67. Schmerzende Gedanken
Weiter mit dem Krankenhausaufenthalt!
Hab euch lieb, danke für alles!
We don't talk enough
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Pov Franzi
Eine Dreiviertelstunde später hatte man Harry auf ein Zimmer gesteckt und beschlossen, ihn zumindest für heute Nacht hier zu behalten. Mein bester Freund hatte eine leichte Gehirnerschütterung und die Würgemale an seinem Hals und Kehlkopf hatte Doktor Brown zum Grund genommen, ihm das Sprechen vorerst zu verbieten. Nun trug Harry einen Verband am Kopf, bekam jede Stunde eine neue Schicht Heilsalbe auf den Hals geschmiert und auch seinen Brustkorb hatte man bandagiert - eine seiner Rippen war wohl leicht angeprellt.
Ich wollte mir nur ungern vorstellen, was genau dem Jungen widerfahren war. Die Verletzungen zeigten nur, welche Schmerzen er gehabt haben musste.
Wir hatten für genau zehn Minuten die Möglichkeit bekommen, ihn zu sehen, bevor man uns wegen der bald anbrechenden Nachtruhe aus dem Krankenhaus werfen würde. Die Gelegenheit ließ sich keiner von uns entgehen, also drängten wir uns jetzt mitsamt Roman in das kleine Krankenhauszimmer, in dem Harry untergebracht worden war. Er schien keinen Bettnachbarn zu haben, was ich als positiv auffasste.
Die kargen, weißen Wände des kleinen Raumes, der von uns allen völlig eingenommen wurde, ließen das ganze Ambiente extrem trist und kalt wirken, was aber irgendwie zu den Gefühlen passte, die in mir tobten. Grade schien alles einfach nur schrecklich zu sein. Der Streit mit Nick tat noch immer weh, unsere räumliche und emotionale Distanz ebenso wie die unausgesprochnen Wahrheiten, die uns trennten. Ich hoffte einfach, dass wir das wieder hinbekommen würden.
Aber was mich noch viel intensiver beschäftigte und aufwühlte waren Harrys fast schon ängstlichen Augen, seine blasse Gesichtsfarbe und die mit unerträglicher Spannung aufgeladene Atmosphäre im Zimmer.
Ich glaubte nicht wirklich an Dereks Unschuld und ich glaubte auch nicht, dass Harry grade mit seiner Beziehung glücklich war - nur wie ich ihm helfen konnte, dass wusste ich nicht.
Emma hatte Harrys Tasche mitsamt Klamotten, Hygieneartikeln und ein paar Büchern sowie seinem Laptop neben das Bett gestellt und ein sehr dankbares Lächeln dafür geerntet. Ich war ihr ebenfalls dankbar, dass wenigstens sie kurz rational geblieben war und Haz sein Zeug mitgebracht hatte. Niemand sonst war auf diese Idee gekommen. Wahrscheinlich war der Rest der WG in Panik und Hysterie verfallen und wild ins Auto gehüpft.
Harry selbst ruhte jetzt mit noch immer glanzlosen Augen in einer Schonhaltung im Krankenhausbett und war offensichtlich längst voll Schmerzmittel gepumpt worden, weshalb er uns allen nur ein Lächeln schenkte, als wir sein Zimmer betraten. Seine Blicke waren nicht ganz verständlich für mich, aber er war tierisch angespannt, das bemerkte jeder von uns. Neben der Spur wirkte er aber auch: Nicht einmal Roman schien ihn zu irritieren, dabei kannten sie sich gar nicht und Harry würde seine mit Liam verschränkten Hände sonst definitiv zum Anlass nehmen, ihn ganz genau kennenzulernen - ein klares Zeichen seiner momentanen Unzurechnungsfähigkeit.
Und genau aus diesem Grund sprach auch zumindest vorerst niemand von uns über den heutigen Vorfall.
