffen habe ich oft an Dich gedacht, Dir sogar geschrieben, mich aber nicht getraut, Dir meine Briefe zu schicken.
Wie absurd! Ich, der sich vor nichts fürchtet, bringt nicht den Mut auf, Dir Briefe zu schicken. Doch ich bin sicher, Du verstehst meine Gründe, haben Dich doch ähnliche dazu getrieben, einen anderen Namen zu verwenden.
Sehr klug! Wenn auch schwierig, meine Antwort zu Dir kommen zu lassen ...
Ich sende es einfach an diese Adresse zurück in der Hoffnung, diese möge die rechte sein, wenn es schon nicht der Name ist.
Zu Deinen Fragen: Ja und nein. Eigentlich lebe ich nicht mehr bei meinen Eltern, aber habe auch kein eigenes Heim, weshalb sie immer noch meine Korrespondenz verwalten. Jetzt wirst Du Dich fragen, wie das möglich sei, aber lass mich erklären.
Ich bin ausgezogen, das Fürchten zu lernen. Dafür reise ich um die ganze Welt und bleibe nirgends lang genug, um Wurzeln zu schlagen. Nur gerade so lange, um die Gefahren eines Ortes kennenzulernen. (Und die Briefe, die mir meine Eltern zu Gasthöfen voraussenden, zu erhalten).
Bisher hat mich noch nichts das Fürchten gelernt. Vielleicht mein nächstes Ziel? Dort soll es eine gestaltwandelnde Spinne geben.
Doch genug von mir.
Du, hast nichts von Dir verraten. Dabei musst Du doch wissen, wie sehr ich auf Neuigkeiten von Dir brenne. Ich habe es immer geliebt, Dir zu lauschen. Glaub es oder nicht, als ich Deinen Brief gelesen habe, hörte ich Deine Stimme im Ohr. Ebenso wie sie damals klang, als Du mir von unserer gemeinsamen Zukunft erzähltest. Zu der ist es nicht gekommen, aber vielleicht ist das ein Neuanfang.
Beste Wünsche,
M
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro