99. Kind des Schicksals
So. Es tut mir leid für all das Drama... Aber es geht weiter. Hehe. Viel Spaß mit dem Kapitel, ein wenig kurz aber süß.❤️
Live here in the moment
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Pov Louis
Der nächste Morgen kam ebenso zu schnell und zu früh wie der danach. Und der Darauffolgende machte da auch keine Ausnahme.
Harry übernachtete jede der Nächte bei mir und zu meiner Überraschungen schafften wir es beide, morgens auch wieder aus der Höhle der Geborgenheit und Wärme zu kriechen, die mein Bett darstellte, um zur Schule zu gehen.
Gut, ich schaffte das nur, weil Liam mich sonst umbringen würde. So kurz vor den Prüfungen durfte ich nicht wegen Müdigkeit blaumachen.
Ich würde gerne behaupten, dass ich mit Haz an meiner Seite besser schlief, aber genau das Gegenteil war der Fall. Der Junge mit den braunen Locken hatte nämlich schon immer die Angewohnheit gehabt, die ganze Nacht lang verzweifelt nach Körperwärme und Nähe zu suchen, was dazu führte, dass er nur gut durchschlief, wenn er sich an mich presste. Wenn ich wirklich müde war, empfand ich das als schön und das war's dann, aber wenn ich noch wach lag und seine Wärme neben mir spürte, wanderten meine Gedanken in die Ferne, mein Herz konnte nicht ruhig bleiben und meine Augen fanden immer wieder Harrys engelsgleiches Gesicht.
Ich fand das gleichzeitig gruselig und tröstlich. Manche Dinge veränderten sich wohl nie. Und spätestens wenn der Mond über den Häusern nur noch blass glänzte und die Dunkelheit sich lichtete, fielen mir die Augen dann doch zu. Blöd, dass es dann auch nicht mehr lang zum Aufstehen war.
Wenigstens wusste ich, dass mein bester Freund tatsächlich wenig Alpträume durchstehen musste. Er schlief neben mir immer wie ein kleines Kätzchen, eingerollt und mit Vorliebe mit dem Kopf auf meiner Brust. Stundenlang konnte ich seinem gleichmäßigen Atem lauschen und bei jedem kleinsten Murmeln von Haz schreckte ich hoch, um zu hören, ob er nicht doch schlecht träumte. Meistens brabbelte er aber übers Meer. Er freute sich mehr auf Australien, als er zugab.
Auch am Freitagmorgen, dem Tag des Abfluges, lag ich bis in die frühen Morgenstunden mit weit geöffneten Augen auf dem Rücken und betrachtete still den leuchtenden Stern an der Decke. Das Plastikteil starrte zurück und gab mir irgendwie seit Stunden das Gefühl, ich sollte mehr spüren als nur diese Leere, die sich in mein Herz gefressen hatte, als Haz gestern Abend seinen Koffer geschlossen hatte.
Es war albern, ja. Aber irgendwie war ich noch nie mehr als ein Wochenende ohne Harry fort gewesen oder er ohne mich. Meine Mom hatte nie das große Geld besessen, um in den Urlaub zu fahren, und wenn wir uns dann mal auf den Weg zum Meer gemacht hatten, war Haz immer neben mir gereist. Seine Familie war sowieso nie weggefahren. Und jetzt würde er für 10 Tage auf einem anderen Kontinent sein.
Ich seufzte. Es war albern, ja. Aber das, was in mir vorging. Und weil ich weder meine Angst, dass das hier schief gehen würde, noch meine Furcht vor dem Alleinsein an die Oberfläche lassen wollte, gab ich mich mit der Leere ab. Vermissen würde ich Haz sowieso. Er sollte nur bloß nicht mitbekommen, wie verdammt sehr.
Der blöde Stern zwinkerte mir zu. Jaja, der wusste, was ich fühlte, wusste er schon immer. Ich drehte den Kopf, um das vielsagende Grinsen des nicht mal realistisch gestalteten Himmelskörpers nicht sehen zu müssen.
Himmel, ich war ja mal so unglaublich übermüdet. Das war ja gruseliger als high zu sein!