Ich war mir nicht sicher, in wie weit die anderen über eine mögliche Verwicklung von Derek in diese ganzen Sache dachten, aber ich war mir sicher, dass hier etwas ziemlich faul war. Derek hatte beim vorherigen Gespräch mit Doktor Brown sämtliche Details des Vorfalls ausgelassen, seiner Schilderung nach war Harry lediglich in eine Prügelei geraten. Er hatte kein Wort über die Motive dahinter, den Ort des Geschehens oder Sonstiges verlauten lassen, es hatte ziemlich kompromittiert und möglichst offen für jede Interpretation geklungen. So, als wäre sich Derek selbst nicht sicher, was passiert war.
Das und die Tatsache, dass Harrys Freund mir die ganze Zeit unergründliche Blicke zugeworfen hatte und der fehlende Glanz in den Augen meines besten Freundes gaben mir schon zu denken. Aber ein schlechtes Gefühl in der Magengegend und wilde Theorien brachten mich nicht weiter, ich wollte endlich jemanden, der mir klare Antworten gab. Nur scheinbar wollte niemand diese Aufgabe übernehmen, was mich zusehends verzweifeln ließ. Aber aufgeben würde ich nicht. Dazu war ich zu neugierig und zu besorgt um meinen besten Freund, der ein Wien Hilfe mit Sicherheit bitternötig hatte.
Jetzt ging es allerdings erstmal darum, Harry zumindest in den verbleibenden Minuten bis zu Nachtruhe zu unterstützen.
,,Wie fühlst du dich, Haz?", fragte Louis auch schon, der mich seit meiner Aktion in der Notaufnahme immer noch mit keinem einzige Blick gewürdigt hatte, mit besorgtem Unterton. Der Ältere hatte sich wie selbstverständlich an Harrys Bettkante gesetzt und damit einen mordlustigen Derek am Hals, der es sich auf der anderen Seite bequem gemacht hatte. Diese Eifersucht war wirklich extrem ausgeprägt! Nick hingegen wirkte nach einem Blick auf Haz soweit beruhigt, dass er auf der Fensterbank hatte Platz nehmen können, was uns anderen die wenigen Stühle und das unbelegte Bett als Sitzmöglichkeiten eröffnete.
Harry selbst hatte seit unserem Betreten des Zimmers außer für ein paar Blicke zu mir nichts anders als Louis angesehen, als wolle er es vermeiden, Derek oder einen von uns anzusehen. Ich wusste nicht, warum er das tat, aber es machte seinen Freund von Sekunde zu Sekunde wütender. Was wahrscheinlich nicht besonders vorteilhaft war.
,,Besser. Ich fühle irgendwie so gut wie gar nichts, solange in mich nicht bewege.", antwortete der Lockenkopf auf die Frage des Blauäugigen. Obwohl es ihm verboten war zu sprechen und obwohl seine Stimme leise, dünn und ziemlich rau klang. Ich runzelte die Stirn. Wieso hatte Louis ihn überhaupt zum Reden gebracht, die Anweisungen des Arztes waren doch ziemlich eindeutig gewesen?!
Harrys Worte und sein Blick sollte wohl eine beruhigende Wirkung auf Louis haben, trug aber im Grunde nur dazu bei, dass die Stimmung im Krankenzimmer noch ungemütlicher wurde.
,,Wie konnte das passieren?", fragte Liam mit einem misstrauischen Stirnrunzeln und lächelte nur schwach Harry zu. Ich schnaubte leise. Was an den Worten Sprechverbot und Erholung hatten die eigentlich nicht verstanden? Andererseits...ich wollte schon hören, was die Antwort auf Liams Frage sein würde. Mal sehen, wie die Jungs reagieren würden.
Harry zuckte zusammen. Er vermied weiterhin jeden Blick zu seine Freund, er blinzelte lediglich von Louis blauen Augen zu den braunen von Liam hinüber und öffnete grade den Mund, um etwas zu sagen, da schaltete sich Derek ein. Wie ein dunkler Schatten begab er sich näher an das Bett meiner besten Freundes heran und griff nach dessen Hand, um diese fest zu drücken.
,,Ein Unfall, Liam. Kein Grund zur Beunruhigung, ich passe demnächst besser auf Harry auf. Und jetzt lasst ihn schweigen.", erklärte er ziemlich unverbindlich und mit einer klaren Drohung in der Stimme. Ob die nun an Harry oder an uns gerichtet war, war mir nicht klar, aber der eiskalte Ausdruck in seinen schwarzen Augen jagte mir einen Schauer über den Rücken. Dieser Kerl konnte wirklich die Definition von Einschüchterung verkörpern. Ein weiterer Grund, der mich daran zweifeln ließ, dass ein paar Idioten das Paar verprügelt hatten. Wer bei halbwegs gesundem Menschenverstand würde einen Typen wie Derek angreifen, egal wie ungefährlich Haz neben ihm wirkte und wie groß konnte die Überzahl schon gewesen sein?
Ich musterte meinen besten Freund. Die Hand, die Derek ergriffen hatte, zitterte schmerzhaft offensichtlich und seine komplett verspannte Haltung, die in seinem Zustand sicher nicht angenehm war, verdeutlichte die schwierige Situation noch weiter. Harry fühlte sich absolut gar nicht wohl. Er sah er so aus, als wolle er am liebsten wegrennen oder so.
Eine Bewegung in meinem Augenwinkel brachte mich dazu, den Kopf zu drehen, um Nick anzuschauen. Mein Freund war von der Fensterbank gerutscht und einen Schritt näher an Derek herangetreten, welcher ihn nun ebenfalls fixierte. Wenn mich nicht alles täuschte, dann schenkte Nick Harrys Freund einen ziemlich vorwurfsvollen Blick, bevor er sich mit einem so extrem unwirklichen Grinsen an uns alle wandte, dass mir schlecht wurde.
Was genau verbarg Nick? Erst die Sache mit dem Streit mit seinem Bruder, über die er nicht sprechen wollte, dann seine Weigerung, ebendiesem durch eine Erklärung mit seinen traumatischen Problemen zu helfen und dann das Telefonat mit Derek, bei dem nicht alles einen für mich ersichtlichen Sinn gab. Nick erschien mir seit heute nicht mehr ganz Vertrauenswürdig und ich fühlte mich extrem schlecht dafür, dass ich ihm nicht vertraute, wo er doch immer so süß zu mir war, aber hier stimmte ganz schön viel nicht.
So langsam zweifelte ich sogar an dem Zufall, dass ausgerechnet Harrys Bruder mich liebte. Auch, wenn ich mir bewusst war, dass dieses Misstrauen höchstwahrscheinlich zu weit ging, ich wollte grade nicht unbedingt in der Nähe meines Freundes sein, der offensichtlich nicht die ganze Wahrheit sagte oder sogar schauspielerte.
Es tat einfach weh.
Ich hasste die Gefühle, die mir diese ganze Situation gab. Die Angst um Harry, der Hass auf Derek, der einfach nicht ganz unschuldig sein konnte und dann noch die Frustration über Nicks Schwiegen, gemischt mit dem Schmerz, den es mir bereitete, ihn so falsch lächeln zu sehen. Ich wollte, dass er einfach wieder der süße Nick von heute Mittag wurde, mich in den Arm nahm und mir auf jede meiner Fragen eine vernünftige und befriedigende Antwort gab. Fertig. Diese Ungewissheit in jeglicher Hinsicht machte mich noch verrückt.
Aber es gab im Grunde nichts, was ich dagegen tun konnte. Nick musste sich mir öffnen und meine Zweifel ausräumen, einen anderen Weg gab es nicht, um unsere Beziehung wieder so schön werden zu lassen, wie sie es gewesen war. Und was Harry anging...hier würde ich mir selbst Klarheit verschaffen müssen und dann war Schluss mit Lustig. Hier musste wirklich mal was passieren, sowohl hinsichtlich der Panikattacken, die wir nicht einfach ignorieren konnten und auch hinsichtlich Derek.