Mein Blick fand im Halbdunkeln des durch die Lichter der Stadt beleuchteten Raumes - seit gestern hatte Harry darauf bestanden, die Nachtischlampe auszuschalten, weil er dachte, meine Augenringe wären Resultate der Lichtverhältnisse beim Einschlafen - schnell die geschlossenen Augenlider meines besten Freundes, der träumerisch zu schlummern schien.
Harry hatte seine Beine mit meinen verwinkelt, als würde er mich daran hindern wollen, das Bett ohne ihn zu verlassen. Ansonsten sah er aus wie ein auf den Rücken gefallener Käfer. Seine Arme hatte er von sich fort gestreckt, der rechte lag auf meiner Brust, die linke Hand hing aus dem Bett hinaus. Sein Kopf war mir zugeneigt, die braunen Locken malten ein Muster auf die weiße Matratze - das Kopfkissen hatte Harry längst irgendwo anders hin geschoben - und sein schönes Gesicht wirkte frei von der Anspannung, die es Tagsüber dauerhaft zeichnete. Sogar der kleine Fleck Spuke an seinem Kinn trug zu dem Bild der Zufriedenheit bei, das Haz hier abgab.
Ich seufzte abermals und drehte mich endgültig auf die Seite, um mich Harry zuzuwenden. Er war nicht so gemein wie der Stern und grinste mich herablassend an, er wusste nicht längst alles über meine Gefühlswelt. Hoffte ich jedenfalls.
Ich schloss die Augen, um mir weniger wie ein gruseliger Typ vorzukommen, der seinen schlafenden Kumpel beobachtete, und atmete tief durch. Aber statt sein Gesicht zu sehen kroch mir jetzt vanilliger Geruch in die Nase und rüttelte mich wieder wach. Auch die Wärme, die sein kleiner Körper ausstrahlte, wurde irgendwie immer physischer...als könnte ich sie vor meinem inneren Auge sehen. Das konnte doch wohl nicht wahr sein! Warum reagierte mein Körper so unglaublich stark auf alles, was mit Harry zu tun hatte?!
Ich stöhnte laut auf und fuhr mir fahrig mit der Hand über die Augen, während ich mich wieder auf den Rücken wälzte. Wenn ich schon nicht schlafen konnte, konnte ich mich auch von einem dummen Plastikstern verhöhnen lassen, mir doch egal.
,,Lou?"
Bildete ich mir jetzt auch noch Stimmen ein oder war ich wirklich blöd genug gewesen, Hazzy mit meinem Gestöhne aus dem Schlaf zu reißen? Ich drehte den Kopf zurück zur Seite und blinzelte.
Blau traf Grün.
,,Was ist los, Louis?", flüsterte Harry ganz verschlafen, während er sich die verquollenen Augen mit der linken Hand rieb. Es sah niedlich aus. Ich biss mir auf die Zunge.
,,Nichts, ich...kann bloß nicht schlafen.", gab ich zu und blickte aus dem Augenwinkel zu dem Stern hinauf. Wehe, er petzte jetzt, dass das an Harrys Anwesenheit oder vielleicht auch seiner morgigen Abwesenheit liegen könnte. Keine Ahnung.
,,Wegen dem Licht? Die Vorhänge...", begann Harry, unterbrach sich aber selbst durch ein kleines Gähnen. Ich rollte mit den Augen und tastete nach seiner Hand auf meiner Brust.
,,Quatsch mit Soße, Hazzy. Ich kann einfach nur nicht schlafen, weil...mir so Einiges durch den Kopf geht. Das hat nichts mit dem Licht zu tun." Aber mit dir.
Harry blinzelte müde durch seine vom Traum verklebten Wimpern zu mir rüber. Wir waren uns wohl nah genug, damit ich sie im Dunklen sehen konnte. Ich spürte die Gänsehaut meinen Rücken hinunter rieseln.
,,Was...was geht dir denn so durch den Kopf, Lou?", wisperte Harry leise und unterdrückte ein Gähnen, während er mir sanft seine Hand entzog, um sich herum zu wälzen. Seine Augen fanden den Plastikstern und ich bemerkte das kleine Lächeln auf seinen Lippen mit einem warmen Gefühl in der Brust.