,,Wir sollten Harry wirklich Ruhe lassen, er muss sich erholen. Lassen wir ihn doch noch ein paar Minuten mit seinem Freund genießen und gehen schon mal raus, hm?", schlug Nick grade vor und lächelte fast schon diabolisch.
Ich schluckte. War das sein Ernst? Wieso sah er denn nicht, wie Harrys Hand in der seines Freundes zitterte oder wie unstimmig diese ganze Geschichte mit den Unfällen war? Wieso beachtete er den fast schon angsterfüllten Blick seines Bruders nicht oder half diesem mit seinen Panikproblemen? Er konnte doch nicht wirklich so blind und naiv sein, oder?
Ich wandte den Blick zu meinen Freunden. Dass Liam die Sache so wie ich sah, wusste ich natürlich und sein absolut fassungsloser Blick in Richtung Nick machte das auch mehr als deutlich. Louis schien den Worten meines Freundes sowieso kein Gehör zu schenken, der starrte nur zu Dereks und Harrys verschränkten Händen und runzelte die Stirn, wobei seine Augen einen zutiefst beunruhigten Ausdruck zur Schau stellten. War er vielleicht auch zum selben Schluss gekommen, wie ich und Liam?
Der Rest meiner Mitbewohner schien von den Geschehnissen zumindest ordentlich verwirrt worden zu sein, Zayn und Nils starrten Derek stirnrunzelnd an und auch Niall und Emma schienen diese ganze Geschichte mit den Unfällen nicht länger zu glauben. Ich atmete erleichtert auf. Vielleicht hatte dieser Abend wenigstens etwas Gutes: vielleicht hatte er meinen Freunden die Augen geöffnet und sie ebenso zum nachdenken gebracht, wie er mich zum zweifeln gebracht hatte.
Blöd nur, dass ich nicht länger nur an Derek zweifelte, sondern nun auch an Nick.
,,Ich gehe nirgendwo hin.", antwortete also ausgerechnet ich und widersprach damit meinem Freund, der mich auch sofort fast schon schockiert anstarrte. Ich ignorierte ihn. Es tat weh.
,,Sehe ich auch so.", sprang Emma mir zur Seite und sah einmal zwischen mir und Nick hin und her, bevor sie mir ein herzliches Lächeln schenkte. Auf meine beste Freundin war also Verlass. Und natürlich hatte sie gemerkt, dass etwas zwischen mir und Nick nicht stimmte. Mein Herz schmerzte bei diesem Gedanken, aber der Schmerz war kein Vergleich zu dem Schmerz, den ich empfunden hatte, als meine Mom verstorben war. Meine Toleranzgrenze lag also noch in weiter Ferne. Ich schluckte.
,,Aber...", setzte Nick beinah verzweifelt an, wurde aber sofort von Niall unterbrochen, der ihn zur Seite schob, um selbst zu Harry ans Krankenbett zu treten.
,,Ist beschlossene Sache, spar dir die Luft."
Ich musste fast grinsen, als ich Nialls trockenen Tonfall wahrnahm und Nicks vollkommen überraschtes Gesicht musterte. Aber nur fast. Dazu war die ganze Situation zu falsch und schmerzte zu sehr.
Ich löste blinzelnd den Blick von Nick, um zu meinem besten Freund zu blicken. Um ihn ging es hier schließlich. Harry lauschte zwar offensichtlich irgendetwas, das Louis ihm erzählte, aber seine Augen lagen auf mir. Und für einen Moment schien der Glanz in sie zurückzukehren, als sich unsere Blicke trafen.
In seinem las ich nur eins:
Hoffnung.
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Das war es dann auch schon.
Tut mir leid, dass es dieses Mal so kurz ist, aber ich habe einfach das Gefühl, dieser Cut passt besser als der, den ich zuvor geplant hatte...sorry!
Was haltet ihr von der Situation und Nick?
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