Für einen Moment blieb es still im Dunklen Zimmer. Ich drehte den Kopf zurück zur Decke und bewunderte ein paar Sekunden das Muster aus kleinen Lichtstreifen, dass die Beleuchtung der umliegenden Häuser durch die Fenster hinein malte. Es hatte durchaus etwas, nicht in völliger Finsternis zu schlafen. Die Nacht konnte wunderschön sein. Und mit Harry neben mir vermutlich auch absolut nicht unheimlich.
Ich lauschte der Stille, bis Harry sachte an meinem Oberteil zupfte.
,,Alles und nichts." Eine schwache Antwort. Aber vielleicht auch die Einzige, die ich geben konnte.
,,Alles ist viel. Nichts ist schwierig."
Harry rieb sich erneut über die Augen, aber seine Stimme war nicht länger rau vom Schlaf und das Gähnen blieb auch aus. Seine Hand lag noch immer an meiner Seite und sendete Wellen aus Wärme und sprühenden Funken durch meinen Körper. Am Liebsten würde ich danach greifen. Es verwirrte mich.
,,Glaubst du an das Schicksal?"
Harry schien in einer ziemlich gesprächigen Stimmung zu sein. Seine tiefgründigsten Gedanken sprach er selten ernsthaft aus, weil man die eben nicht mit jedem besprach, aber grade schien er sich ganz wohl zu fühlen. Obwohl es viel zu spät für so ein Gespräch war. Oder zu früh. Wie auch immer.
,,Was meinst du mit Schicksal?" Ich lächelte die samtige Dunkelheit in der Ecke neben der Tür an. Meine Augenlider schienen grade jetzt schwerer zu werden, mein Körper war trotzdem hellwach.
,,Naja...ein Plan. Eine Idee, ein Traum. Such dir auch, wie du es nennen magst. Irgendetwas, was...vorherbestimmt ist. An dem man nichts mehr ändern kann."
,,Schicksal. Vorherbestimmt.", echote ich leise.
Ich runzelte die Stirn und schloss für einen Moment die Augen. Das hörte sich irgendwie nicht ganz richtig an. Für mich gab es sowas wie den gemeißelten Lebensweg nicht, keine höhere Macht, die meine Zeit hier auf Erden längst durchgeplant hatte und die Fäden hinter allem zog. Meine Mom hatte immer gesagt, jeder besäße den freien Willen.
,,Ich glaube, ich glaube an das Kind von Schicksal."
Harry kicherte leise und das Geräusch klingelte in meinen Ohren. Ich blinzelte träge zu ihm herüber.
,,Lach nicht."
,,Tue ich gar nicht, Lou. Ich hab nur...wer ist denn das Kind vom Schicksal?" Harry blickte zu mir und seine Hand wanderte ein Stückchen weiter, um seine Finger über meinen Oberarm tanzen zu lassen. Ich blinzelte.
,,Weiß nicht. Niemand, der dir alle Entscheidungen wegnimmt, weil es sowieso auf diesen einen Lebensweg hinausläuft. Eher so...ein Wegaufweiser."
,,Ein Wegweiser.", vermutete Hazzy.
,,Nein, Wegaufweiser." , korrigierte ich. Harry lächelte warm.
,,Und was tut er so?"
,,Naja...es gibt mit Sicherheit verschiedene Wege, die du im Leben einschlagen kannst. Es gibt Kreuzungen, Einbahnstraßen, Wendehammer, Abkürzungen...und so Zeug eben. Und immer wieder, bei jeder Entscheidung, veränderst du selbst deine Zukunft. Das Kind vom Schicksal steht daneben und zeigt dir, was du alles tun kannst. Wählen musst du selbst.", erklärte ich leise und starrte in die grünen Augen, die mich so sanft ansahen, dass ich nicht mehr blinzeln wollte.
,,Wählen muss man selbst?"
,,Darf man selbst. Tut mir leid. Falsches Wort.", verbesserte ich mich selbst.
,,Was, wenn man nicht weiß, welcher Weg der Richtige ist? Das Schicksal würde doch sicher den, der dir gehört, rausfiltern und dich drauf schicken, aber das Kind der Schicksals kann das ja nicht. Wie soll man denn entscheiden?"
Harry klang unzufrieden mit dem Kind des Schicksals. Andererseits traf Harry auch schrecklich ungern wichtige Entscheidungen. Und in letzter Zeit musste er viele davon treffen. Vielleicht wollte er deswegen sein Schicksal haben. Ich gähnte.
,,Hm. Aber Hazzy...es ist dein Leben, nicht das des Schicksals. Du musst selbst wählen, was du für das Beste hältst, was du tun magst."
Der Lockenkopf runzelte die Stirn und drehte den Kopf von mir weg. Sofort klappten meine Augen wieder zu.
Erneut überfiel uns eine ohrenbetäubende Stille, die mich gleichzeitig ganz kribblig und ganz müde machte. Ich wollte schlafen. Gleichzeitig wollte ich mit Harry reden. Und noch viel mehr wollte ich, dass es niemals Morgen werden würde. Albern. Aber wenigstens verschwand die Leere Stück für Stück und füllte sich mit Wärme, Zuneigung und - wie könnte es anders sein - Sorge. Der verfluchte Stern grinste sicher auch wieder blöd vor sich hin. Himmel, ich sollte schlafen.
,,Ich sollte mich mit dem Kind des Schicksal anfreunden, hm?", flüsterte Harry und ich hörte, wie er sich wieder auf die Seite drehte, um mich ansehen zu können. Ich öffnete die Augen.
,,Wäre doch mal ein Anfang."
Harry lächelte sanft und zog die Decke ein Stück höher, um mich damit einzupacken. Er rutschte näher, hielt aber dann ruckartig inne und sah ein wenig unsicher von mir fort.
,,Louis, ich rück dir ganz schön auf die Pelle, oder?"
,,Was - "
,,Ich meine, wir sind beste Freunde und schlafen so oft in einem Bett, ich weiß ja, dass das für dich okay ist...aber ich dachte, ich bin...bin ich zu...zu..." Harry rang nach Worten und ich brauchte einen Moment, bis es Klick machte. Mein Gehirn fühlte sich eh schon lange so an, als wäre es in Watte gepackt worden. Oder einfach nicht existent.
,,Komm her, Sun. Wenn es dich nicht stört, mit mir zu kuscheln, wenn du dich nicht unwohl fühlst oder lieber alleine wärst, dann habe auch ich keine Probleme damit. Ich mag es, wenn du da bist. Ich spüre dich und deine Wärme gerne neben mir. Ich mag es so am Liebsten."
Gut, vielleicht war der letzte Teil zu viel es Guten gewesen, aber so war es nun einmal. Egal, wie viel Anspannung und wie viele kleinen Feuerwerke er in mir auslöste, neben ihm fühlte ich mich trotzdem wohl. Auch ohne Schlaf. Das war mein Kopf schuld, nicht Harry.
Besagter Grünäugige starrte mich verdutzt an, nachdem ich die letzten Sätze verkündet und mir ein Gähnen verkniffen hatte. Kurz bekam ich es mit der Angst zu tun: Was, wenn ich ihn jetzt verschreckt hatte? Ich kannte seine Schuldgefühle schließlich zu gut.
Aber Haz tötete die Angst schon bevor sie überhaupt zu niesten begonnen hatte, indem er ein Lächeln lächelte, was mich mit Wärme erfüllte und diese Wärme dann physisch spürbar machte, als er sich an meine Seite kuschelte. Ein wohliger Seufzer entkam meinen Lippen und Harry drückte sein Gesicht in meine Brust, als ich meinen Arm um ihn schlag, darauf bedacht, ihm trotzdem seinen Platz zu lassen. Ich schloss die Augen. Meine Müdigkeit schien größer als die tanzende Menge an Emotionen in meinem Herzen zu sein.
,,Sollen wir doch die Vorhänge...", begann Harry ein letztes Mal, aber ich zupfte nur beruhigend an seinem Shirt.
Er gab Ruhe und ich wartete nur einige Minuten, bis sein Atem tief und regelmäßig in meinen Ohren erklang. Dann erlaubte mir mein Kopf, mich ebenfalls in die Traumwelt zu verabschieden.
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So. Ein kleines Nachtgespräch. Nächstens Kapitel gehts nach Australien, versprochen.
Was denkt ihr über das Schicksal?
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